FEMtech Netzwerktreffen vom 18. Oktober 2021

18.10.2021 Onlineveranstaltung via Zoom

Mit New Work zu fairen Arbeitsbedingungen? Der Wandel der Arbeitswelt als Chance!

Schon vor der Corona-Pandemie haben neue Ansätze der Arbeitsgestaltung unter dem Schlagwort New Work einen Wandel in der Arbeitswelt angedeutet. Besonders in technikaffinen Branchen, die hochqualifizierte Fachkräfte suchen, wird es immer wichtiger, jene zu halten und zu motivieren. Zudem arbeiten in MINT-Branchen vergleichsweise noch wenige Frauen. „New Work“ könnte helfen, hier Arbeitsbedingungen neu und für alle Geschlechter attraktiver und gerechter zu gestalten. Die Corona-Pandemie hat die Umsetzung von New-Work-Konzepten deutlich befördert. Wie geht es weiter? Was können Organisationen tun, um für faire Arbeit und geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen zu sorgen? Wie kann der Wandel der Arbeitswelt als Chance genutzt werden?

Aufgrund der Sicherheitslage wurde das in Kooperation mit ITG Innovationsservice für Salzburg organisierte Netzwerktreffen nicht in Salzburg abgehalten, sondern fand online statt. Die Salzburger Landesrätin Andrea Klambauer eröffnete das Netzwerktreffen. Sie betonte, „dass derzeit große Veränderungsprozesse auf die Arbeitsbedingungen wirken“. Größere räumliche und zeitliche Flexibilität seien gefragt, aufgrund des Wandels in der Arbeitswelt. Die Landesrätin forderte eine geschlechtergerechte Arbeitswelt, in der Rahmenbedingungen so gestaltet werden sollten, dass Familie und Beruf vereinbar werden. Sie plädierte deshalb für veränderte Führungsstrukturen und Machtverteilungen, die es Frauen ermöglichen sollen, sich gleichberechtigt einbringen und entwickeln zu können sowie gerechte Entlohnung zu erhalten. Frau Mag.a (FH) Silvia Neumann, Vertreterin des Bundesministeriums für Klima, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und verantwortlich für die Initiative FEMtech stellte die Intentionen der FEMtech Netzwerktreffen vor. Sie wies darauf hin, dass New Work im Rahmen dieses FEMtech Netzwerktreffens diskutiert wird, weil es relevant für das Thema Chancengleichheit sei und betonte, dass neben den FEMtech Netzerktreffen auch noch Förderungen zu den Themen Frauenförderung und Chancengleichheit vergeben werden.

Die Keynotespeakerin Mag.a Julia Bock-Schappelwein, Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), gab mit ihrem Vortrag „Wandel der Arbeitswelt. Chancen und Herausforderungen“ einen Überblick über die Rahmenbedingungen, in denen „New Work“ stattfindet. Sie betonte, dass sich die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten stetig im Wandel befinde, beispielsweise mit dem stetig wachsenden Gewicht des Dienstleistungssektors, der Stellung von Frauen am Arbeitsmarkt (überdurchschnittlich gut ausgebildet, trotzdem Gender Pay Gap, Frauen weniger in MINT-Sektoren beschäftigt) und Jobs, die Altersunabhängiger würden. Trends für die Zukunft seien eine weitere örtliche und zeitliche Flexibilisierung von Arbeit, veränderte Führungsstrukturen und neue Machtverteilung, mehr agile und projektorganisierte Organisationsformen sowie die zunehmende Relevanz der Sinnstiftung durch Arbeit.

Ansatzpunkte für mehr Chancengleichheit sah sie auf Ebene der Unternehmen in flexiblen Arbeitsmodellen, Job Sharing, Mixed Teams (Diversität), digitalen Lernangeboten, betriebliche Maßnahmen zur besseren Work-Life-Balance und den Rahmenbedingungen der digitalen und sozialen Infrastruktur. Dabei umfasst die soziale Infrastruktur nicht nur Schulen und Kindergärten mit hochwertigen Betreuungsangeboten, sondern auch andere Angebote, die Care-Arbeit in allen Lebensabschnitten übernehmen. Sie plädierte dafür, die Familienarbeit anders aufzuteilen, um Chancengleichheit zu ermöglichen.

Mag.a Dr.in Maria Ziller, Personalchefin der Salzburg AG, zeigte an konkreten Beispielen, wie neue Arbeitskonzepte in einem sehr breit aufgestellten Großunternehmen aussehen können. Man habe einen Umgestaltungsprozess angestoßen, bei dem sich das Unternehmen an Kund:innen und den Mitarbeitenden orientiere: Was braucht welche Gruppe? So sei jetzt etwa auch Führung in Teilzeit möglich. Es würde auch erfolgreich mit Quoten gearbeitet: Führungspositionen würden mit Frauen besetzt, die als Rolemodels und Mentorinnen wiederum weitere Frauen fördern würden. Bei den MINT-Trainees würde man die geeigneten Kandidat:innen nach und nach anwerben, um die 5o%-Quote zu erfüllen. Die Pandemie habe den Lernprozess im Unternehmen beschleunigt. Beispielsweise habe man während der Lockdowns gelernt, dass auch Personengruppen online arbeiten können, bei denen das zuvor nicht denkbar gewesen sei. So könnten z.B. technische Messungen auch aus der Ferne erledigt werden. Man müsse viele Gewohnheiten hinterfragen, um Änderungen umsetzten zu können. Am wichtigsten bei alledem sei der Wille der Unternehmensführung zu Neuem. Wenn Initiativen zur Chancengleichheit vom Top-Management initiiert und getragen werden, würden auch alle mitziehen - vorausgesetzt, man kommuniziert die Vorteile der Änderungen gut. Denn insbesondere bei Fragen der Fairness und Chancengleichheit gehe es um strukturelle Hindernisse. Diese könnten nur beseitigt werden, wenn auch strukturiert an den Rahmenbedingungen gearbeitet würde. Genaue Analysen und Maßnahmen, eingebettet in ein systematisches Vorgehen seien der Schlüssel zu mehr Chancengleichheit.

Dr. Michael Berger, Vizepräsident Global Human Resources Palfinger Group bestätigte, dass die Pandemie ein „Brandbeschleuniger“ gewesen sei. Sie habe Fragen noch drängender gemacht, die das Unternehmen schon länger beschäftigen. Eine besondere Herausforderung sei die extreme Volatilität: eine Phase von Kurzarbeit werde schon bald gefolgt von einer, in der offene Stellen nur schwer zu besetzen seien. Die Ansprüche der Mitarbeitenden würden steigen: Es sei nicht mehr so, dass sich Unternehmen die Mitarbeitenden aussuchen, sondern die Mitarbeitenden die Unternehmen. Ein gutes Gehalt alleine reiche nicht mehr. Wie solle man nun mit „New Work“ umgehen? Auf einer arbeitstechnischen Ebene sei das relativ einfach: Flexibiltät ließe sich umsetzen, nachdem man die Gemeinsamkeiten der Beteiligten ausgelotet habe. Homeoffice betreffe bei Palfinger nur 30% der Mitarbeitenden. Bei der Gewinnung von Fachkräften seien Sinnstiftung und Nachhaltigkeit der größte Chancenhebel. Den beiden für die Chancengleichheit essentiellen Infrastrukturen der Keynotespeakerin, der digitalen und sozialen, stelle Dr. Berger die „Infrastruktur Leadership“ zur Seite. Diese sei eine Herausforderung und Gleichzeitig die Grundlage für Änderungen. Er pflichtete Maria Zillner bei, dass das Commitment des Managements zu mehr Chancengleichheit eine Voraussetzung sei und dass er selbst auch sehe, welchen großen Einfluss der Faktor Kultur habe. So seien beispielsweise im Headquarter in Österreich 30% der Mitarbeitenden Frauen, wohingegen in Russland bei den Angestellten in der Technik 30% Frauen zu finden seien: denn hier sei es normal, dass auch Frauen z.B. als Schweißerinnen arbeiten. 

Mag. Anton Kesselbacher, CEO des Softwareproduzenten Abios, schilderte die Herausforderungen und Lösungsansätze aus der Perspektive eines Kleinunternehmens mit Start-Up-Kultur. Diese habe man sich seit der Gründung 2015 beibehalten und sie sei enorm nützlich, weil das Unternehmen so flexibel auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen könne – wie auch aufgrund der kleinen Größe. Er lege viel Wert auf einen wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeitenden, die möglichst da arbeiten würden, woran sie Spaß hätten. So komme mehr Sinn in die Arbeit und die jeweiligen Kompetenzen könnten gut eingesetzt werden, was Firma und Mitarbeitenden zu gute käme. Mitarbeitende, insebsondere weibliche IT-Fachkräfte, würden über Praktika von Studierenden gewonnen. Man bemühe sich früh aktiv um Studierende, was eine lohnende Investition sei. Man habe ein Netzwerk aus Mitarbeitenden und diese würden auch ihre eigenen Netzwerke nutzen, um passende Personen für Aufgaben zu finden. Die Mitarbeit sei auch nur für Projekte möglich oder für wenige Stunden pro Woche – abhängig von Aufgaben und Wünschen der Mitarbeitenden.

In ihrem Diskussionsbeitrag fasste Mag.a Bock-Schappelwein zusammen, dass nun durch die einzelnen Beiträge eine Art „Bauchladen“ an Maßnahmen zusammen gekommen sei, wie die von ihr identifizierten Handlungsfelder in der Praxis umgesetzt werden könnten. Auch das Publikum diskutierte über die Chatfunktion rege mit und stimulierte damit einen Erfahrungsaustausch zu faireren Arbeitsbedingungen. Im Anschluss vernetzten sich die Teilnehmenden in Break-Out-Räumen noch über das offizielle Veranstaltungsende um 18 Uhr hinaus.