Expertin des Monats
Sept. 2023
DIin Dr.in techn. Daniela Wipp, BSc
Es braucht drei Komponenten, um den Frauenanteil in Naturwissenschaft und Technik zu erhöhen.
- Empowering Women: Bewusstseinsbildung ist dort erfolgreich, wo Role Models sichtbar gemacht werden, dadurch vermitteln, „Du bist nicht alleine“ und Wege aufzeigen, mit denen sich Mädchen und Frauen identifizieren können. Programme (wie FEMtech), die zeigen, welche interessanten Berufsbilder in gesellschaftlich relevanten Bereichen von Frauen besetzt sind, geben die Möglichkeit, daran zu denken, „Das kann ich auch schaffen und dorthin kommen“.
- Male Allyship: Wir brauchen gebildete Männer, die die Förderung von Frauen in der Technik nicht als Verstärkung der Konkurrenz um gute Positionen sehen, sondern als Bereicherung begreifen. Hilfreich wäre es am Anfang, zumindest den Stand der aktuellen Forschung anzuerkennen, dass diverse Teams besser performen als homogene und deshalb dafür einzutreten.
- Am wichtigsten ist jedoch der strukturelle Hebel, der in allen Bereichen in die Richtung der „Chancengleichheit“ zeigen muss. Klare Förderprogramme vom Kindergarten beginnend bis zur Universität und verpflichtende Initiativen von Unternehmen sind dringend erforderlich.
Interview
FEMtech Interview mit Daniela Wipp
Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Dr.in Daniela Wipp
Continuous Improvement Manager
Group Quality and Safety Management
ANDRITZ AG
Eibesbrunnergasse 20
1120 Vienna, Austria
M: +43 676 3041186
andritz.com
Was macht die ANDRITZ AG genau?
ANDRITZ ist einer der weltweit führenden Lieferanten von Anlagen, Ausrüstungen und Serviceleistungen für Wasserkraftwerke, die Zellstoff- und Papierindustrie, die metallverarbeitende Industrie und Stahlindustrie, die kommunale und industrielle Fest-Flüssig-Trennung sowie die Tierfutter- und Biomassepelletierung. Weitere wesentliche Geschäftsfelder sind die Automatisierung sowie das Servicegeschäft. Der Hauptsitz des börsennotierten Technologiekonzerns, der weltweit zirka 29.900 Mitarbeiter:innen beschäftigt, befindet sich in Graz, Österreich. ANDRITZ betreibt über 280 Standorte in mehr als 40 Ländern.
Sie sind Continuous Improvement Managerin. Was machen Sie da genau?
Ich initiiere und begleite Verbesserungsprojekte von Prozessoptimierungen bis hin zu Effizienzsteigerungszielen, um kontinuierliche Verbesserung innerhalb der gesamten ANDRITZ Gruppe voranzutreiben und dadurch einen Kulturwandel zu erzielen. Weiteres bin ich als Programmkoordinatorin für die Umsetzung und Schulung fortschrittlicher Continuous Improvement Methoden und Tools unserer Ausbildungsschiene „Improve ANDRITZ“ mit dem Inhalt der Lean Six Sigma Methodik, zuständig. Im Rahmen dieser Trainings befähige ich meine Kolleg:innen bei der erfolgreichen Umsetzung ihrer individuellen Projekte zu verschiedensten Environmental, Social and Governance (ESG) Themen wie Müll- oder Wasserreduktion bis hin zur Durchlaufzeitverkürzung im Herstellungsprozess, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für unser Unternehmen, unsere Kund:innen und Aktionär:innen zu erzielen. Darüber hinaus bin ich für die Umsetzung von Policy Deployment/Hoshin Kanri bei ANDRITZ zuständig, um die erfolgreiche Umsetzung der Strategie in den jeweiligen Bereichen sicherzustellen und strategische Ziele auf konkrete Maßnahmen auf allen Ebenen der Organisation herunterzubrechen und damit eine erfolgreiche Strategieumsetzung und -verfolgung zu erreichen.
Wie hoch ist der Frauenanteil bei der ANDRITZ AG?
Der Frauenanteil liegt momentan bei 19,9%, laut Group Human Resources Management.
Was unternimmt die ANDRITZ AG zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
- Unternehmens-ESG-Ziel: Erhöhung des Frauenanteils
- Motivation von weiblichen Beschäftigten zur Teilnahme am Talenteförderungsprogramm
Sie haben Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau an der Technischen Universität Wien studiert. Wie kam es dazu?
Die Verbindung zur Technik entstand durch meinen Vater, der mich oft mit seinen Arbeitsalltagsberichten als Zivilingenieur für Maschinenbau begeisterte und auch früh zu spannenden Lokalaugenscheinen mitnahm. Da Mathematik schon immer mein Lieblingsschulfach war und mir richtig viel Spaß bereitete, gab ich gerne Mathematik-Nachhilfe mit dem Anliegen, andere mit meiner Freude anzustecken. Aufgrund meiner breitgefächerten Interessen sprach mich Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau am meisten an, da es zwei Disziplinen vereinte, so führte mich mein Weg an die Technischen Universität Wien.
Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Es braucht drei Komponenten, um den Frauenanteil in Naturwissenschaft und Technik zu erhöhen.
- Empowering Women: Bewusstseinsbildung ist dort erfolgreich, wo Role Models sichtbar gemacht werden, dadurch vermitteln, „Du bist nicht alleine“ und Wege aufzeigen, mit denen sich Mädchen und Frauen identifizieren können. Programme (wie FEMtech), die zeigen, welche interessanten Berufsbilder in gesellschaftlich relevanten Bereichen von Frauen besetzt sind, geben die Möglichkeit, daran zu denken, „Das kann ich auch schaffen und dorthin kommen“.
- Male Allyship: Wir brauchen gebildete Männer, die die Förderung von Frauen in der Technik nicht als Verstärkung der Konkurrenz um gute Positionen sehen, sondern als Bereicherung begreifen. Hilfreich wäre es am Anfang, zumindest den Stand der aktuellen Forschung anzuerkennen, dass diverse Teams besser performen als homogene und deshalb dafür einzutreten.
- Am wichtigsten ist jedoch der strukturelle Hebel, der in allen Bereichen in die Richtung der „Chancengleichheit“ zeigen muss. Klare Förderprogramme vom Kindergarten beginnend bis zur Universität und verpflichtende Initiativen von Unternehmen sind dringend erforderlich.
Wordrap mit Daniela Wipp
Womit ich als Kind am liebsten gespielt habe:
Mit Bauklötzen und Modellstaplern und -kränen.
Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Ich würde wieder Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau studieren.
Mein Vorbild ist:
Es gibt einige Personen, von denen ich gewisse Ansichten und folglich auch Verhaltensweisen als sehr vorbildlich erlebe. Mein „Vorbild“ ist eine Kombination aus diesen Eigenschaften, großem Fachwissen, breiter humanistischer Bildung, Geradlinigkeit und Authentizität, gutem Überblick und schneller Auffassungsgabe sowie Kommunikationstalent.
Was ich gerne erfinden würde:
Eine Brille, mit der man die Welt mit den Augen seines Gegenübers sehen kann.
Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
... erwarte ich einen Innovationsschub allgemein und in Richtung Nachhaltigkeit speziell.
... müssen sich Frauen nicht mehr als Einzelkämpferinnen behaupten, denn dann gelten Männer nicht mehr als gesellschaftliche Norm und Frauen als das Andere (Simone de Beauvoir 1949 in „Le Deuxième Sexe“).
Hoffentlich schreiben wir bis zur Erreichung der Geschlechterparität nicht erst das Jahr 2154 (laut aktuellem Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums 2023 dauert es noch 131 Jahre bis zur Gleichstellung und somit zu gleichen Chancen).
Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
... wurden die strukturell wirksamen „Macht-Spielregeln“, die aktuell von Männern gemacht werden, adaptiert und inklusiv gestaltet, sodass sich mehr Menschen von einer verbindlichen Arbeitskultur abgeholt fühlen. Dann sehen sich Frauen auch in Führungspositionen repräsentiert, was auch den Frauenanteil in MINT-Berufen automatisch steigern würde.
Was verbinden Sie mit Innovation:
Entwicklungen, die das Leben verändern.
Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Forschungsförderung ebnet den Weg für Entwicklungen in Bereichen, wo der kommerzielle Nutzen nicht von Anfang an absehbar ist, und schafft Freiräume für Innovationen, die innerhalb eines definierten Qualitätsrahmens ohne explizite Gewinnausrichtung entwickelt werden können.
Meine Leseempfehlung lauten:
- Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte: Warum im Berufsleben nicht alle die gleichen Chancen haben - und wie wir uns trotzdem durchsetzen von Mirijam Trunk, 1.3.2023
- Invisible Women: Exposing Data Bias in a World Designed for Men von Caroline Criado Perez, 5.3.2020
- Ein Roman zum Ausgleich: Makarionissi oder Die Insel der Seligen von Vea Kaiser, 11.08.2016
Letzte Aktualisierung: 31.08.2023