Expertin des Monats
Juni 2007
DIin Dr.in Irmgard Bergmann

Irmgard Bergmann ist Key Researcher im Kompetenzzentrum Holz GmbH im Bereich Holz-Polymer-Verbundwerkstoffe. In ihrem Arbeitsbereich werden thermoplastisch verarbeitbare Verbundwerkstoffe aus unterschiedlichen Anteilen von Holz, Kunststoffen und Additiven durch Formgebungsverfahren, wie z. B. Extrusion oder Spritzguß entwickelt. Ihre Aufgabe umfasst die wissenschaftliche Leitung mehrerer Projekte, die Erstellung von Förderanträgen, die Leitung der Arbeiten im Technikum sowie auch Präsentationstätigkeiten des Zentrums.

Irmgard Bergmann studierte technische Chemie an der TU Graz. Ihre Diplomarbeit schrieb sie 2000 am Institut für chemische Technologie organischer Stoffe bei Prof. Dr. Wolfgang Kern. Anschließend war sie in der Kompetenzzentrum Holz GmbH in Linz als Junior Researcher tätig und verfasste ihre Dissertation zum Thema Extrudierbare Holz-Melaminharz-Verbundwerkstoffe. Daraufhin war sie als Senior Researcher für verschiedene Projekte im Bereich Holz-Polymer-Verbundwerkstoffe tätig. Seit Anfang 2007 ist sie Key Researcher in diesem Bereich.

Interview

Frau Bergmann, Sie sind Key Researcher im Kompetenzzentrum Holz in Wels. Was machen Sie da genau?

Meine Aufgaben sind sehr abwechslungsreich und breit gestreut. Sie beginnen bei der wissenschaftlichen und administrativen Leitung von Projekten und enden in Projektakquisition und Präsentationstätigkeiten. Zusätzlich bin ich mit dem Aufbau und der Organisation unseres Technikums betraut. Das Herzstück des Technikums ist eine Extrusionslinie für Wood-Polymer-Composite (WPC)-Extrusion. Ziel unseres Zentrums ist es, neue Materialien und Technologien mit hoher Umsetzungsrelevanz zu entwickeln.

Für welche Produkte werden diese Materialien entwickelt?

Das Hauptanwendungsgebiet der von uns entwickelten Materialien sind Terrassendielen für den Außenbereich. Für Terrassen wurden bei uns bis jetzt meist Stein verwendet. In den USA wird schon seit jeher Holz für Terrassenböden verwendet. Dieser Trend kommt jetzt auch zu uns, z.B. kann man bei Kaffeehäusern immer öfter Holzterrassen sehen. Diese sind dann allerdings meist aus Tropenhölzern gefertigt. Neben dem ökologischen Effekt ist die Haltbarkeit natürlich nur begrenzt. Als Alternative dazu gibt es diese Wood-Polymer-Composites (WPC), die einerseits nachhaltiger sind und andererseits auch eine längere Haltbarkeit versprechen, als normale Holzterrassen. Man braucht sie nicht weiter pflegen und kann sie in verschiedenen Farben und Formen gestalten. Die Designmöglichkeiten sind dabei unbegrenzt.

Wird  in den USA dazu ebenfalls noch geforscht, oder ist das System dort schon ausgereift?

Diese noch relativ junge Materialklasse gibt es seit ca. 10 bis 15 Jahren und wird in den USA auch schon länger für Terrassendielen verwendet. Wie bei jedem Material gibt es aber noch Schwachstellen und Verbesserungspotentiale. Unsere Aufgabe ist es, das Material auch für neue Anwendungen einsetzbar zu machen, damit es nicht nur bei Terrassendielen bleibt. Daraus ergeben sich ganz neue Anforderungen an die Eigenschaften und damit an die Materialien und die Technologien. Daher gibt es auch weiterhin in Europa und auch in den USA hohen Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

Ist es das einzige Institut in Europa, das sich mit dieser Forschung beschäftigt?

Da Wood-Polymer-Composites ein relativ neues und auch trendiges Material ist, beschäftigen sich mehrere Forschungsinstitute und Universitäten damit. Speziell in Deutschland gibt es einige Institute, mit denen wir auch in EU-Projekte zusammenarbeiten.

Das heißt, Ihr Job ist öfters mit Reisen verbunden. Wie wichtig empfinden Sie Mobilität in Ihrem Beruf?

Da man in der Forschung und Entwicklung immer am letzten Stand der Technik sein muss und mit anderen Forschungsinstituten und Firmen zusammenarbeitet, ergibt sich die Reisetätigkeit von selbst, die mir im Übrigen auch sehr viel Freude macht. Ich besuche Konferenzen, Messen und Meetings im In- und Ausland. Es kommt auch vor, dass Reisen relativ kurzfristig notwendig wird, da sind dann Flexibilität und Organisation gefragt.

Sie haben technische Chemie an der TU Graz studiert. Wieso haben Sie dieses Studium gewählt?

Das war eine eher spontane Entscheidung. In der Schule waren meine Interessen breit gefächert. Ich hatte keine besonderen Vorlieben für Naturwissenschaft oder Technik, im Gegenteil, ich war sehr von Sprachen, Musik und Kunst fasziniert. Am Ende meiner Gymnasiumszeit hatte ich dann aber das Bedürfnis, etwas "Handfesteres und Griffigeres" zu machen. Ich habe ich mir diverse Technikstudien angesehen und Technische Chemie hat mich dabei sehr angesprochen. Zusätzlich hatte ich einen guten Freund, der technische Chemie studierte und mich dazu motiviert hat, ebenfalls dieses Studium zu wählen.

Haben Sie Ihr Eltern unterstützt bei der Studiumswahl?

Meine Eltern haben mich dahingehend unterstützt, dass sie mir alle Freiheiten bei der Wahl des Berufes überlassen haben, obwohl sie eigentlich immer der Meinung waren, dass es für eine Frau gar nicht notwendig ist zu studieren. Deshalb war die Studienrichtung dann sowieso zweitrangig.

Gabe es eigentlich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Techniker/ eine Technikerin in Ihrer Familie?

Nein.

Hatten Sie während des Studiums Mentoren oder Mentorinnen?

Wir waren im Studium eine Gruppe von 4 bis 5 StudentInnen, dies sich gegenseitig motiviert haben. Es war ein gutes Team, das gemeinsam gelernt hat und sich gemeinsam durch das Studium getragen hat.

Wie hoch war circa der Frauenanteil in Ihrem Jahrgang?

Wir waren damals um die 30% die das Studium begonnen haben, also doch relativ hoch, wobei dieser Anteil allerdings im Laufe des Studiums zurückgegangen ist. Es haben sehr viele Frauen gleich nach dem ersten Jahr wieder aufgehört.

Warum, glauben Sie, war das so?

Ich glaube, sie hatten ein falsches Bild vom Studium oder überhaupt eine falsche Einschätzung von dem, was gefordert wird. Für mich wiederum war das Studium eine spannende Herausforderung.

Sie sind ja auch Genderbeauftragte des Kompetenzzentrums. Wie kam es dazu? Was ist hier Ihre Aufgabe?

Das ich Genderbeauftragte bin, hat sich, so wie vieles in meinem Leben, zufällig ergeben. Unsere Geschäftsführung hat mich einmal gebeten eine FEMtech-Veranstaltung zu besuchen. Dadurch wurde mein Interesse für die Thematik geweckt. Demnach bereite ich nun für unser Kompetenzzentrum eine Einreichung für ein FEMtech Projekt vor.

Was planen Sie in diesem Zusammenhang?

Wir planen Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils im Zentrum. Dazu sind die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, wie z.B. flexible Arbeitzeitmodelle. Weiters möchten wir aktiv bei Initiativen, wie FIT (Frauen in die Technik) oder Girls Day mitgestalten.

Wie hoch ist demnach der Frauenanteil im Kompetenzzentrum?

Obwohl wir ein sehr technologielastiges Kompetenzzentrum sind, haben wir einen Frauenanteil von ca. 36% im Vergleich zu 22% Durchschnitt  der österreichischen Kompetenzzentren.

Freuen Sie sich schon auf das Projekt?

Ich freue mich sehr auf das Projekt. Ich hoffe nur, dass ich genug Zeit dafür finde. Es ist immer schwierig, neben technischen Projekten noch für andere Maßnahmen Ressourcen frei zu bekommen.

Sie haben gerade gesagt, dass  das Thema Chancengleichheit immer wichtiger für Sie wird. Was meinen Sie damit?

Das kommt wahrscheinlich daher, dass man im Laufe seiner beruflichen Karriere entsprechende Erfahrungen macht. Als ich von der Universität kam, habe ich gedacht, dass Chancengleichheit existiert, man muss es als Frau nur wollen. Mit der Zeit musste ich dann allerdings erfahren, dass das nicht so ist.

Sie haben ebenfalls den Führungsstil einer Frau als anders definiert. Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich gemacht?

Meiner Meinung nach ist es so, dass Frauen indirekter führen und sensibler reagieren. Sie nehmen Dinge wahr, die nicht direkt angesprochen werden und können dadurch besser auf Situationen und Personen eingehen und lenken. Das sehe ich als sehr positiv.

Wie viele weibliche Führungskräfte gibt es im Kompetenzzentrum?

Bei 4 BereichsleiterInnen gibt es eine Frau. Bei den 13 Key ResearcherInnen sind wir 3 Frauen.

Würden Sie gerne Abteilungsleiterin werden, oder möchten Sie nicht so intensiv mit Managementagenden betraut werden?

Es ist immer eine Herausforderung einen Schritt weiter zu gehen. Sei es jetzt im eigenen Unternehmen oder durch einen Wechsel in ein Industrieunternehmen um dort mehr Führungsverantwortung zu übernehmen.

Sie können sich also vorstellen, von diesem außeruniversitären Forschungszentrum in die Industrie zu wechseln. Was reizt Sie daran?

Im Kompetenzzentrum wird eng mit der Industrie zusammen gearbeitet und es ist daher nicht unüblich, dass MitarbeiterInnen von uns zu den FirmenpartnerInnen wechseln. Forschung und Entwicklung an konkreten Produkten zu betreiben hat mich immer mehr gereizt als Grundlagenforschung. Ich wollte z.B. nie auf der Universität bleiben.

Sie haben vorher das Thema Vereinbarkeit schon angesprochen? Möchten Sie eine Familie?

Ja schon, es stellt sich nur die Frage, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie ist eine der wichtigsten Fragen mit denen sich Frauen in meinem Lebensabschnitt beschäftigen.

Können Sie sich vorstellen, dass ihr Mann in Karenz geht?

Ich denke jede Frau kann sich vorstellen, dass ihr Mann in Karenz geht. Ob sich die Männer das vorstellen können, ist die eigentliche Frage. Ich würde auf jeden Fall eine Lösung anstreben, die sehr partnerschaftlich ist.

Wir haben vorher schon über Mobilität gesprochen. Können Sie sich eine Führungsposition vorstellen, die nicht mit so viel Reisen verbunden ist und die Vereinbarkeit erleichtert?

Ich bin der Meinung, dass man das Ausmaß an Reisetätigkeit grundsätzlich reduzieren könnte. Es ist einfach eine schlechte Angewohnheit, dass man davon ausgeht, dass jede Person jederzeit verfügbar ist. Durch bessere Organisation könnte vieles verändert werden.

Was möchten Sie beruflich noch erreichen?

Mein momentanes Ziel ist vorerst einmal meine Position als Key Researcher aufzubauen. Längerfristig ist die Leitung einer Entwicklungsabteilung in einem größeren Unternehmen ein Ziel. Dabei ist es für mich aber immer wichtig, die beruflichen Ziele mit privaten Zielen abzustimmen.

Danke für das Interview. 

Das Interview führte Beatrix Hausner, ÖGUT.

Irmgard Bergmann
DIin Dr.in Irmgard Bergmann

Kompetenzzentrum Holz GmbH

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023