Expertin des Monats
Aug. 2021
DIin Margarethe Staudner

Es ist schön zu beobachten, dass Frauen in naturwissenschaftlichen-technischen Berufen immer mehr und immer sichtbarer werden. Denn erst diese Sichtbarkeit bringt Mädchen / junge Frauen oftmals auf den Gedanken, selbst einen Beruf in diesem Feld zu ergreifen, beziehungsweise zeigt ihnen erst, welche vielfältigen Berufsmöglichkeiten es in diesen Bereichen gibt. Ich habe als Jugendliche im Rahmen von Initiativen, die Mädchen die vielfältigen Berufsmöglichkeiten in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen zeigen, die Gelegenheit gehabt Vieles auszuprobieren und viel mit Frauen zu reden, die in diesen Bereichen arbeiten. Ich habe diesen Austausch sehr geschätzt und nun, da ich selbst in einem technischen Beruf tätig bin, bringe ich mich gerne in ähnliche Initiativen ein, beispielsweise bei Berufsbildungstagen in Schulen.

In den letzten Jahren fällt mir positiv auf, dass die Teams sowohl auf AuftraggeberInnen- als auch auf KooperationspartnerInnen-Ebene – sobald jüngere KollegInnen dazustoßen – immer gemischter und immer weniger männerdominiert werden. Allerdings ist innerhalb der Teams die Verteilung noch oft so, dass Frauen eher den Aufgabenbereich „Mobilität“ und Männer den Aufgabenbereich „Verkehrstechnik“ innehaben. Das zeigt, dass Initiativen wie FEMtech oder FIT – Frauen in Technik wirken und weiter bestehen bleiben sollen, damit Frauen nicht nur in naturwissenschaftlichen-technischen Branchen tätig sind, sondern dort auch in den naturwissenschaftlichen-technischen Bereichen Verantwortung übernehmen.

Interview

Interview mit Margarethe Staudner

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Dipl.-Ing.in Margarethe Staudner, komobile – Büro für Verkehrsplanung

Was macht die komobile w7 GmbH genau?
Komobile ist ein Büro für Verkehrsplanung, das alle klassischen Bereiche der Verkehrsplanung abdeckt: von Mobilitätskonzepten, über Verkehrsmodellierung und Verkehrstechnik, Entwurfsplanung, und natürlich die Bereiche Aktive Mobilität, öffentlicher Verkehr, Bürger*innenbeteiligung, aber auch immer wieder Forschungsprojekte. Der Fokus liegt dabei auf einer nachhaltigen Verkehrsplanung und der Entwicklung maßgeschneiderter Mobilitätslösungen. Seit über 20 Jahren bearbeitet komobile außerdem den Schwerpunkt nachhaltige Tourismusmobilität und unterstützt dabei auch Freizeit- und Tourismusbetriebe, oder auch ganze Tourismusregionen, um nachhaltiger Mobilitätslösungen zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln und auch umzusetzen – z. B. im Rahmen des „klimaaktiv mobil“ Beratungsprogramms.

Sie sind Verkehrsplanerin. Was machen Sie da genau?
Meine Tätigkeiten sind sehr vielfältig und abwechslungsreich, reichen von sehr praxisbezogenen Themen bis hin zu forschungsnahen Projekten und decken ein großes Spektrum der Verkehrsplanung ab.

Ein sehr praxisnahes Beispiel ist ein aktuelles Projekt aus dem Bereich nachhaltige Freizeit- und Tourismusmobilität, in dem ich gemeinsam mit der Region Semmering-Rax-Schneeberg Alternativen zur Anreise mit dem Pkw erarbeite – vor allem für die Tagesgäste, die aus Wien und Niederösterreich anreisen. Die Region möchte hier einerseits aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit heraus tätig werden, andererseits auch aus dem Grund, dass der Motorisierungsgrad in Wien abnimmt und diese Zielgruppe als Tagesgäste wegfällt, wenn eine Anreise nur mit dem privaten Pkw möglich ist. Daher ist es auch aus touristischer Sicht notwendig, Alternativen zum motorisierten Individualverkehr bzw. privaten Pkw anzubieten.

Ein anderes – für mich persönlich als begeisterte Radfahrerin sehr interessantes – Projekt aus dem Bereich nachhaltige Alltagsmobilität war es, den Masterplan Fahrradstraßen für Wien zu erstellen. In diesem Projekt wurden für die Stadt Wien Optionen für Fahrradstraßen bzw. fahrradfreundliche Straßen erarbeitet. Dazu wurde das Radwege- und Straßennetz auf geeignete Straßenzüge geprüft, in Workshops mit Vertreter*innen der Bezirke und der Dienststellen der Stadt Wien die Optionen besprochen sowie konkrete Maßnahmenvorschläge entwickelt.

Mein technisch-analytisches Interesse kann ich immer wieder in Studien zur Verkehrsentwicklung und -modellierung anwenden. So habe ich beispielsweise gemeinsam mit der Technischen Universität Graz für die Luxemburger Umweltverwaltung die Berechnung und Modellierung der Klimagase und Luftschadstoffe aus dem Verkehr durchgeführt, sowie die Prognose der langfristigen Mobilitätsentwicklung in Luxemburg erstellt. Dabei wurde in verschiedenen Szenarien auch untersucht, wie sich verschiedene Maßnahmen – von Umstieg auf e-Mobilität bis hin zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens – auf die zukünftige Emissionsentwicklung auswirken. Die Berechnungen aus solchen Projekten führen mir jedes Mal sehr deutlich vor Augen wie wichtig es ist, dass wir nicht weiter machen wie bisher, sondern die Fahrleistung mit dem Pkw drastisch reduzieren. Denn andernfalls können wir die Klimaziele einfach nicht erreichen.

Was fasziniert Sie an dem Thema Mobilität?
Mobilität ist ein Thema das alle Menschen betrifft und das unglaublich viele Aspekte hat, zu denen ich arbeiten kann. Die Projekte, die wir bei komobile bearbeiten haben oft viele Berührungspunkte zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit – Stichwort Emissionen und Flächenversiegelung – und da mir Umweltschutz schon immer ein wichtiges Anliegen war, freut es mich, dass ich durch meine Arbeit ein bisschen daran arbeite, „die Welt nachhaltige zu gestalten“. Am Thema Mobilität gefällt mir auch, dass jede und jeder ein bisschen mitreden kann – das ist zwar manchmal anstrengend, weil ja alle „Verkehrsexperten*innen“ sind, aber auch schön, weil ich so im Freundeskreis aus meinem Berufsalltag berichten kann und sich so zufällig oft sehr spannende sowie inspirierende Diskussionen daraus entwickeln.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei der komobile w7 GmbH?
Der Frauenanteil im Team von komobile liegt etwas über 50%.

Was unternimmt komobile w7 GmbH zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Bei komobile ist es selbstverständlich, dass alle Aufgaben in Projekten von Frauen und Männern gleichermaßen – je nach Kompetenzen der Person – übernommen werden. Das betrifft alle Aufgabenbereiche: von Verkehrszählungen über Verkehrsmodellierung, technisches Zeichnen, Bürger*innenbeteiligungen bis hin zur Projektleitung und Projektkoordination. Daher ist das Thema Förderung der Chancengleichheit eigentlich nicht präsent, weil bei komobile in der Arbeit und im Umgang miteinander kein Unterschied gemacht wird, welches Geschlecht eine Person hat.

Hervorzuheben ist sicherlich, dass bei komobile auf die jeweilige Familiensituation Rücksicht genommen wird. Es gibt die Möglichkeit Teilzeit sowie im Home-Office zu arbeiten und es gehen sowohl Kolleginnen als auch Kollegen, wenn sie Eltern werden und wenn sie es möchten, für eine längere Zeit in Karenz.

Sie haben „Kulturtechnik und Wasserwirtschaft“ an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert. Wie kam es dazu?
Seit ich denken kann habe ich mich immer sehr für Umweltschutz und für die Auswirkungen von Eingriffen der Menschen auf die Natur interessiert. Direkt nach der Schule – ich habe ein Gymnasium besucht - habe ich nicht wirklich gewusst, welche Ausbildung zu diesen Interessen tatsächlich passt. Mit einer Freundin aus meiner Klasse bin ich dann eher zufällig zum Tag der offenen Tür auf der Universität für Bodenkultur mitgegangen. Dort habe ich zum ersten Mal vom Studium „Kulturtechnik und Wasserwirtschaft“ gehört – ein Studium, das „Umwelt“ und „Technik“ verbindet. Das hat sich zwar recht interessant angehört, aber ich war noch nicht überzeugt und habe dann nach der Schule zuerst ein Freiwilliges Ökologisches Jahr begonnen. Nach ein paar Monaten habe ich dann gemerkt, dass mir das Naturwissenschaftliche-Technische fehlt, insbesondere Mathematik und Physik. Diese „Sehnsucht“ nach Rechnen und analytischem Denken, plus der Aussicht, dies mit meinem Interesse für die Umwelt verbinden zu können, hat dann den Ausschlag dafür gegeben, dass ich mich für das Studium „Kulturtechnik und Wasserwirtschaft“ an der Universität für Bodenkultur inskribiert habe.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Es ist wichtig, dass es von Anfang an keine Trennung nach Themen für „Mädchen“ und Themen für „Buben“ gibt und dass nicht bewertet wird, ob eine Tätigkeit „weiblich“ oder „männlich“ ist. Jedem Kind unabhängig von Geschlecht und Herkunft sollte dasselbe zugetraut werden. Mir war lange nicht bewusst, wie wichtig so etwas ist, da dieser Grundsatz in meiner Familie immer selbstverständlich war.

Erst im Austausch mit Freundinnen, die mir erzählt haben, dass sie in der Kindheit öfter gehört haben, dass sie ein Mädchen sind und daher weniger können bzw. dass irgendeine Tätigkeit „nichts für Mädchen ist“ und mit der so verursachten Verunsicherung noch immer zu kämpfen haben, habe ich gemerkt was für ein Privileg es war, dass ich eigentlich nie mit solchen Kommentaren konfrontiert war – zumindest von keinen Personen, die ich ernst genommen hätte.

Wichtig war für mich sicherlich auch, dass es diverse Initiativen, wie z.B. Frauen in Technik, gibt, die Mädchen die vielfältigen Berufsmöglichkeiten in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen zeigen. Dadurch habe ich die Gelegenheit gehabt Vieles auszuprobieren und viel mit Frauen zu reden, die in diesen Bereichen arbeiten. Ich habe diesen Austausch sehr geschätzt und nun, da ich selbst in einem technischen Beruf tätig bin, bringe ich mich gerne in ähnliche Initiativen ein, beispielsweise bei Berufsbildungstagen in Schulen.


Wordrap mit Margarethe Staudner

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Lego, Barbies und Brio-Eisenbahn

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Schwer zu sagen, da es inzwischen so viele neue Studienrichtungen gibt. Aber es wäre auf jeden Fall wieder eine Kombination aus Technik, Naturwissenschaften und Umwelt – vielleicht also wieder Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, das mit heuer in Umweltingenieurwissenschaften umbenannt wurde.

Mein Vorbild ist:
Ich habe kein spezielles Vorbild, sondern es gibt viele Menschen in meinem Umfeld, die in unterschiedlichen Bereichen Vorbilder für mich sind. So sind meine über 90-jährigen Großmütter mit ihren Lebenserfahrungen genauso Vorbilder für mich, wie Freundinnen und Freunde, die unglaublich viel Zeit und Engagement in ehrenamtliche Arbeiten stecken.

Was ich gerne erfinden würde:
Einen Zauberstab, der parkende Autos in der Stadt in Luft auflöst und einen Zaubertrank, der Menschen erkennen lässt, dass wir die Klimakrise nur abwenden können, wenn wir unseren Lebensstil umfassend ändern. Aber weil beides eher unrealistisch ist, muss ich wohl weiterhin klassische Überzeugungs- bzw. Planungsarbeit leisten.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
… ist es ganz normal als Frau eine naturwissenschaftlich-technische Ausbildung bzw. einen dementsprechenden Job zu wählen.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
… ist es hoffentlich kein Thema mehr, welches Geschlecht eine Führungsperson hat und es ist dann auch hoffentlich selbstverständlich, dass Führungspositionen auch in Teilzeit möglich sind.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Nachhaltige Lösungen, die zukünftigen gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen Rechnung tragen – Stichwort Klimakrise, Alterung der Gesellschaft und Stadt-Land-Gefälle. Besonders im Bereich Mobilität müssen viele innovative Lösungen entwickelt werden. Dabei sind technologische Innovationen nur ein Teilaspekt, denn damit wir die Klimaziele erreichen, ist eine massive Veränderung des Mobilitätsverhaltens notwendig und eine solche erfordert ebenso soziale und organisatorische Innovationen.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Forschungsförderung ist unglaublich wichtig, da es oft erst durch solche Finanzierungsmöglichkeiten möglich ist, wichtige Grundlagen oder neue, kreative, Lösungsansätze für weiterführende Arbeiten zu schaffen.

Meine Leseempfehlung lautet:
Die Discworld-Novels von Terry Pratchett – unbedingt auf Englisch lesen, sonst sind sie nur halb so lustig!

Margarethe Staudner
DIin Margarethe Staudner

komobile w7 GmbH

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Letzte Aktualisierung: 13.06.2021