Expertin des Monats
Juli 2007
Prof.in Dr.in Ulrike Pröbstl-Haider

Ulrike Pröbstl wurde im November 2003 an die Universität für Bodenkultur Wien an das Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung berufen. Zu ihren aktuellen Forschungsgebieten zählen die Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus, GPS in der Freizeitnutzung und der Jugendumweltbildung, Tourismus und Schutzgebiete sowie die Entwicklung von Methoden im Bereich von landschaftsbezogenen Auditierungen, Frameworks und Verträglichkeitsprüfungen.

Sie studierte Landschaftspflege der Technischen Universität München und ist seit 1990 als Landschaftsarchitektin Mitglied der bayerischen Architektenkammer. 1988 hat sie an der Forstwissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität München promoviert. Ihre Habilitation an der Technischen Universität München (Lehrbereich Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung) wurde im Oktober 2000 erfolgreich abgeschlossen. Parallel führt sie seit 1988 ein freies Planungsbüro die Arbeitsgruppe für Landnutzungsplanung - Institut für ökologische Forschung (AGL).

Die Mutter von drei Kindern hat mehr als zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen - darunter mehrere Fachbücher - im Bereich von Naturschutz, Erholungsvorsorge, Landschaftsplanung und -management verfasst sowie Broschüren und pädagogische Arbeitsmaterialien für einen breiten Leserkreis geschrieben.

Interview

Frau Prof.in Pröbstl, Sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus. Ein höchst aktuelles Thema. Was genau untersuchen Sie da?

Das Kernthema mit dem ich mich beschäftige sind vor allem die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel zu Nutzungen sowohl aus der naturschutzfachlichen als auch aus der touristischen Sicht. Dazu ist es notwendig, dass die Belange des Tourismus (Sonnenscheindauer, Regentage, etc.) so präzise formuliert werden, damit daraus Klimaszenarien modelliert werden können. Daraus lassen sich dann ökonomische Auswirkungen errechnen. Als Beispiel könnte man den Wintersport nehmen. Wenn es zu Weihnachten keinen Schnee gibt, dann hat das auf der ökonomischen Seite überproportional stärkere Konsequenzen als wenn es Mitte März keinen Schnee gibt. Wir denken weiterhin über Adaptionsmöglichkeiten nach. Hierzu zählen auch die Beschneiungsanlagen. Dazu muss man dann die Technologie gut genug kennen um Szenarien aufstellen zu können. Wie viel Wasser wird bei welcher Temperatur gebraucht und haben wir dieses Wasser und wie viel kostet es? Welche Auswirkungen hat der Aufwand für die Beschneiung auf die Kosten der Liftkarten? Gleichzeitig müssen auch die unterschiedlichen Nutzergruppen berücksichtigt werden. Wie haben z.B. herausgefunden, dass wohlhabende Schifahrerinnen und Schifahrer mit zwei Regentagen kein Problem haben und Wellnessanlagen gerne aufsuchen, aber Skifahrer mit geringem Einkommen, die nur fürs Schifahren gekommen sind, reisen frühzeitig ab.

Was sind die Herausforderungen in Ihrer alltäglichen Arbeit?

Wir sitzen an einer Nahtstelle zwischen verschiedenen Fachrichtungen. Es ist meines Erachtens eine zunehmende Herausforderung für die Wissenschaft, dass nicht eine Disziplin im Mittelpunkt steht, sondern ein komplexes Problem für das ein Konsortium aus den unterschiedlichsten Fachgebieten gebildet werden muss. Meist genügt einfach nicht die Antwort einer Disziplin, wie z.B. beim Thema Tourismus und Landwirtschaft geht. Sondern es stellt sich die Frage, wie viele Bäuerinnen und Bauern leben zusätzlich vom Tourismus und in welcher Form trifft es diese, wenn es keinen  Wintertourismus mehr gibt. Dann müssen Wissenschaftler aus Klimaforschung, Landwirtschaft, Landschaftsentwicklung und Tourismus zusammenarbeiten. Das ist die Herausforderung: interdisziplinär vernetzte Projekte bei denen dann der Mehrwert und auch der Spaßfaktor höher sind.

Viele Ihrer Projekte sind auf Gemeindeebene sehr nah an den Betroffenen. Wie geht es Ihnen da als Wissenschafterin?

Ich darf das an einem Beispiel erläutern: Bei vielen wissenschaftlichen Studien etwa bei Klimamodellen oder Vegetationsanalysen werden umfangreiche Datenmengen erzeugt. Für den Bürger stellt sich jedoch die Frage, was bedeuten diese Daten?, was bedeuten Sie für mich, für meine Gemeinde und wie sollen wir reagieren. Es ist unsere Aufgabe, diese Daten in eine bürgernahe Sprache, in Bilder und Visualisierungen so zu übersetzen, das daraus die Grundlage für Entscheidungen vor Ort entstehen z.B. zur Zukunft von Schigebiete in einzelnen Wintersportorten Österreichs. Ich arbeite gerne mit Gemeinden. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich 20 Jahre lang ein Ingenieursbüro mit 4-5 MitarbeiterInnen geführt habe. Grundsätzlich ist es so, dass viele Bereiche der BOKU wie die Forstwirtschaft oder die Landschaftsplanung sehr anwendungsorientiert sind. Da fällt es leicht die Verbindung zur Praxis zu halten.

Sie arbeiten aktuell an einem Projekt über die Wasserschwankungen am Neusiedlersee und deren Auswirkungen auf die Besucherinnen und Besucher. Wie misst man so etwas?

Wir haben Photos und Photomontagen mit verschiedenen Landschaftstypen am Neusiedlersee gemacht: Einmal wie es jetzt aussieht und als Gegenüberstellung Photomontagen die niedrigere Wasserstände, wie sie alle 13 - 15 Jahre auftreten können. Dies wurde in eine Onlinebefragung integriert bei der die Befragten auswählen können, in welchem Typ Landschaft er oder sie an den Neusiedlersee kommen würden und welche Angebote vom Weinerlebnis bis zum Pool gegeben sein sollten. Daraus können wir erkennen, ob und wie stark die BesucherInnen auf mögliche Veränderungen reagieren. Die ersten Ergebnisse werten wir diese Woche aus.

Bei einem anderen Projekt von Ihnen geht es um die Vermittlung von Umweltthemen für Jugendliche. Was sind da die Herausforderungen?

Das ist eines meiner Lieblingsprojekte. Die Idee, die ich hatte ist, dass es "megafad" ist, wenn man als Jugendlicher von Erwachsenen zu Umweltthemen und in der Natur Führungen bekommt. Und dann haben wir eine Forschungsarbeit mit GPS-Geräten angefangen. Jugendliche erarbeiten sich Umweltthemen selbstständig und eigenverantwortlich. Wir haben das in verschiedenen Landschaften und im Nationalpark Donauauen mit rund 300 Jugendlichen erprobt und es hat sich herausgestellt, dass sie gleich viel und mehr lernen, bzw. behalten haben, weil sie selbst arbeiten mussten. Die Beteiligten waren absolut begeistert. In diesem Zusammenhang lies sich auch erneut feststellen, dass das Vorurteil ,,Mädchen und Technik sind ein Problem" nicht stimmt. Die Mädchen haben das genauso gerne gemacht wie die Burschen.

Sie haben Landschaftspflege an der TU München studiert und Ihre Dissertation auf der Forstwirtschaftlichen Fakultät gemacht. Was hat Sie an diesem Thema interessiert?

Ich wollte eigentlich Jura und internationales Recht studieren. Mein Vater ist Naturwissenschaftler und er hat irgendwann zu mir gesagt: ,,Schau dir mal diese Studienrichtung an. Das ist spannend. Das ist toll. Das ist etwas Neues. Das verbindet Gestaltung, Naturschutz und Ökologie und da hast Du viele Optionen. Ich habe daraufhin Landschaftspflege studiert und die Dissertation im Forstwesen an einer anderen Universität gemacht.

Wurden Sie von Ihren Eltern auf ihrem Karriereweg unterstützt?

Ja, ich habe von meinen Eltern viel Unterstützung bekommen und das ist eigentlich bis heute so. Meinem Vater schicke ich z.B. heute noch öfters aktuelle Veröffentlichungen, wir diskutieren sie. Ich freue mich auf den Gedankenaustausch und seine kritischen Kommentare.Ich weiß, dass ich ihm viel verdanke. Ich hätte vielleicht auch ohne seine Unterstützung nicht habilitiert. Damals war ich selbstständig und ich habe die wissenschaftliche Arbeit parallel zu meinem Job gemacht. Von den Hochschulen wird das nicht so gerne gesehen und da hat mir mein Vater immer wieder den "Rücken" gestärkt".

Welche Rolle hatte Ihre Mutter?

Meine Mutter ist von der Ausbildung her Krankenschwester und meine Eltern hatten lange Jahre eine eher klassische Beziehung. Meine Mutter war mit 3 kleinen Kindern daheim. Jetzt haben sich die Rollen fast umgedreht: meine Mutter besucht Universitätskurse für Senioren. Die Frauenbild meiner Mutter hat sich im Laufe der Jahre stark gewandelt. Heute vertritt meine Mutter sehr die Interessen der Frauen in der Gesellschaft, insbesondere auch im Hinblick auf die Chancengleichheit und Aufstiegsmöglichkeit beruflich engagierter Frauen. In dieser Hinsicht hat sie mich immer sehr unterstützt. Sie hat mir Zeit geschenkt. Sie hat mir unheimlich viel ihrer Zeit geschenkt, damit ich meine beruflichen Träume verwirklichen konnte.

Sie haben drei schon fast erwachsene Kinder und trotzdem immer gearbeitet. Wie haben Sie das gemacht?

Nach meinem Studium habe ich bei den deutschen Gartenschauen in der Informationsvermittlung gearbeitet und hatte dann aber die Gelegenheit, die Dissertation zu machen. Mein erstes Kind habe ich während der Dissertation bekommen. Ich habe mir gedacht, dass ich während der Dissertation relativ versorgt bin, da habe ich ein regelmäßiges Einkommen und meine Mutter hat mich in dieser Phase unterstützt. 

Das Positive der Fachrichtung Landschaftsplanung ist, das es einem die freiberufliche Tätigkeit eher erlaubt durchgängig zu arbeiten. Ich habe beruflich immer das gemacht, was mit den Kindern besser ging, habe aber nie wirklich aufgehört zu arbeiten . Ich hatte nie einen Ausstieg oder einen Wiedereinstieg, allerdings habe ich das Arbeiten als die Kinder klein waren eingeschränkt. Ich habe erst wieder Gemeinderatssitzungen und umfangreiche Landschaftsplanungen gemacht als meine Kinder groß genug waren.

Sie sind bzw. waren als Mentorin in Krems, in der Schweiz und in Stuttgart tätig. Wie kamen Sie dazu?

Stuttgart hat ein tolles Mentoringprogramm und die VeranstalterInnen haben mich bei einer Tagung angesprochen. Für das Mentoring Programm in Krems wurde ich aufgrund meiner fachlichen Ausrichtung angefragt. Ich habe aber auch schon bei einem Mentoring Programm über die BOKU teilgenommen, allerdings standen da nicht fachlich wissenschaftliche Förderungen im Mittelpunkt. Das habe ich als ungleich schwieriger empfunden, insbesondere bei Mentees aus anderen Berufsgruppen. Ob das hilfreich war, da bin ich mir nicht sicher.

Wie wichtig schätzen Sie die Rolle von Mentorinnen oder Mentoren ein?

Als Mentorin kann man den Studentinnen und Studenten emotional ein Stück weit ein "zu Hause" geben. Oft sind die Gespräche ja eine Mischung aus beruflichen und privaten Fragen und Problemen. Wenn man sich Zeit nimmt für persönliche Gespräche, dann wirkt sich das aber oft positiv auf die Leistungsfähigkeit aus.

Und was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Ziel einer Mentorin oder eines Mentors?

Jemanden in ihrem oder seinem Weg bestärken. Zuhören und überlegen, was für diejenige oder denjenigen am besten passt. Auffällig für mich ist, dass von Frauen immer wieder die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern kommt. Vor kurzem hat mich eine junge Frau gefragt, ob sie mit zwei Kindern noch beruflich erfolgreich sein kann. Im Gespräch zeigte sich sehr deutlich, dass wenn Sie glaubt, dass sie es schafft und diese mentale Unterstützung auch in ihrem Umfeld erhält, sie es sicherlich mit den Kindern schafft.

Sie sind sowohl im Wissenschaftsbereich als Professorin als auch in der Privatwirtschaft tätig. Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile?

In finanzieller Hinsicht habe ich durch den Wechsel von der Privatwirtschaft an die BOKU einen Rückschritt gemacht. In diesem Punkt kann die Universität nicht das bieten, was die freie Wirtschaft bietet. Aber wissen Sie, wenn sie nur Ideen umsetzen können, die sie verkaufen können, dann wird es mit der Zeit langweilig. Was mich an der Universität reizt ist, dass ich hier Ideen produzieren und umsetzen kann, die mir gefallen und die mich interessieren. Ich kann die Themen formulieren, Diplomarbeiten anzetteln und StudentInnen für Ideen begeistern. Der Dissertant mit der GPS-Arbeit hat heute ein eigenes Unternehmen in dem Bereich. Also man kann eine Idee haben und man kann die Idee so entwickeln, dass sie Praxisreife erlangt.

Wie viel Stunden arbeiten Sie momentan?

Ich arbeite regelmäßig mehr als 40 Stunden pro Woche, wobei dann, wenn man seine Arbeit liebt, die Grenzen fließend sind. Wenn man eine Publikation schreibt, die neuen Ergebnisse anschaulich vermittelt werden können und es einem leicht von der Hand geht, dann finde ich wird man ein Stück weit dann fast für Spaß bezahlt wird. Ich habe viel Freude an meiner Arbeit.

Glauben Sie, dass Frauenförderung notwendig ist?

Unbedingt. Ich beantrage z.B. anstelle einer 40 Stunden Stelle lieber zwei halbe Stellen. Dann ist es leichter, Frauen einzustellen. Frauenförderung muss man konsequent machen. Womit ich mir manchmal schwer tue ist die geschlechtersensible Sprache - das diskutiere ich oft mit meinen DiplomantInnen und DissertantInnen. Was für mich zählt ist die Anzahl der Doktorantinnen oder die Frage der Stellenbesetzung. z.B. eine Frau als Bundeskanzlerin wie Angelika Merkel oder eine Frau als Rektorin, wie Frau Brunner jetzt an der BOKU. Ich denke, das sind wichtige Signale!

Sie haben eine lange Liste an Mitgliedschaften. Was bringen Mitgliedschaften?

Mitgliedschaften sind wichtige berufliche Netzwerke und oft auch die Basis für Freundschaften. Es sind viele Frauen in meinem Netzwerk integriert. Für mich wichtig ist die Entwicklung einer internationale ,,Wissenschaftsfamilie" in meinem Fachbereich. Ich kann durch diese Netzwerke auch meine DoktorantInnen noch besser unterstützen, weil ich Ihnen je nach Thema und Fragestellungen unterschiedliche Kontakte vermitteln kann.

Was möchten Sie beruflich noch erreichen?

Ich will fachlich in diesem Thema weiterarbeiten und nicht überwiegend administrative Tätigkeiten machen. Ein berufliches Ziel ist vielleicht noch eine Zeitschrift in unserem Bereich herauszugeben. Da könnte man viele neue Leute einbinden und die Netzwerke kämen zum tragen. Es freut mich auch sehr, dass wir für das Jahr 2009 eine große internationale Konferenz, die ISSRM, von den USA nach Wien geholt haben. Das sind Herausforderungen die ich mag.

Danke für das Interview! 

Das Interview führte Inge Schrattenecker (ÖGUT).

Ulrike Pröbstl-Haider
Prof.in Dr.in Ulrike Pröbstl-Haider

Universtätsprofessorin

Universität für Bodenkultur

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Letzte Aktualisierung: 22.09.2023