FEMtech Netzwerktreffen vom 16. Mai 2022

16.05.2022 SkyStage im TechGate Wien

Mit Gleichstellungsplänen ans Ziel? Erfahrungen und Herausforderungen.

Auf europäischer wie nationaler Ebene gibt es Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter – aber es gibt auch noch viel zu tun. Es scheint, als ob Gleichstellungsziele nur durch einen breiten strukturellen Ansatz im F&I-System erreicht werden können. In diese Richtung unternimmt die Europäische Kommission einen Vorstoß, indem sie Gleichstellungspläne für Förderungswerbende im Rahmen von Horizon Europe verpflichtend macht. Kann das Ziel der Gleichstellung mit diesen Plänen erreicht werden? Was macht einen Gleichstellungsplan auch in der Praxis erfolgreich?

Seit Beginn der Pandemie konnte endlich wieder ein Netzwerktreffen vor Ort abgehalten werden. Eröffnet wurde es von Henriette Spyra, MA, Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologie“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK). Ihre Eröffnungsworte gaben Einblick in die Arbeitsweise ihrer Sektion und hier vor allem das Fragen nach den Wirkungen. Ihr Motto sei, „… so zu arbeiten, als ob man seine Ziele ernst nimmt“. In diesem Sinne müsse sich das BMK auch eingestehen, dass das Gleichstellungsziel nicht so erreicht wurde, wie gewünscht. Eine wichtige Maßnahme für mehr Gleichstellung seien daher die Gleichstellungspläne und der neue, in Kooperation zwischen BMBWF und BMK entstandene nationale ‚Leitfaden zur Entwicklung von Gleichstellungsplänen in österreichischen Hochschul- und Forschungseinrichtungen‘. Neben Maßnahmen wie beispielsweise Genderkriterien in Auswahlprozessen seien Gleichstellungspläne ein vielversprechendes Instrument. Im Anschluss betonte Dr. Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG), die Relevanz des Themas Gleichstellung. Als neues Modul der Gleichstellungsmaßnahmen seien Gleichstellungspläne wichtig – auch für mehr Effizienz in den Organisationen, insbesondere für Personalmanagement und die Innovationskraft. Er wies darauf hin, dass mit der Förderung ‚FEMtech Karriere‘ (BMK) Organisationen eine wirksame Unterstützung für die Erstellung von Gleichstellungsplänen erhalten können.

Mit einem historischen Rückblick auf den Wandel der österreichischen Gleichstellungspolitik in Wissenschaft und Forschung startete die Keynotespeakerin Dr.in Angela Wroblewski, Forscherin am Wiener Institut für höhere Studien, ihren Vortrag. Es falle auf, dass es traditionell einen geringeren Verpflichtungsgrad für die Gleichstellung in Unternehmen im Vergleich zu Universitäten gäbe. Die Zahl von Forscherinnen im Unternehmenssektor sei zudem geringer als in vergleichbaren Disziplinen an Hochschulen oder Außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die Erfahrung mit Gleichstellungsplänen zeige, dass in Unternehmen, aber auch öffentlichen Einrichtungen oft zu geringe Genderkompetenzen vorhanden seien. Diese müssten im Zuge der Beschäftigung mit Gleichstellungspläne ausgebaut werden. Durch dieses Lernen in den Einrichtungen sei dann schon ein erstes Ziel der Gleichstellungspläne erreicht.

Dann folgte ein Überblick über aktuelle Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene. Der in Entstehung befindliche österreichische ‚ERA Aktionsplan 2022 -2024‘ habe die Gleichstellung (Action 5) als einen Schwerpunkt. Im Zuge dessen sollten die Gleichstellungspläne weiteres Gewicht bekommen. Ein erfolgreicher Gleichstellungsplan, so konkretisiert sie, sei zyklisch, kontextbezogen, evidenzbasiert und reflexiv. Er sei also an die Bedürfnisse der jeweiligen Einrichtungen angepasst und in die Managementprozesse und -zyklen integriert. Wer (von den dazu verpflichteten Einrichtungen) in Horizon Europe eine Förderung erhalten wolle, komme um einen effizienten Gleichstellungplan nicht herum. Denn die Anforderungen an den Gleichstellungsplan sollten verhindern, dass ein solcher ein „Papiertiger“ sei oder bloße bürokratische Pflicht. Ein wirkungsvoller Gleichstellungsplan müsse von einer Community of Practice in der Einrichtung geschaffen werden, nicht von einer Einzelperson. Er zeuge von einem Bekenntnis des Managements zu einem tatsächlich in die Praxis umgesetzten Gleichstellungsprozess. Gleichstellungspläne sollten als Chance begriffen werden.

Im Anschluss begann die Diskussion: Mag.a Marie Theres Raberger teilte ihre Erfahrungen mit Gleichstellungsplänen als ‚Head of Recruiting & HR Development‘ am Austrian Institute of Technology‘. Bei der Erstellung eines Gleichstellungsplanes habe man auf bereits Bestehendes zurückgreifen können, ohne das Rad neu erfinden zu müssen. Dennoch sei ein Gleichstellungsplan eine anspruchsvolle Aufgabe. Einzelmaßnahmen wurden zusammengeführt und erweitert. Wichtig war außerdem, dass sie mit mehr Ressourcen ausgestattet wurden, was ohne den Anreiz des Gleichstellungsplanes wohl nicht so rasch passiert wäre.  Es habe sich bezahlt gemacht, dass der Gleichstellungsplan nicht von einer Einzelperson, sondern einer internen ‚Gendertaskforce‘ erstellt worden sei. Diese habe auch als Sounding Board gedient. Ebenso war die Einbindung der Geschäftsführung in den Prozess, das Bekenntnis der Geschäftsführung und die entsprechende Kommunikation ganz wesentlich für die Erstellung des Gleichstellungsplanes. Das gemeinsame Erstellen habe das Instrument Gleichstellungsplan wirksam gemacht.

Dr. Heinz Mayer, Geschäftsführer von Joanneum Research, sprach aus der Perspektive eines „Managers, der Gleichstellung operativ umsetzen will“. Bereits seit 2003 gebe es Gleichstellungsmaßnahmen in der Organisation, 2016 habe man diese als Gleichstellungsstrategie gebündelt und erweitert. Der Gleichstellungsplan sei nun der nächste Schritt. Das anspruchsvolle Monitoring der Gleichstellungspläne sorge auch dafür, dass man einen guten Blick auf die quantifizierbare Dimension von Gleichstellung bekomme. Es gäbe Fortschritte und Erfolge bei Frauen in Führungspositionen. Beispielsweise gebe es nun eine Prokuristin und eine Institutsdirektoren-Stellvertreterin, andere weibliche Führungskräfte und Gründerinnen von Startups. Mit dem Gleichstellungsplan sei eine langfristige Strategie verbunden, die helfen solle, im Moment deutlich sichtbare Unterschiede der jeweiligen Fachbereiche auszugleichen. Gleichstellungspläne seien ein Mittel, um „noch besser zu werden“. Für die Motivation am Gleichstellungsplan mitzuwirken, sei es wichtig, dessen Vorteile aufzuzeigen. Für den Erfolg eines Gleichstellungsplanes müsse sich das Management auf breiter Basis damit befassen.

Dr.in Hilde Janssens ist als Good Practice Officer am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) zuständig für Gleichstellung, Diversität und Inklusionsmaßnahmen. Der aktuelle Gleichstellungsplan des ISTA sei die „finale Version“ von Maßnahmen, die schon länger zu Gender und Diversity laufen. Das ISTA hat also nicht bei Null angefangen. Begonnen habe der intensive Prozess mit einem aufwändigen Monitoring seit 2016/17. Weiters wurde die Gleichstellung auch auf die Geschlechterverhältnisse der Mitarbeitenden in der Administration bezogen mit der Frage: „Wie bekommen wir mehr Männer in diese Tätigkeiten?“ Die Verpflichtung für einen Gleichstellungsplan habe geholfen, für Gleichstellung mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn schon ein Gleichstellungsplan, dann sollte es gleich ein qualitativ hochwertiger sein, der eine Strategie beinhalte. Sie habe es als große Freiheit erlebt, dass der Gleichstellungsplan an den eigenen Kontext angepasst werden musste. So konnte ein maßgeschneiderter Plan entstehen. Durch die Arbeit am Gleichstellungsplan seien viele Fragen angestoßen worden, die zu zahlreichen weiteren Fragen und Überlegungen führten. Letztendlich hat das ISTA von diesem Prozess des Hinterfragens profitiert.

In ihrem Diskussionsbeitrag ging Keynotespeakerin Angela Wroblewski nochmals auf die Herausforderungen ein, die Gleichstellungspläne mit sich bringen. Es sei anspruchsvoll, die Energie langfristig in dem Vorhaben zu halten, damit den Plänen auch eine Umsetzung folgen könne. Das Monitoring in den Einrichtungen selbst sei nicht zu unterschätzen. Gleichstellungspläne sollten auch überarbeitet und angepasst werden – Einrichtungen lernen und verändern sich. Sie empfehle, nach vier bis fünf Jahren die Umsetzung des Gleichstellungsplanes evaluieren zu lassen. Ein frischer Blick von außen könne zudem hilfreich sein. Eine Lehre könne man aus den bisherigen Fortschritten mit Gleichstellung im Forschungskontext ziehen: Die Politik sollte Förderungen bzw. Geld an Gleichstellungspläne knüpfen, um deren Umsetzung anzukurbeln. Bisher habe ein Zusammenwirken unterschiedlicher Anreize zu Fortschritten geführt. Angela Wroblewski führt weiters aus, dass das Institut für Höhere Studien (IHS), in dem sie tätig ist, ebenfalls einen Gleichstellungsplan hat, hier waren sicher auch die Vorgaben hilfreich, um die Erstellung zu forcieren. Möglicherweise ist dieser Gleichstellungsplan nochmals anzupassen, da sich die Führungsebene am IHS ändern wird.

Aus den einzelnen Diskussionsbeiträgen war zu hören, dass es für den Prozess des Gleichstellungsplanes wichtig ist, alle Ebenen in den einzelnen Einrichtungen mitzunehmen, auf entsprechende Geschlechterausgewogenheit zu achten und ausreichend Zeit für den Prozess vorzusehen, um die Gleichstellungspläne zu erstellen.  

© Anna Rauchenberger