FEMtech Netzwerktreffen vom 20. Mai 2019

03.06.2019

Führung in Teilzeit – Chancen und Erfahrungen

Die Vereinbarung von Beruf und Privatleben wird auch für Führungskräfte immer bedeutender. Gerade in Führungspositionen wird anwesend und verfügbar zu sein sehr hoch bewertet. Ist es akzeptabel, Personen mit Betreuungspflichten und daher noch immer insbesondere Frauen von Führungspositionen „auszuschließen“? Was bewegt Organisationen Führung in Teilzeit anzubieten? Was muss sichergestellt werden, damit Personen Teilzeit in Führung wagen? Ist geteilte Führung ein gangbarer Weg? Welche strukturellen Erfolgsfaktoren sind notwendig? Ändert Führung in Teilzeit die Organisationskultur und die Bewertung von Präsenz? Werden Teilzeit-Führungskräfte in Zukunft weiterhin nur vereinzelt zu finden sein oder werden flexible Arbeitszeitmodelle in Führungspositionen in Zukunft die Regel?

Carmen Goby (WKK) betonte in ihrer Begrüßung die Bedeutung des Themas. In Kärnten wird bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem auf den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten gesetzt, da diese noch zu wenig flächendeckend vorhanden sind. Ein notwendiger nächster Schritt ist es andere Führungsmodelle wie Führung in Teilzeit durch gute Beispiele sichtbar zu machen. Silvia Neumann (BMVIT) stellt in ihrer Begrüßung die Frage in den Raum, ob sich das Modell Führung in Teilzeit zukünftig in den Organisationen flächendeckend etablieren wird können.

Florian Holzinger berichtete in seinem Vortrag, dass bei der Gleichstellungserhebung 2018 neben der Datenerhebung in der außeruniversitären naturwissenschaftlich technischen Forschung auch 21 Interviews in Forschungseinrichtungen und wissensintensiven Unternehmen zum Thema Führung in Teilzeit durchgeführt wurden. Der Führungsbegriff wurde in der Befragung breit definiert und z.B. auch Projektleitungen eingeschlossen.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Frauenanteil in der außeruniversitären Forschung weiter ansteigt, von 23 % in 2013 auf 28 % in 2017. Bereits 22% der Führungsfunktionen in der außeruniversitären Forschung werden in Teilzeit ausgeübt. Bei Führung in Teilzeit muss zwischen Doppelbeschäftigung und Teilzeit aufgrund von Betreuungspflichten unterschieden werden. Ersteres wird überwiegend von Männern genutzt, zweiteres mehrheitlich von Frauen, aufgrund von Kinderbetreuungspflichten. In beiden Fällen findet sich kein systematischer Ansatz in den Organisationen. Das Modell wird meist bei Bedarf als zeitlich befristete Übergangslösung ermöglicht. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung sind: Passende Unternehmenskultur, klare Vertretungs- und An/Abwesenheitszeiten, Unterstützung durch die Geschäftsführung, neue Aufgabenverteilung im Team. Auch wenn es, sowohl für die Organisation als auch für die Führungskräfte klar erkennbare Chancen gibt, sind die Organisationen nach wie vor skeptisch dem Modell gegenüber. Führungskräfte in Teilzeit sind heute noch Einzelfälle und kein verbreitetes Modell für neue Führungskultur. Das Potenzial für ein neues Verständnis von Führung ist in den Unternehmen vorhanden, ebenso wie die deutlich erkennbare positive Wirkung auf Gleichstellung. Es braucht jedoch noch mehr Vorbilder.

In der anschließenden Podiumsdiskussion fand zwischen den Podiumsgästen und dem Publikum ein reger Erfahrungs- und Meinungsaustausch zum Thema statt:
Sonja Smolak-Loidl (Infineon) sieht die Voraussetzungen für Führung in Teilzeit in der globalen Kultur ihres internationalen Unternehmens mit virtuellen Teams gegeben. Bei Infineon ist Führung in Teilzeit bisher nicht weit verbreitet, es gibt derzeit nur Einzelfälle. Das Modell passt auch nicht für Jobs mit starker Reisetätigkeit. Die Herausforderung liegt für sie darin Privates und Berufliches zu trennen. Unverzichtbar sind klare Rahmenbedingungen – was geht und was geht nicht. Eine Führungskraft in Teilzeit sollte Aufgaben abgeben. Jedenfalls behalten sollte sie die Entwicklung von Visionen, die Definition von Zielen, die Teamentwicklung und die Zeit um für MitarbeiterInnen da zu sein, um Vertrauen aufzubauen. Die bestehenden Rollenbeispiele müssen vor den Vorhang geholt werden – Frauen wie Männer. Anzusetzen ist neben der Erweiterung des Kinderbetreuungsangebots, bei der gemeinsamen Übernahme von Betreuungspflichten beider Elternteile. Die Inanspruchnahme des Papamonats und der Elternteilzeit sind nur ein Start.
Philipp Hungerländer (Hex) ist neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer seines Unternehmens Professor an der Alpen Adria Universität in Klagenfurt. Er gründete Hex GmbH um die wissenschaftlichen Ergebnisse in die Praxis zu bringen. In seinem Unternehmen liegt der Anteil an weiblichen Führungskräften bei 50 %, je zwei Frauen und zwei Männer. Seine Erfolgsfaktoren für die Führung seines Unternehmens in Teilzeit sind klare Strukturen und klare Kommunikation über die Anwesenheit im Unternehmen. Notwendig war für ihn die operativen Aufgaben abzugeben und nur die Führungsaufgaben zu behalten.

Christina Hirschl (CTR Research) erzählt davon, wie schwer es für sie war, nach der Geburt ihrer Kinder maximal 80 % als Führungskraft in Teilzeit zu arbeiten. Jetzt ist der Weg auch für andere geebnet und auch Männer nutzen bei CTR diese Möglichkeit. Rückblickend sieht sie folgende Punkte als essentiell: Klare Kommunikation über die Erreichbarkeit, ein gutes Zeitmanagement sowie „UnterstützerInnen“, Mut zum Weglassen, Führung und operative Aufgaben zu trennen sowie die Delegation von Führungsaufgaben – dies wertet die MitarbeiterInnen auf. In der außeruniversitären Forschung, die nicht auf das Tagesgeschäft angewiesen, sondern als Projektarbeit organisiert ist, sieht Christina Hirschl Führung in Teilzeit leichter umsetzbar als in Unternehmen. Der Papamonat macht „Lust auf mehr“ bei den Vätern bei CTR und sie gehen danach häufiger in Karenz. Jedoch sind 3-6 Monate Karenz kompliziert für das Unternehmen, weil für diese Dauer keine neue Person eingestellt wird.

Carmen Goby (WKK) berichtet, dass Kärnten insbesonders auf das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzt. Beim Kinderbetreuungsangebot wurden erste Schritte gesetzt, es gibt aber noch viel zu tun. Für sie als Teilzeit-Führungskraft ist ein tragfähiges Kinderbetreuungsnetzwerk unerlässlich. Daneben nützt sie die klare Kommunikation über ihren Kalender. Zeiten, die geblockt sind, sind nicht verhandelbar. Carmen Goby definiert Führung folgendermaßen: die Rolle der Kapitänin zu übernehmen und andere Aufgaben abzugeben. Sie berichtet, dass Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Qualifikation der MitarbeiterInnen ebenfalls Themen sind, die von der WKK unterstützt werden. Aus dem Publikum wird das Thema Pensionssplitting angesprochen. Carmen Goby erachtet dies als wichtig, im Moment ist es in Kärnten aber noch kein Thema.

Florian Holzinger (Joanneum Research) sieht einen klaren Trend zur Teilzeit, einen Trend zu Führung in Teilzeit kann er nicht erkennen. Im Moment sind es Einzelfälle. Diese Einzelfälle könnten jedoch ein Ankerpunkt für andere sein. Eine rechtliche Basis dazu bietet die Elternteilzeit. Darüber hinaus sollte der Mehrwert auch für die Organisation spürbar werden. Für den Erfolg braucht es Struktur und Flexibilität. Für ihn ist Führung in Teilzeit keine Science Fiktion, da es bereits gute Beispiele fürs Gelingen gibt. Ob es der Führungsstil der Zukunft wird, ist noch nicht absehbar.

Im Anschluss an die Diskussion wurde die FEMtech Expertin des Monats Mai vorgestellt. Alina Absmeier (Infineon) hat seit ihrer Ernennung viele Glückwünsche und positives Feedback erhalten. Über spannende Ferialjobs ist sie in der Unternehmensforschung gelandet. Für sie war ausschlaggebend die Welt mitzugestalten zu wollen, insbesondere die Produktion. Um mehr Frauen in die Technik zu bringen, muss ihrer Meinung nach bei den Mädchen angesetzt werden. Wenn jemand studiert, hat er den Weg bereits gefunden.

Fotos: © karlheinzfessl.com

© Karlheinz Fessl