FEMroute

FEMroute strebt die Integration von gender-spezifischen Faktoren in mobilitätsunterstützenden Systemen wie Routenplanern oder Navigationssystemen an. Dafür sollen zunächst gender-spezifische Unterschiede im Bereich der Routenplanung analysiert, ein Benutzermodell zur Erstellung gender-spezifischer Routen und Routenbeschreibungen entwickelt, Geodaten mit gender-spezifischen Informationen angereichert und die wissenschaftliche Community für gender-spezifische Aspekte in der Routenplanung sensibilisiert werden. FEMroute fokussiert auf die Routenplanung für FußgängerInnen.

FEMroute

Berücksichtigung gender-spezifischer Bedürfnisse in mobilitätsunterstützenden Diensten

Beteiligte Organisationen

Salzburg Research Forschungsgesellschaft mbH (Projektkoordination), Technische Universität Wien, Knoll & Szalai OG, Donauuniversität Krems 

Projektleiterin

DIin(FH) Elisabeth Häusler
elisabeth.haeusler@salzburgresearch.at

Laufzeit

September 2009 – April 2011

Homepage

http://femroute.salzburgresearch.at/

Ziele des Projekts

FEMroute strebt die Integration von gender-spezifischen Faktoren in mobilitätsunterstützenden Systemen wie Routenplanern oder Navigationssystemen an. Dafür sollen zunächst gender-spezifische Unterschiede im Bereich der Routenplanung analysiert, ein Benutzermodell zur Erstellung gender-spezifischer Routen und Routenbeschreibungen entwickelt, Geodaten mit gender-spezifischen Informationen angereichert und die wissenschaftliche Community für gender-spezifische Aspekte in der Routenplanung sensibilisiert werden. FEMroute fokussiert auf die Routenplanung für FußgängerInnen.

Fragestellungen

  • Welche Bedürfnisse und Anforderungen haben Frauen und Männer im Bereich der Routenplanung?
  • In welchen Anwendungs- und Nutzungskontexten verwenden Frauen und Männer Routenplanungs-Lösungen?
  • Wie können gender-spezifische Kriterien (z.B. Beleuchtung von Straßen) für die Routenplanung systematisch erfasst und gewichtet werden?
  • Wie können gender-spezifische Routenprofile (z.B. sichere Route) generiert werden?
  • Wie können gender-spezifische Informationen in Geodaten für Routing-Zwecke verfügbar gemacht werden?
  • Wie müssen Routing-Algorithmen angepasst werden, um gender-spezifische Routen berechnen zu können?
  • Wie kann die wissenschaftliche Community, aber auch die breite Bevölkerung für gender-spezifische Aspekte in der Routenplanung sensibilisiert werden?

Hintergrund des Projekts

Gender-spezifische Faktoren in Bezug auf Unterschiede im Mobilitätsverhalten, in der Raumwahrnehmung, Orientierung oder Navigation wurden bislang in der Entwicklung von Routenplanern und Navigationssystemen nicht berücksichtigt. So ist es beispielsweise in handelsüblichen Routenplanungssystemen möglich die kürzeste oder schnellste Route auszuwählen, nicht aber die sicherste Route. Auch wird die Angabe von Zwischenzielen nicht unterstützt, wodurch Wegeketten wie sie für Personen mit Betreuungspflichten typisch sind, nicht abgebildet werden können (z.B. die Kombination von Supermarkt, Apotheke und Kindergarten).

Geschlechter-/Gender-Konzeption

FEMroute fokussiert auf die Unterschiede im Mobilitätsverhalten und den Bedürfnissen an Routenplanungslösungen zwischen Frauen und Männern.

Ergebnisse

Zu Projektbeginn wurden Feldtests mit insgesamt 20 Testpersonen in Wien durchgeführt. Zusammen mit der Testleiterin sammelten die Testpersonen in individuellen Begehungen entlang einer vordefinierten innerstädtischen Route Routeneindrücke und Routenauswahlkriterien. Die Testpersonen wurden an jedem Entscheidungspunkt zu ihren Eindrücken bezüglich der psychologischen Qualitäten „Attraktivität“, „Komfort“ und „Sicherheit“ des zuvor gegangenen Routensegments befragt. Sie mussten zudem eine Einschätzung abgeben, wie sie ihren Weg am liebsten fortsetzen würden und warum. Die auf diese Weise gesammelten Kriterien (z. B. Gehsteigbreite, Beleuchtung) wurden gefiltert und entsprechend ihrer Qualitäten analysiert.

Auf Basis der Ergebnisse aus der Testbegehung und aus dem Fokusgruppenworkshop wurde ein Modell für folgende vier Profile entwickelt („attraktive Route“, „komfortable Route“, „sichere Route“ und „zeitoptimierte Route“). Das Modell berücksichtigt die gewichteten Kriterien (Häufigkeit der Kriterien) aus dem Feldtest mit den 20 Testpersonen. Die entwickelten Profile dienten in weiterer Folge als Input für die Adaption des „multi criteria“ Routingalgorithmus, der als Datenbasis die freie Weltkarte OpenStreetMap (OSM, www.openstreetmap.org) verwendet. Fehlende Daten (Kriterien), die bis dato nicht in der OSM erfasst waren, wurden in den festgelegten Testgebieten in Salzburg (Andräviertel) und Wien (Nähe Stadtpark) ergänzt (z. B. Fußgängerwege, Übergänge, Ampeln, Sitzbänke, etc.). Neben den bereits anerkannten OSM-Tags wurden im Projekt neue OSM-Tags mit dem Namespace Prefix femroute eingeführt (z. B. Gehsteigbreite, Belebtheit, Attraktivität der Fassaden, etc.). Diese wurden mit einem Kommentar in der OSM versehen, um die Community über den Zweck der Tags zu informieren. FEMroute hat für die Berechnung von Routen auf Basis von OpenStreetMap-Daten das aus der Tourenoptimierung bekannte „Kürzeste-Wege-Problem“ unter Berücksichtigung mehrfacher Zielsetzungen herangezogen und auf die genderspezifischen Anforderungen angepasst. Das bedeutet, um attraktive, komfortable und sichere Routen zu generieren, sind die gender-spezifischen Bewertungskriterien in die Zielsetzung des Routing-Algorithmus eingeflossen, damit neben dem kürzesten bzw. zeitoptimierten Weg auch die Qualitäten Attraktivität, Komfort und Sicherheit einer Route berücksichtigt werden konnten. Die Bewertungskriterien wurden definiert und deren Gewichtung zueinander bzw. zur Routenlänge festgelegt. Diese Vorgehensweise führte zu einer Bewertung der berechneten Routen und somit zu den Routenprofilen attraktiv, komfortabel, sicher und zeitoptimiert, die in einem nächsten Schritt von 41 Testpersonen (22 weiblich und 19 männlich) aus Wien und Salzburg evaluiert wurden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl die Einordnung der Wichtigkeit der einzelnen Kriterien als auch die Zuordnung der Szenarien zu den Profilen darauf hindeuten, dass Routenplaner für FußgängerInnen neben der Zeitoptimierung insbesondere auch Aspekte der Attraktivität und Sicherheit berücksichtigen sollten. Allerdings muss noch daran gearbeitet werden, wie dies in die Realität umgesetzt werden kann, da die Bezeichnungen „attraktiv“, „komfortabel“ und „sicher“ von den Testpersonen unterschiedlich interpretiert und auch je nach Nutzungskontext verschieden ausgelegt wurden. Auch die Frage, inwieweit subjektive und teilweise auch emotionale Kriterien (z. B. Ambiente) erfasst und berücksichtigt werden können, bedarf weiterer Forschung.

Es wurde ein Leitfaden zur Berücksichtigung von Genderaspekten in der Forschung fertig gestellt. Dieser beinhaltet neben einer allgemeinen Einführung in das Thema, konkrete Methodik-Hilfestellungen für die tägliche Arbeit sowie eine umfangreiche Literaturliste und Checkliste wie das Thema Gender berücksichtigt werden kann. Dieser steht den MitarbeiterInnen der Salzburg Research im Intranet bzw. als ausgedruckte Broschüre zur Anwendung bei Projektanträgen bzw. in Forschungsprojekten zur Verfügung. Der Leitfaden ist jedoch so gestaltet, dass diesen externe Personen bei Bedarf/Anfrage nutzen können.

FEMroute hat sowohl bei der Technischen Universität Wien als auch bei Salzburg Research erreicht, dass die Projektmitarbeiterinnen (Manuela Schmidt, Renate Steinmann, Elisabeth Häusler) für Genderfragen als Expertinnen im jeweiligen Institut/Unternehmen angesehen werden. Das Thema Gender wurde mit FEMroute nun auch konkret in einem technologischen Projekt angewendet. Dies hat sowohl bei Salzburg Research als auch bei der TU Wien zu einer Erhöhung der Akzeptanz des Genderthemas in der Institution/im Unternehmen beigetragen. Die in FEMroute gewonnene Expertise zum Thema Gender wird in kommende Forschungsprojekte eingebunden werden bzw. ist bereits in Projekten angewendet worden.

Dissemination der Ergebnisse

Mit dem Benutzermodell sowie der Adaptierung des Routing-Algorithmus stehen Konzepte und Module zur Verfügung, die in wirtschaftlichen und/oder wissenschaftlichen Projekten weiter verwertet werden können. Konkretes Interesse an dem Ansatz hat beispielsweise Cloudmade auf der StateOfTheMap 2010 bekundet. Für einen breitflächigen Einsatz der Projektergebnisse stellt die Erfassung der Geodaten in OpenStreetMap die größte Herausforderung dar, nachdem dies ein Community-getriebener Ansatz sein muss, um die gewünschte Datenmenge und –genauigkeit zu erreichen.

Es wurde eine Wiki-Seite für FEMroute eingerichtet (http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Femroute), wobei das OSM-Wiki ein zentraler Bestandteil des OSM-Projekts ist.

Regelmäßige Beteiligung an den lokalen OSM-Stammtischen in Wien und Salzburg, bei denen das Projekt mit der lokalen Community erörtert wurde. Seit Jänner 2011 wird der Wiener Stammtisch von der Projektpartnerin TU Wien veranstaltet.

Posten der Projektidee sowie von Fragen bzgl. der Umsetzung neuer Tags auf der österreichischen Mailingliste von OSM (talk-at). Dies wird als der wichtigste Kommunikationskanal von OSM-Interessierten in Österreich angesehen.

Daten-Party: Salzburg Research beschäftigte im Sommer 2010 unter anderem drei Praktikanten über das Programm Generation Innovation der FFG, welche die Datenerfassung für FEMroute in der OSM in Salzburg (Andräviertel) zum Hauptteil durchgeführt haben. Zu Beginn ihres Praktikums wurde im Rahmen von FEMroute eine interne OSM Mapping Party veranstaltet, um die drei Schüler auf ihre Tätigkeit als OSM Mapper einzustimmen bzw. testweise Daten für FEMroute zu erheben.

Publikationen

Steinmann, Renate; Häusler, Elisabeht; Schmidt, Manuela; Rehrl, Karl; Gartner, Georg (2011). Gendersensitive Routenplanung für FußgängerInnen im urbanen Umfeld. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft (MÖGG), 2011, Wien.

Häusler, Elisabeth; Steinmann, Renate; Schmidt, Manuela (2011). Gendersensitive Routenauswahl für FußgängerInnen. In: Strobl et al. (Hrsg.): Angewandte Geoinformatik 2011. Beiträge zum 23. AGIT-Symposium Salzburg, Wichmann Verlag, Berlin. gis open Paper Gendersensitive Routenauswahl für FußgängerInnen

Schmidt, Manuela; Gartner, Georg; Steinmann, Renate; Häusler, Elisabeth (2011). Defining psychological route qualities to enhance pedestrian route planning, 25th International Cartographic Conference, Paris.

Schmidt, Manuela (2011). FEMroute: Gender-specific requirements in pedestrian route navigation, State of the Map 2011, Vienna.

Häusler, Elisabeth; Steinmann, Renate; Gartner, Georg; Schmidt, Manuela (2010). The FEMroute Project – A Gender-Sensitive Approach to Route Planning Systems for Pedestrians Keynote Lecture, 7th International Symposium on Location Based Services & TeleCartography, Guangzhou, China In: Proceedings of the 7th International Symposium on Location Based Services & TeleCartography", G. Gartner, Y. Li (ed.); (2010), 124 – 128.

Konferenzen / Veranstaltungen

World Usability Day: FEMroute hat am World Usability Day in Wien (12.11.2009) teilgenommen. BesucherInnen wurden befragt, in welchen Situationen sie derzeit Routenplaner einsetzen (FEMroute World Usability Day).

AGIT 2010 (www.agit.at): Das FEMroute Projektteam beteiligte sich an der Organisation des Spezial Forums OpenStreetMap.

StateOfTheMap 2010 (http://stateofthemap.org/) in Spanien: Aufbau von Kontakten zur OpenStreetMap Community; Manuela Schmidt hielt einen Lightning Talk (5-minütiger Kurzvortrag) zum Thema FEMroute.

Veranstaltung des Österreichischen Instituts für Raumplanung (ÖIR): Manuela Schmidt und Renate Steinmann am 23. November 2010 in Wien einen Vortrag zu „OpenStreetMap – Nutzung von user generated content am Beispiel von FEMroute“.

LBS 2010 (LBS 2010) in Guangzhou, China: Short Paper, das einen wissenschaftlichen Überblick über das Projekt FEMroute gibt und Päsentation erster Ergebnisse.

StateOfTheMap 2011 (https://sotm-eu.org/) in Wien (Juli 2011): Vortrag zum Thema FEMroute.

AGIT 2011 (www.agit.at): extended Abstract mit dem Titel „Gendersensitive Routenauswahl für FußgängerInnen“

ICC 2011 (http://www.icc2011.fr/): Salzburg Research und die TU Wien präsentierten zusammen ein Paper mit dem Titel „Defining psychological route qualities to enhance pedestrian route planning“.

Beitrag für die Mitteilungen der Österreichischen Geograghischen Gesellschaft (MÖGG): Der Beitrag für die MÖGG umfasst gesammelt die Projektergebnisse zu FEMroute. Dieser Beitrag stellt die Abschlusspublikation zum FEMroute Projekt dar.

Am 24. November 2010 hielt die Genderexpertin Dr.in Bente Knoll einen Vortrag zum Thema "Gender-Dimension in technologie-orientierten Forschungsprojekten — am Beispiel von FEMroute" an der TU Wien.