Expertin des Monats
Sept. 2007
ao. Univ.-Prof.in Dr.in Margrit Gelautz

Margrit Gelautz ist außerordentliche Professorin am Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der Technischen Universität Wien. Sie leitet dort eine Forschungsgruppe im Bereich Bild- und Videoverarbeitung, mit einem Schwerpunkt auf Multimediaanwendungen.

Nach Abschluss ihres Diplom- und Doktoratsstudiums (1997) aus Telematik an der TU Graz erhielt sie ein Max Kade-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zuerkannt und forschte zwei Jahre als Postdoctoral Researcher an der Universität Stanford. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich wechselte sie an die Fakultät für Informatik der TU Wien, wo die Mutter zweier Kinder im Jahr 2005 habilitierte. Im Jahr 2007 ist sie Gastprofessorin an der Universität Wien.

Ein Tätigkeitsschwerpunkt von Margrit Gelautz ist die Akquisition und Leitung von Forschungsprojekten sowie die Betreuung eines Teams von DissertantInnen. Laufende Forschungsarbeiten umfassen sowohl Grundlagenforschung im Bereich Computer Vision/Stereo als auch Industriekooperationen, z.B. im Bereich Videokodierung (in Zusammenarbeit mit der Firma OnDemand Microelectronics).

Margrit Gelautz ist WIE (Women in Engineering) Officer der IEEE Austria Section.

Interview

Sie haben Telematik an der TU Graz studiert. Wie würden Sie das Studium der Telematik beschreiben?

Telematik ist ein Schnittstellenstudium zwischen Hard- und Software. Im Bereich der Software werden Themen wie Informatikgrundlagen, Algorithmen und Softwareentwicklung behandelt. Der Bereich der Hardware kommt ursprünglich aus der Elektrotechnik und beinhaltet Fächer wie Nachrichtentechnik und Elektronik. Das Studium der Telematik gibt es seit 1985, es ist also ein relativ junges Studium. Ich war als Studentin beim ersten Jahrgang mit dabei.

Sie sind über Umwege auf diese Studienrichtung gekommen. Was war der Grund dafür?

Ich habe zuerst das Lehramt für Mathematik und Sport gemacht. Das lässt sich auf meinen familiären Hintergrund zurückführen. Meine Mutter war Lehrerin, und ich habe meine Matura an einer reinen Mädchenschule gemacht. Von meinen Mitschülerinnen hat keine ein Technikstudium gewählt, und auch ich wäre am Anfang gar nicht auf die Idee gekommen, an einer Technischen Universität zu inskribieren. Da mir aber die Mathematik immer sehr gut gefallen hat, war für mich das Lehramt in diesem Fach eine logische Entscheidung.
Nach dem Probelehrjahr als Lehrerin hat es mich dann sehr interessiert mehr im Bereich Wissenschaft zu machen, und die Mathematik war eine gute Basis für das Technikstudium.

Wie hat da Ihre Familie auf diese Entscheidung reagiert?

Ich bin von meiner Familie sehr unterstützt worden, und sie haben meine Entscheidung akzeptiert. Es war für mich am Anfang nicht sicher, ob ich dieses Studium abschließen werde, da ich gleichzeitig auf der Warteliste für eine Lehrerinnenstelle war. Als mir aber schließlich eine Stelle als Lehrerin angeboten wurde, wollte ich das Studium der Telematik nicht mehr abbrechen.

Nach Ihrer Dissertation in Graz sind Sie im Rahmen eines Max Kade-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften als Postdoctoral Researcher an die Universität Stanford gegangen.

In Stanford war ich in einer Arbeitsgruppe für Satelliten-Fernerkundung tätig. Ich beschäftigte mich dabei mit der Berechnung von 3D Geländemodellen der Erdoberfläche aus Radardaten. Dabei kam auch ein neues Verfahren - die Radar-Interferometrie - zum Einsatz, welches ein Spezialgebiet des dortigen Gruppenleiters Prof. Zebker ist.

Was sind ihre inhaltlichen Schwerpunkte an der TU Wien?

Mein Schwerpunkt ist die Bild- und Videoverarbeitung, sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch im angewandten Bereich. Ein wichtiger Forschungsbereich ist  die Stereoverarbeitung von Bildern. Man kann sich das so vorstellen, dass mit zwei oder mehr Kameras Bilder aufgenommen werden und daraus ein räumliches Modell entwickelt wird. Es wird sozusagen die dritte Dimension hinzugefügt.

Anwendungsbeispiele für Stereoverarbeitung sind Stadtmodelle, die aus Flugzeugbildern hergestellt werden, oder ein Rollstuhl, der sich durch den Einbau von Stereokameras relativ autonom bewegen kann. Mit Hilfe dieser Kameras können die Distanzen eingeschätzt werden um Zusammenstöße zu vermeiden. So könnte sich der Rollstuhl intelligent durch den Raum bewegen. Dabei soll der Stereoalgorithmus so funktionieren wie das menschliche Auge.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt an der Schnittstelle von Bildverarbeitung und Computergraphik. Wir versuchen dabei, aus Bildern relevante Information zu extrahieren und diese dann mit Methoden der Computergraphik anschaulich darzustellen.

Können Sie uns dazu ein Beispiel geben?

Die Ausgangsbasis sind echte Bilder, aus denen nicht-fotorealistische Darstellungen gewonnen werden. Das erfolgt in mehreren Schritten, wobei in letzter Konsequenz es unser Ziel ist, dass wir vollautomatisch aus den ursprünglich echten Bildern stilisierte Bilder, z.B. in Imitation einer handgezeichneten künstlerischen Skizze, erzeugen. Das Besondere an diesem neuen Verfahren ist, dass wir keine künstlichen 3D - Modelle verwenden, sondern die Stilisierungsalgorithmen echtes Bildmaterial verarbeiten.

Also vom Foto zurück zum abstrakten Bild oder Zeichnung!

Ja, so ungefähr. Es gibt einen neuen Trend in der Computergraphik, sich mit nicht-fotorealistischen Darstellungen zu beschäftigen. Diese Darstellungsform bietet Vorteile, denn man kann wichtige Elemente einfacher hervorheben. Ein zweiter Vorteil ist, dass Daten reduziert werden, weil man sich auf wichtige Elemente beschränken kann.

Wer sind die AnwenderInnen solcher Bilder?

Diese nicht-fotorealistischen Darstellungen werden z.B. in der Werbung gebraucht oder in Handbüchern mit technischen Zeichnungen oder medizinischen Darstellungen, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Detail zu lenken. Weiters können damit ästhetisch ansprechende Darstellungen erzeugt werden, wir bewegen uns also in den Bereich Computergenerierte Kunst.

Arbeiten Sie auch mit Firmen zusammen?

Ja, ein Beispiel ist ein Projekt mit der Wiener Firma OnDemand Micro Elektronics, wo es darum geht, Algorithmen zur Videokompression möglichst effizient auf spezielle Hardware umzusetzen. Bei mobilen Anwendungen - wie Handys - muss der Chip sehr klein und energiesparend sein. Und da ist die große Herausforderung einen Videocodieralgorithmus geschickt zu implementieren, so dass möglichst wenig Rechenleistung und geringe Chipfläche benötigt wird. Dieses Thema versinnbildlicht sehr gut die Schnittstelle zwischen Software und Hardware.

Was ist die Herausforderung an Ihrem Beruf?

Für mich ist es eine große Herausforderung, dass man immer wieder mit neuen Aufgabenstellungen konfrontiert wird und dass sich das Gebiet sehr schnell weiterentwickelt.  Es sind einerseits theoretische Aufgaben, wie die Entwicklung von Algorithmen, die aber  auch immer mit praxisnahen Anwendungen verbunden sind.

Sie waren zwei Jahre in Amerika an der Universität Stanford und haben während dieser Zeit auch ihr erstes Kind bekommen. Welche Rahmenbedingungen haben Sie in den USA vorgefunden?

Das Umfeld in den USA hat es mir relativ leicht gemacht, dass ich nach der Geburt meines Kindes meine Forschungsarbeiten bald wieder aufnehmen konnte. Ich erinnere mich an eine Professorin an der Elektrotechnikfakultät, die zum selben Zeitpunkt schwanger war. Solche Vorbilder gibt es aus meiner Sicht in Österreich äußerst selten. Insgesamt ist meine Schwangerschaft in meinem Arbeitsumfeld dort sehr positiv aufgenommen worden, und es war sofort Unterstützung da in Bezug auf Kinderbetreuung und ähnliche Dinge. Ich habe das zweite Kind dann in Österreich bekommen und habe gemerkt, dass da ein ganz anderer sozialer Druck vorhanden war.

Wie lösen Sie das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Bei meinem Vorstellungsgespräch an der TU Wien war ich mit meinem zweiten Kind schwanger. Das war aber auf diesem Institut (Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme) kein Problem. Es gibt in meiner Arbeitsumgebung mehrere Frauen, die auch Kinder haben. Ich bin also nicht die einzige. 

Ich war bei beiden Kindern nicht lange weg vom Beruf. In Österreich war ich im Mutterschutz, danach war es mir aber wichtig, möglichst bald wieder an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Gerade in meinem Arbeitsgebiet tut sich sehr viel in kurzer Zeit.

Wie schaut es an der TU mit den Rahmenbedingungen zum Thema Vereinbarkeit aus?

Ich finde, dass gerade Frauen in höheren Positionen es oftmals leichter haben, die Familie mit dem Job zu managen, da sie oft flexiblere Arbeitszeiten haben. An der Fakultät für Informatik werden Frauen derzeit stark gefördert. Es werden auch Stellen speziell für Frauen ausgeschrieben. Ich habe insgesamt das Gefühl, dass die Rahmenbedingungen immer besser werden.

Hatten Sie auf Ihrem Karriereweg wichtige MentorInnen?

Generell herrscht an unserem Institut unter der Leitung von Prof. Tjoa ein sehr frauenförderndes Klima. Weiters wurde ich in Graz von meinem Dissertationsbetreuer Prof. Leberl sehr unterstützt. Durch ihn kamen auch wichtige internationale Kontakte zustande.

Sie betreuen viele Dissertationen und Diplomarbeiten. Was sind für Sie wichtige Inhalte, die sie an die StudentInnen weitergeben?

Ich versuche die Leute zu motivieren. Mir ist es wichtig, dass sie von Anfang an an gutes wissenschaftliches Arbeiten herangeführt werden. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass die StudentInnen die Möglichkeit haben, möglichst früh zu publizieren und Ergebnisse auf Konferenzen zu präsentieren. Bei der Betreuung muss man manchmal fordern, manchmal muss man helfen, es ist häufig ein  Abwägen, was im jeweiligen Moment gebraucht wird.

Sie sind Mitglied in verschiedenen Organisationen. Was bringen Mitgliedschaften?

Mitgliedschaften dienen in erster Linie der internationalen Vernetzung, gerade auch für Frauen. Netzwerke halte ich generell für eine wissenschaftliche Karriere sehr wichtig.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Eigenschaften, wenn man eine wissenschaftliche Karriere anstrebt? 

Interesse ist der Grundstock, weil Interesse mobilisiert. Darüber hinaus braucht man auch Ausdauer, und man muss sich bewusst sein, dass eine Karriere an der Uni nicht mehr so klar vorgezeichnet ist wie in der Vergangenheit.

Bleibt Ihnen Freizeit zwischen der Arbeit und was tun sie da gerne?

Meine Freizeit verbringe ich mit meiner Familie und mit Freunden. Für mein Hobby Sport bleibt derzeit leider nicht so viel Zeit, wie ich es mir wünsche. Generell muss man sich die Zeit sehr gut einteilen,, wenn man Vollzeit arbeitet und zwei kleine Kinder hat, selbst wenn man sich die Familienarbeit mit dem Partner teilt.

Was streben sie beruflich an in den nächsten Jahren?

Meine Gruppe weiter auszubauen und herausfordernde Forschungsprojekte und Dissertationen zu betreuen. Wichtig ist für mich auch, die internationale Sichtbarkeit und Vernetzung unserer Gruppe weiter zu stärken.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Inge Schrattenecker, ÖGUT.