Studienzusammenfassung
Gendered Patenting Geschlechterunterschiede in Patentanmeldungen in Österreich

Das Anmelden von Patenten steht für den Output im Rahmen von Wissenschaft und Technologie. Es ist eine Messgröße für die Innovationskraft einer Volkswirtschaft und für die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft bzw. Technologie eines Landes. Frauen und Männer erfinden und patentieren nicht im gleichen Umfang. Der Jahresbericht des österreichischen Patentamts aus dem Jahr 2016 verzeichnet 6% Anmelderinnen und 94% Anmelder von Patenten im betreffenden Jahr, in konkreten Zahlen bedeutet das 54 Frauen und 880 Männer, die Patente angemeldet haben. Auch hier wird vorhandenes Humankapital nicht ausreichend effizient eingesetzt und bleiben somit wichtige Innovationspotenziale ungenutzt.

Nicht zuletzt die im Januar 2016 in Kraft getretene 2030 Agenda für Nachhaltige Entwicklung der UN hat politische Bestrebungen sowie wissenschaftliche Studien im Bereich Gender Equality im Forschungs- und Entwicklungsbereich gefördert. Treiberin war die zur UN ressortierende World Intellectual Property Organization (WIPO), die sich ebenfalls Gender Equality im Bereich des intellektuellen Eigentums verpflichtet sieht. 

Zusammenfassung Projektbericht

Zusammengefasst für FEMtech von Riccarda Rosenball (JOANNEUM RESEARCH)

Ausgangslage

  • Die Anzahl an Patentanmeldungen ist ein wichtiger Indikator für die Innovationskraft eines Landes, denn sie präsentiert den Output in der Wissenschaft und Technik.
  • Studien belegen, dass es einen eindeutigen geschlechtsspezifischen Unterschied bei Patentanmeldungen gibt.
    • Der Jahresbericht des Österreichischen Patentamtes 2016 zeigt, dass es im Jahr 2016 in Österreich lediglich 54 Patentanmelderinnen und 880 Anmelder gab.
    • Obwohl sich in Österreich die Repräsentanz von Frauen in allen Studienrichtungen und Qualifikationsniveaus verbessert hat, spiegelt sich diese Tendenz nicht in den Patentanmeldungen wider.
  • Daraus lässt sich der Rückschluss ziehen, dass das vorhandene Humankapital nicht ausreichend effizient eingesetzt wird und somit wichtige Innovationspotenziale ungenutzt bleiben.

Studiendesign

  • Die Studie basiert auf den Daten der Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen aus dem Jahr 2016 in Österreich.
  • Auf Basis dieser Daten wurden deskriptive Statistiken erstellt, sowie Regressionsanalysen und Netzwerkanalysen durchgeführt.
  • Die Ergebnisse der quantitativen Analyse wurden dann durch qualitative Daten ergänzt. Dazu wurden Interviews und Fokusgruppendiskussionen mit am Anmeldeprozess beteiligten Personen sowie mit Erfinder*innen durchgeführt.

 Teil 1: Deskriptive Statistik

  • Bei den Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldungen 2016 waren 2.234 Personen beteiligt, wobei die Beteiligung von Frauen lediglich bei 5,2% lag.
  • Große Unterschiede hinsichtlich der Beteiligung von Frauen zeigen sich bei den Anmeldungen der 15 aktivsten Organisationen.
    • Beim aktivsten Unternehmen (AVL List GmbH) ist die Beteiligung von Frauen unterdurchschnittlich (2,8%).
    • Bei sieben aus den 15 aktivsten Organisation gibt es keine Frauenbeteiligung bei den Anmeldungen.
  • Große Unterschiede hinsichtlich der Beteiligung von Frauen zeigen sich auch bei den Anmeldungen nach Branche.
    • In der anmeldungsstärksten Branche „Performing Operations & Transporting“ entfallen nur rund 3,5% aller Anmeldungen auf Erfinderinnen.
    • Die höchste Frauenbeteiligung ist in der Branche „Textiles & Paper“ festzustellen (14,6%).
    • Die Repräsentanz von Frauen bei den Anmeldungen scheint in Branchen mit einem höheren Frauenanteil auch entsprechend höher auszufallen.
  • Hinsichtlich des Bildungsgrades ist zu verzeichnen, dass in der höchsten Bildungsstufe (Doktorat oder höher) die Frauenbeteiligung mit 5,6 % leicht höher ist als im allgemeinen Durchschnitt.

Teil 2: Regressionsanalysen

  • Mit Hilfe einer logistischen Regression soll erklärt werden, welche Faktoren dazu führen, dass bei einer Patent- bzw. bei einer Gebrauchsmusteranmeldung eine Frau beteiligt ist.
    • Dabei werden für juristische Personen und natürliche Personen separate Regressionsmodelle analysiert.
  • Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sind insofern limitiert, da Daten zu sozioökonomischen Faktoren wie Einkommen und Alter nicht für alle Personen verfügbar waren. Außerdem variiert durch das Einbeziehen von Variablen, die nicht immer für alle Observationen vorliegen, die Größe der untersuchten Stichprobe in den unterschiedlichen Modellen.
  • Die zentralen Erkenntnisse, die aus den Regressionsanalysen gezogen werden sind:
    • Bei den juristischen, aber auch bei den natürlichen Personen ist feststellbar, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an der Anmeldung beteiligt ist, bei Gebrauchsmusteranmeldung deutlich höher ist als bei Patentanmeldungen.
    • Bei der Analyse der juristischen Personen zeigt sich, dass eine kürzere Betriebszugehörigkeit und die Anmeldung in Gruppen die Wahrscheinlichkeit einer Frauenbeteiligung an der Anmeldung erhöht.
    • Gleichzeitig scheint der Ausbildungsgrad ein wichtiger Faktor für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zu sein, dass die Anmeldung von einer Anmelderin durchgeführt wurde.

Teil 3: Netzwerkanalyse

  • Da Netzwerke bei Patentanmeldungen eine große Rolle spielen, führt die Studie Netzwerkanalysen ausgewählter anmeldestarker Unternehmen durch. Ziel ist es zu untersuchen, welche Position Frauen in diesen Netzwerken einnehmen.
  • Aus den Netzwerkanalysen können folgende zentrale Aussagen getroffen werden:
    • Netzwerkstrukturen unterscheiden sich stark zwischen den betrachteten Organisationen.
    • Frauen sind aber tendenziell am Rand dieser Netzwerke zu finden: diese Frauen sind nicht in die anmeldestarken (Sub)Netzwerke und Hubs eingebunden, was auf eine eher marginale Position hindeutet. Dies könnte eine Erklärung für die geringe Repräsentanz von Frauen unter Anmelder*innen sein.
    • Bei den Organisationen mit einer überdurchschnittlich hohen Frauenquote ist die Netzwerkdichte, also die Anzahl an Verbindungen zwischen den einzelnen Netzwerkknoten, auch größer als in anderen Unternehmen. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass in einem Netzwerk mit höherer Dichte, auch die Chance höher ist, dass Frauen besser eingebunden sind und eher Gebrauchsmuster anmelden.

Teil 3: Qualitative Studie 1

  • Ziel der qualitativen Erhebung war es, Faktoren zu identifizieren, die sich positiv oder negativ auf die Patentneigung von Personen auswirken.
  • Aus den Interviews und Fokusgruppen haben sich letztendlich drei Faktoren als wesentlich für die Patentneigung von Personen herauskristalisiert: Wissen, Struktur sowie Motivation und Anerkennung
    • Wissen: Die in den Interviews und Fokusgruppen befragten Personen waren sich einig, dass es für eine Patentanmeldung großes fachliches, inhaltliches und Prozesswissen braucht.
    • Struktur: Um die Patentaktivität zu fördern ist eine institutionalisierte finanzielle und prozessorientierte Unterstützung des Patentanmeldungsprozesses besonders wichtig. Nebenbei spielt auch die Arbeitsorganisation eine wichtige Rolle, insbesondere die organisationale Strategie zur Patentanmeldung, die Unterstützung durch das Projektteam und die Zusammenarbeit innerhalb des Teams.
    • Motivation und Anerkennung: Ein wichtiger Faktor für die Patentneigung ist die Motivation, eine (bessere) Lösung für ein Problem zu entwickeln. Daneben gehen auch von finanzieller (beispielsweise die Ausbezahlung von Prämien) als auch nicht finanzieller Anerkennung (beispielsweise formelle Anerkennungen mittels Feiern und Auszeichnungen) Anreizwirkungen für eine Patentanmeldungen aus.

Teil 3: Qualitative Studie 2

  • Der Mythos Patent hat eine hinderliche Wirkung auf die Patentaktivität von Frauen.
    • Die meisten interviewten Erfinderinnen erzählten, dass sie sich zu Beginn nicht getraut haben, selbst ein Patent anzumelden.
    • Gebrauchsmuster scheinen ein geringeres Hindernis für Frauen zu sein als Patentanmeldungen.
    • Für die Partizipation an der Patentanmeldungen ist die Zusammensetzung der Gruppe, die Expertinnenfunktion, die eingenommen wird, als auch der Status innerhalb der Gruppe entscheidend.
    • Sofern Frauen nicht in Führungspositionen sind, sind sie keine treibende Kraft bei Patentanmeldeprozessen. Dies bestätigt die Ergebnisse der Netzwerkanalyse, dass Frauen eher marginale Positionen einnehmen.

Zusammenfassung

  • Frauen sind in Unternehmen, die über ein starkes Netzwerk verfügen, unterdurchschnittlich an Anmeldungen beteiligt.
    • Gerade wenn Frauen eine kürzere Betriebszugehörigkeit haben, ist es für sie schwierig sich im Netzwerk zentral zu platzieren.
    • Bei kürzerer Betriebszugehörigkeit scheinen das Wissen und die nötigen Fähigkeiten zu fehlen, um alleine eine Anmeldung vorzunehmen.
  • In sehr dichten Netzwerken scheinen Frauen verstärkt bei Gebrauchsmusteranmeldungen präsent zu sein.
  • Zudem melden Frauen Patente eher in Gruppen als alleine an, wenn sie eine kürzere Betriebszugehörigkeit haben.
  • Die Interviewergebnisse bestätigen die Resultate der Netzwerkanalysen, dass Frauen sich in diesen Netzwerken tendenziell am Rand befinden, wenn sie keine Führungsposition inne haben.
    • Es bleibt jedoch offen, ob sich diese Frauen im Laufe der Zeit zunehmend in die Zentren der Netzwerke bewegen können und dadurch verstärkt in Patentaktivitäten eingebunden werden oder selbst Patente anmelden.

Über diese Publikation

Publikationsart: Studie
Publikationsquelle: Österreich
Publikationssprache: Deutsch
Autor:innen: Mensi-Klarbach, H., Mader, K., Hermann, A., Zilian, S., Scheuer, J.
Titel: Gendered Patenting Geschlechterunterschiede in Patentanmeldungen in Österreich
Erscheinungsjahr: 2019
Herausgeber:in: Wirtschaftsuniversität Wien