Expertin des Monats
Dez. 2005
Doz.in DIin Dr.in Angela Sessitsch

Angela SESSITSCH studierte Bio- und Lebensmittelchemie an der TU in Graz, und begann ihre Forschungsarbeiten in den FAO/IAEA Agricultural and Biotechnology Laboratories. Nach Beendigung ihrer Dissertation an der Universität Wageningen in den Niederlanden erhielt sie ein APART Stipendium, das es ihr ermöglichte eine Arbeitsgruppe in der ARC Seibersdorf research GmbH aufzubauen und sich an der Universität für Bodenkultur zu habilitieren. Seit 2004 leitet sie in der der ARC-sr das Geschäftsfeld Bioresources. Angela Sessitsch und ihre Arbeitsgruppe untersuchen mikrobielle Gesellschaften im Boden und in der Pflanze, um deren Diversität, Funktionen und Beeinflussung durch die Umwelt aufzuklären. Ebenso werden anwendungsrelevante Aspekte wie Bodensanierung, Pflanzenschutz und Lebensmittelsicherheit untersucht.

Angela Sessitsch ist duch Lehrveranstaltungen sowie durch die Betreuung von StudentInnen, die in ihrer Arbeitsgruppe eine Diplomarbeit oder Dissertation durchführen, in die Lehre an der Universität für Bodenkultur eingebunden.

Interview

Frau Sessitsch, hätten Sie als kleines Mädchen gedacht, dass Sie einmal Forscherin des Monats werden würden?

Angela Sessitsch: Nein! Ich hätte das auch während meines Studiums nicht gedacht, der Werdegang als Wissenschafterin war nicht geplant. Nach meinem Studium habe ich kurz überlegt, ob ich eine Dissertation machen soll. Das war zunächst aus finanziellen Gründen nicht möglich, hat sich aber dann durch meine Tätigkeit bei der Internationalen Atomenergiebehörde, wo ich parallel die Dissertation schreiben konnte, doch so ergeben. Und damit sind auch die Begeisterung für die Wissenschaft und weitere Möglichkeiten, in der Wissenschaft zu bleiben, gekommen. 

Sie haben an der TU Graz Technische Chemie mit dem Schwerpunkt Bio- und Lebensmittelchemie studiert. Warum haben Sie sich für dieses Studium interessiert?

Sessitsch: Nach der Matura war mir klar, dass ich etwas Technisches machen will und ich habe eigentlich eher an Verfahrenstechnik gedacht. Mich hat die Biologie – zumindest in der Schule – nicht so sehr interessiert. Das Chemie-Studium fand ich aber dann doch recht interessant und hab mich für die Biochemie entschieden. Es ist schon sehr spannend, was Zellen alles tun können!

Welchen Themen haben Sie sich im weiteren Verlauf Ihrer Forschungskarriere gewidmet?

Sessitsch: Meine Forschungen beschäftigen sich weniger mit einem einzelnen Organismus, sondern mit in der Natur vorkommenden Bakteriengemeinschaften im Boden, und solchen, die in Interaktion mit der Pflanze stehen. Spannend an diesen Gemeinschaften sind ihre Diversität, aber vor allem ihre Interaktion untereinander, die Interaktion mit höheren Organismen und wie sie auf Umwelteinflüsse reagieren.

Ich habe unter anderem Rhizobien untersucht. Das sind stickstofffixierende Knöllchenbakterien. Sie bilden sich an den Wurzeln von Leguminosen, z.B. Bohnen oder Klee. In diesen Knöllchen leben Bakterien, die Rhizobien, in Symbiose mit der Pflanze. Sie nehmen atmosphärischen Stickstoff auf und stellen ihn der Pflanze zur Verfügung. Pflanzen, die nicht diese Symbiose mit den Bakterien eingehen können, müssen Stickstoff aus dem Boden aufnehmen, der oft über Dünger zugesetzt werden muss. Letztendlich beruht jegliche nachhaltige Landwirtschaft auf der Stickstofffixierung und weiteren nützlichen Interaktionen zwischen Mikroorganismen und Pflanzen. 

Im ARC Seibersdorf, wo Sie tätig sind, leiten Sie eine Forschungsgruppe. Womit beschäftigt sich Ihre Gruppe?

Sessitsch: Die Abteilung, die ich leite, beschäftigt sich mit Pflanzengenomik, Mikrobiologie und Biochip Entwicklung. Die Arbeitsgruppe, die ich auch inhaltlich betreue, befasst sich mit molekularer mikrobieller Ökologie, das heißt mit der Untersuchung von Populationen, ihren Funktionen und Interaktionen untereinander, sowie mit höheren Organismen und der Umwelt. Im Rahmen dieses Arbeitsgebietes versuchen wir die Funktionen von boden- und pflanzenassoziierten Bakterien aufzuklären, und Anwendungen zu finden. Weiters entwickeln wir mikrobielle Diagnostikchips für die Umwelt- und Lebensmittelanalytik. 

Sowohl vor zwei Jahren als auch heuer haben Sie den ARC Science Award bekommen. Wofür wurde er Ihnen verliehen?

Sessitsch: Vor zwei Jahren bekam mein Team den Science Award für den Aufbau des Kompetenzfeldes „Diagnostische Microarrays“, während wir heuer den Preis für die Entwicklung eines Microarrays, der eine molekulare Salmonellenserotypisierung ermöglicht, bekommen haben. Dieser Microarray ist in der Endvalidierung und wird demnächst in zwei europäischen Salmonellen Referenzlabors getestet.

Neben Ihrer Forschungstätigkeit sind Sie unter anderem Mitglied des Scientific Panel der European Food Safety Authority (EFSA) und beschäftigen sich mit gentechnisch veränderten Organismen. Was ist die Aufgabe dieses Panels?

Sessitsch: Die Aufgabe dieses Panels ist die Beurteilung von Anträgen über den Import oder die Freilassung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) hinsichtlich der Lebensmittel- bzw. Umweltsicherheit. Ich bin hauptsächlich daran beteiligt, mögliche  Umweltauswirkungen von transgenen Pflanzen oder Mikroorganismen zu beurteilen. Wir müssen die Frage beurteilen, ob die Freisetzung oder der Import eines gentechnisch veränderten Organismus sicher ist. 

Derzeit behandeln wir meist Importanträge, hauptsächlich geht es dabei um Soja, Mais, Raps, nicht nur als Lebensmittel sondern hauptsächlich als Futtermittel.

Was sind Ihrer Meinung nach Eigenschaften die man braucht, um ins Spitzenfeld der Forschung zu kommen?

Sessitsch: Die Grundvoraussetzung in der Wissenschaft ist sicher, dass man von einer Neugierde getrieben ist, dass man sich mitreißen lässt und hart arbeitet. Ohne diese Begeisterung für die Wissenschaft wird man sich in der Wissenschaft auch nicht etablieren können. Alle anderen Eigenschaften sind solche, die auch in vielen anderen Berufen gebraucht werden, um erfolgreich zu sein, zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, Organisationstalent, Wissen über Mitarbeiterführung und Projektmanagement.

Viele Forscherinnen betonen, dass eine Mentorin oder einen Mentor eine sehr wichtige Rolle in Ihrer wissenschaftlichen Karriere hatte. Trifft das auch auf Sie zu?

Sessitsch: Ich hatte nie eine Mentorin oder einen Mentor im klassischen Sinn, aber ich hatte immer wieder Leute um mich, die mich in den verschiedensten Dingen förderten oder unterstützten. 

In gewisser Weise sind Sie selber nun Mentorin indem Sie Studierende bei ihren Diplomarbeiten und Dissertationen betreuen. Was empfehlen Sie ihnen für ihren Weg in die Wissenschaft?

Sessitsch: Auffallend ist, dass hauptsächlich Frauen bei mir tätig sind, obwohl ich meine MitarbeiterInnen natürlich nicht danach aussuche! Vielleicht liegt es daran, dass mehr Frauen Biologie studieren. Ich versuche natürlich, alle gleich zu fördern und auf die persönlichen Bedürfnisse oder auf die persönlichen Situationen einzugehen. Bei Frauen achte ich allerdings noch mehr darauf, dass sie nicht – wie es häufig passiert – ihr Licht unter den Scheffel stellen. Ich ermutige sie, mehr aus sich zu machen, sich zuzutrauen, den Weg in die Wissenschaft weiter zu gehen. 

Ich versuche Ihnen auch mitzugeben, möglichst schon ihre Dissertation zu einem Vorzeigeprojekt zu machen, denn für den Eintritt in die Welt der Wissenschaft ist die Anzahl der Publikationen von großer Bedeutung. Es hängt natürlich immer auch von der privaten Situation ab, was man letztendlich daraus machen kann.

Ihre private Situation wird unter anderem dadurch bestimmt, dass Sie eine 3jährige Tochter haben. Was möchten Sie ihr auf ihren Lebensweg mitgeben?

Sessitsch: Was sie einmal machen wird, wird sie selbst bestimmen. Man merkt jetzt schon, dass sie ihren eigenen Kopf hat! Mir ist wichtig, dass sie finanziell unabhängig ist und dass sie einen Beruf hat, der ihr Freude macht. Man verbringt einen Großteil seines Lebens in der Arbeit. Wenn man etwas machen kann, das einem Freude bereitet, ist das Leben einfach erfüllender.

Wie hat sich für Sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestaltet bzw. wie gestaltet sie sich? Welche Veränderungen würden Sie sich wünschen?

Sessitsch: Ich habe großes Glück, ich habe einen Mann, der mich sehr unterstützt. Wir haben uns beispielsweise die Karenz geteilt, wir teilen uns die Haushalts- und Familienarbeit. Das erleichtert mir mein berufliches Leben sehr.

Ich habe den Eindruck, dass in der österreichischen Gesellschaft die oft angesprochene Unvereinbarkeit in gewisser Weise schon „vorgegeben“ ist: entweder man ist Mutter oder man macht Karriere und lebt für den Beruf. Wenn man versucht, beides unterzubringen, ist man eine Rabenmutter. Ich würde mir wünschen, dass wir dieses Rabenmutterimage loswerden. Es sollte selbstverständlich sein, dass man einen Beruf hat, unabhängig ist und trotzdem Kinder haben kann. Dahingehend würde ich mir mehr Selbstverständlichkeit wünschen. Dazu gehören natürlich verschiedenste Rahmenbedingungen wie bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten, mehr Flexibilität seitens der Arbeitgeber und es sollte auch mehr Mitarbeit von den Männern eingefordert werden! Familienarbeit wird eigentlich immer nur in Zusammenhang mit Frauen diskutiert! 

Hat das potenzielle „Rabenmutterimage“ Sie abgeschreckt, haben Sie überlegt, sich zwischen Karriere und Familie zu entscheiden?

Sessitsch: Ich wollte immer Kinder, aber ich hätte nie meinen Beruf aufgegeben. Diesen Preis hätte ich nicht gezahlt. Mir ist es persönlich sehr wichtig, unabhängig zu sein und dabei geht es gar nicht so sehr um „Karriere machen“. Sicher gab es auch bei mir das Bangen, wie sich das alles ausgehen wird. Aber es ist letztlich leichter, als ich mir gedacht habe. Man muss sehr organisiert sein und die Flexibilität ist natürlich sehr eingeschränkt. Aber wenn man ein Studium absolviert und sehr viel Zeit und Freude in seine berufliche Laufbahn gesteckt hat, dann will man das nicht alles aufgeben. Ich denke mir, es kann auch nicht im Sinne der Kinder sein, dass die Mütter alles aufgeben! 

Was unternehmen Sie – außer Ihrem Beruf – das Ihnen Freude macht, wie verbringen Sie gerne Ihre Freizeit?

Sessitsch: Ich treffe mich gerne mit Freundinnen und Freunden, um sich einfach nur auszutauschen oder verschiedenste Dinge gemeinsam zu unternehmen. Sonst bin ich am liebsten in der Natur, in den Bergen zum Beispiel, zum Schifahren, Schitourengehen oder Wandern, da kann ich mich sehr gut erholen und das tut mir einfach gut. Ich reise an sich auch gerne in Länder, die ich noch nicht kenne. Früher habe ich sehr viele Reisen gemacht, in den letzten Jahren bin ich allerdings beruflich so viel unterwegs, dass ich mich lieber einfach erhole, in den Bergen oder auch am Meer. 

Was würden Sie gerne beruflich noch erreichen?

Sessitsch: Ich habe wenig konkrete Ziele. Mir ist wichtig, dass ich die Ideen, die ich habe, umsetzen kann und dass ich einen Job habe, der mir sehr viel Freude macht. Möglicherweise ist das sehr typisch für uns Frauen. Wir stellen uns oft weniger genau vor, was wir erreichen wollen. Vielleicht ist das ein Fehler, vielleicht aber auch ein Vorteil. Ich sehe oft bei Männern, dass sie schon sehr früh wissen, was sie erreichen möchten. Bei Frauen ergeben sich die Dinge viel mehr. Das lässt mehr Flexibilität zu, man ist weniger starr, auf der anderen Seite ist es natürlich nicht sehr karriereförderlich, wenn man wenig konkrete Vorstellungen hat, und man erreicht vielleicht seine Ziele erst später. 

Mein Job ist ein unglaublich kreativer und mir ist es sehr wichtig, dass ich mir diese Kreativität erhalten kann. Ich habe viele Ideen, und diese wenigstens teilweise umzusetzen, das ist das Schöne daran!

Das Interview führte Lisa Purker von der ÖGUT, Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik.

Angela Sessitsch
Doz.in DIin Dr.in Angela Sessitsch

AIT Austrian Institute of Technology

Lebenslauf (pdf, 101,20 KB)

Zum Profil

Kontakt

Letzte Aktualisierung: 05.05.2023