Expertin des Monats
Sept. 2022
Natalie Gemovic, MSc

Ein selbstverständlicher und gleichberechtigter Umgang mit dem Thema Technik. Das Abweichen von Stereotypen schon im Kindesalter ist denke ich wichtig. Wenn zum Beispiel das neue Spielhaus der Kinder zusammengebaut wird, sollten Tochter wie Sohn dabei helfen dürfen. Eine handwerkliche Tätigkeit stärkt das Selbstbewusstsein auch in Richtung Technik. Ich durfte in meiner Kindheit genauso Mauern, Verputzen, Mähen mit Sense und Traktor, sowie unterschiedliche Reparaturarbeiten an technischen und elektrotechnischen Maschinen durchführen, wie mein Bruder. Das Verständnis und die Unterstützung beginnen in den Familien seitens der Eltern. Meine Tochter darf mit der Akku-Bohrmaschine, unter Anleitung arbeiten, sowie mit Schraubenzieher und Hammer.

Interview

Interview mit Natalie Gemovic

Was steht auf Ihrer Visitenkarte? 

Natalie Gemovic, MSc

Projektleiterin Backend and eMobility Services Development bei Wien Energie GmbH

Im Sinne des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit vernetze ich mich gerne gleich digital.

Was macht Wien Energie genau?

Wien Energie ist der größte regionale Energieanbieter Österreichs und ein Tochterunternehmen der Wiener Stadtwerke. Wir versorgen zwei Millionen Menschen und 230.000 Gewerbe- und Industrieanlagen zuverlässig und umweltfreundlich mit Strom, Wärme, Kälte, Elektromobilität und Telekommunikation. Versorgungssicherheit und Klimaschutz stehen an oberster Stelle. In den nächsten Jahren investieren wir massiv in den Ausbau erneuerbarer Energien wie Sonnen-, Wind- und Wasserkraft sowie Elektromobilität. Mit Innovation und Forschung gestalten wir die Energiezukunft aktiv mit. Mit unseren Maßnahmen für Klimaschutz und Versorgungssicherheit in der Stadt sind wir bestmöglich für die Zukunft gewappnet.

Was machen Sie genau?

Meine Aufgabe bei Wien Energie ist die Entwicklung von Infrastruktur und digitalen Lösungen für E-Mobilität. Die Optimierung der vorhandenen Ladeinfrastruktur im Sinne der Nachhaltigkeit, sowie die Entwicklung neuer digitaler Lösungen für Kund:innen, um die Elektromobilität attraktiver zu gestalten, sind mir ein großes Anliegen. Durch Pilotprojekte, wie z.B. das e-Taxi Projekt, sowie durch Prototypen im Hardware und Softwarebereich, werden neue Lösungen evaluiert und in den Markt überführt.

Aktuell arbeite ich unter anderem an einem Pilotprojekt für eTaxi-Ladeinfrastrukturen. Ziel dabei ist das automatisierte Laden direkt an den Taxistandplätzen zu ermöglichen. Diese neue Technologie zahlt auch auf das große Ziel Klimaneutral 2040 ein. Mir ist die Umwelt wichtig und ich hätte gerne, dass meine Tochter und auch ihre Kinder noch etwas davon haben.

Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit dem Backend des Ladeinfrastruktur Systems. Jede:r kennt das, solange alles funktioniert, ist alles super, sobald es hakt, fällt es jedem/jeder auf und es muss schnell eine Lösung gefunden werden. Es ist ein Projekt im Hintergrund, aber so ein Backendsystem muss stetig weiterentwickelt und angepasst werden. Denn die Anforderungen in diesem Bereich verändern sich stetig und werden komplexer – Lastmanagement, Vehicle to Grid, Plug and Charge. Ich finde es großartig auch an diesem eher unsichtbaren Teil der Elektromobilität arbeiten und mitzugestalten zu können.

Mein Aufgabengebiet erstreckt sich auch auf das Roaming und 3rd Level Support Thema. Das Roaming Thema finde ich faszinierend, weil es die Möglichkeit liefert, dass Kund:innen an fremden Ladestationen tanken können auch mit der Wien Energie Tanke Karte. Im Grunde klingt es unspektakulär, allerdings geschieht hier viel im Hintergrund, damit dies überhaupt möglich gemacht werden kann. Der 3rd Level Support ist oftmals mit einer Detektivarbeit zu vergleichen oder mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Hierzu muss ich verstehen wie die Ladestationen funktionieren und das gesamte Backendsystem, samt den Protokollen, um dem Fehler auf die Schliche zu kommen.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job?

Allem voran der gestalterische Freiraum meiner Tätigkeit. Die Möglichkeit in diversen Teams, an unterschiedlichen Projekten zu arbeiten, welche die Mobilität neu definieren. Immer wieder Neues zu lernen und Lösungen für Probleme finden zu können. Gemeinsam mit meinen Kolleg:innen Möglichkeiten zu erarbeiten, um die Mobilität grüner zu machen. Einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, sodass wir z.B. weiterhin mit gutem Gewissen reisen können und unseren Horizont durch Neues erweitern können.

Was sind die Herausforderungen bei dem Thema „Green Mobility“?

Neue Technologien, Standards aus Pilotprojekten in Serienprodukte überzuführen. In diesem Bereich bewegt sich sehr viel und sehr schnell, trotzdem braucht es Richtlinien, welche einen länderübergreifenden Standard gewährleisten können. Genügend Sicherheit und Transparenz für Kund:innen zu gewährleisten, dass sich diese mit der neuen Technik wohl fühlen. Einen Ansporn für das Abweichen von alteingesessenen Gewohnheiten auf neue Mobilitätskonzepte zu bieten. Auf Sorgen eingehen und damit Verständnis für die neue Mobilität schaffen. Dies kann nur sektorübergreifend geschehen und ist eine enorme Herausforderung.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei Wien Energie?

Aktuell sind 30% der rund 2.200 Wien Energie Mitarbeiter:innen weiblich. Wir setzen auch in Zukunft auf diverse Initiativen und Maßnahmen, um Mädchen und Frauen für technische Berufe zu begeistern.

Was unternimmt Wien Energie zu Chancengleichheit in der Organisation?

Weiblich, energiegeladen, technikinteressiert: Als innovative Arbeitgeberin sind wir immer auf der Suche nach den besten Köpfen. Gemeinsam wollen wir die klimafitte Zukunft der Energiebranche vorantreiben. Vielfalt steht bei uns ganz oben, denn nur durch vielfältiges Denken entstehen großartige Ideen. Aktuell sind 30% der rund 2.200 Wien Energie-Mitarbeiter:innen Frauen. Für einen Energieversorger ist das nicht ungewöhnlich, abfinden wollen wir uns damit trotzdem nicht. Im Gegenteil: Wir haben ein umfassendes strategisches Gesamtprojekt ins Leben gerufen, das auf Gender Balance setzt. Wir sind stolz, dass die Frauenquote auch im technischen Bereich dadurch steigt. Wir setzen auf diverse Initiativen und Maßnahmen, um Mädchen und Frauen für technische Berufe zu begeistern z.B. Lehrlingsausbildung, Traineeprogramm und Frauenförderungs-Initiativen (FIT Programm, Töchtertag, Code4Girls, etc.)

Sie haben zunächst die HTL für Elektrotechnik in Serbien mit Schwerpunkt Automatisierungstechnik besucht und danach High Tech Manufacturing an der Fachhochschule Campus Wien studiert. Wie kam es zu diesen Entscheidungen?

Nach mehreren Jahren Berufserfahrung wusste ich, wie schnell sich die Technik weiterentwickelt. Aus diesem Grund war ich nach der Karenz überzeugt, dass der beste Weg zurück in die Technik ein breitgefächertes Studium ist. Mein Wunsch war es immer am Puls der Zeit zu bleiben, auch mit zunehmendem Alter, etwas Neues zu erschaffen und gestalterisch tätig zu sein.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?

Ein selbstverständlicher und gleichberechtigter Umgang mit dem Thema Technik. Das Abweichen von Stereotypen schon im Kindesalter ist denke ich wichtig. Wenn zum Beispiel das neue Spielhaus der Kinder zusammengebaut wird, sollten Tochter wie Sohn dabei helfen dürfen. Eine handwerkliche Tätigkeit stärkt das Selbstbewusstsein auch in Richtung Technik. Ich durfte in meiner Kindheit genauso Mauern, Verputzen, Mähen mit Sense und Traktor, sowie unterschiedliche Reparaturarbeiten an technischen und elektrotechnischen Maschinen durchführen, wie mein Bruder. Das Verständnis und die Unterstützung beginnen in den Familien seitens der Eltern. Meine Tochter darf mit der Akku-Bohrmaschine, unter Anleitung arbeiten, sowie mit Schraubenzieher und Hammer.


Wordrap mit Natalie Gemovic

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Ich hatte nie ein Lieblingsspielzeug, sondern immer mehrere. Doch eines hatten diese gemeinsam – ich habe gestalterisch und kreativ gespielt. Aus Plasteline modellierte ich meine Figuren, mit Malstiften und Papier kreierte ich mir meine Welt, aus Stoffresten machte ich meinen Puppen Kleider, im Garten baute ich den Ameisen ganze Dörfer und kochte ihnen aus Sand und Lehmerde vielfältige Torten und Küchlein. Später kam das Lesen unterschiedlicher Wissensbücher hinzu, welche mich Träumen und viele Fragen aufkommen ließen.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Ich würde wieder das gleiche Bachelorstudium wählen – High Tech Manufacturing und danach den Master Green Mobility, beides an der FH Campus Wien.

Mein Vorbild ist:
Meine Eltern.

Was ich gerne erfinden würde:
Frieden für die ganze Welt!
Neue Energiekonzepte verbunden mit Mobilitätskonzepten leistbar für jede:n.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
… müsste der Männeranteil auch in derzeitigen klassischen Frauenberufen 50 Prozent betragen …

Ich finde es großartig, wenn Menschen das Tun was sie gerne Tun und nicht weil irgendetwas ein Trend ist. Ich bestärke jede Person zu tun was ihr Spaß macht, denn nur dann kann sie es wirklich gut tun.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
 … müsste trotzdem jede:r seinen/ihren Job machen. Eventuell entstehen neue Führungsstile.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Visionäres Denken, viel Zeit in Prototypen zu investieren, um die Vision zu einer brauchbaren Innovation machen zu können.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Um Innovation voranzutreiben, Neues zu ermöglichen und unterschiedliche Bereiche kombinieren zu können. Eine Idee/Vision bleibt ohne Geld nur eine Vision, eine geförderte Idee/Vision kann zur Innovation werden. 

Meine Leseempfehlung lautet:
Simon Sinek – Start with Why