Expertin des Monats
Aug. 2009
Prof.in Dr.in Ruth Breu

Univ. Prof.in Dr.in Ruth Breu ist FEMtech Expertin des Monats August. Die im deutschen Berchtesgarden geborene Wissenschafterin studierte Informatik an der Universität Passau, wo sie 1991 mit "summa cum laude" promovierte. 1999 habilitierte sie an der TU München.

Seit 2002 ist sie Professorin am Institut für Informatik der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, an dessen Aufbau sie wesentlich beteiligt war. Als Leiterin der Forschungsgruppe Quality Engineering, wo ihr derzeit 30 MitarbeiterInnen zur Seite stehen, hat die erfolgreiche Informatikerin in den letzten Jahren über 20 Drittmittelprojekte in nationalen und internationalen Förderprogrammen eingeworben.

Ihr Arbeitsgebiet ist die modellbasierte Erstellung von Softwaresystemen und deren systematische Qualitätssicherung. Als Anwendungsbereich interessiert sich Ruth Breu vor allem für vernetzte System im Gesundheitswesen.

Sie ist eine von acht Frauen, die ab Oktober 2009 eines der acht Laura Bassi Centre of Expertise leiten werden. Ihr Thema: Entwicklung von Konzepten und Werkzeugen für das Design und die Bedienung von service-orientierten IT-Systemen.

"Wenn das Bild des einsamen Hackers zum Bild des kommunikationsorientierten Teamworkers wird, fühlen sich (hoffentlich) auch die Frauen angesprochen...."

Interview

Warum haben Sie sich um die Leitung eines Laura Bassi-Zentrums beworben? 

Die Ausschreibung war einzigartig - so ein Programm gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. An der ersten Informationsveranstaltung nahmen 70 Frauen teil, die sich alle dafür interessierten. Das Ungewöhnliche ist die lange Laufzeit von sieben Jahren. Das ist traumhaft. Normalerweise rechnet man mit Projektlaufzeiten von zwei bis drei Jahren. Die Trauben hängen natürlich hoch. In der Informatik sind sieben Jahre eine Ewigkeit. 

Als Sie mit Ihrem Informatikstudium begannen, kamen überhaupt erst die ersten Personal Computers auf den Markt. Wie hat sich Ihr Interesse für Informatik entwickelt?

Karrieren werden ganz oft durch starke Persönlichkeiten geprägt. Das war bei mir genauso. Ich hatte einen sehr engagierter Mathematiklehrer, der an Computern Interesse hatte. Damals gab es die ersten PCs, und eine Gruppe programmierte am PC. Ich war nicht in dieser Gruppe, da ich ursprünglich den neusprachlichen Zweig des Gymnasiums gewählt hatte. Doch das Programmieren hat mir imponiert, und so bin ich langsam zur mehr mathematisch orientierten Ausbildung hinüber gewandert. Das ist in Bayern möglich, weil es in den letzten zwei Jahren am Gymnasium ein Kurssystem gibt, wo man Kurse frei wählen kann. Ich wählte einen Mathematikschwerpunkt. Für die Mathematik-Facharbeit habe ich einen klitzekleinen Computer benutzt, auf dem ich die Berechnung der Zahl Pi (π) programmierte. Das hat mir Spaß gemacht. Ich dachte, das würde mir auch als Studium Spaß machen.

Was hat der Mathematiklehrer gemacht, dass er so gut war?

Er war nett und engagiert. Er war überzeugend. Er hat den Spaß an der Sache vermitteln können. Er hat sehr praxisnah unterrichtet.

Wann haben Sie festgestellt, dass Sie eine mathematische Begabung haben?

Ich hatte Spaß an Mathematik, aber ich hatte auch an Sprachen Spaß. Es war gar nicht so klar, dass ich unbedingt Informatik studieren muss und sonst nichts. Ich hatte einen sehr guten Abiturdurchschnitt, ich hätte auch Medizin studieren können und habe kurz mit mir gerungen, ob ich das nicht machen sollte. Doch dann habe ich mich für Informatik entschieden. 

Haben Ihre Eltern bei Ihrer Studienwahl einen Einfluss gehabt?

Nein, das habe ich ganz alleine entschieden. Meine Eltern hätten mich eher in Richtung Pharmazie überzeugt. Sie haben mir aber keine Steine in den Weg gelegt und mich voll unterstützt.

Wie ist Ihr Studium verlaufen?

Ich gehörte zum ersten Informatik-Jahrgang in Passau. Wenn ein Fach neu aufgebaut wird, herrscht immer ein sehr persönliches Klima. Wir wurden laufend gefragt, ob wir Lust hätten, an Forschungsprojekten teilzunehmen. Das habe ich gemacht. Zu Software Engineering bin ich wiederum durch einen sehr überzeugenden Professor geraten. 

Wie viele Frauen haben damals Informatik studiert?

Wenige. Wir waren 80 Anfänger. Ich schätze, zehn Prozent waren Frauen.

Das hat sich seither nicht gravierend verändert.

Es ist sogar eher rückläufig. In Fächern wie Medieninformatik oder Wirtschaftsinformatik gibt es mehr Frauen. In der Kerninformatik schaut es recht schlecht aus. 

Warum sind Sie im akademischen Bereich geblieben und nicht in die Wirtschaft gegangen?

Das hat sich so ergeben. Ich wurde gefragt, ob ich promovieren wolle, und das konnte ich mir sehr gut vorstellen. Doch ich war immer an Anwendungen interessiert. Ich möchte an etwas arbeiten, das man spätestens in fünf bis zehn Jahren in der Praxis findet. Meine Ideen stammen aus der Praxis. Ich suche interessante Probleme, und dann suche ich die Lösungen dazu. Ich habe also keine Eins-zu-null-Entscheidung für die Forschung getroffen. Ich habe mir schrittweise meine Kontakte zur Industrie aufgebaut - die waren mir in meiner weiteren Karriere, die nicht mehr so geradlinig verlaufen ist, als ich meine Kinder bekam, sehr nützlich.

Wie ist Ihre Karriere verlaufen?

Ich hatte eine sehr glückliche, behütete Kindheit. Bevor mein Sohn auf die Welt kam, dachte ich, dass ich zu Hause bleiben würde. Ich hatte gerade promoviert. Doch es hat sich schnell herausgestellt, dass das doch nicht der richtige Weg für mich und meine Familie war. Mein Chef hat mich auf Wiedereinstiegsstipendien aufmerksam gemacht. Ich habe so ein Stipendium bekommen und konnte so den Kontakt zur Forschungsgruppe halten. Als nächstes bekam ich ein Habilitationsstipendium. Dabei hatte ich die Möglichkeit, das halbe Stipendium über einen doppelt so langen Zeitraum zu beziehen. Das waren insgesamt knapp zehn Jahre. Beide Programme waren sehr wichtig. Nach der Habilitation habe ich Consulting für Unternehmen gemacht. 

In welchem Bereich?

Telekommunikation und Finanzen. Ich habe für die Informatikorganisation der bayerischen Sparkassen, für Telekom-Unternehmen und andere gearbeitet. Doch ich habe immer mit einer Unikarriere geliebäugelt. Zu dieser Zeit wurde in Innsbruck der Bereich Informatik aufgebaut, und ich hatte das Glück, eine Stelle zu bekommen. Das war 2002. Den Studiengang hat übrigens eine Professorin aufgebaut, Sybille Hellebrand. 

Wann haben Sie sich auf Gesundheit spezialisiert?

Ich bin nicht nur im Bereich Gesundheit tätig, sondern habe mehrere Schwerpunkte. Tirol ist ein starker Standort für Medizin und Informatik. Der Ausbau der Informatik war in den letzten Jahren eine Rieseninitiative. An der Universität wurde das Informatikstudium eingeführt, an der Fachhochschule MCI begann ein Studiengang, und am UMIT, einer vom Land Tirol finanzierten Privatuniversität, wird medizinische Informatik angeboten. 

In welchen Bereichen arbeiten Sie noch?

IT-Management, Security und Qualitätssicherung. Aus allen Bereichen habe ich Partner für das Laura Bassi-Zentrum gesucht und gefunden. 

Wer sind Ihre Partner, und woran werden Sie forschen?

Wir arbeiten mit zwei kleinen und zwei großen Unternehmen. Die großen sind ITH icoserve, das e-health Kompetenzzentrum von Siemens Österreich für den Bereich elektronische Patientenakte und Security im Gesundheitswesen, sowie Kapsch CarrierCom für den Telekommunikationsbereich. Die kleinen Unternehmen sind Phion, ein Hersteller von Security-Produkten in Tirol, und iteratec, ein Softwarehaus in München mit einer Niederlassung in Wien. Alle Bereiche passen wunderbar zusammen. 

Führen Sie im Laura Bassi-Centre das fort, was Sie sowieso machen? 

Nein. Es soll ja nicht eine Summe von Einzelprojekten sein, sondern etwas Neues ergeben. Aber natürlich in dem Bereich, in dem man sowieso arbeitet. Mit den neuen Industriepartnern an Bord ist mir das so gut gelungen, dass sich nun auch unsere bisherigen Projekte miteinander vernetzen.

Wieviele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können Sie durch das Laura Bassi-Centre zusätzlich beschäftigen? 

Zwölf. Darunter sind Doktoranden, eine Postdoc-Stelle, Werkstudenten, ein Softwarearchitekt.

Ist vorgesehen, dass Sie möglichst viele Frauen beschäftigen?

Das Programmziel ist, Vorbilder zu schaffen und Frauen in technischen Berufen zu fördern. Unsere Idee war, die Vernetzung von Frauen untereinander zu fördern. Wichtig ist auch, sich mit der Wahrnehmung des gesamten Berufsstandes auseinander zu setzen. Informatiker werden als einsame Hacker gesehen, die Tag und Nacht vor dem Computer sitzen, mit einem Haufen leerer Pizzaschachteln neben sich. Jemand, der sich selber vernachlässigt und keine sozialen Kontakte hat. Unser Ziel ist, dieses Bild zu ändern. Denn es entspricht nicht der Realität. Informatik ist sehr teamorientiert und kommunikativ. Niemand kann ein Programm alleine machen. Wenn man diese Realität nach außen sichtbar machen könnte, würden sich auch mehr Frauen dafür interessieren.

Solche ,,Geeks", die Tag und Nacht vor dem Computer sitzen und sich von Pizza ernähren, gibt es doch wirklich. 

Natürlich gibt es sie, das kann man nicht leugnen. Aber in unserer Gruppe sind ganz normale Leute. Informatik wird immer kommunikativer. Man muss ja herausfinden, was die Leute brauchen. 

Warum studieren so wenige Frauen Informatik?

Ich weiß es nicht. Die Zahl ist nur in den deutschsprachigen Ländern so niedrig. In Frankreich und Italien sind in der Informatik zur Hälfte Frauen . 

Sie forschen zu Security. Wie gehen Sie persönlich mit Ihren Daten im Internet um? Sind Sie Facebook-Mitglied?

Nein. 

Sind Sie eher vorsichtig bei der Weitergabe Ihrer Daten?

Auf alle Fälle. Private Dinge würde ich nicht ins Netz stellen. 

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Margarete Endl.

Ruth Breu
Prof.in Dr.in Ruth Breu

Universität Innsbruck

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023