Expertin des Monats
Juni 2023
DIin Simone Rongitsch, BSc.
Es braucht mehr Förderung und Zuspruch von Lehrenden in der Schule (mir wurde nie das Gefühl gegeben, dass ich ein Studium an der Technischen Universität Wien schaffen kann) und mehr weibliche Professorinnen (in meiner Studienzeit gab es eine Professorin; 2023 sind es zumindest schon 3 von 8). Im Studium sollten Studentinnen schon frühzeitig in Kontakt und Austausch mit privaten Unternehmerinnen oder außeruniversitären Forscherinnen kommen. Denn alle unsere Gründungsgeschichten sind keine Super Hero-Geschichten – sie können Mut machen, selbst etwas auf die Beine zu stellen.
Interview
Interview mit Simone Rongitsch
Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Zwei Unternehmen – Zwei Visitenkarten:
Dipl.-Ing.in Simone Rongitsch, BSc.
Pocket House GmbH
Geschäftsleitung & Partnerin
Leitung Entwicklung und Vertrieb
Niederhofstraße 30 /13
1120 Wien
Dipl.-Ing.in Simone Rongitsch, BSc.
KARLS.concept. Agentur für produktive Lebensräume OG
Raumplanerin & Partnerin
Niederhofstraße 30/9
1120 Wien
Was machen Pocket House GmbH und KARLS.concept. Agentur genau?
Die Pocket House GmbH ist ein in Österreich führendes IT-Unternehmen im Immobilien- und Stadtplanungssektor und wurde 2018 von Simone Rongitsch, Gernot Zechmeister und Christoph Kast gegründet. Investor:innen des Property Technology Unternehmens sind die Schertler Holding und die PORR-Beteiligungen und Management GmbH. Pocket House ist das einzige Unternehmen in der DACH-Region, das für jede Art von Immobilie eine Gebäudebetriebs-Softwarelösung anbieten kann. Die KARLS.concept. Agentur wurde 2016 von Simone Rongitsch und Stefan Melzer gegründet. KARL ist Büro für Raumplanung und Agentur für Kommunikation und Design. Wir planen, koordinieren, schaffen Innovationsanreize. Wir vermitteln, dem jeweiligen Projekt entsprechend, weitere Expert:innen, forschen und entwickeln eigenständig und begleiten unsere Kund:innen durch den gesamten Prozess.
Sie haben beide Unternehmen mitgegründet. Was machen Sie in den beiden Unternehmen genau?
In der Pocket House GmbH bin ich als operative Gesellschafterin abseits der klassischen Geschäftsführungs- und Personalagenden auch für die Weiterentwicklung und den Vertrieb der Produkte zuständig und somit die Schnittstelle zwischen Kund:innen und unserem IT-Team. Da wir unsere Kund:innen speziell bei Großprojekten, wie Quartiere, auch schon in der digitalen Planung beraten, leite ich auch unser internes Planungsteam sowie Designteam. Gemeinsam mit meinen Partnern bin ich auch jährlich für die strategische Weiterentwicklung der Firma sowie das klassische Start-Up Funding zuständig. Referenzprojekte in Wien sind Parlament Österreich, EURO PLAZA, PORR-Zentrale sowie die digitale Quartiersentwicklung für das Leopoldquartier oder das Vierlindenquartier in Deutschland.
KARLS.concept Agentur ist ein Dienstleistungsunternehmen. Die Aufgaben variieren je nach Auftrag von Planungsprojekten, Konzepten bis hin zu grafischen Leistungen.
Warum haben Sie die zwei Unternehmen gegründet?
Erstens weil ich vor 18 Jahren das Studium Raumplanung ausgewählt habe. Durch die Raumplanung habe ich gelernt interdisziplinär zu denken, zu überzeugen, mit verschiedenen Interessensgruppen zu kommunizieren, Prozesse aufzubauen und zu steuern sowie stets das große Ganze im Überblick zu haben. Beste Voraussetzung für eine Unternehmensgründung.
Zweitens habe ich schon während des Studiums in unterschiedlichen Büros Arbeitserfahrung gesammelt und war daher nicht komplett unerfahren. Deshalb hatte ich schon beim Abschluss meines Studiums die Idee: „Ich möchte anders arbeiten. Out oft the box.“
Drittens gab es wenige junge Planungsbüros in Wien, schon gar nicht von Frauen gegründet und daher dachte ich mir: „Ich probier’s mal, mehr als scheitern kann ich nicht.“ Sieben Jahre später kann ich sagen, es war schwerer als ich gedacht habe. Dieser jugendliche Spirit Ende 20 hat mich mutig sein lassen und darüber bin ich heute noch froh.
Pocket House GmbH ist meine zweite Firma, die aus einem Smart Cities Forschungsprojekt „SLAW- Smartes Leben am Wasser“ gefördert durch den Klima- und Energiefonds Österreich, heraus gegründet wurde.
Wie hoch ist der Frauenanteil bei der Pocket House GmbH?
Derzeit knapp 60% - Planerinnen, Designerinnen, Programmierinnen, Produktleiterinnen und eine Geschäftsführerin.
Was unternimmt die Pocket House GmbH zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Für mich und meine Partner war von Anfang an klar und wichtig, ein ausgeglichenes Team zu haben. Das ist in der IT-Branche nicht so leicht. Wir haben es dennoch geschafft: 60 % Frauenanteil ist super! Genauso wichtig ist uns, zu 100 % ein Team zu sein – das ist unsere Grundhaltung. Wir sind ein junges, modernes Unternehmen. Gleichstellung und Chancengleichheit ist bei uns selbstverständlich. Wir müssen hier nichts ausgleichen oder außergewöhnlich fördern. Was heißt das genau? Es gibt keine Gehaltsunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitenden, es gab von Anfang an superflexible Arbeitszeiten für Studierende oder auch für Wiedereinsteiger:innen nach der Karenz, die Kinderbetreuung und Job unter einen Hut bringen müssen. Bei uns arbeiten alle auf Augenhöhe – Quereinsteiger:innen genauso wie Schul- und Studienabsolvent:innen (Siehe Kununu-Bewertung). Flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege sind ein Grundsatz unseres Unternehmens, genauso wie Chancengleichheit. Wir reden nicht darüber, wir tun es.
Sie haben Raumplanung und Raumordnung an der Technischen Universität Wien studiert. Wie kam es dazu?
Nach dem Gymnasium wusste ich es einfach: ich möchte etwas Technisches studieren. Obwohl ich in einem rein sprachenorientierten Gymnasium war und meine Lehrer:innen nicht ganz daran glaubten, habe ich es trotzdem probiert. Ich habe rein zufällig das Studium „Raumplanung und Raumordnung“ entdeckt und war gleich begeistert. Der Anfang war nicht einfach, aber schlussendlich habe ich mit einem ausgezeichneten Erfolg abgeschlossen und kann damit sagen, auch nach einem sprachlichen Gymnasium kann man erfolgreich ein technisches Studium abschließen.
Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
- Mehr Förderung und Zuspruch von Lehrenden in der Schule (mir wurde nie das Gefühl gegeben, dass ich ein Studium an der Technischen Universität Wien schaffen kann)
- Mehr weibliche Professorinnen (in meiner Studienzeit gab es eine Professorin; 2023 sind es zumindest schon 3 von 8)
- Im Studium sollten Studentinnen schon frühzeitig in Kontakt und Austausch mit privaten Unternehmerinnen oder außeruniversitären Forscherinnen kommen. Denn alle unsere Gründungsgeschichten sind keine Super Hero-Geschichten – sie können Mut machen, selbst etwas auf die Beine zu stellen.
Wordrap mit Simone Rongitsch
Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Ich habe meistens gezeichnet, gebastelt oder stundenlang Spielelandschaften aufgebaut. Und Fun Fact, ich habe schon als kleines Kind Grundstücke von alten Katasterplänen bei meiner Mama im Büro ausgemalt. Vielleicht war das der Grundstein für mein Planungsstudium.
Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Definitiv wieder Raumplanung und Raumordnung mit Fokus Stadtplanung. Für mich noch immer einer der spannendsten und interdisziplinären Arbeitsfelder, die es für mich persönlich gibt. Ich würde aber zusätzlich noch eine Ausbildung im Designbereich mit Fokus Digitalisierung machen, da zukünftig schnelle Informationen und Bilder einen noch höheren Stellenwert haben werden.
Mein Vorbild ist:
Ein richtiges Vorbild habe ich nicht. Ich bewundere Menschen, die sich etwas trauen, die wirkliche Pionierarbeit leisten und dabei noch bodenständig bleiben.
Was ich gerne erfinden würde:
In meinem derzeitigen Wirkungsbereich „Smarte Gebäude und Quartiere“ gibt es noch unendlich viele Funktionen, die wir gerne digital erfinden und umsetzen wollen. Die Liste ist lang. Aber persönlich würde ich ein Flugzeug erfinden, dass uns Klima neutral, ohne dass es unsere Erde weiter schadet, reisen lässt. Denn Reisen, neue Länder, Städte und neue Kulturen sind für mich die größte Inspirationsquelle.
Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
… dann wäre es so wie in meiner eigenen Firma: Auf Augenhöhe, ausgeglichen, innovativ, unterschiedliche Ansätze beziehungsweiseSichtweisen und ein Miteinander. Ich glaube, dass wir nur gemeinsam die großen bevorstehenden Aufgaben der Zukunft meistern können.
Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
… dann würde ich bei Terminen und Projekten nicht so oft nur mit Männern am Tisch sitzen. Ich sage immer: „Es ist wie mit den unterschiedlichen Generationen (Alt und Jung) in einem Unternehmen, es braucht the best of both worlds.“
Was verbinden Sie mit Innovation:
Für mich ist es am Spannensten, dass ich in einem Bereich arbeiten kann, wo Innovation „daily business“ ist. Durch die Entwicklung unserer eigenen neuen Produkte, eröffnen wir neue Wege, Chancen und auch wirtschaftlich neue Wege. Und am schönsten ist es, wenn man seine innovativen Produkte langfristig im Einsatz sieht und weiß, die harte Arbeit, das Kopfzerbrechen, das Scheitern zwischendurch und wieder neu Denken hat sich ausgezahlt.
Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Wir brauchen Forschung, um unser Wissen zu erweitern, neue Erkenntnisse zu bekommen und für mich als private Unternehmerin ist Wissenschaft das Fundament, die Basis der Weiterentwicklung unserer Produkte.
Meine Leseempfehlung lautet:
Torre David „Informal Vertical Communities“ und für Start-Up Inspiration das Magazin „Business Punks“
Letzte Aktualisierung: 30.06.2023