Expertin des Monats
Juli 2006
Dr.in Adelheid Cerwenka

Adelheid CERWENKA ist Leiterin einer Forschungsgruppe mit 11 MitarbeiterInnen am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Dabei befasst sie sich mit der molekularen und funktionellen Charakterisierung von Zellen des angeborenen Immunsystems insbesondere von Natürlichen Killerzellen.

Im Blickpunkt der Forschungsprojekte stehen die Fragen: Welche Signalwege führen dazu, dass die zellulären Tötungsmaschinen aktiv werden und zum Kampf gegen den Krebs antreten? Wie erkennen die Natürlichen Killer Zellen entartetes Gewebe und wie lässt sich diese Erkennung verbessern? Wie lassen sich hemmende Vorgänge - etwa das Ausschütten von immun suppressiven Stoffen durch Krebszellen - unterdrücken?

Adelheid Cerwenka studierte Pharmazie an der Universität Wien. Ihr Postdoctoral Fellow absolvierte sie an der UCSF (Universität of California, San Francisco), danach war sie Laborleiterin bei Novartis in Wien. 2004 bekam Adelheid Cerwenka eine Marie Curie Excellence Grant Förderung für ihre Forschung am DKFZ.

Interview

Frau Cerwenka, Sie können bereits auf eine internationale Karriere zurückblicken! Warum haben Sie diesen Weg gewählt?

In den letzten Jahren bin ich insgesamt fünfmal umgezogen: zuerst Studium und Doktorarbeit in Wien, dann Post-doc an zwei verschiedenen Universitäten in den USA, danach Gruppenleiterin in Wien und nun in Heidelberg. Der Grund für meine internationalen Arbeitstätten war meine Neugier, mein ständiges Bedürfnis meinen Horizont zu erweitern und etwas Neues anzufangen. Zusätzlich ist ein Auslandsaufenthalt, in meinem Arbeitsgebiet im besten Fall an einer amerikanischen Forschungsstätte, eine der Grundvoraussetzungen für eine spätere wissenschaftliche Karriere.

Bei meinem Amerikaaufenthalt habe ich sehr viel gelernt: Große Begeisterung für wissenschaftliche Fragen, Zielstrebigkeit und Entwicklung und Anwendung modernster Technologien. Alles das möchte ich nicht missen.

Sie sind seit 2003 als Leiterin einer unabhängigen Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungsinstitut tätig. Wie schaut ihr Tagesablauf da aus? Womit beschäftigen Sie sich?

Ich leite momentan eine Gruppe von 11 MitarbeiterInnen, bestehend aus DoktorandInnen, Post-docs und TechnikerInnen, die sich hauptsächlich aus von mir erworbenen Drittmittelgeldern finanziert. Mein Tagesablauf besteht aus Projekt und Laborbesprechungen, Literaturseminaren und auch zu einem großen Teil aus Bürokratie, Grantschreiben und Berichtswesen. Zum Entwickeln kreativer Forschungsideen bleibt oft zu wenig Zeit.

Ich lehre auch an der Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Fakultät in Heidelberg. Mein Spezialgebiet ist die Immunologie. Im speziellen beschäftigt sich meine Arbeitsgruppe damit die angeborene Immunantwort, insbesondere von Natürlichen Killerzellen, gegen Krebs zu erforschen. Das Ziel ist es, Tumorzellen sichtbar für das Immunsystem zu machen und die Aktivierung Natürlicher Killerzellen zu verstärken. Zusätzlich müssen Mechanismen, die dieser Erkennung entgegen wirken, erkannt und ausgeschaltet werden.

Was begeistert Sie an Ihrer Tätigkeit?

Es begeistert mich, jeden Tag kreativ sein zu können und die Möglichkeit zu haben etwas Neues zu entdecken, was im besten Falle auch praktisch umgesetzt werden kann. Ich hoffe durch meine Forschung wenigstens ein bisschen zum besseren Verständnis von Krebserkrankungen und deren Bekämpfung beitragen zu können. Besonders spannend finde ich, wenn sich Ideen als Erfolg zeigen und meine Hypothesen sich bestätigen - das ist ein wunderbares Gefühl, das allerdings auch nicht so häufig vorkommt. Zusätzlich macht mir die Arbeit mit StudentInnen viel Spaß, das hält mich jung.

Und hätten Sie sich das schon als kleines Mädchen gedacht, dass Sie ein Labor leiten werden?

Die Naturwissenschaften und die Medizin haben mich schon immer interessiert. Mein Vater war Chemiker und bereits als Kind hat mich sein Labor - er war auf feuerfeste Steine spezialisiert - fasziniert. Allerdings spielte ich während der Schulzeit auch intensiv Geige und wollte eigentlich Musik studieren. Heute bin ich sehr froh, dass die Musik mein Hobby und nicht mein Beruf ist.

Meine Entscheidung Pharmazie zu studieren fiel, da ich mein Interesse an Chemie mit Medizin verbinden wollte. Zusätzlich dachten meine Eltern, dass das ein sehr guter Beruf für eine Frau ist, um Beruf mit Kindererziehung zu verbinden. Danach bin ich einen ganz anderen Weg gegangen, und nicht in der Apotheke, sondern in der biomedizinischen Forschung gelandet.

Das heißt, sie hatten nicht so eine Art Karriereplan sondern es hat sich einfach so ergeben?

Ja, eigentlich hat es sich ergeben. Oft war ich zur rechten Zeit am rechten Ort. Ich habe eine Liebe zu komplexen Systemen und da ist die Immunologie gerade das richtige. Ich habe schon an manchen Stellen innegehalten und überlegt, ob ich am richtigen Weg bin und habe dann auch teilweise Umwege wieder korrigiert. Als Umweg könnte man z.B. das Arbeiten in der pharmazeutischen Industrie bezeichnen. Das war allerdings eine Zeit, in der ich sehr viel gelernt habe und die mir sehr gut gefallen hat.

Was würden Sie sagen sind die Hauptkompetenzen in Ihrem Job?

Begeisterungsfähigkeit, Frustrationstoleranz, Teamfähigkeit, strukturiertes Denken verbunden mit Phantasie und die Fähigkeit - als WissenschaftlerIn ist man sehr in Details verstrickt - eine globalere Sichtweise auf Dinge zu bekommen. Das ist manchmal gar nicht so einfach!

Sie haben bereits erwähnt, dass Sie Ihre Familie ermutigt hat, einen technischen Beruf zu ergreifen. Haben Sie noch weitere Unterstützung auf Ihrem Karriereweg erhalten?

Ja, ich hatte einen sehr guten Doktorvater, der mich unterstützt hat. Meine amerikanischen Chefs waren auch sehr hilfreiche Mentoren und zwar insofern, dass sie mir das Gefühl gegeben haben, dass das, was ich mache, wichtig ist, und dass ich immer das machen soll, was ich will, dann kann ich das auch erreichen. Ihre Hauptaussage war nach dem Motto: Es ist alles möglich - ich muss es nur probieren! Und das versuche ich hier umzusetzen.

Wie kann man aus ihrer Sicht heute Mädchen und junge Frauen für diesen naturwissenschaftlichen Bereich begeistern?

An meiner Arbeitsstätte am DKFZ - Deutsches Krebsforschungszentrum - gibt es den "Girls Day". An diesem Tag kommen Mädels im Alter von 8 - 12 Jahren zu uns und sehen den Alltag im Labor. Das ist wichtig, aber ich finde, dass es das Ziel verfehlt, da in den naturwissenschaftlichen Ausbildungszweigen, in denen ich mich bewege, das ist Biologie, Biochemie und Medizin, der Anteil der Studentinnen schon relativ hoch ist. Ich glaube daher, dass es da keinen Aufholbedarf gibt.

Danach kommt die ganz große Problematik, dass die meisten Frauen, die studiert haben, die Karriereleiter nicht mehr weitergehen. Ich denke, dass das wirklich der Knackpunkt ist. Männliche Studenten, die zu mir zum Interview kommen um Ihre Doktorarbeit zu machen, haben meist sehr klare Vorstellungen über Ihre Ziele und Karriere. Bei den Frauen ist das manchmal eher so " Naja. Schau ma mal, wo der Freund hinzieht. Da werd ich dann vielleicht auch hingehen".

Das finde ich sehr schade. Ich glaube, da fehlt es an Potenzial, das man spezifisch fördern sollte. Es geht hier um das Selbstvertrauen, einfach den eigenen Weg zu gehen natürlich in Abstimmung auf die Lebensumstände. Hierfür sollte es spezielle Mentoring-Programmen geben!

Sie haben in einem Statement gesagt, dass Sie Ihren MitarbeiterInnen Zugang zu Netzwerken verschaffen. Wie gehen Sie da im Detail vor?

Ich habe immer das Gefühl, dass Männer sehr gut vernetzt sind. Die Professoren stecken in diesen Netzwerken und deren Mitarbeiter werden dann gleich auch wieder als Professoren berufen, im Sinne von "Männerseilschaften". Ich denke, dass Frauen, das zu wenig machen. Ich versuche hier einfach meine Mitarbeiterinnen und meine Mitarbeiter, möglichst viel in das alltägliche Geschehen einzubinden, dass sie an Kongressen teilnehmen, dass ich sie Wissenschaftlern vorstelle, dass sie einfach aktiv teilnehmen.

Ich versuche durch persönlichen Kontakt die Brücken zu bilden. Wenn ein Seminarsprecher zu Gast ist, spreche ich nicht alleine mit ihm - was bei vielen Instituten so ist - sondern ich berufe große Diskussionsrunden ein, damit sich alle auch kennen lernen und dann in der Zukunft auf diesen persönlichen Kontakt wieder zurückgreifen können. Ich glaube, so fängt das im Kleinen an - so viel kann ich zu Netzwerken in meinem Umfeld beitragen. Einer meiner besten Kollaboratoren ist zurzeit zum Beispiel ein Prager Professor, den ich noch von meiner Studienzeit in Wien kenne.

Sie haben von der EU-Kommission eine über vier Jahre laufende Forschungsunterstützung im Rahmen des Marie Curie Excellence Grant erhalten? Was ist das genau?

Das Programm soll junge WissenschaftlerInnen fördern, die nicht länger als ein Jahr an einer Institution gearbeitet haben, also wirklich welche, die auf Englisch gesagt "mobility" gezeigt haben, das heißt, von einem Ort zu einem anderen gezogen sind. Von vielen Anträgen aus ganz Europa ist mein Vorschlag vor zwei Jahren prämiert worden. Das Thema dabei ist die "Funktionelle Genomik von Signalketten des angeborenen Immunsystems".

Darunter wird verstanden, Methoden zu entwickeln neue Moleküle in Signalketten, die zur Zellaktivierung führen, zu identifizieren. Ich habe mich sehr gefreut, dass mein Antrag gefördert wurde, weil es das erste Projekt war, das ich ganz alleine auf die Beine gestellt habe. Diese Unterstützung verschafft mir momentan für einen Zeitraum von vier Jahren das meiste Geld für meine Forschungsvorhaben.

Was unternehmen Sie in ihrer Freizeit?

Ich bin ein sehr aktiver Mensch. Ich habe sehr viele Hobbys. Ich liebe die Natur und ich versuche viel Sport zu machen: mountainbiken, Skitouren gehen, joggen und bergsteigen. das brauch ich manchmal, um alles wieder ein bisschen globaler zu sehen. Ich habe auch während meiner Schulzeit Geige gespielt. Das ist etwas, was ich jetzt wieder mehr aktivieren möchte.

Wie sind Ihre Zukunftsvorstellungen? Wollen Sie in Deutschland bleiben, oder sind Sie grundsätzlich offen?

Ich bin offen und es ist mein großes Ziel, die Möglichkeit zu bekommen, an einem gut ausgestatteten Ort in einem interessanten Umfeld, gute Forschung zu betreiben. Ich habe momentan am DKFZ in Heidelberg einen 5-Jahres-Vertrag und werde nächstes Jahr evaluiert. Ich werde mich auch wieder in Österreich bewerben und würde sehr gerne nach Österreich zurückkehren. Die Stelle, die ich hier am DKFZ habe, mit der Möglichkeit auf fristlose Verlängerung, ist andererseits auch sehr attraktiv für mich. Ein weiteres Ziel für mich ist eine gute Balance zwischen Beruf und Privatleben zu erreichen, das ist, glaub ich, bis jetzt ein bisschen zu kurz gekommen. … ja, und in der Wissenschaft bleibt das meist unerreichbare Ziel natürlich immer das Nature Paper.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Mag.a Beatrix Hausner, ÖGUT