Expertin des Monats
Apr. 2010
Mag.a Dr.in Ines Omann

Mag.a Dr.in Ines Omann ist FEMtech Expertin des Monats April.

Ines Omann, geb. 1972 in Friesach, studierte Umweltsystemwissenschaften und Volkswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz und schloss 1997 als erste Absolventin von Umweltsystemwissenschaften ihr Studium ab. Ihr Doktoratsstudium in ökologischer Ökonomie beendete sie 2004 mit Auszeichnung.

Seit 2006 arbeitet Ines Omann an der SERI Nachhaltigkeitsforschungs und -kommunikations GmbH, einem privaten Nachhaltigkeitsforschungsinstitut in Wien. Als Senior-Researcher und Gruppenleiterin beschäftigt sie sich mit der Strategieentwicklung zur Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung sowie mit der Lebensqualitätsforschung und insbesondere der Verbindung von nachhaltiger Entwicklung, Lebensqualität, Bedürfnissen, Werten, Strategien, Wohlbefinden und Ressourcenverbrauch.

"Für den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich wünsche ich mir, dass die Frauen mehr Mut haben, diesen zu betreten und die weiblichen Eigenschaften und Fähigkeiten einzubringen."

Interview

Frau Omann, sie arbeiten an der Frage wie eine nachhaltige und ressourcensparende Wirtschaftsweise mit einer höheren Lebensqualität vereinbart werden kann. Wie kann das gehen?

Für mich ist die Frage: Kann es denn anders gehen? Für mich ist eine Lebens- oder Wirtschaftsweise nur dann nachhaltig, wenn sie zu einer hohen Lebensqualität für alle Menschen führt. Wir arbeiten mit der Nachhaltigkeitsdefinition nach der Brundtlandkommission von 1987, in der es heißt, dass eine Entwicklung bzw. Wirtschaftsweise nur dann nachhaltig ist, wenn die Bedürfnisse jetzt und in Zukunft befriedigt werden können. Bedürfnisbefriedigung ist die Grundvoraussetzung für Wohlbefinden. Dieses bestimmt wiederum maßgeblich die Lebensqualität.

Die Verbindung von Lebensqualität mit nachhaltigem Wirtschaften ist sowohl in der Lebensqualitäts- als auch in der Nachhaltigkeitsforschung (weltweit) neu und Sie schreiben an einem Buch zu diesem Thema. Wie wird dieses Thema in der Öffentlichkeit aufgenommen und diskutiert?

Für mich ist diese Auszeichnung von FEMtech zur Expertin des Monats die erste große Anerkennung außerhalb der wissenschaftlichen Community. Bis jetzt wurde mein Forschungsgebiet in der Öffentlichkeit mit Glücksforschung in Verbindung gebracht und dazu werden sehr oft Esoterik und Unwissenschaftlichkeit assoziiert. Dabei ist die Glücksforschung schon seit den 60er Jahren ein Forschungsthema in den USA und Schweden. Wir forschen zu diesem Thema seit fünf Jahren, und allmählich kommen Projektaufträge. Und der britische Routledge Verlag (ein ähnlich renommierter Wissenschaftsverlag, wie Springer in Deutschland) ist an uns herangetreten, zu diesem Thema ein Buch zu schreiben.

Ein aktuelles EU-Forschungsprojekt ist zum Thema Klimawandel und Biodiversität. Was erforschen Sie da genau?

Es sind derzeit zwei EU Projekte, die wir zu diesem Thema bearbeiten. Wir arbeiten bei diesem Thema auf EU Ebene mit Partnern aus ganz Europa zusammen. Das sind primär NaturwissenschaftlerInnen, die Klimamodelle erstellen, oder die Veränderungen in Ökosystemen erforschen. Wir bearbeiten die sozioökonomische Komponente, die bisher außer Acht gelassen wurde. Welche Migrationsbewegungen löst der Klimawandel beim Menschen aus? Welche politischen Maßnahmen kann man setzen, um den Klimawandel bzw. dessen Auswirkungen zu reduzieren?

Können Sie mir Beispiele geben, was Sie im Bezug auf den Klimawandel für Änderungen im Lebensstil jedes einzelnen empfehlen?

Zu diesem Thema arbeiten wir an einem Forschungsprojekt in Gmunden und Graz, das ,,Lebensklima" heißt und den Zusammenhang zwischen Lebensstilen, Lebensqualität und Klimawandel analysiert: Im ersten Schritt befragen wir die Menschen wie sie in Graz oder Gmunden leben. Aus der Summe ihrer Aktivitäten leiten wir ihren Einfluss auf das Ökosystem ab. Z.B. können durch den Klimawandel vermehrt Extremwetterereignisse auftreten, die zu Überschwemmungen oder Dürren führen. Wir stellen den Menschen diese Zusammenhänge dar, um eine persönliche Betroffenheit herzustellen. Das Bewusstmachen dieser Tatsache ist sehr wichtig, um eine Änderung im Verhalten der Menschen zu erreichen. Auch wenn die Auswirkungen unseres Verhaltens uns vielleicht noch nicht treffen werden, aber die Aussicht, dass die nachkommenden Generationen unter einem Klimawandel leiden werden, bzw. dass wir die derzeitige Lebensweise weder weltweit übertragen können noch auf Dauer aufrecht erhalten, ruft in ca. 30% der Menschen den Wunsch hervor eine Änderung im Verhalten herbeizuführen. Mit diesem Prozentsatz können wir Impulse setzen, damit eine gesamt gesellschaftliche Veränderung in Gang gesetzt wird.

In einem nächsten Schritt geht es darum herauszufinden, was getan werden kann. Und wir schreiben dabei nichts vor, sondern entwickeln gemeinsam mit den Menschen Maßnahmen, um ressourcenschonender zu agieren. Unter diesem Aspekt und der Tatsache, dass dadurch ihre Lebensqualität steigt (z.b. durch weniger Arbeiten sinkt das Einkommen, damit der Konsum, aber die verfügbare Nichtarbeitszeit steigt) sind die Menschen bereit zu verzichten und andere Formen der Mobilität, des Wohnens, der Ernährung zu diskutieren und für sich anzunehmen.

Wie sehen Sie die Frage nach den zukünftigen Strukturen - kleinteilig und regional oder großräumig und effizient in Bezug auf Energieversorgung und Landwirtschaft?

Im Bereich der Energie auf jeden Fall kleinteilig und dezentral. Das erlaubt eine größere Unabhängigkeit und fördert die Diversität. Im Ernährungsbereich sehe ich das auch so, vor allem in unseren gemäßigten Klimazonen. Allerdings bei den Ressourcen die wir nicht selbst haben, wie z.B. hochwertige Metalle, können wir unsere Abhängigkeit nur dadurch reduzieren, indem wir nach alternativen Materialien forschen, die ressourceneffizient sind und indem wir weniger konsumieren.

In ihren Forschungsprojekten arbeiten Sie transdisziplinär. Was sind die Herausforderungen an diese Arbeitsweise?

Wenn ich von der interdisziplinären Arbeitsweise einmal ausgehe, muss ich zunächst sicherstellen, dass die Kommunikation funktioniert. Ich muss bereit sein mich ohne viele Fachtermini auszudrücken und gehe bewusst mehr an die Oberfläche. Dazu muss ich meinen Stolz überwinden, was mir nicht schwer fällt (anderen KollegInnen eher), weil ich aus einem interdisziplinären Studium komme. Beim transdisziplinären Ansatz arbeiten wir darüber hinaus mit Menschen, die von außen kommen - wir nennen sie Stakeholder, denn sie sind mit dem Forschungsthema befasst oder vom Thema betroffen. Das kann eine NGO sein, ein Ministerium, wie ein/e BürgerIn. Und da muss ich noch einmal sprachlich und inhaltlich reduzieren. Ich muss mir genau überlegen, was ich von ihnen brauche und wie viel ich ihnen dafür mitteilen muss. Das ist ein Lernprozess und meine zehnjährige Erfahrung mit partizipativen Prozessen hilft mir dabei. Dafür brauche ich gute Moderationsmethoden und ich muss dafür Zeit und Geld im Projekt kalkulieren, was aber in den Projekten oft nicht bezahlt wird.

Sie waren die erste Absolvention im Studium Umweltsystemwissenschaften mit Schwerpunkt Volkswirtschaft. Wie sind Sie auf dieses Studium gekommen?

Irgendwie habe ich so ein Pioniertum in meinem Leben. Ich war schon die Erste aus meinem Dorf, die nicht in die Hauptschule sondern aufs Gymnasium gegangen ist. Und nach der Schule wollte ich unbedingt etwas mit Umwelt und Wirtschaft machen und habe BWL inskribiert. Das war nicht zielführend. Aber noch im ersten Semester habe ich den Aushang für ein neues Studium gelesen, von dem ich sofort begeistert war:  ,,Ökosystemwissenschaften - mach mit". Dann waren das zwei Professoren, ein Assistent, ein paar ältere Studierende und eben ich. Mit fünf weiteren Studierenden haben wir das Studium entwickelt. Seit fünf Jahren ist es ein reguläres Studium, mit derzeit rund 700 Studierenden.

Und gleich nach dem Studium sind Sie in die Forschung gegangen?

Ja, obwohl ich es nicht geplant hatte. Nach meiner Sponsion hat mich ein VWL-Professor gefragt, ob ich nicht am Institut unterrichten will. Das war anfänglich nicht einfach, aber ich habe mich schon durchgesetzt. Und dann ist ein weiterer Professor von der VWL auf mich zugekommen, der gleichzeitig ein Institut bei Joanneum Research in Graz leitete - dann war ich auch dort ein Jahr lang. Auf einer Konferenz habe ich dann Fritz Hinterberger kennengelernt, und fühlte mich mit seinen Ansätzen zur ökologischen Ökonomie (= Handlungsmöglichkeiten angesichts ökologischer Grenzen) gleich zu Hause. (Im Gegensatz zur Umweltökonomie, die in Graz v.a gelehrt wurde: Neoklassisch und wachstumsgetrieben) Und als er mich ein halbes Jahr später gefragt hat, ob ich für eine halbe Stelle ans Wuppertal Institut komme, habe ich gleich zugesagt. Dann hat er in Wien das SERI gegründet und ich bin dann hier eingestiegen. Ich glaube bei meiner Karriere war es eine Kombination aus Glück, Offenheit und den Mut zum richtigen Zeitpunkt aufzuspringen.

Was ist das Faszinierende an Ihrem Beruf?

Die Freiheit tun zu können, was mir am Herzen liegt. Mit Menschen zusammen zu sein, mit denen ich wirklich sehr gut zusammen arbeiten kann. Das weitergeben können, was mir wichtig ist - ich unterrichte nebenbei noch sehr viel auf Unis, das ist sehr bereichernd für mich. Ich bin gerne ein Role-Modell. Mit meiner Begeisterung stecke ich andere Leute sehr leicht an. Ich bewege mich gerne auf neuem Terrain, wo man noch nicht weiß, was dabei herauskommt, und hoffe auch mit meiner Arbeit etwas zu einer zukunftsfähigen Entwicklung beitragen zu können.

Sie sagen, dass Sie ein Role-Model sind. Hatten Sie selber welche?

Es gab immer wieder Menschen, die in Teilen Vorbilder für mich waren und sind: Fritz Hinterberger, Sigrid Stagl - meine Doktormutter oder Jill Jäger. Jill Jäger war meine Mentorin hier am SERI und ich habe dann ihre Gruppe übernommen, als sie in Pension ging.

Sie sind Senior Researcher bei der SERI. Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in einer leitenden Funktion gemacht?

Mein Arbeitsbereich ist sehr emanzipiert. Ich sehe sogar, wenn ich als Projektleiterin bei Projektanträgen aufscheine, dass dies Vorteile hat. Am SERI beträgt die Frauenquote 60%, die Gruppenleitungen teile ich mit einem Kollegen. Wir wollen unseren Männermangel ausgleichen, aber wenn wir uns die Bewerbungen durchschauen, sind die Frauen meist viel besser.

Liegt dieser ganzheitliche, partizipative Forschungsansatz Frauen mehr?

Ich denke schon. Ich merke auch auf Weiterbildungen in diesem Bereich, dass hier viel mehr Frauen teilnehmen. Es gibt diese ,,neuen" ganzheitlichen Männer schon, aber erst wenige.

Michael Krassnitzer hat heute Früh auf Ö1 gesagt: ,,Jedes große historische Geschehen begann als Utopie und endete als Realität." Wie sieht Ihre Utopie aus?

Ich glaube wir sind jetzt in einer Umbruchsphase. Man spürt, dass es so nicht weitergehen kann. Meine Utopie geht dahin, dass ich denke, wir müssen uns vom Konkurrenzdenken verabschieden, Verantwortung übernehmen und gemeinsam Ziele erreichen. Wir werden weniger arbeiten, weniger konsumieren aber sehr gut leben können, wenn wir Ressourcen sparen, denn wir erhalten dafür Zeitwohlstand und haben mehr Zeit für soziale Kontakte und für einen selbst. Anzufangen gilt es aber jetzt mit einem Bewusstseinswandel gekoppelt mit einem Wertewandel.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Nicole Kajtna