FEMtech Netzwerktreffen vom 3. Oktober 2016

03.10.2016 Tech Gate Vienna, Donau-City-Straße 1, 1220 Wien

Bilder im Kopf – Karrieren - Arbeitswelt

Im Laufe unseres Lebens entstehen in unseren Köpfen stereotype Bilder. Familie, Bildungseinrichtungen und der Arbeitsplatz können diese Sichtweisen verstärken, abschwächen oder verändern. Welche Bilder von Frauen und Männern gibt es in unserer Arbeitswelt? Welche tragen wir selbst in unseren Köpfen?
Stereotype beeinflussen unsere Entscheidungen. Der Abbau von Vorurteilen hilft nicht nur die richtigen Entscheidungen zu treffen, er beinhaltet auch ein großes Potenzial für den Erfolg von Unternehmen. Welche Strategien und Maßnahmen gibt es in der angewandten Forschung und welche führen zum gewünschten Erfolg?
Diesen Fragen wurde im Rahmen des letzten FEMtech Netzwerktreffens, das am 3. Oktober 2016 in Wien stattfand, nachgegangen.

Rupert Pichler (BMVIT) verwies in seiner Begrüßung auf die Bedeutung von gesetzlichen Grundlagen, Erhebungen und Indikatoren im Bereich Chancengleichheit. Daneben strich er die Wichtigkeit und Aktualität der Reflexion von Stereotypen hervor. Andreas Wildberger (FFG) zeigte in seinen Begrüßungsworten anhand eines Beispiels, welche unterschiedlichen Bilder in unseren Köpfen entstehen. Da diese Bilder auch unsere Entscheidungen beeinflussen, wie zum Beispiel in der Personalauswahl, sieht er es als äußerst wichtig diese Bilder bewusst zu machen und in einen Kontext zu setzen.

Marita Haas (TU Wien) erklärte anhand von verschiedenen Situationen, welchen Stereotypen Mädchen und Frauen in unterschiedlichsten Lebensphasen begegnen. Dieser Beispiele machten Folgendes sichtbar: Burschen und Mädchen erhalten in Bildungseinrichtungen unterschiedliche Angebote. Das stereotype Bild der/des idealen StudentIn, der/des idealen WissenschaftlerIn oder der idealen Führungskraft ist fest in Institutionen verankert. Im Alltag entsteht oft der Eindruck, dass sich die Kompetenzen/Interessen von Männern und Frauen unterscheiden und nicht die Expertise der Frau sondern die Frau im Vordergrund steht.
Diese Erfahrungen formen und verfestigen die Bilder von Frauen und Männern und normieren unser Verhalten.
Die Ausgrenzung von Minderheiten und die Überbetonung von Unterschieden zählt in beruflichen Organisationen zur Realität. Stereotype Vorstellungen und Rollenerwartungen stehen im Vordergrund und Karrieremodelle orientieren sich entlang männlicher Lebenskontexte.

Um Stereotype abzubauen sind folgende Denkanstöße und Aktivitäten wichtig:

  • Individuelle Entscheidungen sind geprägt von Rollenerwartungen und Zuschreibungen Strukturelle Hindernisse beseitigen
  • Das Bewusstsein für stereotype Bilder stärken
  • Scheinbare Widersprüchlichkeiten reflektieren
  • Mädchen und Frauenförderung?
  • Quoten sind wichtig

In der anschließenden Podiumsdiskussion fand zwischen den Podiumsgästen und dem Publikum ein reger Erfahrungs- und Meinungsaustausch zum Thema statt:
Sigrun Alten (Infineon) berichtete, dass im Unternehmen vielfältige Aktivitäten gesetzt werden, um TechnikerInnen und weibliche Führungskräfte zu finden. In den Lehrberufen MechatronikerIn und ElektrotechnikerIn liegt der Mädchenanteil bereits bei 40%. Schwieriger ist es den Anteil an weiblichen Führungskräften zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen wurde das Diversity Netzwerk gegründet. Trotz aller Anstrengungen wurden die angestrebten 15% verfehlt. Das Ergebnis einer MitarbeiterInnenbefragung zeigte, dass Mutterschaft zum Karrierebruch führt. Erhöht hat sich bei Infineon die Inanspruchnahme von Väterkarenzen. Die Dauer der Karenz ist jedoch maximal 2 Monate. Sigrun Alten appellierte an uns alle: Jeder sollte Verantwortung für die eigenen stereotypen Bilder übernehmen.
Manfred Wondrak (factor-D) bemerkte, dass sich bereits viel getan hat. Großen Handlungsbedarf in Bezug auf Unconscious Bias sieht er bei den EntscheidungsträgerInnen. Wenn nur eine Führungskraft entscheidet, wer von den BewerberInnen aufgenommen wird, fällt die Wahl immer auf dieselbe Art von Personen. Seiner Meinung nach können Führungskräfte ihre Bilder nicht ändern, sondern diese nur reflektieren. Manfred Wondrak schlägt vor, Prozesse im Vorfeld einer Bewerbungsentscheidung zu schalten, damit objektivere und dadurch bessere Entscheidungen getroffen werden. Für ihn ist der Schlüssel zur Veränderung die Akzeptanz der Vielfältigkeit. Sigrun Alten sieht das Hauptproblem von zu wenigen Technikerinnen darin, dass aus den Fachabteilungen Anforderungen kommen, die niemand erfüllen kann. Frauen bewerben sich seltener als Männer auf diese Stellenausschreibungen. Daher werden in ihrem Unternehmen Bewerbungsentscheidungen gemeinsam getroffen. Denn es geht oft um die Angst den Kuchen teilen zu müssen.
Angelika Rauch (tbw research) wollte bei der Gründung Ihres Unternehmens neue chancengleiche Strukturen verankern. Die Förderung des FEMtech Karriere Projekts „Keine Grenzen mehr“ machte es leichter, ihre GeschäftspartnerInnen von der Bedeutung des Projekts für das Unternehmen zu überzeugen. Heute arbeitet ein Großteil der MitarbeiterInnen in Teilzeit – Männer und Frauen. In Bezug auf unbewusste Vorurteile versucht Angelika Rauch vor allem auch bei sich selbst anzusetzen. Reflexion ist der Anfang zum bewussteren Umgang mit den Bildern in unseren Köpfen.
Andreas Wimmer (LEC) berichtete, dass in seinem Fachbereich Großmaschinenbau, vor allem sehr konservative Bilder existieren. Maschinenbau wird mit viel Arbeit, Schmutz und viel Kraft verbunden, das schreckt Frauen ab. Er setzt zur Erhöhung des Frauenanteils an folgenden Punkten an: neutral formulierte Stellenausschreibungen, internationales Recruiting und Interdisziplinarität. Dadurch ist es ihm bereits gelungen den Anteil von 0,3% Frauen auf 7% zu erhöhen. Das Ziel von 15% Frauen in seinem Kompetenzzentrum möchte er durch ein geplantes FEMtech Karriere Projekt erreichen. Eine Frauenquote ist aus seiner Sicht zielführend. Für Manfred Wondrak sind Auswahlprozesse und Frauenförderung wichtiger als Quoten.
Marita Haas (TU Wien) sieht im Thema Stereotype großen Handlungsbedarf. Betreuungspflichten sind keine Frauensache, dies betrifft beide Eltern. Es entsteht oft der Eindruck, dass Frauen nicht führen möchten, doch das stimmt nicht. Die Anforderungen an eine Führungskraft sind zu hinterfragen z.B. in Bezug auf Arbeitszeit bzw. Verfügbarkeit. Verständlich findet sie auch, dass junge Frauen verneinen, dass sie benachteiligt werden. Und individuelle Frauen finden auch individuelle Strategien, oft jedoch mit einem enormen Aufwand.

Im Anschluss wurde auf Einladung des bmvit am Buffet weiter diskutiert und genetzwerkt.

Fotos: © annarauchenberger.com / Anna Rauchenberger

© Anna Rauchenberger