Expertin des Monats
Sept. 2006
Univ.Prof.in Dr.in Gabriele Kotsis

Gabriele Kotsis hat von 1986-1995 an der Universität Wien Wirtschaftsinformatik studiert, für Ihre Dissertation wurde sie 1995 mit dem Heinz-Zemanek Preis ausgezeichnet.

Im Jahr 1999 hat sie sich an der Universität Wien für Informatik habilitiert. Nach Gastprofessuren an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Copenhagen Business School ist sie seit Oktober 2002 Professorin für Informatik und Leiterin des Institutes für Telekooperation an der Johannes Kepler Universität Linz.
Aktuelle Forschungsthemen sind die Analyse und Entwicklung von verteilten und koopertiven Systemen unter Berücksichtigung der Integration multimedialer Daten und Fragen der Mobilitätsunterstützung.

In diesen Themenbereichen leitet sie nationale und internationale Forschungsprojekte und ist Autorin bzw. Herausgeberin von mehr als 100 wissenschaftlichen Publikationen.

Seit April 2003 ist Gabriele Kotsis Präsidentin der Österreichischen Computergesellschaft.

Interview

Sie sind 39 Jahre jung und bereits seit 4 Jahren Professorin an der Johannes Kepler Universität Linz. Ihre Ausbildungen haben sie alle mit Auszeichnung abgeschlossen? War dieser Karriereweg schon immer ihr Ziel?

Ich glaube, es ist eine Charaktereigenschaft von mir, dass ich Durchhaltevermögen und Ehrgeiz habe. Wenn ich etwas anfange, dann ziehe ich es auch durch. Es war allerdings zu Beginn meines Studiums für mich nicht klar, dass ich in Richtung Doktorat - geschweige denn Professur - weitermache. Im Gegenteil - eine Universitätskarriere war für mich während des Studiums kein motivierendes Berufsfeld. Geändert hat sich das erst während meiner Diplomarbeit. Da hatte ich einen Betreuer, der mir die Freude am wissenschaftlichen Arbeiten gezeigt hat. Und dann waren es logische Schritt. Ursprünglich wollte ich mehr in die Wirtschaft gehen - ich habe Wirtschaftsinformatik studiert - dann aber festgestellt, dass ich mich in der Informatik wohler fühle. Informatik ist für mich formaler, klarer und greifbarer.

Was sind Ihrer Meinung nach die Unterschiede zwischen einer Karriere an der Universität und einer Wirtschaftskarriere? Welche Eigenschaften sind bei einer Universitätskarriere gefragt?

Ich glaube, dass man bei einer Universitätskarriere mehr auf seinen eigenen Ehrgeiz angewiesen ist, weil es niemanden gibt - so wie in einer Firma - der einem klar sagt was das Geschäftsziel für dieses Jahr ist. Von der Universität her gibt es auch wenige Anreizsysteme, die einem ermutigen Karriere zu machen. Je nach Persönlichkeitsstruktur ist das natürlich ein Vorteil oder ein Nachteil. Personen, die den Druck von außen brauchen, die sind wahrscheinlich an der Universität fehl am Platz, da hier viel mehr Eigenleistung und eigenes Engagement gefordert ist.

Hatten Sie bei ihren beruflichen Entscheidungen auch Unterstützung durch ihre Familie?

Für mich war sehr wichtig, dass ich bei all meinen Entscheidungen absolute Rückendeckung von meinem Bekanntenkreis, meinem Freundeskreis und vor allem auch von meinen Eltern gehabt habe. Nach dem Motto "wofür du dich auch immer entscheidest, du kannst es mit uns besprechen, diskutieren, und wir unterstützen so ziemlich alles". Sie waren zum Beispiel nie diejenigen, die gesagt hätten "warum tust du dir als Frau das an?" Ich hatte also wirklich die Freiheiten in meinen Entscheidungen. Diese moralische Unterstützung war sehr wichtig für mich.

Als Professorin der Informatik und Vorstand es Institutes für Telekooperation leiten sie ein Team mit 10 wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Womit beschäftigen Sie sich da genau?

Wir betreiben Forschung in den Bereichen Mobile und Internet Computing, Mobile Multimedia und Mobile Commerce. Telekooperation ist ein sehr interdisziplinärer Bereich bestehend aus der klassischen Informatik im Sinne von kooperativen Systemen, angereichert um den Kommunikationsaspekt sowohl auf technischer Ebene als auch auf der Ebene der Kommunikation zwischen den Menschen. Die Frage für uns ist, wie Medien zur Kommunikation- und Kooperationsunterstützung optimal eingesetzt werden können. Neben der Entwicklung von Anwendungen und Diensten steht aber auch stark die Evaluation von Technologieentwicklungen im Mittelpunkt. D.h. ich hinterfrage gerne, was der Nutzen von neuen Systemen ist - nicht nur auf der monetären Ebene.

Wie würden sie einem jungen Menschen oder einem jungen Mädchen die Informatik schmackhaft machen?

Informatik wird oft falsch verstanden. Es ist heutzutage definitiv nicht mehr die reine Programmierarbeit die irgendwo in einem finsteren Zimmer von pickeligen Jünglingen betrieben wird. Gerade von Mädchen hört man oft, dass sie einen Beruf wollen, in dem sie mit Menschen zu tun haben und das assoziiert man mit der Informatik nach wie vor sehr wenig. In der Realität ist es aber so, dass wir neue Anwendungen und neue Technologien entwickeln, die sehr spannend sind. Informatik kann auch sehr gut mit individuellen Interessen verknüpft werden und sie ist mittlerweile in allen Disziplinen vertreten.

Wir haben Medizininformatik, Wirtschaftsinformatik, Bioinformatik usw. D.h. man kann Informatik sehr gut mit persönlichen Interessen und Hobbys verknüpfen und einen Beitrag leisten. Ich würde junge Menschen zu einem Event, einem Workshop oder zu einer Summerschool einladen damit sie sehen wie der Wissenschaftsbetrieb läuft. Ich glaube, dass dieses hineinzuschnuppern wichtig ist und ich hoffe, dass mit dem Essen der Appetit kommt. Zumindest war es bei mir so.

Glauben Sie, dass Frauen und Männer unterschiedliche Eigenschaften brauchen um im naturwissenschaftlich- technischen Bereich erfolgreich zu sein?

Ich glaube nicht, dass man sich als Frau sehr "vermännlichen" muss und ich bin sehr vorsichtig bei diesen Klischees. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber ich werde mich hüten, je eine Wertung abzugeben. Zu sagen, "Frauen können DAS prinzipiell besser und Männer können DAS prinzipiell besser". Da habe ich selber einfach zu viele Gegenbeispiele gesehen. Frauen können sich durchaus in einem sehr männlichen Bereich behaupten und ich sehe auch zum Teil einen Vorteil für Frauen. Z.B. sind sie als Frau, wenn sie in der Minderheit sind, sichtbarer. Ich halte es aber grundsätzlich für wichtig, dass Frauen im technischen Bereich stärker vertreten sind, weil meine Erfahrungen zeigen, dass bei einem gemischtgeschlechtlich Team die Diskussion anders laufen und auch eine andere Kooperationsbasis da ist.

Sind Sie ein Role Model für ihre Studentinnen?

Ich könnte jetzt nicht sagen, dass ich einen signifikant höheren Frauenanteil in meinen Lehrveranstaltungen hätte als meine Kollegen. Was ich aber in Gesprächen schon mitbekommen ist, dass die Vorbildwirkung wichtig ist. Es gibt zu wenige weibliche Vorbilder, die aufzeigen, dass es doch geht. Ich bin an der an der technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni Linz zurzeit die einzige Frau, die einen Lehrstuhl innehat. Je mehr Vorbilder es gibt, die es schaffen, desto niedriger wird die Hemmschwelle und desto mehr Frauen trauen sich dann in diesen Bereich einzudringen.

Was ich aber fast noch wichtiger halte ist, dass sich die Studentinnen untereinander vernetzten und das sie Kontakte schließen zu anderen Kolleginnen. Die Vernetzung sollte auch durch Programme gestärkt werden. Die Männer vernetzten sich sowieso auf natürliche Art und Weise. Einfach aufgrund ihrer Masse.

Sie äußern sich ja auch sehr kritisch zu dem Begriff Frauenförderung und sagen, dass "wir Frauen in der Technik nicht die Tschapperlen sind, die förderbedürftig sind". Was verstehen Sie unter dem Begriff Frauenförderung oder was wäre für Sie das Optimum?

Exzellenzförderung für Frauen - das wäre für mich da Optimum. Ich möchte, dass gute Leistungen von Frauen anerkannt werden und gefördert werden. Was ich nach wie vor erlebe, ist, dass Frauen überdurchschnittlich gut sein müssen um in gleichem Maße gefördert zu werden als Männer. Da sehe ich wirklich eine Diskrepanz wo Frauenförderung ansetzen sollte.

Wichtig ist es auch, dass geeignete Infrastrukturen geschaffen werden, die unterschiedliche Karriereverläufe von Frauen und Männern berücksichtigen - also wenn sich eine Mutter von 3 Kindern im Vergleich mit einem männlichen Kollegen mit gleichem Alter bewirbt, wird klar sein, dass die Publikationsleistungen unterschiedlich ist. Das sagt aber jetzt nichts über die Qualifikation der Person aus wenn man nur den quantitativen Output sieht, sondern man muss ja wirklich die Qualität der Arbeiten anschauen.

Sie sind sehr aktiv in unterschiedlichen Projekten und Arbeitskreisen zum Thema Gleichbehandlung und Frauen in die Technik. Welche Ziele verfolgen sie da?

Ich möchte einfach Mädchen aber auch Burschen für das Fachgebiet begeistern. Ich bin davon überzeugt, dass die Informationstechnologie ein wichtiges Thema ist und das wir hier auch in Österreich viele Beiträge leisten können. Wenn ich eine Summerschool organisiere, dann bringe ich einfach internationale Studierende aber auch Lehrkräfte nach Linz an meinen Universitätsstandort, mache damit die Universität sichtbar, unterstütze die Kooperation. Das halte ich alles für enorm wichtig. Ich glaube Wissenschaft baut sehr stark auf Kooperationen und Kontakte auf und das versuche ich auch zu leben und natürlich jetzt insbesondere in der "Frauenermunterung".

Was sind ihre Aufgaben als Präsidentin der Österreichischen Computer Gesellschaft?

Als Präsidentin kommt mir die ehrenvolle Aufgabe zu, die strategische Ausrichtung der Österreichischen Computer Gesellschaft zu steuern. Meine Aufgabe ist es mit zu entscheiden in welche Aktivitäten investiert wird, wie thematisch die Arbeitskreise ausgerichtet sein sollen, welche Förderprogrammen weiterhin betrieben werden oder mit welchen anderen Institutionen kooperiert wird. Wichtig dabei ist die Netzwerkfunktion innerhalb von Österreich in der IT-community aber natürlich auch die internationale Netzwerkarbeit. Die Vernetzungstätigkeit halte ich eigentlich für die zentrale Aufgabe und da steht man natürlich als Präsidentin an der vordersten Front und repräsentiert die Computergesellschaft.

Wie bringen sie alle ihre vielfältigen Aktivitäten "unter einen Hut"? Wie schaut ihr Arbeitsalltag aus?

Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Mir fällt es nicht leicht "nein" zu sagen, weil es so viele interessante Dinge gibt. Ich kann mich auch nicht erinnern, jemals eine 40-Stunden-Woche gehabt zu haben. Das gibt es einfach nicht und dazu macht mir die Arbeit viel zu viel Spaß. Ich habe allerdings auch ein ganz gutes Zeitmanagement und es gibt immer wieder auch ruhigere Zeiten wo ich entspannen kann. Es liegt aber an meiner Persönlichkeit, dass ich es gerne sehr intensiv habe.

Würden Sie ihren Job als Managementjob beschreiben?

Ich schaffe es noch inhaltlich zu arbeiten und das ist mir auch wichtig. Ich versuche meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heranzubilden damit sie z.B. auch Betreuungsfunktionen für die Studentinnen und Studenten übernehmen können. Es ist wichtig, im Team Strukturen zu haben, die den Managementaufwand gering halten.

Wie sehr nutzen Sie technische Neuerungen für ihren Alltag?

Ich bin da ein absoluter Technik-Freak. Am liebsten probiere ich alles aus - hübsche, coole Notebooks, digitale Diktiergeräte, usw. Eine absolute Bereicherung für mich war das Mobiltelefon weil ich dadurch ortsunabhängig arbeiten kann. Für mich sind technische Neuerungen explizit eine Bereicherung.

Sie pendeln ja zwischen Linz und Wien. Waren Gastprofessorin in Dänemark. Wie wichtig ist Mobilität für ihren Job?

Sehr wichtig. Also ich bin mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass der eigentliche Standort oder der Arbeitsplatz nicht so wichtig sind. Ich kann zum Großteil ortsungebunden arbeiten. Trotzdem ist es auch mit der Unterstützung von Telekooperationstechniken wichtig, dass man sich persönlich trifft. Insofern ist der Ort natürlich schon wichtig, aber auch die Mobilität.

Persönlich würde ich es beengend finden, wenn ich einen Job hätte, wo ich jeden Tag um 8 Uhr im selben Büro sein muss und um 5 Uhr meinen Bleistift fallen lasse und gehe. Das wäre einfach nicht der Arbeitsstil der mir Spaß macht. Ich bin mobil wenn ich die entsprechende Infrastruktur mitnehmen kann.

Inwieweit ist Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Sie ein Thema?

Mein Job stellt schon sehr hohe Ansprüche an den Freundeskreis und an den Partner und es braucht eine verständnisvolle Umgebung. Weil eben die Dinge oft nicht wirklich planbar sind. Umso intensiver sind dann die Zeiten des Privatlebens, denn sie sind kostbar.

Und was würden Sie beruflich noch gerne erreichen?

Das ist noch geheim: und es ist eine schwierige Frage. Ich bin noch relativ jung und habe schon enorm viel erreicht was die klassische Karriereleiter betrifft. Ich hatte auch die Ehre, Präsidentin der größten IT-Interessensvertretung in Österreich zu sein. Was mich persönlich einfach interessieren würde wäre der Bereich Forschungsmanagement. Und ja… also es gibt noch nicht allzu viele Rektorinnen in Österreich. Aber das sind dann eher längerfristige Ziele.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Inge Schrattenecker von der ÖGUT - Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik.