Studienzusammenfassung
Upward convergence in gender equality: How close is the Union of equality?

Diese politische Kurzanalyse, die von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) und der EIGE erarbeitet wurde, untersucht die Konvergenzmuster und Aufwärtskonvergenz beim Gleichstellungsindex zwischen den Mitgliedsstaaten im Zeitraum 2010-2018 sowie die Trends in den sechs Teilbereichen.

Zusammengefasst für FEMtech von Julia Greithanner (JOANNEUM RESEARCH)

Einführung

  • Die Europäische Union (EU) gilt bei der Geschlechtergleichstellung weltweit als Vorreiter; allerdings sind einige Mitgliedstaaten bereits fortgeschrittener als andere.
  • Der Gleichstellungsindex wurde 2013 vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) entwickelt und im Jahr 2020 bereits zum fünften Mal für die Jahre bis einschließlich 2018 ermittelt.
  • Der Index erhebt regelmäßig anhand von Indikatoren für die Teilbereiche Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit die Entwicklung der Geschlechtergleichstellung in der EU. 
  • Die Geschlechtergleichstellung jedes Mitgliedsstaates und die der gesamten EU wird mit einer Punktzahl zwischen 1 und 100 bewertet - 100 würde eine vollständige Gleichstellung von Frauen und Männern bedeuten.
  • Diese politische Kurzanalyse, die von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) und der EIGE erarbeitet wurde, untersucht die Konvergenzmuster und Aufwärtskonvergenz beim Gleichstellungsindex zwischen den Mitgliedsstaaten im Zeitraum 2010-2018 sowie die Trends in den sechs Teilbereichen.
  • Unter „Aufwärtskonvergenz“ versteht Eurofund eine Verbesserung der Fortschritte der Mitgliedstaaten in Kombination mit der Reduzierung der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Konkret bedeutet dies, dass die Geschlechtergleichheit in allen Mitgliedstaaten zunimmt, wobei jene Staaten, in denen die Gleichstellung weniger vorangeschritten ist, den Rückstand zu den fortgeschrittenen Staaten verkleinern, sodass die Ungleichheiten innerhalb der EU als Ganzes abnehmen.

Messung der Aufwärtskonvergenz

  • Messung von Verbesserungen: Veränderung der ungewichteten Durchschnittswerte für die Leistung der Mitgliedstaaten bei ausgewählten Indikatoren.
  • Zusätzlich werden für die Untersuchung der Aufwärtskonvergenz folgende drei statistische Konvergenzmesswerte herangezogen:
  • Verringerung der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten
  • Ausmaß, in dem Mitgliedstaaten, die sich 2010 im Rückstand befanden, aufgeholt haben
  • Verringerung der Differenz zwischen den leistungsstärksten Mitgliedstaaten
  • Strenge Aufwärtskonvergenz meint die Verbesserung aller Mitgliedsstaaten und eine Verringerung der Unterschiede zwischen den Mitgliedern, während unter einer Aufwärtskonvergenz eine Verbesserung des EU-Durchschnittes bei gleichzeitiger Verringerung der Unterschiede verstanden wird.
  • Zudem kann es auch zu einer Aufwärtsdivergenz, Abwärtsdivergenz und Abwärtskonvergenz kommen.

Einstufung der Leistungen

Um die Leistungen der einzelnen Staaten zu bewerten und einzuordnen, wurde folgende Abstufung entwickelt:

  • Abflachung: Der Gleichstellungsindexwert eines Mitgliedstaats liegt zwar über dem EU-Durchschnitt, steigt aber langsamer (z.B. in den skandinavischen Mitgliedstaaten).
  • Übertreffen: Die Punktzahl eines Mitgliedstaats befindet sich seit Beginn über dem EU-Durchschnitt und verbessert sich so schnell, dass sich der Abstand zum Durchschnitt vergrößert (z.B. Österreich).
  • Aufholen: Die Leistung eines Mitgliedstaats liegt zunächst unter dem EU-Durchschnitt, verbessert sich allerdings rascher, sodass sich der Abstand zu den anderen verringert. (z.B. Mittelmeerregion und Baltikum).
  • Verlangsamung: Die Leistung eines Mitgliedstaats ist zu Beginn unter dem EU-Durchschnitt und steigt auch nur langsam, sodass sich der Abstand im Zeitverlauf sogar vergrößert (z.B. Mittel- und Osteuropa, Griechenland).

Trends beim Gleichstellungsindex I

Zwischen 2010 und 2018 hat der Gleichstellungsindex kontinuierlich aber langsam in der EU-27 zugenommen. Der Wert des Gleichstellungsindex 2020 für die EU-27 liegt bei 67,4 von 100. Somit ist der Wert seit 2010 um 4,3 Punkten angestiegen.

  • Die positiven Veränderungen waren im Teilbereich Macht am größten; sie machen rund zwei Drittel der festgestellten Verbesserung aus.
  • Dies ist aber auch der Teilbereich mit den größten Unterschieden zwischen den Mitgliedsstaaten (siehe Abbildung 1 auf Folie 6).
  • Der Fortschritt in den anderen Teilbereichen wie Arbeit oder Geld waren wesentlich langsamer.
  • Fortschritte konnten für alle Mitgliedsstaaten im Jahr 2018 festgestellt werden, was zu einer strengen, aber moderaten Aufwärtskonvergenz der Gleichstellung von Frauen und Männern geführt hat.
  • Unverändert schlecht sind die Werte von mittel- und osteuropäischen Staaten (z.B. Tschechien, Ungarn, Polen, aber auch Griechenland) geblieben. Hier ist eher eine Verlangsamung über die Zeit zu beobachten als ein Aufholprozess.
  • Die größten Verbesserungen sind in den südlichen Staaten der EU (Italien, Zypern, Malta) zu verzeichnen. Deren Index ist seit 2010 um mehr als 7 Punkte angestiegen. Sie zählen zur Gruppe der aufholenden Mitgliedsstaaten.
  • Allerdings haben führende Staaten wie Schweden, Dänemark, Finnland und die Niederlande nur einen moderaten Anstieg von unter 5% zu verzeichnen.

Trends beim Gleichstellungsindex II

Abbildung 1: Spannweite der Werte des Gleichstellungsindexes für die EU-27 Mitgliedsstaaten in 2018, für den Gesamtindex und die sechs Teilbereiche

Muster der Indexbereiche und Indikatoren

  • Die Geschlechtergleichstellung hat sich zwar in allen sechs Teilbereichen verbessert, doch die Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten haben im Teilbereich Macht zugenommen.
  • Schweden gibt die Entwicklung und Geschwindigkeit vor. Seit 2010 schneidet Schweden jedes Mal am besten ab und führte 2018 in fünf der sechs Teilbereichen (siehe Abbildung 1 auf Folie 6).
  • Insgesamt hat sich der Abstand der anderen Staaten zum Schrittmacher Schweden leicht verringert. Dies ist ein weiterer Hinweis für einen langfristigen Fortschritt und Aufwärtskonvergenz.
  • Allerdings ist der Abstand zu Schweden nicht in allen Teilbereichen gleichermaßen geringer geworden, sondern hat sich in den Bereichen Arbeit, Zeit und Gesundheit gegenüber 2010 sogar vergrößert.

Teilbereiche

Im Folgenden werden einige zentrale Ergebnisse aus vier der sechs Teilbereiche beschrieben, die auf eine Aufwärtskonvergenz oder eine Divergenz hindeuten.

Wissen

  • Die geschlechtsspezifischen Unterscheide bei der Studienwahl haben in einigen Staaten zugenommen; insbesondere in Ungarn, Rumänien und Slowenien sind die Ungleichheiten um mehr als 6 Prozentpunkte gewachsen.
  • Um über 7 Prozentpunkte ist der Gender-Gap in Deutschland und den Niederlanden in diesem Bereich kleiner geworden.
  • Obwohl die Entwicklungen in einigen Staaten eher auf eine Zunahme des Gender-Gaps in der Studienwahl hindeuten, begünstigt dies eher eine konvergente Entwicklung zwischen den Mitgliedsstaaten (Abwärtskonvergenz).

Macht

  • Es ist eine Aufwärtsdivergenz in diesem Teilbereich zu verzeichnen, da der Frauenanteil in Vorständen der größten Unternehmen in einigen Staaten (Frankreich, Italien, Belgien, Deutschland) deutlich angestiegen ist. Dies bedeutet, dass der Indexwert angestiegen ist, aber zugleich die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zugenommen haben
  • Griechenland, Zypern und Malta konnten ihren Rückstand zu leistungsstärkeren Staaten reduzieren, aber nicht komplett gleichziehen.
  • In Rumänien und Litauen kam es sogar zu einem Rückgang des Frauenanteils in Vorständen.

Arbeit

  • Bei der Verringerung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Vollzeitäquivalenten (VZÄ) im Teilbereich Arbeit konnte eine Aufwärtskonvergenz festgestellt werden.
  • Malta und Luxemburg, die in diesem Bereich Schlusslicht sind, konnten sich bis 2018 deutlich verbessern, während die leistungsstarken Staaten wie Finnland und Schweden sich im Vergleich zu 2010 nur minimal verbessern konnten.
  • Die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie könnten zu einer Verschärfung zahlreicher geschlechtsspezifischer Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt führen: Frauen waren vermehrt den Belastungen im Gesundheits- und Sozialbereich ausgesetzt und verloren häufiger ihre Beschäftigung, da der Frauenanteil im Dienstleistungssektor sehr hoch ist und es dort während der Pandemie zu Einschränkungen und Stellenabbau kam.
  • Der Anteil an Frauen in den Bereichen Bildung, Gesundheitswesen und Sozialarbeit liegt EU-weit bei über 70%, während Frauen in Wissenschaft und Technologie unterrepräsentiert sind.
  • In 19 Mitgliedsstaaten hat die geschlechtsspezifische Diskrepanz bei der Beschäftigung in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialwesen zugenommen.
  • Die sektoralen und beschäftigungsbezogenen Ungleichheiten tragen auch zu einer höheren Konzentration von Frauen in befristeten, schlecht entlohnten und prekären Teilzeitbeschäftigungen bei.

Zeit - Pflegearbeit

  • Während die geschlechtsspezifische Diskrepanz bei Betreuungspflichten sich nur minimal verringerte, ist für die Verteilung von Haushaltspflichten jedoch eine Verbesserung zu verzeichnen.
  • Der Abstand zwischen dem leistungsstärksten Mitgliedsstaat Schweden und den restlichen Mitgliedsstaaten hat sich hingegen vergrößert.
  • Die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der unbezahlten Hausarbeit variieren zwischen den Staaten sehr: die führenden Nationen im Baltikum und Skandinavien konnten ihre Leistung weiterhin verbessern. Doch zugleich waren in den bereits leistungsschwachen Mitgliedsstaaten (z.B. Bulgarien, Griechenland und Italien) Rückschritte oder Stillstand zu beobachten.
  • Die geschlechtsspezifische Diskrepanz bei Betreuungsarbeit reichen in der EU von 2 Prozentpunkten in Lettland zu 22 Prozentpunkten in Polen und blieben insgesamt nahezu unverändert. Eine Verringerung der geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Betreuungsarbeit um 7 Prozentpunkte sind für Griechenland, Kroatien und Portugal festzustellen.
  • Durch die COVID-19 Pandemie und die damit einhergehenden Schließungen von Betreuungsstätten und Schulen stiegen in der EU sowohl für Frauen (35h/Woche) als auch für Männer (25h/Woche) die durchschnittliche Betreuungsarbeitszeit pro Woche, wobei weiterhin mehr Betreuungsarbeit von Frauen übernommen wird. 

Empfehlungen

  • Im Teilbereich Macht können rechtsverbindliche Regelungen zu einer besseren Vertretung von Frauen in Führungspositionen beitragen:
    • Die EU sollte die 2012 vorgeschlagene Richtlinie über ein Gleichgewicht der Geschlechter in den Führungsgremien von Unternehmen annehmen, damit in allen EU-Mitgliedstaaten mindestens 40 % der Positionen nicht geschäftsführender Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Unternehmen von Frauen besetzt sind.
  • Die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie gefährden die Erfolge der Mitgliedsstaaten und können zudem eine Verschärfung der Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bewirken:
    • Maßnahmen zur konjunkturellen Erholung von den Auswirkungen der Pandemie sollten auch auf die Gleichstellung der Geschlechter abzielen: z.B. durch Investitionen in frauendominierte Sektoren oder bessere Entlohnung und Absicherung von atypischen und flexiblen Beschäftigungsverhältnissen.
    • Anreize für Männer schaffen, mehr Kinderbetreuungspflichten zu übernehmen: Erhöhung der Vergütung für Elternurlaub und Verlängerung des nicht-übertragbaren, für Väter reservierten Zeitraums.
    • Gremien für Notfall- und Wiederaufbaumaßnahmen sollten zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehen.
  • Förderung der Partizipation von Frauen in männerdominierten Studienfächern und Branchen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie (MINT) oder Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT).

Zusammenfassung

  • Seit 2010 stieg der Wert des Gleichstellungsindex in der EU sowie in allen Mitgliedstaaten, wenn auch nur langsam.
  • Der Gleichstellungsindex verbesserte sich vor allem durch die Erfolge im Teilbereich Macht zwischen 2010 und 2018. Allerdings bewirkten die Verbesserungen in den einzelnen Teilbereichen auch eine Vergrößerung der Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten.
  • Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten haben sich in der Zeit von 2011 bis 2014 verstärkt und sind anschließend wieder kleiner geworden.
  • Eine Aufwärtskonvergenz kann nur als Gesamttrend über alle Teilbereiche und alle Mitgliedsstaaten festgestellt werden.
  • Im gesamten Zeitraum lag Schweden in allen Teilbereichen (bis auf den Teilbereich Geld) vor allen anderen Mitgliedsstaaten, während Griechenland und einige Staaten in Mittel- und Osteuropa weit zurücklagen und sogar Rückschritte zu verzeichnen hatten.
  • Die größten Fortschritte bei der Annäherung an den EU-Durchschnitt konnten mehrere Mitgliedstaaten der Mittelmeerregion und einige baltische Mitgliedstaaten verzeichnen.
  • Die COVID-19 Pandemie könnte zur Folge haben, dass mit Rückschritten bei der Geschlechtergleichstellung und vor allem in den Teilbereichen Arbeit und Zeit zu rechnen ist und die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten weiter zunehmen.

Quelle:

Veröffentlicht von Eurofound und EIGE
Eurofound and EIGE (2021), Upward convergence in gender equality: How close is the Union of equality? Publications Office of the European Union, Luxembourg.

Über diese Publikation

Publikationsart: Studie
Publikationsquelle: International
Publikationssprache: Englisch
Autor:innen: Eurofound und EIGE
Titel: Upward convergence in gender equality: How close is the Union of equality?
Erscheinungsjahr: 2021
Herausgeber:in: Publications Office of the European Union, Luxembourg.
ISBN: 978-92-9482-904-7