Expertin des Monats
Mai 2006
Dr.in Marita Dücker

Dr. Marita Dücker studierte Informatik an der Universität Paderborn. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin war sie im C-LAB, einem gemeinsamen Forschungsinstitut der Universität Paderborn und Siemens tätig.Nach ihrer Promotion im Jahr 2002 begann sie ihre Arbeit bei der DiTEST Fahrzeugdiagnose GmbH als Projektleiterin für das Produkt AVL DiX, eine PC-basierte modulare Diagnose- und Abgasuntersuchungsplattform.

Die Konzeption und Umsetzung der AVL DiX Softwarearchitektur, die Definition der Entwicklungsprozesse und die Überwachung des Qualitätsmanagements gehören zu ihren Aufgaben.

Seit Mitte 2004 ist Marita Dücker als Abteilungsleiterin der Softwareentwicklung in dem Grazer Unternehmen tätig. Die Koordination, Erstellung und Umsetzung des Softwareentwicklungsprogramms sowie die Mitarbeit bei der Festlegung des Produktprogramms stellen Arbeitsschwerpunkte dar.

Interview

Sie wurden kürzlich in der Zeitung der Standard als "Daniela Düsentrieb" vorgestellt. Was genau machen Sie, damit Sie diesen "Titel" bekommen?

Ich empfand dies als einen netten Einstieg ins Thema aber vielleicht beginne ich als Erklärung dafür mit einer Beschreibung des Produkts, das ich betreue und für das ich auch als Projektleiterin verantwortlich bin. Das Produkt AVL DiX ist eine PC-basierte modulare Diagnose- und Abgasuntersuchungsplattform für Kraftfahrzeuge. Diese Plattform wird eingesetzt für Bauteiluntersuchungen, die Emissionsüberwachung und die Diagnose der Motor-, Sicherheits- und Komfortelektronik eines Fahrzeugs.

Die Emissionsüberwachung eines Fahrzeugs ist ein interessanter Bereich, weil die Abgasanalyse als Bestandteil einer gesetzlich vorgeschriebenen Abgasuntersuchung einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz liefert. Die Plattform bietet die Möglichkeit verschiedene Messmodule anzuschließen und die erfassten Messwerte werden dann von der PC-Software aufbereitet und benutzerfreundlich zur Anzeige gebracht. Ich bin u. a. verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung der AVL DiX Softwarearchitektur, die Definition der Entwicklungsprozesse und die Überwachung des Qualitätsmanagements.

Sie sind Abteilungsleiterin in der Softwareentwicklung bei AVL DiTest in Graz und leiten eine Gruppe von ca. 12 Personen. Als Frau sind Sie in der Automobilbranche eine wirkliche Ausnahmeerscheinung. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Ich bin seit rund zwei Jahren Abteilungsleiterin für die Softwareentwicklung und es ist richtig, dass ich in der Entwicklungsabteilung die einzige Frau bin. Für mich ist diese Situation aber nicht neu. Ich bewege mich seit meiner Schulzeit fast ausschließlich in einer Männerdomäne. Das heißt, für mich gehört diese Situation zum Alltag und es hat etwas von Normalität. Nach der Schule habe ich eine Berufsausbildung zur Informationselektronikerin gemacht und auch dort war es so, dass ich im Betrieb und in der Berufsschule vorwiegend männliche Kollegen hatte. Während meines Studiums in der Informatik war die Situation ähnlich. Der Frauenanteil lag damals bei ca. 15 - 20 Prozent. Wie gesagt, das ist für mich zur Normalität geworden.

Sie haben Informatik studiert mit Nebenfach Elektrotechnik. Was hat Sie an diesem Thema begeistert?

Während meiner Schulzeit gab es an meiner Schule noch keinen Informatikunterricht. Es wurden lediglich ein paar Kurse in diese Richtung angeboten. Das hat mich zu dem Zeitpunkt bereits interessiert, sowohl die Programmierung als auch die theoretischen Hintergründe. Ich stamme aber auch aus einer "Technikerfamilie". Das war sicher auch ein Grund, warum ich eine praktische und technische Ausbildung gewählt habe.

Sie sagen, Sie sind in einer Technikerfamilie aufgewachsen. Würden Sie sagen, dass Sie anders aufgewachsen sind als andere Mädchen?

Mein Vater ist selbstständiger Radio- und Fernsehtechnikermeister und die Werkstatt und das Geschäft waren bei uns im Haus. Es war für mich immer ein Leichtes, da einmal vorbeizuschauen. Insofern gehörte Technik immer zu meinem Alltag dazu und ich hatte von Anfang an keine Berührungsängste. Es war kein "Muss" die Werkstatt zu betreten, aber es hat mir einfach Freude gemacht und mich schon als Kind interessiert. Ich denke, diese Möglichkeit zu haben, hat mich geprägt und mir auch weitergeholfen.

Hat Sie ihr Vater sehr unterstützt dabei, dass Sie diesen Weg gewählt haben?

Mein Vater hat mich dahingehend unterstützt, dass ich natürlich immer mit sehr spezifischen Fachfragen einfach zu ihm kommen konnte. Während der Berufsausbildung hatte ich dann auch die Möglichkeit, Details mit meinem Vater, d.h. im privaten Umfeld, zu diskutieren. Das habe ich schon als außerordentliche Unterstützung gesehen.

Welche Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach hilfreich um als Frau im Technikbereich erfolgreich zu sein?

Mein Motto ist es, Dinge, die ich angefangen habe, auch zielstrebig zu Ende zu bringen. Dadurch bekommt man die Selbstbestätigung, die für mich durchaus wichtig ist. Es sollte auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen in der Männerdomäne und ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein vorhanden sein. Grundlegend ist selbstverständlich die Fachkompetenz.

Und jetzt speziell als Softwareentwicklerin?

Eine systematische Arbeitsweise ist unerlässlich im Bereich der Softwareentwicklung und speziell logisches Vorgehen und analytisches und konzeptionelles Denken sind Voraussetzung. Darüber hinaus muss man Selbstständigkeit mitbringen und auf Qualität Wert legen, um ein Projekt von der Definition über die Umsetzung bis hin zur abschließenden Überprüfung durchführen zu können.

Glauben Sie, dass Frauen im Technikbereich zusätzlich gefördert werden sollten?

Ich selbst habe während meines Studiums von einer Förderung profitieren können. Es gab damals einen Modellversuch für Studentinnen, um speziell Frauen in natur- bzw. ingenieurwissenschaftlichen Fächern zu fördern. Es wurden Begleitkurse zum Messtechnikpraktikum in der Elektrotechnik angeboten. Ich habe es damals als sehr hilfreich empfunden, den Freiraum für die Praxis zu haben. Neben diesen Begleitkursen gab es auch ein Projektlabor, das frei zugänglich war. Es hat dort Rechnerarbeitsplätze und Elektronikarbeitsplätze gegeben, die zum eigenständigen Experimentieren eingeladen haben. Diese Angebote habe ich gern genutzt.

Welche Unterstützung hatten sie sonst noch? Gab es für Sie so etwas wie eine Mentorin oder einen Mentor?

Während des Studiums selbst eher nicht, aber wir haben uns regelmäßig in Lerngruppen zusammengefunden. Es hat sich dann eine Gruppe herausgebildet, die sich immer wieder getroffen hat. Dadurch sind wir Dinge gemeinsam angegangen, haben viel diskutiert und so auch andere Sichtweisen bekommen. Während der Diplomarbeit konnte ich von den Betreuern meiner Diplomarbeit inhaltlich und fachlich profitieren. Später kam der Informationsaustausch auf internationaler Ebene dazu. Konferenzbesuche gaben mir die Möglichkeit, die eigenen Forschungsergebnisse vorzustellen. Dadurch erhält man einen Überblick über den Stand der Forschung, knüpft Kontakte und kommt somit zu wichtigen Informationen.

Was war der Anreiz dafür, dass Sie sich für einen Industriebetrieb entschieden haben?

Mir gefällt im Zusammenhang mit der Automobilbranche der absolut praktische Bezug. Es geht ja im Fall der Diagnoseplattform nicht nur um die zu entwickelnde PC-Software, sondern auch darum, sich das Verständnis für die Messmodule zu erarbeiten und die Messtechnik an sich. Das Kraftfahrzeug als Zielobjekt macht die Arbeit dann recht vielfältig und auch interessant. Während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im C-LAB habe ich es als sehr positiv erlebt, dass Universität und Industrie sowohl im Forschungsinstitut selbst als auch in EU-Projekten Hand in Hand gearbeitet haben. Als wir letztes Jahr die tausendste Plattform vertrieben haben, war das auch ein besonderes Ereignis. So etwas zu erleben ist vorwiegend in der Wirtschaft möglich.

Sie haben letztes Jahr den deutschen Bundespreis für Innovation bekommen. Für was genau wurden Sie da ausgezeichnet?

Für die mobile Version unserer Diagnoseplattform. Das AVL DiX Drive zeichnet sich durch kleine Abmessungen aus, so dass es auch direkt im Fahrzeug einsetzbar ist. Ausgezeichnet wurde das Produkt, hinter dessen Entwicklung natürlich ein ganzes Team steht.

Was machen Sie gerne, wenn sie nicht arbeiten? Ist es in Ihrem Job möglich ein Privatleben zu haben?

Mein Aufgabenbereich ist schon sehr arbeitsintensiv, so dass ich das Büro nicht jeden Tag pünktlich verlassen kann. Aber dennoch ist Zeit für Freizeittätigkeiten. Ich fahre gern Schi und ich verreise sehr gern, wenn es möglich ist. Mit dem Standort Graz kann ich gerade das Schifahren gut verbinden. Wenn ich verreise, dann gern weiter weg, um dann wirklich den Alltag einfach hinter mir lassen zu können. Ein bis zwei Wochen sind schon möglich. Ich liebe es, Studienreisen zu machen, um etwas über das jeweilige Land und die Menschen zu erfahren.

Was sind ihre beruflichen Ziele? Was würden Sie beruflich noch gerne erreichen?

Ich bin mit dem erreichten Ziel momentan zufrieden. Ich möchte den Kontakt zur Technik nicht verlieren, was in einem Managementjob schwer genug ist. Der Bezug zur Technik gefällt mir sehr gut und gerade die IT-Branche ist ja eine sehr schnelllebige Branche. Es ist alles im Fluss und es gibt ständig Neuerungen und Veränderungen. Ein Team in diesem Bereich zu innovativen und effizienten Lösungen zu führen, sehe ich immer wieder als Herausforderung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Inge Schrattenecker, ÖGUT

Marita Dücker
Dr.in Marita Dücker

DiTEST Fahrzeugdiagnose GmbH

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023