Expertin des Monats
Aug. 2007
Dr.in Heike Frühwirth

Verfahrenstechnikerin Heike Frühwirth leitet in der BioDiesel International AG seit 2006 die Arbeitsgruppe Biotech, die sich mit der Verfahrensentwicklung zur Herstellung von nachwachsenden Treibstoffen und Werkstoffen auf biotechnologischem Wege beschäftigt. Mit speziellen Instrumenten zur Verfahrensentwicklung werden Prozessvarianten untersucht und bewertet, um unter ökologischen Gesichtspunkten wirtschaftlich vertretbare Prozesse umzusetzen. Schwerpunkte der Forschung betreffen die Verwendung von phototrophen Organismen als Rohstofflieferanten zur Bio-Dieselherstellung und die Herstellung von Biokunststoffen.

Frau Frühwirth studierte an der Technischen Universität Graz Verfahrenstechnik. Während ihres Doktoratstudiums arbeitete sie als Assistentin am Institut für thermische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik an der TU Graz. Anschließend forschte sie einige Monate an der Polish Academy of Sciences in Zabrze zum Thema Herstellung von Drug Delivery Systems aus resorbierbaren Polyestern.

Interview

Frau Frühwirth, Sie sind Leiterin der Arbeitsgruppe Biotech bei BioDiesel International AG in Graz. Was machen Sie da genau?

Die Biotechnologie ist ein ganz neues Geschäftsfeld für BDI. Es geht einerseits darum neue Verfahren und neue Rohstoffe zur Biodieselherstellung und andererseits neue Produkte, neben dem Biodiesel zu erforschen. Unser Fokus liegt dabei auf der industriellen Umsetzung der entwickelten Verfahren. Ich bin Verfahrenstechnikerin und leite ein Team, das aus BiotechnologInnen und VerfahrenstechnikerInnen besteht. Eine wesentliche Aufgabe ist auch die projektübergreifende Vernetzung der verschiedenen Kompetenzen innerhalb des Unternehmens.

Wie weit ist die Entwicklung in diesem Arbeitsfeld?

Bei BDI wissen wir, dass wir bei der ausschließlichen Verwendung von Pflanzenölen in der Biodieselherstellung schnell an die Grenzen stoßen werden. Aus diesem Grund haben wir Verfahren entwickelt und industriell umgesetzt, die eine große Bandbreite an Ölen und Fetten, wie zum Beispiel Altspeiseöle und Tierfette verwerten können. Der neue Ansatz meines Teams ist es, Mikroorganismen dazu zu bringen, Fette in erheblichem Ausmaß in ihren Zellen zu speichern. Diese Speicherstoffe sollen in weiterer Folge dem Biodieselprozess als neue Rohstoffquelle zugeführt werden. Hierbei ist zu erwähnen, dass diese Mikroorganismen eine beachtliche Wachstumsrate haben und in der Lage sind, innerhalb des Prozesses, CO2 abzubauen.

Haben Sie ein Auto?

Ja, einen Diesel und ich tanke selbstverständlich Biodiesel.

In einem anderen aktuellen Projekt unter Ihrer Leitung sollen die Hürden zur Markteinführung von Biokunststoffen genommen werden. Wie gehen Sie da vor?

Es gibt eine große Gruppe von Biokunststoffen. Der Biokunststoff mit dem wir uns beschäftigen, ist ein Polymer, das aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird und biologisch, also durch Kompostierung, abbaubar ist. Ähnlich wie bei den fettbildenden Mikroorganismen bringen wir unsere hier verwendeten Organismen dazu, einen Kunststoff als Speicherstoff zu bilden. Als Energiequelle bekommen unsere Mikroorganismen zucker- und stärkehaltige Abfälle der Lebensmittelindustrie. So schlagen wir drei Fliegen mit einer Klatsche - keine fossilen Rohöle für die Herstellung der Kunststoffe, -Verwertung von Abfallströmen und -keine Deponiebelastung durch Kunststoffmüll. Der innovative Ansatz im aktuellen Projekt liegt in der Durchleuchtung aller ein- und austretenden Stoffströme. Damit müssen wir Prozessnebenprodukte, nicht als Abfallströme aus dem Prozess ausschleusen, sondern können sie durch geeignete Aufbereitung wieder rückführen und nutzen.

Beschäftigen Sie sich mit diesem Thema aus persönlicher Überzeugung?

Absolut, ich bin ja auch Mutter und erledige Einkäufe für eine vierköpfige Familie. Es ist - bei allen persönlichen Versuchen der Müllvermeidung - immer wieder erschreckend, welche Unmengen an Müll wir produzieren. Ich bin gänzlich überzeugt davon, dass gerade am Kunststoffsektor, etwas verändert werden muss.

Sie haben Verfahrenstechnik studiert. Wieso haben Sie dieses Studium gewählt?

Das war eine schnelle Entscheidung aus dem Bauch heraus. In meiner Schulzeit habe ich mich lange mit dem Gedanken getragen Geschichte oder Pädagogik zu studieren. Meiner Umwelt ist jedoch mein technisches und naturwissenschaftliches Interesse aufgefallen. Darauf angesprochen begann ich mich über technische Studien zu informieren und wäre fast bei Maschinenbau hängen geblieben. Doch als ich die Verfahrenstechnik entdeckte, mit ihrer hochinteressanten chemischen Komponente, war es für mich klar, dass dies meine Berufung ist.

Was ist das Interessante für Sie an der Verfahrenstechnik?

Die Verfahrenstechnik beschäftigt sich mit der Umsetzung von Prozessen, in denen aus einem Rohmaterial ein Produkt geschaffen wird. Als Verfahrenstechnikerin kann ich umweltschonende Prozesse, Energieeinsparungsmaßnahmen und Vermeidung von Emissionen verwirklichen. Meine Motivation für meine Tätigkeit liegt wohl in erster Linie in meiner Neugierde - oft alltäglichen - Phänomenen auf den Grund gehen zu wollen. Wichtig sind mir daneben Umweltfragestellungen, ich möchte maßgeblich zur Weiterentwicklung einer nachhaltigen Produktion beitragen.

Wurden Sie bei Ihrer Studienwahl von Ihrer Familie unterstützt?

Ja, auf jeden Fall! Ich war eine sehr junge Mutter und habe mein Elternhaus sehr früh verlassen. Meine Eltern haben mich während meines Studiums sehr unterstützt und helfen auch heute noch bereitwillig in der Kinderbetreuung aus. Auch mein Mann, ebenfalls Techniker, war eine verlässliche Stütze.

Wie hat sich für Sie und Ihren Mann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestaltet bzw. wie gestaltet sie sich?

Während des Studiums waren wir sehr flexibel und konnten uns gemeinsam um die Kinder kümmern. In Phasen intensiven Lernens haben unsere Eltern ihre Rolle als Großeltern gerne übernommen. Heute ist es etwas aufwändiger die Familie gut zu organisieren, da auch mein Mann, als Gründer eines Technologie Unternehmens, beruflich sehr engagiert ist. Für die Kinder haben wir zeitweise ein Kindermädchen und auf die Großeltern können wir nach wie vor zählen.

Gibt es sonst noch Technikerinnen oder Techniker in ihrer Familie?

In meiner Verwandtschaft gibt es keine weiteren TechnikerInnen, meine nächsten Verwandten sind eher mit zwei linken Händen geschlagen. Ob mein Bruder in der Lage ist seine Kinder beim Lego-Baukasten zu unterstützen, wage ich zu bezweifeln.

Der Frauenanteil im Studium der Verfahrenstechnik ist relativ gering. Wie groß ist der Frauenanteil in dem Betrieb, wo Sie jetzt tätig sind?

Der beträgt 25%, also nicht so schlecht für einen technischen Betrieb. Den größten Anteil halten allerdings Mitarbeiterinnen in der Administration. Der Anteil an Technikerinnen im Unternehmen liegt unter 10% und auf der Führungsebene ist der Frauenanteil gering.

Wie groß ist der Frauenanteil in Ihrer Projektgruppe?

Meine Arbeitsgruppe besteht zurzeit, durch die Mitarbeit von Praktikantinnen, zu 75% aus Frauen. Ja, das ist schon beachtlich!

Sie sind Projekteiterin des FEMtech geförderten Projekts BDI SheSci. Welche Maßnahmen werden hier durchgeführt?

Das ist ein Programm, das auf vier Säulen aufgebaut ist. Ein Bereich sind Karriereförderungsmaßnahmen im Sinne von Fortbildung für Frauen aus den Forschungsabteilungen. Die zweite Säule beschäftigt sich mit der weiblichen Nachwuchsförderung. Hier geht es darum, Schülerinnen anzusprechen. Dazu laden wir Schulklassen ein, halten Vorträge und zeigen ihnen die Laboratorien. Wir haben auch HAK Klassen, die normalerweise naturwissenschaftlich nicht so stark orientiert sind, eingeladen, um ihnen zu zeigen was möglich ist und wo nach einem Technikstudium gute Berufsmöglichkeiten im Raum Graz zu finden sind. Die dritte Säule ist ein Praktikantinnenprogramm, in dem wir Schülerinnen und Studentinnen ansprechen. Wir stellen hier Praktikantinnen im Ausmaß von durchschnittlich drei bis sechs Wochen an. Momentan sind Studentinnen dabei, die erst im ersten Jahr studieren. Der vierte Aspekt ist eine strukturelle Maßnahme. Hier werden alle Frauen und Männer im Unternehmen miteinbezogen. Vorerst ist das Ziel dabei,  Bedürfnisse von Frauen und Männern im Rahmen unserer Arbeitskultur zu erheben. 

Darüber hinaus sind eine Verfahrenstechnikerkollegin aus einem Kooperationsunternehmen und ich dabei, uns in Frauenförderungsfragestellungen zu vernetzen. Wir möchten z.B. noch in diesem Herbst Studentinnen, nach ihrem Praktikum zu einem Impulsreferat einladen. Ziel dabei ist es, neben den vermittelten Inhalten, den Praktikantinnen eine Plattform zur Vernetzung untereinander und mit erfahrenen TechnikerInnen aus unserem Unternehmen zu bieten.

Sie haben im Jahr 2005 drei Monate in Polen gearbeitet. Haben Sie Ihre Kinder da mitgenommen?

Obwohl es mein Wunsch gewesen wäre, beide Kinder mit zu nehmen, ist nur mein jüngerer Sohn mit nach Polen gekommen. Er hat in der Zeit eine polnische Privatschule besucht. Mein älterer Sohn besuchte im selben Jahr die vierte Klasse AHS und nahm während meines Polenaufenthalts an einem Schüleraustausch in Irland teil. Im Anschluß daran zog er es vor, die restliche Zeit in einer "Männer WG" mit meinem Mann zu verbringen. 

Konnten Sie in dem polnischen Unternehmen, wo Sie tätig waren, eine andere Unternehmensstruktur beobachten?

Die Struktur und vor allem die Unternehmenskultur die ich in Polen kennen gelernt habe, unterscheiden sich wesentlich von der hier in Österreich. Zum einen ist aufgefallen, dass der Frauenanteil im Naturwissenschaftlichen Bereich wesentlich höher ist, aufgefallen ist mir aber auch, dass die an den Tag gelegten Umgangsformen formeller und extrem höflich waren.

Wie wichtig sehen Sie Mobilität in Ihrem Beruf?

Mobilität ist heute ein unumgänglicher Faktor. Um nationale und internationale Kooperationen voranzutreiben ist ein gewisser Reiseaufwand einfach notwendig und vorauszusetzen. Aber auch gerade diese Kooperationen und die Teilnahme an internationalen Kongressen machen für mich einen gewissen Reiz meines Berufes aus.

Sie sprechen Italienisch. Wie wichtig sehen Sie weitere Fremdsprachen, ausgenommen dem vorausgesetzten Englisch in Ihrem Beruf?

Ich habe ein Neusprachiges Gymnasium besucht und dort Englisch, Latein, Italienisch und Russisch gelernt. Italienisch ist mir geblieben. Mein Russisch ist leider völlig verstaubt. Ich denke, dass Fremdsprachen, die über das vorausgesetzte Englisch hinausgehen sehr hilfreich sind, und zu einem sicheren Auftreten bei Internationalen Kooperationen verhelfen.

Was möchten Sie beruflich noch erreichen?

Ich sehe meine berufliche Zukunft in der BDI, und bin hierin bestrebt, meine Gruppe zu gewichten. Kurzfristig setze ich auf die Umsetzung unserer Forschungsziele, die ich in der industriellen Nutzung unserer Ansätze sehe. Mittelfristig ist es mein Ziel die Biotechnologie innerhalb des Unternehmens auf eigene Beine zu stellen, und unter meiner Führung als eigenständiges Standbein zu etablieren.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Beatrix Hausner (ÖGUT)