Expertin des Monats
Feb. 2022
DIin Dr.in techn. Michaela Fraubaum

Ich glaube es gibt 2 Hauptgründe warum sich so wenige Mädchen und Frauen für eine Karriere in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen entscheiden bzw. sich in diesem Feld durchsetzen.

Ein Grund sind festgefahrene Rollenbilder, die sich auch heute noch durch unsere gesamte Gesellschaft ziehen. Das beginnt schon sehr früh damit, dass Mädchen anders behandelt werden und ihnen oft jegliches Talent und jegliche Begeisterungsfähigkeit für Naturwissenschaften abgesprochen wird. Daraus entsteht dann oft eine selbsterfüllende Prophezeiung. Diese Rollenbilder führen auch dazu, dass Frauen oft nicht automatisch dieselbe Kompetenz zugesprochen wird, die bei Männern einfach angenommen wird.

Außerdem haben sehr viele Menschen eine komplett falsche Vorstellung von technischen Berufen. Technische Berufe werden in den Medien immer noch oft als unkreativ und unkommunikativ porträtiert. Es muss sich ein realistischeres Bild von der Vielfalt technischer Berufe durchsetzen. Ich persönlich könnte mir keinen Job vorstellen, der mehr Kreativität und Teamfähigkeit verlangt.

Interview

Interview mit Michaela Fraubaum

Was steht auf Ihrer Visitenkarte? 
DIin Dr.in tech. Michaela Fraubaum, B.Sc.
Senior Expert P2O Feedstock, OMV  

Was macht die OMV genau im Bereich Chemicals & Materials?
Mit der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells der OMV wollen wir ein nachhaltiges Energie- und Chemieportfolio aufbauen, das auch Recycling umfasst. Die Mehrheitsbeteiligung an Borealis stell die Basis dieser Entwicklung. Dadurch leiten wir eine Transformation ein: Aus dem traditionellen Öl- und Gasunternehmen OMV wird ein globaler Gas-, Öl- und Chemie-Konzern, dessen deutlich verlängerte Wertschöpfungskette vom Bohrloch über die Raffinerie bis zum hochwertigen Kunststoffprodukt reicht und auch die Kreislaufwirtschaft umfasst. Konkret verarbeitet die OMV Öl zu petrochemischen Werkstoffen für High-End-Produkte, die in einer dekarbonisierten Welt nachgefragt werden. Diese (Plastik-)Produkte können dann auch mechanisch oder chemisch recycelt und wieder verwertet werden. Damit schließt die OMV den Kreislauf für Kunststoffe und stellt so die Weichen für eine CO2-ärmere Zukunft.

Was machen Sie genau?
Ich beschreibe meinen Job immer verallgemeinert so, dass ich zwischen Abfallwelt und unserer chemischen Recyclingtechnologie stehe. Das heißt, dass ich versuche ein Optimum zwischen der Qualität der aufbereiteten Altplastikströmen und den Möglichkeiten und der Entwicklung unserer ReOil Technologie zu finden.
Praktisch arbeite ich z.B. daran Kooperationen mit Lieferant:innen aus der Abfallwirtschaft aufzubauen. Im Moment werden Plastikströme statt recycelt oft verbrannt. Deswegen schauen wir uns gemeinsam mit möglichen Lieferant:innen an wie das Altplastik aufbereitet werden kann und welcher Aufwand notwendig ist, um es einem Recycling zuzuführen.  
Außerdem betreiben wir in der Raffinerie Schwechat eine Pilotanlage, die wir dazu nutzen Prozessoptimierungen aber auch Plastikrohstoffe zu testen. Teil meiner Arbeit ist das Organisieren, Planen und Auswerten von Versuchen an der ReOil100, um die Ergebnisse in die Entwicklungsarbeit bzw. in die Arbeit mit Lieferant:innen einfließen zu lassen. Gleichzeitig befindet sich gerade die erste Demonstrationsanlage im Bau, wo ich auch für die Abstimmung mit Lieferant:innen für die Demonstrationsanlage zuständig bin.
Ein großer Teil meiner Arbeitszeit ist der Arbeit an Entwicklungsprojekten gewidmet. Hier arbeite ich auch mit universitären Forschungspartner:innen und Start-ups zusammen. Ein Beispiel ist z.B. das Christian Doppler Labor für Design und Bewertung einer effizienten, recyclingbasierten Kreislaufwirtschaft, in dem unter anderen die Recyclingfähigkeit von verschiedenen Stoffen aus Abfall analysiert und verbessert wird. Momentan arbeite ich auch intensiv an Qualitätsanalysetechnologien. Dieses Thema ist in der Abfallwirtschaft im Gegensatz zur Petroleumindustrie noch wenig ausgereift und ist somit für uns essenziell, um die Verarbeitung von Altplastik in einem hochtechnologischen Prozess zu ermöglichen.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job?
Zum einen das Thema Kunststoffrecycling selbst. Chemische Recyclingtechnologien können Abfallströme verarbeiten, die im Moment verbrannt werden, um daraus hochwertige Plastikprodukte zu produzieren, die von anderen Recyclingverfahren nicht hergestellt werden können. Damit ist das Verfahren eine optimale Ergänzung zum mechanischen Recycling. Es hat das Potential die Kreislaufwirtschaft zu revolutionieren und sowohl die Recyclingrate als auch die Verwendbarkeit von Recyclingprodukten deutlich zu erhöhen.
Zum anderen begeistert mich die Vielfältigkeit der Aufgaben und technischen Herausforderungen. Es ist so viel Kreativität, Flexibilität und interkonnektives Denken erforderlich, um bei den vielen unterschiedlichen Detailprojekten nie das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Ich glaube mir war in den letzten beiden Jahren nie langweilig.

Wie hoch ist der Frauenanteil in technischen Positionen bei der OMV?
In Österreich liegt der Frauenanteil der OMV in technischen Bereichen bei 10 Prozent und nichttechnischen-Bereichen bei 46 Prozent (aus ca. 3500 Mitarbeiter:innen in Österreich, exkl. Borealis).
Der Frauenanteil im Gesamtkonzern (ausgenommen Borealis) ist im Jahr 2020 auf 27Prozent  gestiegen (2019: 26 Prozent) - davon sind 20,7 Prozent in Management- und Führungspositionen tätig. In unseren Programmen zur Entwicklung von Führungskräften lag der Frauenanteil 2020 bei 42 Prozent (2019: 26 Prozent).
(Definition technische Bereiche: Wir haben in die Auswertung alle Technikerinnen und Techniker einbezogen, die für die Förderung, Verarbeitung und Lieferung von Öl und Gas sowie für die Wartung der in den Förder-, Raffinerie- und Recyclingprozessen eingesetzten Systeme verantwortlich sind. Es wurden auch jene Mitarbeiter:innen in verschiedenen Bereichen des Ingenieur:innenwesens und der Technik berücksichtigt, die ihr Fachwissen in den angewandten Wissenschaften einsetzen, um Probleme zu lösen und Strukturen/Verfahren in unserer Industrie zu entwerfen und zu entwickeln.)

Was unternimmt die OMV zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Vielfalt ist eine enorme Stärke. Darauf baut die OMV aktiv auf und entwickelt kontinuierlich neue Initiativen und Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt und Chancengleichheit. Einer der Schwerpunkte der OMV ist die Geschlechtergleichstellung. Für die OMV als Unternehmen in einer stark technisch orientierten Branche ist es eine besondere Herausforderung, in allen Bereichen der Geschäftstätigkeit ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen. Die OMV unterstützt den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen. Die OMV unterstützt die Erhöhung des Frauenanteils in der oberen Führungsebene mit einer Reihe von Initiativen, wie zum Beispiel Mentoring, Nachfolgeplanung, spezifischen Trainings und einer entsprechenden Rekrutierungspolitik. Maßnahmen zur Verbesserung der Work-Life-Balance und Angebote wie Betriebskindergärten oder Sommercamps für Schulkinder erleichtern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Sie haben Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Wien studiert. Wie kam es dazu?
Das es Verfahrenstechnik geworden ist, war eigentlich Zufall. Ich habe Verfahrenstechnik erst kurz nach Beginn eines anderen technischen Studiums entdeckt. Da ich damals schon wusste, dass ich unbedingt etwas mit Umwelt- und Energietechnik machen will, habe ich ziemlich schnell erkannt, dass Verfahrenstechnik genau das richtige für mich ist.  

Sie sind auch Lernhelferin bei der Lerntafel. Was machen Sie da genau?
Die Lerntafel ist eine Organisation, die Kinder aus sozialbenachteiligten Familien mit Nachhilfe, einem angenehmen Umfeld zum Lernen und verschiedenen Aktivitäten auf ihrem Bildungsweg unterstützt. Ich persönlich verbringe normalerweise Freitagnachmittag mit den Kindern der Lerntafel. In dieser Zeit gebe ich Nachhilfe für einzelne Kinder bzw. nehme mir auch immer Zeit bei den Hausaufgaben zu helfen oder einfach mit den Kindern zu spielen. Leider kann ich aufgrund der Coronasituation im Moment nicht unterrichten. Ich fürchte die Auswirkungen von Corona auf den Bildungsweg vieler Kinder, die auf entsprechende externe Unterstützung angewiesen sind, ist verheerend. Ich merke aber auch für mich, dass mir die Arbeit mit den Kindern sehr fehlt. 

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Ich glaube es gibt 2 Hauptgründe warum sich so wenige Mädchen und Frauen für eine Karriere in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen entscheiden bzw. sich in diesem Feld durchsetzen.
Ein Grund sind festgefahrene Rollenbilder, die sich auch heute noch durch unsere gesamte Gesellschaft ziehen. Das beginnt schon sehr früh damit, dass Mädchen anders behandelt werden und ihnen oft jegliches Talent und jegliche Begeisterungsfähigkeit für Naturwissenschaften abgesprochen wird. Daraus entsteht dann oft eine selbsterfüllende Prophezeiung. Diese Rollenbilder führen auch dazu, dass Frauen oft nicht automatisch dieselbe Kompetenz zugesprochen wird, die bei Männern einfach angenommen wird.
Außerdem haben sehr viele Menschen eine komplett falsche Vorstellung von technischen Berufen. Technische Berufe werden in den Medien immer noch oft als unkreativ und unkommunikativ porträtiert. Es muss sich ein realistischeres Bild von der Vielfalt technischer Berufe durchsetzen. Ich persönlich könnte mir keinen Job vorstellen, der mehr Kreativität und Teamfähigkeit verlangt.


Wordrap mit Michaela Fraubaum

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Ich habe Brett- und Kartenspiele geliebt. Außerdem habe ich Bücher nahezu verschlungen. Eigentlich hat sich das aber im Erwachsenenalter nicht geändert.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Ich würde wieder Verfahrenstechnik studieren. Die Interdisziplinarität des Fachs und die vielfältigen Tätigungsfelder begeistern mich damals wie heute.

Mein Vorbild ist:
Ich habe nicht wirklich ein klares Vorbild. Es gibt so viele Menschen in meinem Leben bzw. allgemein auf dieser Welt, deren Leben und Leistungen ich bewundere. Insbesondere faszinieren mich Leute, die nie aufgeben und sich für  große und  kleine Veränderung einsetzen.  

Was ich gerne erfinden würde:
Beruflich im Moment effiziente Recyclingmethoden für Kunststoffabfälle zu gleichwertigen Produkten.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
...dann hätten wir vermutlich mehr Innovation bzw. Innovation, die besser an die Bedürfnisse der Gesamtgesellschaft angepasst ist. Denn Innovation braucht ein vielfältiges Umfeld. Das betrifft aber nicht nur Frauen in der Technik, sondern auch Frauen in anderen Einflusspositionen.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
…dann haben konservative Rollenbilder an Einfluss verloren und allen, Frauen und Männern, ist es möglich freiere und selbstbestimmtere Entscheidungen für ihr Leben zu treffen.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Innovation ist für mich eine Möglichkeit die Zukunft aktiv zu gestalten.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Zum einen ist Forschungsförderung essenziell damit Forschungseinrichtungen möglichst unabhängig von der Industrie auch Grundlagenforschung durchführen können. Die führt vielleicht erst in Jahren oder Jahrzehnten zu Anwendungen, ist aber notwendig damit es überhaupt zu großen Innovationen kommt. Jetzt z.B. die mRNA Impfung.
Gleichzeitig ist Forschungsförderung auch für die Industrie wichtig, um Forschungsergebnisse in industriellen Prozessen anwendbar zu machen. Hier stellt die Forschungsförderungen einen wichtigen Anreiz da.

Meine Leseempfehlung lautet:
„Eine kurze Geschichte von fast allem – Bill Bryson“: Selten wurde Wissenschaftsgeschichte so amüsant und einfach lesbar vermittelt. 
„Die Culture map – Erin Meyer“: Ich arbeite schon Jahre oft sehr intensiv mit Teams aus anderen Nationen zusammen.  Trotzdem habe ich viele Dinge erst nach dem Lesen dieses Buches verstanden. 

Michaela Fraubaum
DIin Dr.in techn. Michaela Fraubaum

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Letzte Aktualisierung: 19.12.2021