FEMtech Netzwerktreffen vom 28. Mai 2018

28.05.2018 FH Wiener Neustadt, Hörsaal 5, Johannes-Gutenberg-Straße 3, 2700 Wiener Neustadt

Mentoring – Bewährtes neu gedacht

Mentoring ist ein wirksames Instrument zur Förderung von Chancengleichheit: Es unterstützt bei der Karriereplanung von neuen MitarbeiterInnen sowie beim Aufstieg weiblicher Führungskräfte. Passende Spielregeln und Strukturen sind Bedingung, um das volle Potenzial auszuschöpfen. Was sind Erfolgsfaktoren bei der Implementierung von Mentoring? Welche Wirkung hat Mentoring für Organisationen und wofür kann es gut genutzt werden? Welche Formen von Mentoring gibt es? Diesen Fragen wurde im Rahmen des letzten FEMtech Netzwerktreffens nachgegangen, das am 28. Mai 2018 an der FH Wiener Neustadt stattfand.

Josef Wiesler (FH Wiener Neustadt) eröffnete als Gastgeber und Kooperationspartner für die FH Wiener Neustadt die Veranstaltung und gab einen Überblick über die Verteilung der Studierenden in den verschiedenen Studienrichtungen an der FH Wiener Neustadt. In technischen Studienrichtungen sind Frauen unterrepresentiert. Silvia Neumann (BMVIT) erwähnte, dass Mentoring auch vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie als wichtiges Instrument erkannt wurde und deshalb wird es als eines der Module im Rahmen der Programmlinie FEMtech Karriere angeboten. Mit FEMtech Karriere werden Unternehmen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen unterstützt, um Chancengleichheit und Frauenförderung in die Praxis umzusetzen. Inzwischen konnten knapp 100 Projekte mit der Programmlinie FEMtech Karriere unterstützt werden.

Michel E. Domsch (HSU Hamburg) stellte am Beginn seines Vortrags verschiedene Mentoringformen vor. Er erläuterte welche Ziele Mentees und MentorInnen dazu bewegen an einem Mentoring Programm teilzunehmen und empfahl einige Faktoren zu beachten, damit der Prozess ein Erfolg wird.

  • Vorbereitung: Die Aktivität muss in der HR-Strategie verankert werden und in ein Team eingebettet werden. Mentoring ist kein Selbstläufer, es muss sich jemand darum kümmern.
  • Durchführung: Vorab müssen alle in der Organisation informiert werden und es muss klar definiert werden, wer die TeilnehmerInnen sind. Besonders wichtig ist das Matching der MentorInnen und der Mentees. Während des Prozesses dürfen die Beteiligten nicht allein gelassen werden, vor allem bei Konflikten sollte Supervision zur Verfügung stehen. Mentoring ist eine Investition!
  • Nachbereitung: Eine Evaluation des Mentoring Programms ist wichtig. Unmittelbar danach, aber auch nach einigen Jahren sollte der Erfolg der Maßnahme gemessen werden. Diese Ergebnisse liefern wertvolle Informationen für die Anpassung und Neuentwicklung von weiteren Programmen zur Verbesserung der Chancengleichheit.

Mentoring verfolgt oftmals das Ziel mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Auch sollte neben der Managementkarriere die ExpertInnenkarriere nicht vergessen werden. Diese wird manches Mal von Frauen bevorzugt. Üblicherweise werden ExpertInnen nicht mit Mentoringprogrammen unterstützt. Dieses Angebot fehlt und könnte für Frauen eine große Chance bieten. Große Vorteile sieht Michel E. Domsch im Cross Mentoring, einem organisationsübergreifenden Mentoringangebot. Da die MentorIn nicht aus derselben Organisation kommt, kann offener gesprochen werden, es gibt daher eine größere Thementiefe, beide lernen eine unterschiedliche Unternehmenskultur kennen und es bilden sich Netzwerke.

In der anschließenden Podiumsdiskussion fand ein reger Austausch unterschiedlicher Meinungen und Erfahrungen der ExpertInnen statt:

Gabriele Kössler (Kössler & Partner) sieht als Schirmherrin eines Cross Mentoring Programms in Oberösterreich die größte Herausforderung im Matching, denn die Chemie muss stimmen. Als Unternehmensberaterin rät sie den KundInnen eine klare Entscheidung für Mentoring zu treffen und nicht nur auszuprobieren. Erfolgsfaktoren sieht sie in einer soliden Vorbereitung, dem Commitment aller Beteiligten, auch der Führungskräfte und der richtigen Auswahl der MentorInnen. Als Eignungskriterien nennt Gabriele Kössler die Liebe zur Personalentwicklung und gerne Wissen weiterzugeben. Ihre Erfolgsbilanz nach 15 Jahren Cross Mentoring lautet: 85% der ehemaligen Mentees haben Karriere gemacht. Aktuell setzt sie gerade ein EPU Mentoring Programm für Oberösterreich auf. Ziel ist es tragfähige Netzwerke für die EinzelunternehmerInnen zu bilden. Abschließend meinte Gabriele Kössler, dass das Potenzial der Frauen gebraucht wird und vor allem auch nach der Familiengründung.

Roman Schmid (Bioenergy 2020+) sah sich mit der Aufgabe konfrontiert die geringe Anzahl an Frauen in der Organisation zu erhöhen, daher startete er ein BMVIT gefördertes FEMtech Karriere Projekt. Aktuell läuft bereits das Folgeprojekt in dem der Fokus unter anderem auf Mentoring gelegt wurde, da Bioenergy 2020+ den Frauen im Unternehmen ermöglichen möchte, Netzwerke innerhalb der Organisation aufzubauen. Aus dem ersten FEMtech Karriere Projekt hat er für sich mitgenommen, dass es bei einer Stellenausschreibung nicht reicht w/m anzuführen, wenn man gezielt Frauen ansprechen möchte. Denn wichtige Faktoren dabei sind die Formulierung und Gestaltung der Anzeige. Außerdem werden nicht mehr nur einige wenige Studienrichtungen angesprochen, sondern auch benachbarte Studien. Dies ermöglicht eine höhere Anzahl an Bewerberinnen. Er sieht sich selbst als Mentor z.B. in seiner Tätigkeit als Vortragender und gibt gerne seine Lebenserfahrung und sein Praxiswissen weiter, um etwas zu bewirken.

Manuela Wiesinger-Widi (RISC Software) konnte bisher nur im Zuge Ihrer Doktorarbeit Erfahrungen als Mentee sammeln. Sie hätte auch gerne an einem Mentoringprogramm teilgenommen, es kam aber bisher nicht dazu. Nach Abschluss ihres Doktorats begann Sie als Forscherin bei RISC Software zu arbeiten. Jetzt leitet sie im Unternehmen das FEMtech Karriere Projekt „FemPowerED@RISC“, das sich mit der Laufbahnentwicklung von Frauen beschäftigt und sehr gut ankommt. Mentoring ist Teil dieses Projekts. Es soll neue Mitarbeiterinnen gut ins Unternehmen integrieren. Bereits vor einigen Jahren wurde in der Organisation ein FEMtech Karriere Projekt abgeschlossen, dieses Mal hat sie ihre Chance ergriffen und die Projektleitung übernommen.

Sabine Zauchner-Studnicka (MOVES) leitete das FEMtech Forschungsprojekt „rement“. In diesem Projekt wurde ein Reverse Mentoring Modell für den Bildungsbereich entwickelt. Die 15-17 jährigen Schülerinnen waren IT-Mentorinnen für LehrerInnen. Einen wichtigen Aspekt im Reverse Mentoring sieht sie auch im Aufbau einer Beziehung zwischen MentorIn und Mentee. Denn Lernen kann nur in positiver Beziehung stattfinden, die von Respekt, Wechselseitigkeit und Verständnis geprägt ist. Die Erfahrungen aus der Evaluation des Projekts zeigen, dass sich etwas bewegt hat, sowohl bei den Mentorinnen als auch bei den Mentees. Bei den Schülerinnen hat persönliche Entwicklung stattgefunden.

Aus dem Publikum kommt eine Wortmeldung, dass der Mangel nicht bei den Frauen liegt, sondern weil die Gesellschaft „gebiased“ ist. Damit blinde Flecken nicht weitergegeben werden, braucht es eine Sensibilisierung und Regeln, dass sich nicht die Frauen den mit Vorurteilen behafteten Strukturen anpassen, sondern die Organisationen gleiche Chancen für alle bieten. Statt „fix the women“ wird „fix the organization“ benötigt.

Für Michel E. Domsch müssen MentorInnen in ihrer Rolle unterstützt und bevollmächtigt werden. Sie dürfen diese nicht einfach nur übernehmen, sondern sollen auch selbst etwas mitnehmen. Mentees wiederum brauchen Ziele für das Mentoring. Was erwartet sich das Unternehmen? Mentoring ist keine Alternative zu einer Gehaltserhöhung, es braucht klare Vereinbarungen und nicht Beliebigkeit. Ein Misserfolgsfaktor können Neider sein. Auch Führungskräfte können irritiert sein, dass eine andere Person Aufgaben der Personalentwicklung übernimmt und „reinpfuscht“. Er sieht vor allem Forschungsbedarf in folgenden beiden Punkten: langfristige Wirkung von Mentoring, zusätzliche Zielgruppen z.B. AsylantInnen.

Im Anschluss an die Diskussion wurde die FEMtech Expertin des Monats Mai vorgestellt. Claudia Kuntner-Hannes forscht für das AIT im Bereich analytische und medizinische Physik. Besonders wertvoll findet sie die Betreuung des weiblichen Forschungsnachwuchses bei den FEMtech Praktika für Studentinnen. Dieses Angebot ermöglicht es weiblichen Nachwuchskräften in das Leben der Wissenschaft reinzuschnuppern und einen realistischen Blick dafür zu bekommen.

Fotos: © www.nadine-studeny.at / Nadine Studeny

© Nadine Studeny