Expertin des Monats
Nov. 2005
Dr.in habil. Dana Seyringer, PhD.

Die aus der Slowakei stammende "Forscherin des Monats" Dana SEYRINGER hat ihr erstes Doktorat in Mikroelektronik an der TU Bratislava gemacht. In ihrer Doktorarbeit entwickelte sie eine Theorie, die das Kristallwachstum bestimmende Oberflächenprozesse beschreibt. Ihr zweites Doktorat machte sie im Bereich Halbleiterphysik an der Johannes Kepler Universität in Linz. Seit September 2000 ist sie als Forschungsleiterin der gemeinsam mit ihrem Mann gegründeten Firma Photeon Technologies GmbH in Bregenz tätig. Seither arbeitet sie an der Entwicklung neuer integriert-optischer Bauelemente wie beispielsweise optischer Demultiplexer für die Glasfaserkommunikation. Die Wissenschafterin entwickelte ein spezielles Designverfahren  und Software zur Optimierung der Leistungsfähigkeit dieser Hochgeschwindigkeitschips, wodurch Photeon die erste europäische Firma wurde, die einen 64-Kanal Demultiplexer anbieten konnte.

Dana SEYRINGER kümmert sich auch aktiv um die Ausbildung von NachwuchswissenschafterInnen und betreut StudentInnen, die bei Photeon Technologies ihre Praktika oder Diplomarbeiten machen.

Interview

Frau Seyringer, Sie waren Jahrgangsbeste auf der Universität in Bratislava, haben zwei Doktorate, halten drei Patente, wurden vom Forschungsförderungsfonds ausgezeichnet -werden wir in einigen Jahren von Ihnen als Nobelpreisträgerin hören?

Dana Seyringer: Um ehrlich zu sein habe ich noch nie so weit gedacht. Ich bin eigentlich kein Karrieretyp. Alles was ich erreicht habe, habe ich erreicht, weil ich motiviert bin und sehr gerne arbeite. Für mich ist jeder Tag eine Herausforderung. Ich kämpfe gern mit Problemen und löse sie.

Sie haben in Ihrem Leben schon viel Unterschiedliches gemacht: Sie waren Sekretärin, haben am Gymnasium unterrichtet, sind nun Forscherin in einem Unternehmen. Sind Sie nach und nach in die Forschung „reingerutscht“ oder war das immer schon Ihr Ziel?

Seyringer: Es stimmt, dass ich schon viel Unterschiedliches gemacht habe. Das hängt mit meiner Kindheit zusammen. Ich bin die einzige in meiner Familie, die eine Uni-Ausbildung hat. Ich hatte zu Hause kein Vorbild, es war nicht klar, dass ich einmal studieren und Wissenschaft betreiben würde. In der Volkschulzeit wollte ich Schriftstellerin werden. Ich habe schon sehr früh angefangen, Gedichte und Bücher zu schreiben. Trotzdem habe ich mich nach der Volksschule für eine Textilschule mit Matura entschieden. Meine Eltern wollten, dass ich einen Beruf erlerne. In der Mittelschule habe ich dann gemerkt, dass ich sehr gerne unterrichte. Ich habe schon immer meinen Mitschülern beim Lernen geholfen. Mit 16 Jahren haben sie mich zur Tafel gestellt und gesagt: „Jetzt musst du uns endlich Mathe erklären!“ Ich hatte große Angst, doch es hat mir sehr Spaß gemacht. Deshalb habe ich mich entschieden, Pädagogik zu studieren. Aber damals musste man in der Slowakei für das Studium eine Aufnahmeprüfung ablegen. Ich habe die Prüfung für Pädagogik zwei Mal ohne Probleme bestanden, aber ich wurde nicht angenommen, weil ich eine Textilschule abgeschlossen hatte. Diese Prüfungen kann man nur ein mal im Jahr machen. Deswegen habe ich zwei Jahre lang als Sekretärin gearbeitet. Das dritte Mal habe ich mich für Mikroelektronik auf der Elektrotechnischen Fakultät in Bratislava entschieden und schließlich mein Studium mit dem Doktorat abgeschlossen. Da habe ich gelernt, wissenschaftlich zu arbeiten und gemerkt, dass ich schon immer einen "sechsten" Sinn für die Wissenschaft hatte. Ich denke, dass es auf jede Frage eine Antwort gibt und für jedes Problem eine Lösung. Und die Aufgabe der Wissenschaft ist es, den richtigen Weg zu dieser Lösung zu entdecken. Das finde ich faszinierend. Dazu habe ich zwei sehr wichtige Eigenschaften von meinen Eltern bekommen. Von meiner Mutter habe ich ein einfaches logisches Denken und die Fähigkeit Probleme schnell zu lösen geerbt, von meinem Vater die Geduld und Ausdauer, die man braucht, um Probleme zu lösen. Damit war meine Zukunft als Forscherin doch in gewisser Weise vorprogrammiert. Und meinen Traum, zu unterrichten, konnte ich neben dem Studium auf dem Gymnasium verwirklichen.

Jetzt betreuen Sie neben Ihrer Arbeit Studierende, die in Ihrer Firma Praktika bzw. Diplomarbeiten machen, zwei davon sind für ihre Diplomarbeiten ausgezeichnet worden. Was versuchen Sie den Studierenden zu vermitteln, was geben Sie Ihnen mit?

Seyringer: Ich versuche den Studierenden zu erklären, dass es im Studium nicht nur darum geht Prüfungen abzulegen und ein Diplom zu bekommen. In ihrer Diplomarbeit werden sie vor ein Problem gestellt, das sie selbständig lösen müssen. Damit beweisen sie, dass sie wissenschaftlich arbeiten können und auch später in der Praxis bereit sind, wichtige (führende) Positionen einzunehmen. 

Das „Problem“, mit dem Sie sich zurzeit beschäftigen, Ihr aktuelles Forschungsgebiet ist die Entwicklung optischer Bauelemente für das optische Internet. Was muss man sich darunter vorstellen?

Seyringer: Im Internet, wie wir es bisher verwenden, werden Daten durch elektrische Signale übertragen. Beim optischen Internet werden statt elektrischer Signale optische verwendet. Das hat viele Vorteile: erstens ist das Übertragungsmedium Licht und somit werden die Daten mit Lichtgeschwindigkeit übertragen. Zweitens kann man mehrere Signale mit verschiedenen Wellenlängen gleichzeitig durch eine Glasfaser senden. Dadurch kann die Geschwindigkeit und die Kapazität der übertragenen Daten stark erhöht werden. Vor der Übertragung müssen alle Signale mit unterschiedlichen Wellenlängen zusammengeführt werden. Dafür verwendet man so genannte optische Multiplexer. Auf der Empfangsseite müssen die Daten wieder mit einem optischen Demultiplexer auf die verschiedenen Wellenlängen aufgeteilt werden. Solche und weitere Chips entwickelt die Firma Photeon Technologies. 

Dafür haben Sie auch eine Auszeichnung des Forschungsförderungsfonds bekommen.

Seyringer: Ja, es ist uns gelungen einen optischen Demultiplexer mit bis zu 80 Kanälen zu entwickeln. Das bedeutet, 80 verschiedene Signale können durch eine Glasfaser geführt werden. Ich würde aber sagen, dass die ganze Firma daran beteiligt war, dass ich diese Auszeichnung bekommen habe. Ein Team schafft immer mehr als eine einzelne Person.

Welche sind die großen Herausforderungen der Zukunft in Ihrem Forschungsgebiet, in welche Richtung werden die Entwicklungen gehen?

Seyringer: Die Technologie der optischen Datenübertragung  (DWDM - Dense Wavelength Division Multiplexing) ist relativ neu, es gibt sie seit rund 20 Jahren. Das ist in der Forschung nicht viel. Es gibt noch viele offene Punkte, und damit auch noch viele Herausforderungen! So sind beispielsweise unsere Computer keine optischen Computer, sie funktionieren noch mit elektrischen Signalen, d.h. optische Signale müssen wieder in elektrische umgewandelt werden, um im Computer verarbeitet werden zu können. Stellen Sie sich aber vor, ein Computer könnte mit Lichtgeschwindigkeit  arbeiten!

Und es wird auch schon an der nächsten Generation optischer Chips gearbeitet, an so genannten photonischen Kristallen. Der Vorteil dieser photonischen Kristalle ist, dass man die Eigenschaften des Materials durch das Kristalldesign bestimmen kann und es beispielsweise damit möglich wird, Licht senkrecht um die Ecke zu schicken. Das führt zu starken Chipverkleinerungen. Bei Photeon untersuchen wir die Eigenschaften der photonischen Kristalle im Hinblick auf die nächste Generation unserer Chips.

Womit genau beschäftigt sich Photeon Technologies?

Seyringer: Wir designen optische Chips für das optische Internet und unsere Chip-Designs werden dann in externen Fabriken produziert. Weil die Technologie der optischen Datenübertragung sehr neu ist, ist die Software, die wir benötigen noch nicht so weit entwickelt. Deshalb müssen wir für spezielle Anwendungen auch die Software selbst entwickeln.

Wer zählt vorwiegend zu Ihren Kunden?

Seyringer: Da unsere Chips für das optische Internet konzipiert sind, sind unsere Hauptkunden natürlich die großen Netzwerkanbieter, die unsere Chips dann für den Aufbau ihrer Netzwerke einsetzen. Neben den Kunden im Telekombereich haben wir jedoch auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel bei Sensoren, Kunden.

Sie sind - anders als die meisten bisherigen Forscherinnen des Monats - in einem Unternehmen tätig. Wo sehen Sie die Unterschiede zur universitären Forschung?

Seyringer: Aus meiner Sicht kann man sich auf der Universität in erster Linie auf die Forschung konzentrieren, kann publizieren, muss nicht so sehr an den Verkauf der Forschungsergebnisse denken. Wenn man als ForscherIn in einem Unternehmen arbeitet, muss man immer überlegen, wie die Ergebnisse realisiert, angewendet und verkauft werden können. Der Druck ist groß, die Deadlines sind viel kürzer. 

Ist das möglicherweise ein Grund, warum es so wenige Forscherinnen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich - vor allem in Unternehmen - gibt?

Seyringer: Ich glaube, es gibt noch einen zweiten Grund. Wenn sich eine Wissenschafterin für Kinder entscheidet, dann muss sie sich für die Kinder auch Zeit nehmen können. Meiner Erfahrung nach kann man auf der Uni die Arbeitszeiten leichter anpassen. In einem Unternehmen ist das kaum möglich, deswegen muss man viel mehr im voraus planen und in die Zukunft denken.  

Sie sind 38, haben zwei Doktorate, zwei Kinder, leiten die Forschungsabteilung in einem Unternehmen. Wie geht sich das aus?

Seyringer: Es gibt kein Rezept dafür. Ich hatte das Glück, einen wunderbaren Mann zu finden, der mir sehr hilft. Bei uns zuhause gibt es keine Frauen- oder Männerarbeit. Wer Zeit hat, der macht die Arbeit. Unter der Woche kümmere ich mich meist um die Kinder. Am Wochenende nimmt sich mein Mann viel Zeit für sie. Wir versuchen jedes Wochenende etwas gemeinsam zu unternehmen. 

Außerdem braucht man gute Organisationsfähigkeiten. Bei uns ist die ganze Woche - ich würde sagen auf Minuten genau - geplant, von morgens bis abends. Und genau so die Arbeit. Unter der Woche wird zuhause nur die notwendigste Arbeit gemacht: die Kinder brauchen jeden Tag warme Malzeiten, frische Luft, es müssen Hausaufgaben gemacht werden, es wird viel gekuschelt, gespielt, geredet. Der Rest kann bis zum Wochenende warten. Das funktioniert sehr gut.

Sie sind nicht nur privat mit Ihrem Mann verbunden, Sie arbeiten auch in der gleichen Firma. Für viele Paare ist es unvorstellbar, zusammenzuarbeiten. Wie erleben Sie das? 

Seyringer: Es tut uns gut, zusammenzuarbeiten. Wir haben viel Verständnis für einander, weil wir die wechselseitigen beruflichen Anforderungen gut kennen. Wir sehen uns auch nicht in Konkurrenz, wir helfen uns gegenseitig, unterstützen einander. Ein Beispiel dafür: mein Mann hat mich in der Expertinnendatenbank angemeldet! Dass ich nun Forscherin des Monats geworden bin ist sicher auch sein Verdienst. Er hat sich für mich sehr gefreut. Er weiß, dass meine Arbeit nicht so bewertet wird wie seine, weil ich eine Frau bin, noch dazu komme ich aus Osteuropa. Es ist nicht einfach für eine Ausländerin aus dem Osten, sich im Westen durchzusetzen. Zum Glück komme ich damit ganz gut klar.

Haben Sie schlechte Erfahrungen als osteuropäische Forscherin in Österreich gemacht?

Seyringer: Ja. Bei meinem ersten Doktorat in Bratislava hatte ich einen sehr guten Betreuer, Professor Vesely. Er war der Meinung, wenn man ein Doktorat macht, muss man für einige Zeit ins Ausland gehen, um einen breiteren Einblick in das Thema zu bekommen und um Sprachen zu lernen. Deshalb bin ich zunächst nach Hull in England und danach nach Linz gegangen. In England habe ich mich sehr wohl gefühlt. Im Gegensatz dazu habe ich in Linz als Ausländerin sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Es gibt dort sehr starke Vorurteile, dass alles was aus dem Osten kommt, schlecht ist. Das war auch der Grund, warum ich das zweite Doktorat in Linz gemacht habe. Es war mir klar, wenn ich in Österreich leben will brauche ich ein österreichisches Diplom. Und es hat sich gelohnt. 

Aber wie heißt es so schön -  jede Münze hat zwei Seiten. Irgendwie verstehe ich die Österreicher doch. Aus meinen eigenen Erfahrungen kann ich sagen, dass viele Ausländer sich nicht integrieren wollen und nicht einmal Deutsch lernen. Schade ist nur, dass man häufig mit diesen schwarzen Schafen in den gleichen Topf geworfen wird. 

Sie haben zwei Töchter. Sind das die zukünftigen Nobelpreisträgerinnen für Physik?

Seyringer: Wir lassen uns überraschen, was die Zukunft bringt. Auf jeden Fall sollten sie nicht unser Leben leben, sondern ihr eigenes aufbauen. Ich habe es auch getan. Unsere ältere Tochter beispielsweise macht Ballett, Eiskunstlauf und kann wunderschön zeichnen. Wenn sie als Balletttänzerin glücklich wird, werden wir sie dabei genauso unterstützen, wie wenn sie sich für einen technischen Beruf entscheidet. 

Also ich erwarte sicherlich keine Nobelpreisträgerinnen! Obwohl, wer weiß. Die Ältere ist jetzt sechseinhalb und mathematisch schon sehr weit. Mein Man nimmt sich sehr viel Zeit für sie. Sie machen gemeinsam verschieden Experimente, sie kann schon jetzt mit dem Computer besser umgehen als ich. Die jüngere ist jetzt zweieinhalb, es ist noch nicht so erkennbar, was aus ihr einmal wird. Auf jeden Fall, wenn sie einmal Nobelpreisträgerinnen für Physik werden, ist es nicht unser Wille sondern nur ihr Verdienst.

Hatten Sie Angst oder Bedenken, wie sich das auf ihr Berufsleben auswirken wird, als Sie sich für Kinder entschieden haben?

Seyringer: Eigentlich nie. Wir haben uns Kinder schon immer gewünscht. Die Frage war nicht „ob“, aber „wann“. Unsere beiden Kinder sind geplant. Unsere ältere ist schon in Linz auf die Welt gekommen. Deswegen konnte ich früher hier in Vorarlberg anfangen zu arbeiten. Daniela ist erst nach 4 Jahren gekommen. Wir haben uns damit jede Menge Probleme gespart.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten - was würden Sie sich wünschen?

Seyringer: Ich denke, ich habe es im Leben nicht einfach gehabt, trotzdem habe ich alles erreicht, was ich mir gewünscht habe. Ich habe einen lieben Mann und zwei gesunde, glückliche Kinder. Vor zwei Jahren habe ich in der Slowakei ein Buch mit meinen Gedichten veröffentlicht. Ich habe es selber mit meinen eigenen Bildern gestaltet. Ich bin zwar keine Lehrerin geworden, trotzdem bin ich auch pädagogisch tätig. Meine Arbeit macht mir viel Spaß. Ich bin ein zufriedener Mensch. Ich liebe Kinder und ich denke, dass die Kindheit der wichtigste Teil unseres Lebens ist. Er entscheidet über unsere ganze Zukunft. Aus diesem Grund würde ich mir eine glückliche Kindheit für jedes Kind auf dieser Welt wünschen. Um wie viel besser würde unsere Welt dann aussehen! 

Das Interview führte Lisa Purker von der ÖGUT.

Dana Seyringer
Dr.in habil. Dana Seyringer, PhD.

Senior Reseacher/Lecturer

Fachhochschule Vorarlberg

Lebenslauf (pdf, 40,03 KB)

Zum Profil

Kontakt

Letzte Aktualisierung: 25.09.2023