Expertin des Monats
Nov. 2012
Dr.in Anja Haase

Im November ist die Wahl auf Anja Haase gefallen.

Seit 2000 arbeitet Haase als Chemikerin am Institut für Oberflächentechnologien und Photonik der Joanneum Research Forschungsgesellschaft. Ihr aktuelles Arbeitsgebiet ist die organische Elektronik. Eine ihrer Hauptaufgaben ist die Herstellung und Charakterisierung organischer Dünnfilmtransistoren mittels Nanoimprintlithographie. Dünnfilmtransistoren sind zum Beispiel wichtige Bestandteile von LCD-Flachbildschirmen. In den vergangenen sieben Jahren hat sie das Verbundprojekt ISOTEC (Integrierte organische Sensoren und optoelektronische Technologien) der österreichischen Nanoinitiative geleitet, einem Förderprogramm des BMVIT. 20 Partner aus Forschung und Industrie waren daran beteiligt. Ein Ziel von ISOTEC war die Entwicklung eines flexiblen Multianalytsensors. Dieser kann zur Überwachung von Lebensmitteln oder der Raumluft, für medizinische Schnelltests bei Notfallanwendungen bzw. für diverse Anwendungen in der Arbeitsplatzsicherheit eingesetzt werden.

Interview

Herzliche Gratulation zur Wahl der Femtech-Expertin November! Frau Haase, Sie sind Wissenschaftlerin bei der Joanneum Research Forschungsgesellschaft. Welche Aufgabengebiete haben Sie dort?

In den letzten 7 Jahren habe ich ein großes Verbundprojekt, ISOTEC (Integrated organic sensors and optoelectronic technologies) der österreichischen Nanoinitiative koordiniert. Da war ich Koordinatorin, gemeinsam mit Professor Emil List von der NanoTecCenter Weiz Forschungsgesellschaft. Das war ein Großteil meiner Aufgabe. Und nach meiner Karenz (2010/11 Anmerk. der Red.) bin ich mit 60 %  wieder eingestiegen und bin jetzt derweil nur Projektmitarbeiterin.

Bei welchen Projekten arbeiten Sie mit?

Das ist ein EU-Projekt, das sich ,,Polaric" nennt, da geht es um druckbare, organische, großflächige Elektronik.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Unser Ziel ist es mit Drucktechniken, wie man sie z.B. aus dem Zeitungsdruck kennt, organische Elektronik herzustellen. Zum Beispiel Transistoren oder, das ist zwar jetzt nicht unsere Aufgabe, aber vielleicht leichter verständlich auch Solarzellen oder Leuchtdioden. Unser Teil in dem Projekt ist es, möglichst kleine Transistoren herzustellen. Das geht mit einer  Imprint-Technik, dem sogenannten Nanoimprinten. Das stellt man sich ein bisschen wie einen Kartoffeldruck vor. Man hat eine Struktur in einen Stempel, die Kartoffel zum Beispiel, und druckt das in die organischen Materialien, in die Polymere hinein.

Ja, da kann ich mir etwas darunter vorstellen. Sind in Ihrem Bereich eigentlich viele Frauen tätig?

In unserem Bereich erstaunlicherweise ja. Wir haben bei uns am Institut vier, fünf Frauen, die in diesem Bereich tätig sind. Am Anfang war es amüsant, da eigentlich nur die Frauen zu Konferenzen gefahren sind. Da haben alle anderen internationalen Partner gedacht, dass bei uns überhaupt nur Frauen arbeiten. Aber in Summe arbeiten ein Viertel bis ein Drittel Frauen bei uns.

Und ist es schwierig als Frau in diesem Arbeitsbereich Fuß zu fassen?

Das glaube ich nicht. Ich glaube, wenn man sich dafür interessiert und man eine gewisse Vorbildung, also ein passendes Studium hat, dann ist es als Frau nicht schwerer wie als Mann. Wenn man sich dafür entschieden hat, Chemie oder Physik zu studieren, hat man als Frau die gleichen Möglichkeiten und Chancen wie ein Mann.

Sie haben technische Chemie an der TU Graz studiert - warum haben Sie sich für dieses Studium entschieden? Wie kam es zu dieser Studienwahl?

Mich hat Chemie in der Schule immer schon sehr interessiert. Die Frage woraus irgendwas besteht hat mich immer fasziniert. Ich weiß nicht warum, aber aus irgendeinem Grund habe ich die Karl-Franzens-Universität nicht bevorzugt. Für mich war immer klar, dass ich technische Chemie und nicht ,,normale" Chemie mache. Aber ich kann nicht sagen warum, ich habe das nie in Erwägung gezogen etwas anderes zu machen.

Gab es in Ihrer Familie auch einen technischen Hintergrund?

Ja, mein Vater ist Physiker und später auch Informatiker geworden. Er hat mich sicher geprägt und er war auch auf der Uni tätig. Also ich habe sicher einen Background in diese Richtung gehabt.

Gab es während Ihrer Ausbildungszeit Frauen, die für Sie ein Vorbild waren?

Eigentlich nicht. Wir haben beim Studium relativ wenige Absolventinnen gehabt, das gab es bei uns noch nicht so. Das war erst im Kommen. Also von der Uni her nein. Und so global eigentlich nicht wirklich. Ich habe das überhaupt nie so als Diskrepanz angesehen Frauen und Technik. Ich habe mir nicht unbedingt eine Frau als Vorbild gesucht. Für mich wären auch Männer ein Vorbild gewesen, wenn sie gut sind.

Was halten Sie von Frauenförderung, bzw. wo sollte eine Förderung von Frauen insbesondere in Technik & Naturwissenschaft ansetzen?

Ich glaube schon in der Schule. Es macht sicher viel aus, wie der Unterricht gestaltet ist. Wir haben zum Beispiel einen nicht sehr guten Physikunterricht gehabt. Das hat mich sicherlich davon abgehalten Physik zu studieren. Ich glaube einfach, dass der Unterricht spannend sein muss. Und dann muss man Frauen oder Mädchen gezielt mitgeben, dass sie das genauso können. Ich meine, eine Frau kann genauso gut eine Lampe installieren wie ein Mann. Ich habe einmal ein Buch gelesen, das habe ich recht interessant gefunden, dass bei einem Buben vorausgesetzt wird, dass er dem Papa hilft und bei einem kleinen Mädchen das so bewundernd anerkannt wird. Und vielleicht müssen wir da schon ansetzen, dass man irgendwie auch schon bei Mädchen voraussetzt, dass es dem Papa helfen kann eine Glühbirne zu wechseln. Das ist ein Trivialbeispiel, aber im Prinzip sollten wir da keine  Unterschiede machen. Aber ja, Frauenförderung halte ich für wichtig, vor allem, dass man den naturwissenschaftlichen Unterricht spannend gestaltet und auch mit vielen Experimenten und vielleicht auch vermehrt Exkursionen zu irgendwelchen Firmen unternimmt, wo man was Interessantes sieht.

Sind Sie selbst aktiv in der Förderung von Frauen?

Wir haben den Girlsday, da bin ich dabei, wenn wir ihn machen. Aber sonst bin ich nicht wirklich aktiv. Jetzt vor allem dadurch, dass ich nur 60 % arbeite und nur in Teilzeit meine Projekte bewältigen muss.

Welchen Rat können Sie jungen Frauen geben, um sich in einem technischen, naturwissenschaftlichen und meist Männerdominierten Feld durchzusetzen?

Ja, auf jeden Fall das zu machen, was einen wirklich interessiert. Ich finde es eigentlich immer in einem geschlechtergemischten Umfeld spannender zu studieren und zu arbeiten. Also ich habe das Studium, die Labors und die Laborfeste sehr angenehm in Erinnerung, weil sowohl Frauen als auch Männer dabei waren und das in keine Richtung irgendwie abgleiten konnte.

Sie selbst haben Familie mit einem kleinen Kind. Wie schaffen Sie es, Beruf und Familie zu vereinen?

Ich habe das Glück, dass wir bei Joanneum Research ein sehr, sehr freies Arbeitsumfeld haben. Ich kann eben meine Prozent selbst wählen und auch wie und wann ich anwesend bin. Da habe ich wirklich einen sehr, sehr komfortablen Arbeitgeber, der mich sehr unterstützt. Das macht sehr viel aus. Dann eine Betreuung, wo ich weiß, dass meine Tochter gerne hingeht und ich auch weiß, dass sie dort gut aufgehoben ist. Das macht auch sehr viel aus. Und mein Mann arbeitet auch nur Teilzeit. Wir leisten uns den Luxus, dass wir beide nur Teilzeit arbeiten und auch Zeit für sie haben. Es gehört auch der Partner dazu glaube ich, weil sonst ist es sehr anstrengend finde ich, zu arbeiten und auch Kinderbetreuung zu machen.

Eine persönliche Frage noch zum Abschluss. Welches Forschungsergebnis würden Sie sich in der Nanotechnologie wünschen bzw. möchten Sie selbst erforschen?

Also es würde mich schon freuen, wenn unsere Forschungen Richtung organische Transistoren wirklich bei einem Produkt landen würden. Das wäre für mich wirklich ein Erfolgserlebnis.

Bis wann schätzen Sie den Zeitraum ein, wann das mögliche wäre?

Das wird sicher noch 10 Jahre dauern, glaube ich. Das ist wirklich noch in weiter Ferne.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Dr.in Katharina Sammer (ÖGUT).

Anja Haase
Dr.in Anja Haase

JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023