Expertin des Monats
Feb. 2010
Mag.a Dr.in Doz.in Sabine Ladstätter

Priv. Doz. Mag.a Dr.in Sabine Ladstätter ist FEMtech Expertin des Monats Februar.

Nach ihrem Diplom- und Doktoratsstudium der Klassischen Archäologie und der Alten Geschichte an den Universitäten Graz und Wien habilitierte sich Sabine Ladstätter 2007 an der Universität Wien im Fachgebiet Klassische Archäologie.

Seit Oktober 2009 ist die gebürtige Klagenfurterin und Mutter einer kleinen Tochter Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts. Ihr aktuelles Arbeitsgebiet ist die Wirtschaftsarchäologie, die Rekonstruktion antiker Wirtschaftsformen auf Basis archäologischer Denkmäler unter Einbeziehung naturwissenschaftlicher Methoden und unter Einsatz moderner Technologien.

Im Rahmen von aktuellen Forschungsprojekten widmet sie sich einerseits der genauen Analyse des Produktionsstandortes Ephesos und andererseits der materiellen Kultur von Syene/Oberägypten in plolemäischer Zeit.

Interview

Sie haben klassische Archäologie in Graz studiert. Wie kam es zu dieser Studienwahl?

Wie bei einigen ArchäologInnen ist es ein Kindheitswunsch von mir gewesen. Es gibt da ein ganz ein berühmtes Foto aus frühen Kindheitstagen: Ich stehe mit Schaufel wie ein Chef vor meinen Cousins und auf die Frage meiner Mutter was wir da tun, meinte ich, wir graben zum Mittelpunkt der Erde.

Haben Ihre Eltern das Interesse für Archäologie geweckt?

Ich bin am Land aufgewachsen, in einem ganz kleinen Dorf in Unterkärnten und meine Eltern hatten keinen Bezug zur Wissenschaft und Archäologie - insofern weiß ich nicht, woher dieses Interesse kommt. In der Volksschule hatte ich dann ein prägendes Erlebnis am Magdalensberg: Auf meine Frage an die Lehrerin wie diese Leute heißen, die graben - antwortete ich ihr, dass ich auch Archäologin werden wolle. Ich habe mich immer mit Archäologie beschäftigt schon mit Praktika während der Schule.

Sie haben dann in Wien Ihr Doktorat gemacht und gleichzeitig das Studium der Ur - und Frühgeschichte begonnen.

In der Archäologie gibt es mehrer Strömungen: In Graz war damals die kunsthistorische und bildwissenschaftliche Strömung sehr ausgeprägt und in Wien gab es den Bezug zur Feldarchäologie, der mich mehr interessierte, deshalb wechselte ich nach Wien. Wien bildet mit der Ur- und Frügeschichte und Numismatik, sowie der Ägyptologie als Feldarchäologie ein sehr weites  und das Beste Spektrum der Feldarchäologie ab.

Wie sind sie nach Ephesos gekommen?

Nach meiner Dissertation war am Österreichischen Archäologischen Institut eine Stelle für Keramikbearbeitung in Ephesos ausgeschrieben, für die ich mich beworben habe. Thematisch habe ich zwar in meiner Dissertation zu einem provinzialrömischen Thema - nämlich zu den Römern in Österreich gearbeitet aber methodisch hatte ich bereits Keramikforschung betrieben.

Was ist das faszinierende an Ephesos?

Ephesos war eine der reichsten Städte des römischen Imperiums. Es ist auch die einzige Großstadt, die nicht modern überbaut ist - wie z.B. Rom, oder Alexandria. Nur Ephesos liegt uns so vor, dass wir es erforschen können.

Und die Keramik ist in ihrem derzeitigen Forschungsschwerpunkt der Wirtschaftsarchäologie weiterhin bestimmendes Forschungsobjekt geblieben. Worin liegt die Bedeutung der Keramik in ihrer Forschung?

Wirtschaftsarchäologie hat bei uns kaum eine Tradition. Sie kommt aus dem angelsächsischen Raum, wo die Archäologie wesentlich prozesshafter betrieben wird. Wirtschaft lässt sich aufgrund der materiellen Kultur sehr gut nachweisen. Und ArchäologInnen finden vor allem in großen Mengen Keramik. In Bezug auf Wirtschaft lassen sich daher Aussagen über Handel und internationale Beziehungen machen. Denn in den Gefäßen wurden Güter transportiert. Auf Grund der Gefäßform wissen wir was darin transportiert wurde (Wein, Öl, etc.) und woher es kam (Spanien, Ägypten, oder vom schwarzen Meer) und so lassen sich Handelsbeziehungen und -ströme nachweisen. Das Tafelgeschirr war auch in Keramik ausgeführt. Dieses war einer starken Mode unterworfen. Daher ist es das Datierungskriterium Nr.1 in der Archäologie.
Für mein Verständnis von Archäologie erachte ich es für sehr wichtig immer wieder einen Gegenwartsbezug herzustellen: Kann es sein, dass ich als Österreicherin auch eine europäische Identität habe? Die Griechen in Ephesos waren, z.B. multiple Identitäten: Sie haben griechisch gesprochen, waren griechisch gekleidet, hatten aber die Tischkultur der Römer übernommen. Durch die Okkupation der Römer begannen die Griechen in Ephesos wie die Römer zu essen zu trinken.

Sind solche Bezüge zulässig?

Im vereinfachten Sinn schon. Unter FachkollegInnen wird man den Bezug nicht herstellen. Es wird darüber diskutiert, wie weit man in der Vereinfachung der Darstellung gehen kann. Aber ich glaube, dass man sich trauen muss. Mir geht es um die Vermittlung von Wissenschaft. Ich sehe das als meine Verantwortung und Respekt den MitbürgerInnen an, die unsere Tätigkeit bezahlen. Deshalb ist es für mich so wichtig, so zu formulieren, dass man verstanden wird.

Und dann arbeiten Sie auch zur Wirtschaftskrise in Ephesos. Wie ist es dort zurKrise gekommen?

Das ist sehr interessant. Ephesos war sehr reich. Im 3. Jahrhundert erfuhr Ephesos eine Erdbebenserie, die sich über 50 Jahre dahinzog. Zusätzlich wurde die Stadt von den Goten geplündert und die Ressourcen des Landes vernichtet. Die Olivenbäume wurden abgeholzt. Jeder weiß, wie lange es dauert bis diese wieder nachwachsen. Der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtwirtschaft betrug 90%, daher war die gesamte Wirtschaft nachhaltig gestört. Das führte dazu, dass sich die Stadt nicht mehr versorgen konnte. Es brachen Seuchen aus, es kam zu einer Dezimierung der Bevölkerung, es gab keine Bauaktivität und keine Warenimporte mehr. Der Handel wurde unterbrochen. Man ernährte sich nur von den Dingen, die man selbst produzierte. Die Skelette zeigen uns, dass die Menschen in dieser Zeit stark rachitisch waren.

Gab es dann noch einen wirtschaftlichen Aufschwung?

Erst nach 130 Jahren ist eine Erholung zu konstatieren und das wissen wir nur aufgrund der archäologischen Quellen. In der Spätantike ist die Stadt wesentlich kleiner. Sie ist aber ein sehr wichtiger Handelsstützpunkt und ein christliches Pilgerheiligtum. Die Stadt hat sehr viele Heilige und war dann im 5./6. Jahrhundert das Ziel vieler Pilgerreisen.

Ephesos - eine der renomiertesten Ausgrabungsstätten weltweit - begleitet Sie bis heute: Sie sind stellvertretende Grabungsleiterin. Was machen Sie dort genau?

Meine Aufgabe reicht von Klopapier organisieren bis zur Führung des Bundespräsidenten durch die Ausgrabungsstätte. Das ist eine ganz vielschichtige Arbeit, die dadurch extrem reizvoll ist. Im Zentrum steht die Organisation von Wissenschaft und Forschung.
Unsere Forschungsprogramme werden nur zum Teil von der öffentlichen Hand finanziert. Meine Aufgabe ist es private Sponsoren zu suchen und Drittmittel zu lukrieren. Weiters leite ich die Logistik, das heißt die Organisation der Grabung. Wir haben 174 WissenschaftlerInnen und 60-80 lokale Arbeitskräfte. Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld ist die Öffentlichkeitsarbeit und die Kulturpolitik: Ephesos besuchen jährlich 2 Mio. Menschen.

Haben Sie auch StudentInnen vor Ort?

Wir arbeiten sehr viel mit StudentInnen, die wir auch ausbilden. Und ich sehe da eine Diskrepanz mit den Universitäten. Die Universitäten bilden ihre StudentInnen nicht für den Markt aus - für uns ist das ein Problem, wenn wir AbsolventInnen ausbilden müssen. Das kommt mir in der Diskussion über die Universitäten zu kurz. Wo liegt die Verantwortung der Universitäten, wenn es nur um Bildung geht?

Archäologie studieren mehr Frauen als Männer. Arbeiten bei den Ausgrabungen auch vor allem Frauen?

Das ist ganz verschieden. Frauen machen Kunstgeschichte oder Keramikbearbeitung, wenig Grabung, Architektur oder Bauforschung. Ich fördere Frauen ganz besonders in jenen Bereichen, die traditionell von Männern besetzt sind, um diese aufzubrechen. Jetzt habe ich gerade eine junge Kollegin eingestellt, die ich sehr schätze, sie macht Bauforschung.

Gibt es Ressentiments gegen Frauen bei den Grabungen?

Ja. Auch mir gegenüber hat es diese gegeben, dass eine Frau keine Grabung leiten kann, weil sie nicht mit Arbeitern sprechen kann. Aber jetzt bin ich in einer Position, wo ich etwas ändern und bewegen kann.

Sie übernehmen die Betreuung von Diplom- und Doktorarbeiten. Wie wichtig sehen Sie die Funktion einer Mentorin?

Für mich ist es ganz wichtig, dass man Kritik als etwas Positives auffasst. Kritik sollte als Auseinandersetzung mit einem persönlich begriffen werden. Ein korrigierter Text ist wahrscheinlich im ersten Moment ein Schock, aber viel mehr wert als eine retournierte Arbeit, die zwar abgezeichneichet aber de facto nicht angesehen wurde. Auf diese Weise betreute StudentInnen lerne ich so kennen, fördere sie, und geben ihnen dann auch Arbeitsmöglichkeiten.
Andererseits erkenne ich auch ein neues Biedermeier: Die Studentinnen
nehmen sich freiwillig zurück. Ich vermisse die kämpferische Haltung der Studentinnen, wie sie zu meiner Zeit vorherrschend war.

Woran erkennen sie diese Tendenz?

Frauen wagen sich nicht in jene Positionen vor, die man besetzen muss, um später eine Führungsrolle einzunehmen. Oft sind das schwierige Wege, wo man sich z.B. mit Naturwissenschaften und Technik auseinandersetzen muss.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen und/oder technischen Wissenschaften in der Archäologie?

Sehr wichtig, denn es gibt viele Berührungspunkte. Bekannt sind die C14 Analysen, dann werden auch Herkunfts- und Materialanalysen gemacht. Wichtige Naturwissenschaften in der Archäologie sind die Geologie, die Petrografie und die Geophysik. Die Technik brauchen ArchäologInnen für die Aufnahmemethoden z.B. 3D-scanning. ArchäologInnen müssen diese Wissenschaften soweit kennen, dass sie die richtigen Anwendungsfelder für ihre Arbeit definieren können.

Was bedeutet für Sie beruflicher Erfolg?

Beruflicher Erfolg ist für mich fachliche Akzeptanz auf internationaler Ebene: Durch ein Gutachten, eine Auszeichnung, Einladungen zu Vorträgen, Buchbesprechungen, etc.

Sie sind als erste Frau an die Spitze des österreichischen archäologischen Instituts gewählt worden - Kommen Sie in Ihrer Funktion als Managerin noch zum Forschen?

Ich komme jetzt wieder mehr zum Forschen. Denn die Struktur des ÖAI besteht zu 80% aus Ephesos. Deswegen ist es auch logisch, dass DirektorIn und Grabungsleitung in einer Personalunion vereint ist. Als DirektorIn habe ich Zugriff auf die Verwaltung, und kann jetzt diese Arbeiten abgeben. Ich suche mir jetzt immer so 3 Tages Fenster zum Forschen. Natürlich komme ich nicht mehr soviel zum Forschen wie früher. Aber ich sehe diesen Job nicht als Beschäftigung für die nächsten 27 Jahre. Nach diesen Erfahrungen möchte ich wieder in die Spitzenforschung zurückkehren. Und ich glaube, dass meine Vision auch gut für das Institut ist, dass sie eine Direktorin haben, die diese Tätigkeit nicht bis zur Pension machen möchte.

War für Sie nicht auch eine Karriere an der Universität eine Option?

Nein, war es nicht und wird es nicht sein. Ich mache gerne spezielle Lehraufträge, aber nicht die Generalausbildung. Ich glaube, dass ich da auch kein großes Talent habe. Ich bin selber nicht gerne in die Schule gegangen und ich glaube, ich bin keine gute Lehrerin.

Ist die Finanzierung von Forschungsprojekten mit einem gewissen Erfolgsdruck behaftet? - Stichwort: Sensationsfund!

Nein. Das wird überschätzt. Die privaten Sponsoren sind generell an Kunst und Kultur interessiert. Ich erkenne in den geisteswissenschaftlichen Forschungskreisen eine Arroganz gegenüber wirtschaftstreibenden Managern, die auf einer Unkenntnis der tatsächlichen Situation beruht.

Und für Sie persönlich?

Ich glaube, es wäre gelogen, wenn man sagte, dass es nicht ein besonderer Moment ist. Bei mir war so ein Moment, als wir die Goldgräber gefunden haben. Dieser Einzelfund  eines Familiengrabes hat mich berührt.  Aber es ist keine gezielte Suche nach Schätzen.

Im Falterinterview haben sie einmal gesagt: »Die Folgen meiner Berufswahl sind monatelange Abwesenheiten und ein Leben in oft unkomfortablen Grabungscamps.« Wie verbinden Sie da Beruf und Privatleben miteinander?

Mit Kindern konntest du dieses Leben nicht mehr führen. Ich habe selber die leidvolle Erfahrung gemacht, dass ich mit meiner Tochter nicht im Grabungshaus wohnen durfte. Ich musste mir ein Haus mieten, zu einer Zeit wo ich wenig verdient habe. Dadurch bekamen Archäologinnen kaum Kinder. Ich habe das damals ganz schrecklich empfunden, dass ich keine Wahlmöglichkeit hatte. Daher habe ich die Grabung in Ephesos für Kinder geöffnet. Wenn sich Frauen für Kinder entscheiden, dann können sie ihre Kinder zur Grabung mitnehmen.

Dort werden sie betreut?

Ja. Denn so eine Grabungsstätte muss man sich wie einen Bauernhof vorstellen. Kindern gefällt das sehr. Sie sind dort glücklich. Dazu kommt, dass die Türkei das kinderfreundlichste Land ist, dass man sich vorstellen kann. Kinder sind nirgendwo besser aufgehoben als bei türkischen Nannies, das sind bei uns die lokalen Dorffrauen.

Sie haben ihre Tochter immer dabei?

Ab dem 7. Monat. Sie spricht mit ihren 5 Jahren fließend türkisch und ist kulturell assimiliert. Sie liebt das Leben in der Türkei - Kinder haben in der Türkei so einen hohen Stellenwert und werden dort sehr verwöhnt. Sie will die ganze Zeit wieder hinunter.

Für Sie ist die Vereinbarkeit somit kein Thema?

Was mir fehlt ist die Zeit für mich. Früher bin ich meinen Hobbies nachgegangen, wie Wandern oder Lesen. Das ist jetzt völlig weggefallen. Ich glaube, Beruf und Familie kann ich sehr gut vereinbaren. Mein Mann arbeitet sehr flexibel und die Großeltern sind noch flexibler. Das eigene Leben habe ich einmal verschoben.

Was empfehlen Sie jungen Frauen, die eine ähnliche Karriere einschlagen wollen?

Sie müssen extreme Anstrengungen auf sich nehmen - aber wenn sie sich darauf einstellen, dann ist es wahrscheinlich einer der schönsten Berufe, die man sich vorstellen kann. Wenn man Archäologie als Job begreift, dann sollte man nicht zu Ende studieren, sondern nach dem Bachelor in andere Bereiche gehen. Denn den ArchäologInnen stehen mit ihrer soliden Grundausbildung viel offen, wie Kulturmanagement, etc. Die Forschung raubt einem sehr viel Substanz. Aber wenn man dafür bereit ist, sehr befriedigend.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Nicole Kajtna.

Sabine Ladstätter
Mag.a Dr.in Doz.in Sabine Ladstätter

Oesterreichisches Archaeologisches Institut

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023