Expertin des Monats
Apr. 2022
DIin. Johanna Wiesholzer

Ich denke,

  • es braucht Frauen, die Vorbilder sind und als solche auch vor den Vorhang geholt werden (wie die FEMtech Expertinnen).
  • Lehrerinnen an  den  Höheren Technischen Lehranstalten und Fachschulen, Professorinnen an den Universitäten.

Meine Erfahrung ist, wenn einmal eine Frau irgendwo eingesetzt ist, dann ist der Bann gebrochen und weitere Frauen folgen nach. Es braucht also auch Recruiter:innen und Führungskräfte, die Frauen in Positionen besetzen. Und letztlich ist es daher eine Frage der Unternehmenskultur, die von ganz oben gefördert und vorgelebt werden muss.

Aber es braucht, bis zum Zeitpunkt, an dem es völlig gleich ist, auch Mädchen, denen es egal ist, wenn sie Konventionen brechen und klassische Rollenzuordnung hinter sich lassen, für die es selbstverständlich ist, sich im Kreis der Burschen und Männer zu behaupten und einfach mit gesundem Selbstbewusstsein „sie selbst“ sind. Dies wiederum zu fördern liegt in der Hand der Eltern, der Elementarpädagogik und des schulischen Umfeldes.

Um Frauen in den technischen Berufsfeldern zu halten braucht es in der Unternehmenskultur ein familienfreundliches Umfeld, Frauen und Führungskräfte, die Männer darauf aufmerksam machen, wenn sie oder ihre Kollegen sich toxisch verhalten, es braucht gegenseitige Achtsamkeit, manchmal ein Umdenken in seit 100 Jahren praktizierten Spielregeln.

All das oben gesagt gilt im Übrigen nicht nur für Mädchen, sondern für alle Menschen, egal welcher Identifikation.

Interview

INTERVIEW MIT JOHANNA WIESHOLZER

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
DIin  Johanna Wiesholzer
Einsatzmanagement und Betriebsleitung Schiene
Abteilungsleiterin
Wiener Linien & Co KG

Was machen die Wiener Linien genau?
Die Wiener Linien sind eine Tochtergesellschaft der WIENER STADTWERKE GmbH. Wir bauen und betreiben das Netz von U-Bahn, Autobus und Straßenbahn in der Stadt und damit das größte Verkehrsnetz Österreichs. Wir sorgen dafür, dass jeden Tag 2,6 Millionen Fahrgäste rasch, sicher und bequem an ihr Ziel kommen. Dabei sind uns Sicherheit und Verlässlichkeit genauso wichtig wie der Umweltschutz: Öffentliche Verkehrsmittel verbrauchen im Vergleich zum Auto zehn Mal weniger Energie, sind leiser und großteils elektrisch unterwegs. Was die Wiener "Öffis" außerdem besonders macht: das dichte Netz aus tausenden Haltestellen im Stadtgebiet, besonders kurze Wartezeiten und der stetige Ausbau des U-Bahn-Netzes.
Mit 8.700 Mitarbeite:innen sind die Wiener Linien einer der größten Arbeitgeberinnen der Stadt. Unsere Mitarbeiter:innen stammen aus 45 Nationen und sind genauso vielfältig wie Wien. Sie arbeiten in dutzenden Berufsbildern – von der Kfz-Techniker:in bis zur Elektriker:in, von der U-Bahn-Stationswart:in bis zur Angebotsplaner:in. Gemeinsam ist ihnen Einsatz rund um die Uhr und die Gewissheit, zu einer lebenswerten Stadt beizutragen, wichtig..

Was machen Sie genau?
Ich leite die Abteilung Einsatzmanagement und Betriebsleitung Schiene bei den Wiener Linien. Gemeinsam mit 122 Mitarbeiter:innen sorge ich für eine sicheren Betrieb. Dazu bin ich auch stellvertretende Betriebsleiterin Schiene.
In den operativen Aufgabenbereich der Abteilung fallen als großer Schwerpunkt das Einsatz- und Störungsmanagement (Betriebsleitstelle und Eisenbahnaufsichtsorgane vor Ort) und die akustische und visuelle Fahrgastinformation. Der andere Schwerpunkt ist Safety des Eisenbahnbetriebes: die Evaluierung betrieblicher Vorfälle, die Koordination des Sicherheitsmanagementsystems, die Sicherheitskontrollen. Dazu kommt die strategische Zusammenarbeit im Krisenmanagement, mit den Behörden der Stadt Wien, mit den Einsatzorganisationen etc.
In der Funktion der stellvertretenden Betriebsleiterin bin ich verantwortlich für die Sicherheit und Ordnung des Betriebes und hier ist die Aufgabe, das Unternehmen in Fragen der Sicherheit (Safety, nicht zu verwechseln mit Security) zu beraten. Dieser Aufgabenbereich ist vielfältig und streckt sich thematisch von der Planung und Bau von Eisenbahnanlagen über die Beschaffung von Fahrzeugen hin zur Auswahl und Ausbildung von Betriebsbediensteten. Die Erstellung und Prüfung von Dienstvorschriften und Dienstanweisungen gehören auch in das Aufgabenportfolio der Betriebsleitung.
Als umfassendes, praktisches Beispiel wäre hier die Begleitung bei der Einführung des fahrerlosen U-Bahnbetriebes bei den Wiener Linien zu nennen. Neu sind hier z.B. bei der Infrastruktur die Bahnsteigtüren, auf der Fahrzeugseite das vollautomatische und unbegleitete Fahrzeug (X-Wagen), die damit verbundenen Kommunikationstechnologien, die Entwicklung und Einführung eines neuen Berufsbildes statt der Fahrdienstmitarbeiter:innen, die Erstellung von Dienstvorschriften und Ausbildungsunterlagen für die Mitarbeiter:innen, die Erarbeitung von Notfall- und Einsatzplänen, uvm.
Ich selbst bin noch (mit 15 anderen Kolleg:innen) Einsatzleiterin und als solche letztverantwortliches Eisenbahnaufsichtsorgan bei Störungen und Unfällen vor Ort, Mitglied des Krisenmanagements der Wiener Linien in der Funktion „Leitung Krisenstab“, aktuell seit 2 Jahren Leiterin des Einsatzstabes Covid ich bin Vertreterin der Wiener Linien in das Motorola Disk Operating System der Stadt Wien und im konkret zu nennenden Fall Ansprechpartnerin bei den Wiener Linien für die Stadt Wien bei der Organisation von Transportfahrten in Wien für die Vertriebenen aus der Ukraine.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job?
Für den „Betrieb der Wiener Linien“ habe ich mich entschieden, weil ich faszinierend finde, dass mit uns die Stadt rund um die Uhr in Bewegung ist. Die Arbeit ist an keinem Tag gleich, das Aufgabengebiet ist so umfassend, dass man immer wieder auf Neues trifft. Der tägliche Kontakt mit unterschiedlichsten Menschen, angefangen von den Kolleg:innen im Betriebsdienst, im Baubereich und in den Werkstätten bis zur Geschäftsführung macht einfach Spaß. Ich habe das Gefühl, durchaus ein sinnvolles Rad im Getriebe der Wiener Linien zu sein.

Wie hoch ist der Frauenanteil in technischen Positionen bei den Wiener Linien?
Der Gesamtfrauenanteil der Wiener Linien liegt bei 14,5%. Aktuell beträgt der unternehmensweite Frauenanteil 14,8 Prozent. Im Fahrdienst sind es 10 Prozent und in den technisch-manuellen Berufen 9 Prozent Frauen. Diese Zahlen zu steigern, ist ein zentrales Ziel bei den Wiener Linien. Darum wird durch diverse interne und externe Maßnahmen an der Erreichung der Gender Balance gearbeitet und Fokus auf Female Empowerment gelegt – dabei spielen Frauen, die bereits einige technische Karriereschritte hinter sich haben, als Vorbilder eine wichtige Rolle.

Was unternehmen die Wiener Linien zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Seit mehreren Jahren verfolgen die Wiener Linien das Ziel der Gender Balance in allen Unternehmensbereichen. Dazu konzentrieren wir uns insbesondere auf die aktive Ansprache von Frauen im Recruiting, aber auch auf die Stärkung von weiblichen Führungskräften und Expertinnen. Wir bieten ein Talenteprogramm, verschiedene interne und externe Netzwerk-Möglichkeiten und ein breites Spektrum an Weiterbildungen.
Seit 2019 bilden die Wiener Linien gemeinsam mit dem AMS Frauen am zweiten Bildungsweg in angewandter Elektronik aus. Kolleginnen, die eine Führungsposition anstreben, werden in weiterer Folge gezielt gefördert.
Und ab Herbst wird es bei den Wiener Linien erstmalig ein  Geschäftsführerinnen-Trio geben.

Sie haben Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Universität für Bodenkultur studiert. Wie kam es dazu?
Eigentlich bin ich mit dem Ziel nach Wien und auf die Universität für Bodenkultur gekommen, um Landschaftsplanung zu studieren. In kürzester Zeit habe ich bemerkt, dass mein eigentliches Studium wohl noch etwas technischer sein muss und so bin ich in der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft  gelandet.
Ich denke es hat sich abgezeichnet, war ich doch seit jeher eher in der Werkstatt zu finden als in den klassischen Mädchen -Spielecken.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Ich denke,

  • es braucht Frauen, die Vorbilder sind und als solche auch vor den Vorhang geholt werden (wie die FEMtech Expertinnen).
  • Lehrerinnen an  den  Höheren Technischen Lehranstalten und Fachschulen, Professorinnen an den Universitäten.

Meine Erfahrung ist, wenn einmal eine Frau irgendwo eingesetzt ist, dann ist der Bann gebrochen und weitere Frauen folgen nach. Es braucht also auch Recruiter:innen und Führungskräfte, die Frauen in Positionen besetzen. Und letztlich ist es daher eine Frage der Unternehmenskultur, die von ganz oben gefördert und vorgelebt werden muss.
Aber es braucht, bis zum Zeitpunkt, an dem es völlig gleich ist, auch Mädchen, denen es egal ist, wenn sie Konventionen brechen und klassische Rollenzuordnung hinter sich lassen, für die es selbstverständlich ist, sich im Kreis der Burschen und Männer zu behaupten und einfach mit gesundem Selbstbewusstsein „sie selbst“ sind.
Dies wiederum zu fördern liegt in der Hand der Eltern, der Elementarpädagogik und des schulischen Umfeldes.
Um Frauen in den technischen Berufsfeldern zu halten braucht es in der Unternehmenskultur ein familienfreundliches Umfeld, Frauen und Führungskräfte, die Männer darauf aufmerksam machen, wenn sie oder ihre Kollegen sich toxisch verhalten, es braucht gegenseitige Achtsamkeit, manchmal ein Umdenken in seit 100 Jahren praktizierten Spielregeln.

All das oben gesagt gilt im Übrigen nicht nur für Mädchen, sondern für alle Menschen, egal welcher Identifikation.


WORDRAP MIT JOHANNA WIESHOLZER

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Mit den übrig gebliebenen Holzresten und Werkzeugen in der kleinen Tischlerei meines Großvaters.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Mit 20: Ich würde wieder auf die BOKU gehen. Vielleicht Umwelt- und Bioressourcenmanagement statt Kulturtechnik und Wasserwirtschaft wählen.
Mit 45: Bionik oder Bioengineering

Mein Vorbild ist:
…die Natur. In der Bionik findet man alles, was man braucht, um eine technische Herausforderung zu lösen.

Was ich gerne erfinden würde:
…eine nicht versiegende Wasserversorgung für die Welt, ohne dabei natürliche Ressourcen zu erschöpfen.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt:
…wird der Satz: „das haben wir schon immer so gemacht“ abgelöst durch: „lasst es uns einmal so lösen“.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
…steigt automatisch auch der Frauenanteil bei den Mitarbeiter*innen.

Was verbinden Sie mit Innovation:
…Neugierde, noch Nicht-Erprobtes auszuprobieren, für Nachhaltigkeit zu sorgen und die Welt lebenswert zu erhalten.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Österreich ist ein kleiner, aber attraktiver Standort. Forschungsförderung ist wichtig, um technisches wirtschaftliches und wissenschaftliches Knowhow ins Land zu holen oder im Land zu halten. Ich denke, dass Wissenschaft und Forschung ein hohes gesellschaftliches Potential bergen in Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft, Wissenschaft sichert Entwicklung und sozialen Frieden.

Meine Leseempfehlung lautet:
Lies alles, was Du in die Hand bekommst, leg’s weg, wenn es von schlechtem sprachlichen Niveau ist.