Expertin des Monats
Apr. 2007
Univ.-Doz.in Dr.in Edda Fiebiger

Edda Fiebiger leitet seit Oktober 2005 die Arbeitsgruppe für Nahrungsmittelallergieforschung der Division of Gastroenterology am Children´s Hospital in Boston.

Frau FIEBIGER studierte Pharmazie an der Universität Wien. Ihre Diplomarbeit schrieb sie am Institut für Immunologie bei Prof. Dr. Hannes Stockinger. Für ihre Dissertation wechselte sie 1992 in den Bereich der Immundermatologie (Betreuer Prof. Dr. Georg Stingl und Prof. Dr. Dieter Maurer). Ihrer Promotion im Jahr 1998 folgte ein Praxisjahr an der Richard Wagner Apotheke in Wien. Anschließend ging sie mit einem Erwin Schrödinger Stipendium des FWF für ein Post Doc an die Harvard Medical School in Boston. In weiterer Folge wurde der Post Doc von der Akademie der Wissenschaften mit einem Max Kade Stipendium und einem APART Habilitationsstipendium gefördert. 2005 habilitierte sich die zweifache Mutter an der Universität Wien und übernahm im selben Jahr als Instruktor in Pediatrics (Kinderheilkunde) eine eigene Arbeitsgruppe am Children´s Hospital in Boston, wo sie seither in der Allergieforschung tätig ist.

Frau Fiebiger hat verschiedene Auszeichnungen erhalten unter anderem den Krauppreis für die beste Habilitation an einer Medizinischen Universität Österreichs.

Interview

Ihr Tätigkeitsbereich ist die Allergieforschung und die Immunologie. Ist dieses Thema in den USA gefragt?

Die Lebensmittelallergien sind ein steigendes Problem unserer Gesellschaft. In den USA ist es mittlerweile so, dass bereits jeder vierte Haushalt das Ess- und Kochverhalten wegen eines Familienmitglieds, das an Nahrungsmittelallergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeit leidet, ändern muss. Vor allem die hohe Inzidenz von Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei Kindern ist erschreckend. Bis jetzt liegen die Gründe dieses Phänomens im Dunkeln. Meine Arbeitsgruppe focusiert sich zur Zeit auf Studien der Immunpathologien die Lebensmittelallergien unterliegt. Wir versuchen in zellbiologischen Modellen und in weiterer Folge dann im Mausmodell ein besseres Verständnis über Immunreaktionen im Gastrointestinaltrakt zu bekommen. Wir hoffen über ein besseres Verständnis zu neuen Therapien oder Präventionsstrategien zu gelangen. Die Allergien sind ein sehr spezielles Thema - auch Tiere wie Katzen und Hunde werden allergisch und Hunde haben z.B. sehr viele Lebensmittelallergien.

Sie haben an der Uni Wien Pharmazie studiert und ihre Dissertation in Immundermatologie bei Prof. Stingl gemacht und sind anschließend in die USA gegangen. Warum?

Nach meiner Diplomarbeit in Immunologie bin ich auf die Immundermatologie gewechselt und habe in der Arbeitsgruppe von Prof. Mauerer meine Dissertation geschrieben. Ursprünglich wollte ich an der Uni in Wien bleiben aber mein Doktorvater hat einen Auslandaufenthalt sehr gefördert. Ich habe mich daher nach meiner Dissertation in den verschiedensten Labors in Frankreich, in England und eben in den Vereinigten Staaten beworben und mich dann für ein Postdoc an der Harvard Medical School entschieden. Dieses wurde zuerst über ein Erwin Schrödinger Stipendium finanziert.

Seit Oktober 2005 leiten sie als Instruktor in Pediatrics eine eigene Arbeitsgruppe am Children´s Hospital in Boston. Wie ist es dazu gekommen?

Dem Erwin Schrödinger Stipendium ist dann eine Förderung von der Akademie der Wissenschaften durch ein Max Kade und ein APART Stipendium gefolgt. Ich wollte aber eigentlich wieder zurück nach Europa. Ich habe mich daher unter anderem in Oxford beworben. Über eine Finanzierung durch die Royal Academy of Science hat sich ein sehr gutes Jobangebot entwickelt. Mein Mann - er ist Amerikaner - hat dann auch wegen mir eine MBA Ausbildung in England angestrebt. Kurz vor unserer Abreise hat mich mein damaliger Chef darauf aufmerksam gemacht, dass im Children´s Hospital noch eine Position offen ist, für die ich sehr gut qualifiziert wäre. Ich habe daher kurz entschlossen ein Email an den Direktor geschickt. Innerhalb von 20 Minuten hatte ich eine Antwort und schon am nächsten Tag einen Interviewtermin. Dann ist alles sehr schnell gegangen. Nach drei Wochen war das Angebot fixiert und mein Mann und ich haben beschlossen, dass wir mit unseren Kindern doch in den USA bleiben. Dass war "berufliche Liebe auf den ersten Blick".

Welche Position genau ist das jetzt?

Der Schritt von einer Research Gruppe in eine Position als Instructor mit einer eigenen Arbeitsgruppe ist schon ein großer. Das ist eine ganz andere Arbeitsplatzbeschreibung, die ich etwas unterschätzt habe. Als Gruppenleiterin bin ich davon abhängig wie sehr meine Leute meine Ideen annehmen und wie sehr sie fähig sind, diese Ideen auch zu verwirklichen. Es geht nicht mehr nur um ein gelungenes Experiment, sondern die technischen Fähigkeiten der Gruppe und die Gruppendynamik werden extrem wichtig. Außerdem ist es als Gruppenleiterin notwendig, dass man viel schreibt und Öffentlichkeitsarbeit macht.

Sie sind zur Zeit in beruflich in Österreich. Was machen Sie da?

Ich halte eine Blockvorlesung an der Uni Wien. Aktuell mache ich eine Vorlesung zum Thema basics of scientific writing and presentation strategies. Es wird meiner Meinung nach immer wichtiger, dass man schon an der Uni etwas über das Schreiben und Publizieren in einer andern Sprache erfährt. Da gibt es viele Tricks, die einem weiterhelfen.

Obwohl Sie seit sieben Jahren im Ausland sind halten Sie den Kontakt zu ihrer "Stammuni" in Wien. Wie wichtig ist für Sie dieser Kontakt?

Ich habe das Gefühl, dass ich für meine Karriere momentan den optimalen Platz gefunden habe. Trotzdem habe ich noch einen sehr guten Kontakt zu meinen früheren Betreuern in Wien. Ich arbeite im Bereich Forschung und im Bereich Lehre nach wie vor sehr viel mit der Uni Wien zusammen. Das ist sozusagen meine "Nabelschnur" die ich nicht durchschneiden will.

Im Lauf ihrer Karriere haben Sie immer wieder Auszeichnungen erhalten. Die Letzte von der Harvard Universität mit einer zweijährigen Finanzierung als Junior Instruktor. (Eleanor and Miles Shore Fellowship for Junior Faculty Development). Sind Sie sehr ehrgeizig?

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sehr ehrgeizig bin. Aber ich bin sehr zielorientiert und treffe meine Entscheidungen Schritt für Schritt. Ich habe erst sehr spät konkrete Vorstellungen davon gehabt, was ich machen will. Während meiner Dissertation habe ich sogar kurz überlegt aus dem Wissenschaftsbereich auszusteigen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich einen Schritt zurück gemacht und für eineinhalb Jahre in einer Apotheke gearbeitet. Das war eine sehr interessante Erfahrung für mich.

Haben Sie Ihre Karriere in dieser Form geplant?

Ich glaube nicht, dass man nach dem Studium sagen kann, dass ich Gruppenleiterin an der Harvard Medical School werden will. Ich denke, es geht immer nur Schritt für Schritt. Im nachhinein betrachtet schaut meine Karriere aber sehr geradlinig aus.

Sie haben Pharmazie studiert. Wie sind sie überhaupt auf diese Studienrichtung gekommen?

Ursprünglich wollte ich Medizin studieren doch mir war sehr bald klar, dass ich eher in die Biomedizinische Forschung gehen will und dann habe ich mit Pharmazie angefangen. Nach dem Diplom habe ich kurz überlegt, das am Anfang begonnene Medizinstudium fertig zu machen. Ich habe mich aber dann doch für die Dissertation entschieden und bin daher wirklich bei den Naturwissenschaften geblieben.

Sie kommen aus Oberösterreich und Ihre Eltern waren immer berufstätig. Haben Ihre Eltern sie unterstützt in Ihren Entscheidungen?

Meine Eltern haben mich sehr darin bestärkt etwas naturwissenschaftliches zu studieren. Nachdem ich als junges Mädchen eigentlich Französisch- und Lateinlehrerin werden wollte haben sie mir davon abgeraten mit der Begründung ich sei zu ungeduldig. Sie waren der Meinung, dass ich eine große Begabung in den Naturwissenschaften habe. Die Familie meines Vaters ist eine Ärztefamilie und wahrscheinlich hat mich das schon in meiner Kindheit sehr geprägt. Meine Mutter hat als Frau mit Kindern immer gearbeitet - das war zu dieser Zeit und am Land sehr untypisch. Als Kind habe ich mich darum sehr oft bemitleidet: und ich war der Meinung, wenn ich Kinder habe, werde ich meinen Beruf an den "Nagel hängen".

Sie haben zwei kleine Kinder und arbeiten trotzdem Vollzeit. Wie ist es zu diesem Gesinnungswechsel gekommen?

Seit dem ich Kinder habe, verstehe ich meine Mutter, die ihre Arbeit sehr gerne gehabt hat, warum sie diese nicht aufgeben wollte. Ich denke, diese Erfahrung hat mich schon sehr geprägt. Ich glaube allerdings, dass es mittlerweile gesellschaftlich mehr akzeptiert wird und dass es auch wesentlich bessere Kinderbetreuungseinrichtungen, vor allem in den USA, gibt als damals.

Ihre Kinder sind 2 und 3,5 Jahre alt. Wie vereinbaren Sie Ihren Job mit ihrer Familie?

Meine Kinder gehen sehr gerne in die Kinderbetreuung und die Tagesmutter ist mittlerweile eine wichtige Bezugsperson für sie geworden. Emotional finde ich es eher oft schwierig zu sehen, dass man als Elternteil nicht die einzige Bezugsperson für die Kinder ist. Grundsätzlich denke ich, dass die Berufstätigkeit von Eltern - besonders wenn sie ihren Job gerne machen - die Kinder in ihrer Entwicklung nicht behindert sondern eher motiviert. Ich habe auch einen extrem flexiblen Job bei dem meine Anwesenheit am Institut nicht im Vordergrund steht. Die universitäre Forschung in den USA funktioniert so, dass du arbeiten kannst wann und wo du willst - allerdings wenn du deine Arbeit nicht machst, dann gibt es auch kein Geld und dann verlierst du deinen Job.

Wie schätzen Sie die Situation in den USA im Bezug auf Frauen und Männer in den technischen Wissenschaften ein?

Die Wissenschaft ist auch in den USA sehr männlich dominiert. Zwar ist der Frauenanteil unter den Fakultätsmitgliedern nicht so gering aber wenn es darum geht, wer Head of Division wird, dann ist das in der Regel ein Mann. Für die höheren Positionen sind 90% der BewerberInnen männlich. In den USA gibt es mittlerweile aber auch die Verordnung, dass bei zwei gleich qualifizierte BewerberInnen die Frau den Job bekommt.

Gab es in Ihrer beruflichen Entwicklung Personen die Sie sehr unterstützt haben - sogenannte MentorInnen?

Es gibt einige Professoren, wie den Prof. Stockinger und meinen Dissertationsbetreuer, Prof. Maurer, die mich beruflich sehr viel unterstützt und begleitet haben. Mit diesen Personen habe ich nach wie vor eine spannende berufliche Auseinandersetzung. Aber einen Mentor - im eigentlichen Sinn - habe ich nicht gehabt. Ein Vorgesetzter kann meiner Meinung nach nicht ein Mentor sein, da ein Mentor oder Mentorin dich in deinen persönlichen und beruflichen Interessen wertfrei unterstützen sollte. In diesem Sinne können meiner Meinung nach Vorgesetzte nicht gleichzeitig Mentoren oder Mentorinnen sein.

Was sind Ihre nächsten beruflichen Ziele oder anders gefragt: Ist es für Sie vorstellbar wieder zurück nach Europa oder Österreich zu kommen?

Für mich ist klar, wenn ich einen attraktiven Job in Europa angeboten bekomme, dann würde ich diesen annehmen. Wobei attraktiv für mich heißt, dass mir diese Position dann relativ viel Sicherheit bieten müsste. Ich habe eine Familie mit zwei kleinen Kindern und eine attraktive Position an der Harvard Medical School. Wenn ich mich in einigen Jahren von dort wegbewege, kann ich mich für viele Stellen bewerben und werde immer etwas bekommen. D.h. Harvard hat zwar auch keine sicheren "Langzeitpositionen" zu bieten aber dafür viel Prestige und ein Wechsel von dort weg ist leichter als jetzt z.B. von der Uni Wien. 

Wenn man mit zwei Kindern und Familie den Job wechselt, dann muss dieser schon eine gewisse Sicherheit sowohl was die finanzielle Seite als auch die Karriereperspektive betrifft, bieten. Nicht nach dem Motto - wenig Sicherheit, wenig Geld - darauf würde ich mich nicht einlassen. Außer ich gewinne im Lotto.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Inge Schrattenecker, ÖGUT.

Edda Fiebiger
Univ.-Doz.in Dr.in Edda Fiebiger

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023