Expertin des Monats
Juni 2021
DIin Elisabeth Gütl
Ich habe noch ganz genau ein Statement in Erinnerung, von einer Jobmesse für technische Studien in Wien im Jahr 2019. Mir wurde mitgeteilt, dass mein Äußeres nicht dem einer technischen Studentin entsprechen würde. Diese und andere Erfahrungen haben mich bestärkt, als Frau in der Technik alles zu geben und aus der Masse hervorzustechen. Nicht zuletzt hat mich dieser Ehrgeiz und mein Können zur stellvertretenden Projektleiterin im Unternehmen schon nach so kurzer Zeit gemacht. Ich würde deswegen allen Frauen im Technikbereich raten, sich nicht entmutigen zu lassen durch schlechte Erfahrungen und beharrlich den eigenen Weg zu verfolgen. Genau durch diese Erfahrungen wächst man am meisten über sich hinaus.
Interview
Interview mit Elisabeth Gütl
Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Auf meiner Visitenkarte steht:
System Engineer
Great Wall Motor Austria R&D GmbH
Was macht Great Wall Motor genau?
Great Wall Motor (GWM) ist Chinas größter Sport Utility Vehicle (SUV) Hersteller mit mehr als 80.000 MitarbeiterInnen weltweit. GWM verfolgt das strategische Ziel, führende Fahrzeugtechnologie mit intensiven Investitionen in Forschung und Entwicklung zu entwickeln. Der strategische Fokus von GWM Austria liegt auf der Entwicklung elektrischer Antriebssysteme für Hybrid- und Elektrofahrzeuge.
Sie sind „System Engineer“. Was machen Sie da genau?
Als System Engineer bei Great Wall Motor Austria bin ich zuständig für die Anforderungserhebung, das heißt, welche technischen Anforderungen an das Produkt gestellt werden. Die Machbarkeit der KundInnenanforderungen wird mit den ExpertInnender einzelnen Abteilungen diskutiert und geprüft. Nachfolgend werden daraus Systemanforderungen abgeleitet, welche die Grundlage der Entwicklungsarbeit darstellen. Im weiteren Schritt wird die Systemarchitektur definiert. In der Systemarchitektur wird das Gesamtsystem in Teilelemente aufgespalten und die Schnittstellen zwischen den Elementen werden definiert und beschrieben. Ein Aufgabengebiet von mir ist auch die Failure Mode and Effects Analysis (FMEA). Die FMEA findet begleitend statt und versucht schon in der Designphase des Produkts mögliche Fehlerquellen zu erkennen und durch Gegenmaßnahmen das Risiko des Auftretens zu minimieren.
Was fasziniert Sie an Ihrem Job?
Der Automotive-Sektor befindet sich derzeit in einem massiven Umbruch und der Trend in Richtung Elektroautos nimmt immer mehr an Fahrt an. Allein Teil dieses Wandels zu sein ist schon faszinierend. In meinem Job konkret schätze ich, dass meine Tätigkeiten immer sehr abwechslungsreich sind, man jeden Tag etwas Neues dazu lernt und die Schnelllebigkeit der Branche einen antreibt und motiviert.
Wie hoch ist der Frauenanteil bei Great Wall Motor Austria?
Der Frauenanteil bei Great Wall Motor Austria liegt derzeit bei 10%.
Was unternimmt Great Wall Motor Austria zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Das Unternehmen wird von der Leidenschaft zur Technik, insbesondere der Elektromobilität, getragen. Im Unternehmen sind ExpertInnen mit einem hohen Ausbildungsgrad tätig, die Spaß an der Lösung technischer Aufgabenstellungen haben. Es zählen Wissen, Ausbildung, Erfahrung, technische und soziale Kompetenz. Das Geschlecht hat keinen Einfluss darauf, wie viel jemand verdient, oder wie jemand eingestuft wird.[BH1] Grundsätzlich gibt es zwei Regelwerke die bei der Gehaltsfindung zur Anwendung kommen. Zum einen gibt der Kollektivvertrag eine Einstufung in Beschäftigungsgruppen und Erfahrungsstufen vor, zum anderen gibt es eine bestehende Gehaltsstruktur, wo neue Mitarbeiter anhand ihrer Ausbildung und Berufserfahrung eingestuft werden, um eine faire Entlohnung innerhalb des Teams gewährleisten zu können.
Sie haben Maschinenbau an der Technischen Universität Wien studiert. Wie kam es dazu?
Als Schülerin habe ich drei Jahre in Folge an der Technischen Universität Graz am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft ein Sommerpraktikum im Rahmen des Programms „FIT Steiermark - Frauen in Technik und Naturwissenschaften“ gemacht. Im Zuge des Praktikums konnte ich sehr viele Einblicke gewinnen und wurde auch aktiv motiviert, ein technisches Studium zu wählen.
Warum haben Sie sich für einen Job in der Industrie entschieden?
Ich betrachte gerne das große Ganze und denke interdisziplinär Des Weiteren hat mich der Gedanke fasziniert, Ideen direkt in ein Produkt umzusetzen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich viele Mädchen, die vor der Wahl des Studiums oder des Berufs stehen, unter dem Berufsbild einer Ingenieurin nichts vorstellen können. Ich denke es braucht genau deswegen noch viel mehr Frauen, sowie Männer, die als Role Models von ihrem Arbeitsalltag erzählen können und schon jüngere Mädchen für die Technik begeistern können.
Wordrap mit Elisabeth Gütl
Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Mit Lego und Barbies, aber am liebsten in der Natur mit anderen Kindern.
Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Auf jeden Fall nach wie vor ein technisches Studium. Wahrscheinlich würde ich wieder Maschinenbau oder vielleicht auch Elektrotechnik wählen.
Mein Vorbild ist:
Im Laufe des Lebens habe ich von vielen Menschen und Begegnungen etwas lernen können – sie alle sind also zum Teil mein Vorbild und haben mich geprägt.
Was ich gerne erfinden würde:
Etwas, das mehr Zeit schafft oder das Zeitgefühl verlangsamt.
Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
Dann würde man aus dem vollen Potential schöpfen und eine noch reichere Ideenvielfalt haben.
Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
…dann würde sich ein neuer Führungsstil etablieren und die gläserne Decke für Frauen wäre endlich Geschichte.
Was verbinden Sie mit Innovation:
…neue Ideen und Möglichkeiten, Nachhaltigkeit, Effizienz, Fortschritt und neue Tätigkeitsfelder
Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Um Forschung und Wissenschaft unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen privater AkteurInnen betreiben zu können, sowie international am Zahn der Zeit zu bleiben.
Meine Leseempfehlung lautet:
Lean In von Sheryl Sandberg.
Great Wall Motor Austria Research & Development GmbH
Letzte Aktualisierung: 21.01.2022