Studienzusammenfassung
Arbeitsbedingungen, Gleichstellung und COVID-19: Ergebnisse der Gleichstellungserhebung 2020 in der außeruniversitären naturwissenschaftlich-technischen Forschung

Auf Basis der Ergebnisse der Gleichstellungserhebung 2020 können empirische Evidenzen und Schlussfolgerungen präsentiert werden, wie sich Gleichstellung in der außeruniversitären naturwissenschaftlich-technischen Forschung in Österreich seit 2017 entwickelt hat und wie sich die COVID-19 Pandemie auf diese Forschungseinrichtungen und die Arbeitsbedingungen der Wissenschaftler*innen ausgewirkt hat.

Studienzusammenfassung

Zusammengefasst für FEMtech von Riccarda Rosenball (JOANNEUM RESEARCH)

Studiendesign und Methodik

Die Gleichstellungserhebung 2020 beobachtet die Entwicklung von Gleichstellung zwischen Frauen und Männer in der außeruniversitären naturwissenschaftlich-technischen Forschung in Österreich.

  • Austrian Institute of Technology (AIT)
  • JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH (JR)
  • Christian Doppler Labors und Josef Ressel Zentren (CDG)
  • Salzburg Research (SR)
  • COMET-Zentren (K1- und K2-Zentren, ohne K-Projekte)
  • Silicon Austria Labs (SAL)
  • Mitglieder der Austrian Cooperative Research (ACR)

Fokus auf naturwissenschaftlich-technische außeruniversitäre Forschungseinrichtungen

Die Gleichstellungserhebung 2020 baut auf zwei Erhebungsinstrumenten auf:

  • Monitoring der beschäftigten Wissenschaftler*innen in den Forschungseinrichtung:
    • Abwicklung über ein Online-Tool: Befragungszeitraum: 2. Juli bis 18. September 2020
    • Stichtag: 31.12.2019
    • Deskriptive Analyse von Monitoring-Daten plus Fragen zu den Auswirkungen von COVID-19
    • Benchmark: Ergebnisse aus 2017 und vorhergehenden Ergebnisse (2004, 2008, 2013 und 2015)
  • Wissenschaftler*innen-Befragung zu Arbeitsbedingungen:
    • Befragungszeitraum: 2. Juli bis 18. September 2020
    • Methodische Vorgehensweise: deskriptive und bivariate Analyse, Signifikanztests, Regressionsanalyse, Clusteranalyse
    • Benchmark: Ergebnisse 2016

Fragestellungen

  • Monitoring:
    • Wie hat sich die Partizipation von Frauen in der außeruniversitären naturwissenschaftlich-technischen Forschung im Vergleich zur letzten Erhebung und in einer längerfristigen Perspektive entwickelt?
    • Welche Auswirkungen zeigt die COVID-19 Pandemie auf die außeruniversitären Forschungseinrichtungen?
  • Arbeitsbedingungen:
    • Welche Arbeitsbedingungen zeichnet die außeruniversitäre Forschung aus?
    • Wie wirken sich diese auf die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastungen der Wissenschaftler*innen aus?
    • Wie hat sich COVID-19 auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbelastungen ausgewirkt?
    • Sind geschlechtsspezifische Unterschiede in Hinblick auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszufriedenheit und -belastungen zu beobachten?

Ergebnisse Monitoring

  • Rückgang des Frauenanteils zwischen 2017 und 2019 von 28% auf 27% zu beobachten; dies bedeutet einen Abbruch der positiven Entwicklung seit 2013; allerdings ist dieser Trend nicht in allen Einrichtungen festzustellen, denn in vielen Einrichtungen ist der Wissenschaftlerinnen-Anteil angestiegen.
  • Positiv zu bewerten ist der hohe Frauenanteil bei den Neuanstellungen: 2019 lag er bei 41%
  • Teilzeit ist nach wie vor stark von Frauen dominiert, nichtsdestotrotz gibt es hier auch eine Zunahme bei den Männern. 2019 arbeiteten mehr als 50 % der Frauen und 33 % der Männer in Teilzeit. Wobei die Teilzeitbeschäftigungen durch ein hohes Stundenausmaß charakterisiert sind.
  • Vollzeitarbeit und Führungspositionen sind männlich dominiert. Ein deutlicher Anstieg des Frauenanteils in der Geschäftsführung führte zu einem Rückgang des Glass Ceiling Indexes von 1,8 auf 1,7.
  • Hinsichtlich der Einkommensstruktur kann beobachtet werden, dass der Frauenanteil in höheren Einkommensgruppen langsam steigt. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass der Gender Pay Gap verschwindet.

Abb.1: Entwicklung des Frauenanteils nach Forschungseinrichtungen für 2004, 2008, 2013, 2015, 2017 und 2019 (in %)

Quelle: Gleichstellungserhebung 2020, JOANNEUM RESEARCH

Ergebnisse Auswirkungen von COVID-19

  • Die Monitoring-Daten bilden die Auswirkungen von COVID-19 nicht ab, daher wurden die Einrichtungen zu den Auswirkungen von COVID-19 befragt - der Befragungszeitraum war der 2. Juli bis 18 September 2020, also außerhalb des Lockdowns.
  • Zu den wichtigsten Einschränkungen durch COVID-19 zählen: Zugänglichkeit von Infrastruktur, eingeschränkte Projektumsetzung und Personalverfügbarkeit, Verschiebung/Abbruch von Innovationsvorhaben
  • Mehr als die Hälfte der Einrichtungen erwartet keine großen Veränderungen ihrer Forschungsaktivitäten durch COVID-19.
  • Ein Teil der Einrichtungen scheint die Auswirkungen von COVID-19 stärker zu spüren.
    • Allerdings gab es kaum Kündigungen.
    • Die Auswirkungen wurden eher über andere Maßnahmen wie bspw. Telearbeit, Abbau von Urlaubsrückständen und Kurzarbeit abgefedert.
  • Möglicherweise besteht jedoch eine azyklische Betroffenheit der Forschungseinrichtungen, die stärker auf Unternehmenskooperationen ausgerichtet sind.

Ergebnisse Arbeitsbedingungen

  • In der außeruniversitären Forschung ist die Arbeitszufriedenheit der Wissenschaftler*innen nach wie vor sehr hoch.
    • Es sind keine signifikanten Unterschiede bei der Arbeitszufriedenheit zwischen Frauen und Männern zu beobachten.
  • Auch die Arbeitsbelastung wird nach wie vor als hoch beschrieben.
    • Rund 58 % der Wissenschaftler*innen beschreiben diese als stark bis sehr stark. Dabei hängt die Arbeitsbelastung, wie zu erwarten, negativ mit der Arbeitszufriedenheit zusammen.
  • Mit folgenden Aspekten sind Wissenschaftler*innen 2020 besonders zufrieden:
    • mit den Beziehungen zu den Kolleg*innen, den Arbeitszeitregelungen, den fachlichen Kompetenzen der Kolleg*innen, der Möglichkeit, autonom über Arbeitsabläufe zu entscheiden sowie der technisch-materiellen Ausstattung des Arbeitsbereichs.
  • Zu den wichtigsten Dimensionen der Arbeitsbelastung 2020 zählen:
    • Zeitdruck und Stress, Akquisitionsdruck, knappe Projektbudgets und den Druck, exzellente wissenschaftliche Arbeit zu leisten.
    • Frauen verspüren stärker den Druck exzellente wissenschaftliche Arbeit leisten zu müssen, sowie ihre Forschungsergebnisse in ausgezeichneten wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichen zu müssen.
    • Frauen fühlen sich zudem auch stärker durch psychischen Stress belastet als Männer.
  • Wichtige Einflussfaktoren auf die Arbeitsbelastung sind vor allem die Häufigkeit von Überstunden und die Ausübung einer Führungs- und Leitungsfunktion.
    • Je mehr Stunden in der Woche gearbeitet werden, desto höher wird auch die Arbeitsbelastungen eingeschätzt.
    • Wissenschaftler*innen in Führungsfunktionen weisen im Durchschnitt einen deutlich höheren Beschäftigungsgrad auf und verrichten auch mehr Überstunden als Kolleg*innen ohne Führungsfunktion.
    • Da Männer deutlich öfter Führungsfunktionen besetzen, fühlen sie sich auch häufiger stark bis sehr stark belastet als Frauen, die seltener angegeben haben, Führungsaufgaben wahrzunehmen.
  • Rund 47 % der befragten Wissenschaftler*innen geben an, dass ohne sich in ihrer Freizeit mit ihrer Forschung zu beschäftigen, der Status als Expert*in nicht erhalten werden kann.
    • Das zeigt auch, dass die Forschung ein sehr arbeitsintensives Berufsfeld ist, das teilweise zur Entgrenzung von Beruf und Privatleben führt.
  • Auffallend ist, dass sich Kinderbetreuung nicht als starker Treiber der Arbeitsbelastung herausstellt.
    • Personen, die hauptverantwortlich für Kinderbetreuung sind, gehen zumeist einer Teilzeitbeschäftigung nach und empfinden dadurch keine höhere Arbeitsbelastung.
    • Dennoch tragen Frauen nach wie vor die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung und wenden im Durchschnitt deutlich mehr Stunden pro Woche für Kinderbetreuung auf.
  • Allerdings zeigen die Ergebnisse, dass vor allem Frauen mit Kindern von der COVID-19 Pandemie deutlich stärker belastet gefühlt haben.
  • Insgesamt besteht zwischen Vereinbarkeit und Arbeitsbelastung ein negativer Zusammenhang.
    • Eine hohe Arbeitsbelastung geht nicht in jedem Fall mit einer schlechten Vereinbarkeit einher.
    • Es gibt auch eine nicht unerhebliche Gruppe an Wissenschaftler*innen, die gleichzeitig eine ziemlich gute Vereinbarkeit und eine starke Arbeitsbelastung angeben.
    • Vereinbarkeit ist daher nur als ein weiterer Einflussfaktor auf die Arbeitsbelastung zu betrachten.
  • Im Hinblick auf den Einfluss von Telearbeit ergibt sich ein gemischtes Bild:
    • Die Möglichkeit zur Telearbeit wirkt sich durchaus positiv auf die Arbeitszufriedenheit aus. Es gibt aber durchaus auch Wissenschaftler*innen, die Telearbeit sehr stark nutzen und trotzdem insgesamt sehr unzufrieden sind.
    • Ein hohes Ausmaß an Telearbeit ist nicht unbedingt mit einer höheren Arbeitszufriedenheit verbunden.
  • Auch die Einschätzung von Vereinbarkeit und Telearbeit ist nicht eindeutig ausgefallen:
    • Die befragten Wissenschaftler*innen selbst meinen, Telearbeit wirke sich eher positiv auf die Vereinbarkeit aus.
    • Jedoch zeigen die Daten auch, dass Wissenschaftler*innen, die viel Zeit in Telearbeit verbringen, ihre Vereinbarkeit als eher schlecht bewerten.
    • Dabei mag auch die Ausweitung der Telearbeit als auch die konkreten Umstände der Telearbeit aufgrund von COVID-19 eine Rolle spielen.

Warum ist die Arbeitsbelastung in COVID-19 Zeiten nicht angestiegen?

Das Niveau der Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastung ist im Sommer 2020 gegenüber 2016 unverändert hoch.

  • Trotz COVID-19 Pandemie sind hier keine signifikanten Veränderungen festzustellen.
  • Die Arbeitszufriedenheit ist sogar leicht angestiegen.
  • Die Arbeitsbelastung blieb unverändert, währenddessen sind Männer etwas stärker belastet als Frauen.
  • Jedoch berichten vor allem Frauen mit Kindern über einen Anstieg der Arbeitsbelastung durch COVID-19.

These 1: Rückgang der Überstunden

  • Anzahl der Überstunden ist als Treiber der Arbeitsbelastung anzusehen. Die Anzahl der Überstunden ist gegenüber 2016 zurückgegangen. Ursache dafür ist die geringere Produktivität durch COVID-19: Kurzarbeit, Abbau von Überstunden und Urlaubsrückständen. Zudem wurde die Befragung im Sommer 2020 durchgeführt, was sich auch auf die Einschätzung der Arbeitsbelastungen und die Angabe von Überstunden auswirken kann.

These 2: COVID-19 hat Wissenschaftler*innen unterschiedlich betroffen, je nach Lebensumständen

  • Manche Bereiche/Einrichtungen waren durch den Lock down stärker betroffen, während andere durch die COVID-19 Pandemie mehr zu tun hatten. Dies führte zu einer Gleichzeitigkeit der Verbesserung und Verschlechterung von Vereinbarkeit. Zudem haben die Befragungsergebnisse gezeigt, dass Wissenschaftlerinnen mit Kindern sich etwas stärker belastet durch COVID-19 fühlen als Wissenschaftler*innen ohne Kinder.

These 3: strukturelle Herausforderungen der außeruniversitären Forschung

  • Die Dimensionen der Arbeitsbelastung und -zufriedenheit wurden ähnlich eingeschätzt wie 2016. Belastend ist vor allem der Zeitdruck und Stress, Akquisitionsdruck, knappe Projektbudgets und der Druck, exzellente wissenschaftliche Arbeit zu leisten. Geringe Zufriedenheit besteht mit den innerbetrieblichen Aufstiegsmöglichkeiten bzw. Karriereperspektiven, den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie den Weiterbildungsmöglichkeiten. Dies könnte darauf hindeuten, dass diese Belastungen und Unzufriedenheit auch mit strukturellen Herausforderungen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammenhängt.

Zusammenfassung

  • Die Monitoring-Ergebnisse für 2019 zeigen positive Befunde wie die Steigerung des Frauenanteils in der Geschäftsführung, der hohe Frauenanteil unter den Neuanstellungen, der steigende Anteil an Männern in Teilzeitarbeit sowie der Anstieg des Frauenanteils in einigen Forschungseinrichtungen.
  • Allerdings sind auch negative Befunde festzustellen, wie der Rückgang des Wissenschaftlerinnen-Anteils insgesamt, die nach wie vor deutliche Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und höheren Einkommensgruppen.
  • Die Ergebnisse zur Arbeitsbelastung und -zufriedenheit haben sich gegenüber 2016 kaum verändert - trotz COVID-19: Einer hohen Zufriedenheit stehen hohe Belastungen gegenüber.
  • Überstunden und die Ausübung von Führungsfunktionen sind als Treiber der Arbeitsbelastungen zu verstehen.
  • Männer fühlen sich insgesamt etwas stärker belastet als Frauen. COVID-19 hat vor allem bei Frauen mit Kindern zu höheren Belastungen beigetragen.

Über diese Publikation

Publikationsart: Studie
Publikationsquelle: Österreich
Publikationssprache: Deutsch
Autor:innen: Holzinger Florian, Schön Lisa, Rosenball Riccarda
Titel: Arbeitsbedingungen, Gleichstellung und COVID-19: Ergebnisse der Gleichstellungserhebung 2020 in der außeruniversitären naturwissenschaftlich-technischen Forschung
Erscheinungsjahr: 2020
Herausgeber:in: Joanneum Research (2020) im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Erschienen in: Research Report Series 216/2020
Bestellinformation: ISSN 2218-6441