Expertin des Monats
März 2007
Dr.in Eva Maria Binder

Eva Maria Binder ist Chief Research Officer der Erber AG, deren österreichischer Forschungsstandort sich am Technopol Tulln befindet. Die Tochterunternehmen Biomin und Romer Labs befassen sich einerseits mit innovativen, natürlichen Futtermittelzusätzen, und andererseits mit der Lebens- und Futtermittelanalytik und -Sicherheit.
Eva Binder ist für die Steuerung des F&E Prozesses verantwortlich, wobei ihre Schwerpunkte in der Projektevaluierung, dem Intellectual Property, sowie dem Ideen- und Wissensmanagement liegen.
Sie studierte Technische Chemie an der TU Wien, wo sie im Bereich der Enzymreinigung und - Charakterisierung promovierte. Berufsbegleitend absolvierte sie den postgradualen Lehrgang "Wissensmanagement" an der Donau Universität Krems.

Interview

Sie haben an der TU Wien Technische Chemie studiert. Warum haben Sie sich für diese Studienrichtung entschieden?

Schon in der Mittelschule haben mich die Naturwissenschaften sehr interessiert. Im realistischen Gymnasium hatte ich zwar auch Latein aber die Hauptfächer bzw. meine Lieblingsfächer waren Physik, Mathematik und Chemie. Ich habe schon in meiner Schulzeit Freifächer besucht, wo wir chemische Übungen durchgeführt haben. Technische Chemie zu studieren war für mich daher nahe liegend.

Inwieweit wurde der technische Bereich in ihrer Familie gefördert?

Mein Vater ist Finanzbeamter und es hätte ihm eine große Freude gemacht, wenn ich Wirtschaft studiert hätte. Unser Haushalt war eher von Sport als von Naturwissenschaften geprägt. Ich habe aber immer sehr viel gelesen und es schon als kleines Kind geliebt mit allen möglichen Sachen zu experimentieren. Als kleines Mädchen habe ich z.B. versucht ein Unkrautvernichtungsmittel zu erfinden. Während meines Chemiestudiums habe ich allerdings auch Vorlesungen auf der Wirtschaftsuniversität und am Juridikum besucht.

Sie sind nach Ihrem Studium direkt in die Industrie gegangen. War das von Ihnen so geplant?

Der direkte Wechsel von Studium in die Industrie hat sich so ergeben. Ich bekam über einen Bekannten den Tipp, dass eine Firma jemanden für einen Aufenthalt in den USA sucht. Das hat mich sofort angesprochen und die Firma ist dann für ein Gespräch an die Uni gekommen. Nach dem Gespräch habe ich den Job angenommen. Obwohl es mit dem Auslandaufenthalt in den USA vorerst nichts geworden ist, war für mich das eine gute Entscheidung, weil die Arbeit sehr interessant war und ist.

Haben Sie jemals an eine Universitätskarriere gedacht?

Grundsätzlich hätte mich die Arbeit an der Uni schon gereizt. Ich habe aber gesehen, dass oft hervorragende Frauen an der TU im Hintergrund arbeiten - an zweiter Stelle sozusagen - und das wollte ich in dieser Form für mich nicht. Als ich dann das Jobangebot der Firma Erber AG bekam, habe ich einfach zugegriffen. Einer der Gründe, warum ich von der Uni gegangen bin war auch meine ständige Suche nach Neuem und Interessantem.

Würden Sie Ihren Berufsweg als "klassische Karriere" bezeichnen?

Ich denke, die klassische Karriere ist etwas sehr geplantes mit einem konkreten und genauen Ziel vor Augen. Ich gehöre eher zu jenen Menschen die zugreifen, wenn sich etwas Interessantes ergibt. Das entspricht auch meinem Berufsweg im Unternehmen. Ich bin seit ca. 12 Jahren bei der Erber AG in immer wieder verschiedenen Positionen tätig. Alle zwei bis drei Jahre hat sich eine neue Herausforderung ergeben und ich habe sie angenommen.

Sie arbeiten seit zwölf Jahren in der Firma Erber AG und sind jetzt Chief Research Officer. Was genau machen Sie da?

Ich bin im wesentlichen verantwortlich für den Prozess der Forschung. D.h. ich begleite die Entwicklung eines Produktes von der Ideenfindung bis zur Umsetzung und Überleitung in die Produktion. Zu meinen Aufgabengebieten gehört die Konzeption von Forschungsprojekten, die Suche nach möglichen Kooperationspartnern, die Regelung der vertraglichen Angelegenheiten und das Projektmanagement. In diesen Phasen unterstütze ich die einzelnen Forschungsgruppen oder Forschungseinheiten. In dieser Funktion achte ich auch darauf, dass die Ressourcen und die Outputs passen. Oftmals geht das hin bis zu Patentanmeldungen. Für mich von Vorteil ist, dass ich aus dem Unternehmen komme und lange Jahre verschiedene Forschungsprojekte geleitet habe. Dadurch kenne ich mich überall ein bisschen aus.

Sie waren viel im Ausland unter anderem auch zwei Jahre in Singapur. Wie wichtig schätzen Sie Auslandaufenthalte und Mobilität für eine Karriere ein?

Mobilität ist meiner Meinung nach ganz, ganz wichtig im Berufsweg. Ich sehe den Unterschied jetzt, wo ich Kinder habe. Mit Kindern ist Mobilität nicht mehr so einfach und nur mehr sehr eingeschränkt möglich. Es ist etwas anderes mit einer Familie für längere Zeit zu übersiedeln, das geht vielleicht leichter. Schwieriger ist es meiner Meinung nach, immer wieder kurzfristig verreisen zu müssen. Das halte ich für einen ganz kritischen Faktor in der Karriereentwicklung. Ich bin aber überzeugt davon, dass eine hohe Flexibilität und die Möglichkeit der Mobilität gerade in der Anfangsphase einer Karriere nötig und wichtig ist.

Viele Mensche sehen es als schwierig Familie und Beruf zu vereinbaren. Sie haben zwei Töchter mit 2 und 5 Jahren. Wie sehen Sie das Thema Vereinbarkeit und Familie?

Mit Kindern und Beruf ist es immer eine Gratwanderung alles "unterzubringen". Gleichzeitig muss ich ehrlich sagen, ich möchte es nicht anders haben. Meine Mutter hat immer gearbeitet und ich hatte nie den Eindruck, dass wir Kinder darunter gelitten hätten. Ich denke, das ist ein wesentlicher Grund, warum ich mir immer Beruf und Kinder vorstellen konnte. Natürlich gibt es Einschränkungen und mir ist schon klar, dass ich nicht die "Superkarriere" mache, in der Zeit in der meine Kinder noch klein sind. Ich würde sagen, ich habe einen interessanten Job und ich versuche mich gut zu organisieren. Manchmal ist das aber ganz schön schwer.

Welche Unterstützung haben Sie bei der Organisation ihres Alltages?

Meine Familie und meine Eltern kommen mir da sehr entgegen. Wahrscheinlich aus der Tatsache heraus, dass sie ja selber wissen, wie es ist wenn man Kinder hat. Meine Mutter und mein Vater kommen immer wieder zum Babysitten, wenn gerade eine Kinderkrankheit auftaucht.

Sie arbeiten aktuell 30 Stunden. Ist eine Führungsposition wie Sie es haben, mit Teilzeit möglich. Welche Erfahrungen haben Sie da?

Ich bin aktuell 30 Stunden angestellt. In der Realität sind das natürlich oft mehr Stunden, wobei ich aber keinen 60 Stunden Job mehr habe. Ich denke, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht großartige Weiterentwicklungsmöglichkeiten habe. Es war für mich aber eine bewusste Entscheidung Kinder zu haben und ich bin damit sehr zufrieden. Ich habe einen guten Job und eine interessante Position. Im Unternehmen beschäftigen wir auch im Forschungsbereich viele Frauen die Teilzeit arbeiten und zum ersten Mal geht jetzt auch ein Mann in Karenz. Wir versuchen den Frauen und Männern die bei uns tätig sind, entgegen zu kommen und bieten Teilzeitarrangements oder teilweise auch die Möglichkeit an von zu Hause aus zu arbeiten. Das ist selbstverständlich und eine Kultur unseres Unternehmens. Insgesamt beobachte ich, dass Personen die Teilzeit arbeiten oft sehr engagiert sind, gerade wenn sie sehen, dass die Arbeit mit einer Familie vereinbar ist. Ein Nachteil der Teilzeitarbeit ist allerdings, dass viel weniger Zeit bleibt um Netzwerke zu pflegen und soziale Kontakte im Beruf und in der Firma zu halten. Das Bier nach der Arbeit geht meistens nicht mehr.

Welche Rolle spielt in Ihrem Unternehmen das Thema Chancengleichheit?

Eine Strategie unseres Unternehmens ist es, niemanden zu diskriminieren. Wir sind sehr international tätig und haben Niederlassungen in den verschiedensten Ländern. Ich glaube, dadurch ist das Thema Diversität in unserem Unternehmen selbstverständlicher.

Der Frauenanteil in der Erber AG und bei Biomin im F&E-Bereich liegt weit über 50 Prozent. Aus welchen Fachbereichen rekrutieren Sie Ihre WissenschafterInnen?

Wir haben sehr viele Forscherinnen und Forscher aus dem Biotechnologie-Bereich, also aus dem Lebensmittelbereich, BiochemikerInnen, BiotechnologInnen und auch aus dem Analytikbereich wie technische Chemie. Zusätzlich beschäftigen wir auch VeterinärmedizinerInnen und natürlich Personen aus der Tierernährung. Die meisten Personen kommen aber  aus dem Biotech-Umfeld.
Zur Erklärung noch: Die Erber AG ist eine private Holding im Besitz einer österreichischen Familie, die vor 25 Jahren die Firma Biomin aufgebaut haben. Biomin macht Futtermittel-Zusätze und Zusatzstoffe, das sind spezielle Goodies für Nutztiere. Mit der zweiten Firmengruppe Romer Labs entwickeln wir Analyseverfahren für unerwünschte Lebensmittelkontaminanten.

Das Unternehmen Erber AG hat ein BRAIN-Programm initiert. Was machen Sie da konkret?

Es ist zur Zeit nicht so leicht geeignete Personen zu finden und wir haben etliche Positionen für den Forschungsbereich ausgeschrieben. BRAIN steht für Biomin Research and Innovation Network. Das Programm dient im wesentlichen dazu, unser wissenschaftliches Forschungsnetzwerk zu erweitern. Wir gehen aktiv auf Universitäten zu und laden sie ein, Kooperationen mit uns zu machen. In vielen Fällen unterstützen wir dann Arbeiten an den Unis. Wir suchen mit diesem Programm auch nach jungen NachwuchsforscherInnen, die Interesse haben, eine Verbindung mit der Industrie einzugehen. Das Programm stößt auch international auf großes Interesse, weil an den Universitäten immer Geldmangel herrscht.

Sie sind Mitglied im Senat der CDG. Was sind da Ihre Aufgaben?

Meine Aufgabe im Senat ist es, die Kompetenzen im Life-Science-Bereich und die Industrieperspektive einzubringen. Meine Mitgliedschaft hat sich über eine Empfehlung eines Professors ergeben. Der Senat ist ein Gremium mit ca. 30 Personen die die Projektanträge wissenschaftlich und fachlich bewerten. Das Auswahlverfahren für ein CD Labor (sieben Jahre Förderung im kooperativen Bereich) sind zweistufige wobei der Senat die Vorauswahl triff und ein Hearing abhält. Erst nach der internationalen Begutachtung und dem Hearing entscheidet schlussendlich das Kuratorium ob ein Projekt gefördert wird oder nicht.

Sie haben einen verantwortungsvollen Beruf und zwei kleine Kinder. Bleibt Ihnen noch Zeit für Hobbies?

Ich laufe sehr gerne Langstrecken. Ein- bis zweimal im Mal im Jahr laufe ich bei einem Halbmarathon mit. Diese Jahr im Winter habe ich mir auch ein Laufband zugelegt, damit kann auch noch am Abend wenn die Kinder schlafen, Sport betreiben. Das Laufen ist ein großer Ausgleich für mich. Wenn mir noch Zeit bleibt lese ich auch sehr gerne oder gehe Golf spielen.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Ich bewundere Lebensläufe von Menschen, die durchaus erfolgreich waren, und dann den Sprung wagen und etwas ganz neues, anderes machen. Einer meiner Lebensträume ist es, irgendwann einmal, vielleicht jenseits der 50, so etwas zu tun. Ob es dann der Entwicklungshilfe-Bereich ist, die Politik oder ich ein Buch schreibe, dass weiß ich nicht. Vielleicht ist es nur ein Traum, aber die Vorstellung fasziniert mich.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Inge Schrattenecker von der ÖGUT.

Eva Maria Binder
Dr.in Eva Maria Binder

Erber AG

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023