Expertin des Monats
Aug. 2022
Anna Leitner, MSc

Frauenförderung und gute Vorbilder sind wichtig, um Frauen zu ermutigen und damit Frauen sich „trauen“, in Männerdomäne zu gehen. Aber ich glaube es braucht auch das richtige Umfeld. Männer und männlich geprägte Institutionen sind hier gefragt, toxische Strukturen und Räume abzubauen und so umzugestalten, dass sie für Frauen offen und angenehm sind. Das beginnt bei dem Umgang mit Karenzzeiten und reicht weit in die Unternehmenskultur. Ich will nicht, dass Frauen immer kämpfen müssen. Männer und männlich geprägte Unternehmen sollten die Konditionen erkämpfen. Frauenquoten können ein Weg sein, genauso wie blinde Bewerbungsverfahren, transparente Gehälter und verpflichtende Väterkarenz.

Interview

Interview mit Anna Leitner

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?

Anna Leitner, MSc
Campaignerin Lieferketten/ Ressourcen bei GLOBAL 2000 - Friends of the Earth Austria

„Campaignerin für Ressourcen und Lieferketten. Ich kämpfe für das Schöne.“

Was macht Global 2000 genau?

GLOBAL 2000 ist eine österreichische unabhängige und gemeinnützige Umweltschutzorganisation. Wir setzten uns für eine intakte Umwelt, eine zukunftsfähige Gesellschaft und nachhaltiges Wirtschaften ein. Wir zeigen Umweltprobleme auf, machen Druck auf Wirtschaft und Politik und bewegen Menschen, sich mit uns für eine lebenswerte Umwelt einzusetzen.

Was machen Sie genau?

Als Expertin und Campaignerin zeige ich Lösungen und Alternativen zum derzeitigen ressourcenintensiven Produktions- und Konsumsystem auf. Das reicht von Mehrweg-Verpackungen über Sorgfaltspflicht in nachhaltigen Lieferketten bis hin zu Ideen für eine neue Wirtschaft. Ein großer Teil meiner Arbeit umfasst Kommunikation – in den verschiedensten Kanälen und Formen. Fachliche Expertise ist dabei unerlässlich, schließlich setzen die Bevölkerung und auch Politiker:innen viel Vertrauen in die unabhängige Meinung von uns als Umweltorganisation.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job?

Jeder Tag ist anders, aber jeder Tag ist geprägt von Kooperation. Ob mit anderen Organisationen auf europäischer Ebene oder in Österreich. Gemeinsam mit Verbündeten, auch aus Wirtschaft und Politik, arbeite ich auf vielen Ebenen, vom kleinsten Detail im Gesetzestext und der konkreten Lösung für die Rohstoffwende bis zum großen Narrativ in Medien und Gesellschaft.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei Global 2000?

Es arbeiten zu 95% Frauen bei GLOBAL 2000, in der Geschäftsführung ist es 50/50, eine Frau und ein Mann. Im Vorstand sind es überwiegend Frauen.

Was unternimmt Global 2000 zu Chancengleichheit in der Organisation?

Bei GLOBLA 2000 ist Chancengleichheit Teil der Betriebskultur, beginnend beim Bewerbungsprozess, bei der Geschäftsführung und Vorstand - bei welchem es eine Frauenquote gib – bis hin zur Geschlechterparität bei Veranstaltungen.

Sie sind auch Vorstandsmitglied des Vereins der Absolvent:innen des Umwelt- und Bioressourcenmanagement. Was machen Sie da genau?

Ich habe recht früh – schon während des Bachelorstudiums – begonnen, mich beim Alumni-Verein zu engagieren. Warum? Weil ich wissen wollte, welche Möglichkeiten ich nach dem Studium habe. Bei meinem Studienanfang hieß es noch, die Jobaussichten seien mittelmäßig, das Zukunftsthema Umwelt noch nicht am Arbeitsmarkt angekommen. Ich habe die Zeitenwende gespürt und wollte mitgestalten. Als Alumni-Verein organisieren wir regelmäßig Netzwerktreffen, in unterschiedlichen Formaten, wo wir immer auch schauen, dass Frauen zu Wort kommen. Zu sehen in welchen Berufen andere Absolventinnen des eigenen Studiums arbeiten, macht Mut und hilft auf die oft gestellte Frage: „Und was macht man mit so einem Studium dann beruflich?“ passende Antworten zu haben.

Sie haben Umwelt- & Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ich wollte – wie viele, die dieses Studium beginnen - „etwas mit Umwelt“ studieren. In Wien hat es 2014 noch deutlich weniger Angebote in diese Richtung gegeben, und die BOKU kannte ich bereits von meinem Bruder. Mir hat am Studienplan vor allem die Interdisziplinarität gefallen, weil technisches und naturwissenschaftliches Wissen mit sozialwissenschaftlichem Wissen verbunden wird. Diese Schnittstelle von Umwelt und Gesellschaft, wie wir von natürlichen Ressourcen abhängen und wie wir mit unserem Tun diese natürlichen Ressourcen unserer Hydrosphäre, Lithosphäre und Atmosphäre formen und viel zu oft zerstören – das ist der spannendste Punkt für mich. Ich bin sehr dankbar, dass ich heute genau an dieser Schnittstelle arbeiten darf.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?

Frauenförderung und gute Vorbilder sind wichtig, um Frauen zu ermutigen und damit Frauen sich „trauen“, in Männerdomäne zu gehen. Aber ich glaube es braucht auch das richtige Umfeld. Männer und männlich geprägte Institutionen sind hier gefragt, toxische Strukturen und Räume abzubauen und so umzugestalten, dass sie für Frauen offen und angenehm sind. Das beginnt bei dem Umgang mit Karenzzeiten und reicht weit in die Unternehmenskultur. Ich will nicht, dass Frauen immer kämpfen müssen. Männer und männlich geprägte Unternehmen sollten die Konditionen erkämpfen. Frauenquoten können ein Weg sein, genauso wie blinde Bewerbungsverfahren, transparente Gehälter und verpflichtende Väterkarenz.


Wordrap mit Anna Leitner

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Mit Holzschienen für den Zug und mit Puppen. Dank meiner großen Brüder gab es bei Spielsachen eine gute Abwechslung! Die frühkindliche Prägung hat jedenfalls funktioniert – ich liebe Zugfahren bis heute.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Aus heutiger Sicht würde ich wieder Umwelt- und Bioressourcenmanagement bwz. Environmental Sciences studieren, weil ich nicht nur viel gelernt, sondern auch tolle Leute kennengelernt habe.

Mein Vorbild ist:
Ich habe viele Vorbilder und es kommen ständig neue dazu – meine Vorbilder reichen von Frauen in meiner Familie wie meine Mama und meine Schwester, zu Politikerinnen wie Alexandria Ocasio-Cortez und Wissenschaftlerinnen wie Helga Kromp-Kolb oder Elisabeth Sawin bis hin zu Journalistinnen wie Melisa Erkurt. Generell Frauen, die mit Leidenschaft für die gute Sache eintreten und sich nicht verbiegen oder den Mund verbieten lassen.

Was ich gerne erfinden würde:
Einen Bullshit-Filter, mit dem fake news und Greenwashing leicht für alle enttarnt werden können. Das würde viel Zeit und Nerven sparen!

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
.. werden Lösungen nicht mehr nur von und für eine kleine Minderheit kreiert. Beim Frauenanteil geht es aber erst los – wir müssen noch viel weiterdenken, damit Lösungen wirklich für alle Menschen gemacht werden.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
... sind wir schon viel weiter, aber noch lange nicht am Ziel. Ein ausbalanciertes Managementteam darf nicht ablenken von strukturellen Problemen wie Lohn-Intransparenz.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Das wichtigste an Innovation ist die Zieldefinition: soll eine Innovation den Unternehmensgewinn erhöhen, oder soll sie das Gemeinwohl stärken und Probleme der Gesellschaft lösen? Die Transformation zu einer gerechten Gesellschaft innerhalb der planetaren Grenzen braucht viel nachhaltige Innovation.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:

Nur durch Forschungsförderung ist die Innovation fürs Gemeinwohl möglich und nur mit Forschung werden wir die großen Krisen bewältigen. Viele offene Fragen und ihre Beantwortung lassen sich nicht monetär bewerten, deshalb ist es so wichtig, dass wir als Gesellschaft die freie Grundlagenforschung finanzieren.

Meine Leseempfehlung lautet:
Thinking in Systems von Donella Meadows. Ein Klassiker, der nie alt wird und immer wieder zum systemischen Denken anregt!