Expertin des Monats
Dez. 2007
Dr.in Eva Prieschl-Grassauer

Eva Prieschl-Grassauer ist Geschäftsführerin der Firma Marinomed und speziell für die wissenschaftliche Leitung des Unternehmens verantwortlich. Sie studierte Biologie / Genetik mit Schwerpunkt Immunologie und promovierte über die speziellen Mechanismen allergischer Reaktionen. Die Forschungstätigkeit von Eva Prieschl-Grassauer wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und mündete in über 30 internationalen Publikationen. Nach langjähriger Tätigkeit am Sandoz Forschungsinstitut, wechselte Eva Prieschl-Grassauer in das Gebiet der Biotech Firmen. Im Jahr 2006 gründete sie zusammen mit Kollegen die Firma Marinomed, die ökologisch verträglich die Ressource Meer für die Entwicklung innovativer Therapeutika nutzen will. Im Zentrum der Forschung steht wieder das Thema Allergie mit dem Ziel alternative Behandlungsmöglichkeiten für Allergiker zu entwickeln.

Interview

Sie entwickeln Allergiemedizin aus dem Meer bzw. nutzen das Meer als Ressource für Medikamente. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Die Gründungsidee von Marinomed beruht darauf, dass viele Wirkstoffe wie z.B. Aspirin ursprünglich aus Pflanzen entwickelt wurden. Das Meer bietet allerdings eine wesentlich höhere Artenvielfalt und mehr Organismen. Wenn man sich diese Lebewesen ansieht, weiß man, dass sie dort nicht sehr friedlich miteinander leben. Sie kämpfen gegeneinander um den besten Platz im Licht. Dafür produzieren diese Organismen Stoffe um sich quasi zu wehren. Diese Stoffe sind für uns interessant. Derzeit gibt es aus dem Meer nur zwei bis drei Medikamente am Markt. Aus unserer Sicht besteht da eine Lücke, die wir mit unseren Entwicklungen schließen wollen.

Welche Organismen aus dem Meer verwenden Sie für die Entwicklung Ihrer Medikamente?

Wir haben bei der Firmengründung zwei Entscheidungen getroffen. Wir beschränken uns erstens auf Organismen, die züchtbar sind. Einerseits weil es ökologisch vertretbarer ist und andererseits weil die Ergebnisse reproduzierbar sind.  Die zweite Entscheidung war, dass wir uns auf den Bereich  Allergie/Immologie  konzentrieren. Ich arbeite schon seit 10 Jahren in diesem Themenbereich und dort gibt es einen großen Bedarf an neuen Medikamenten.

Warum gibt es bei Allergien diesen Bedarf?

Derzeit gibt es bei Allergien zwei große Gruppen an Medikamenten die von PatientInnen verwendet werden. Das sind auf der einen Seite Steroide, wie z.B. Kortison mit allen ihren Problemen und natürlich positiven Wirkungen. Die zweite große Gruppe sind Antihistaminika, die aber das Image haben, dass sie sedierend sind. Es gibt allerdings Allergien wo beide Methoden nicht optimal sind und dazu kommt, dass bei Medikamenten die sehr lange eingenommen werden müssen oft negative Begleiterscheinungen auftreten. Allergien sind aber ein steigendes Problem und gerade in der westlichen Hemisphäre ist der Bedarf an Medikamenten groß. Das ist die Idee unserer Firma. Wir versuchen Medikamente mit einem größeren Wirkungsspektrum aber weniger Nebenwirkungen zu entwickeln, die für PatientInnen attraktiv sind.

Sie haben die Biotechfirma Marinomed im Jahr 2006 als Start up Unternehmen gemeinsam mit KollegInnen gegründet. Was sind die großen Herausforderungen?

Die Idee für die Firmengründung entstand Mitte 2005. Es braucht dazu die Charaktereigenschaft Verantwortung übernehmen zu wollen. Bei einer Firmengründung ist immer ein gewisses Risiko dabei und bei mir ist es ein Sonderfall, weil mein Mann und ich in der Firma sind. Die Idee ist entstanden  aus dem Wunsch heraus, selber was bewegen zu wollen. Eine wesentliche Herausforderung ist es, MitarbeiterInnen zu finden, denen man vertrauen kann. Die zweite Herausforderung ist die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Und der dritte Faktor ist, nicht in der Wissenschaft hängen zu bleiben, sondern den Blick in Richtung Produktentwicklung zu haben.

Die Entwicklung von  Medikamente beansprucht oft Jahre. Wie lässt sich das finanzieren?

Als kleine Firma minimieren wir den Teil der Grundlagenforschung und unsere Firmenstrategie ist zweiteilig: Wir entwickeln neue Pharmazeutika aus dem Meer und gleichzeitig hatten wir schon bei der Firmengründung Produkte, die wesentlich weiter waren. Das eine ist ein Algenprodukt gegen grippale Infekte und das zweite ist ein Produkt für Allergien. Bei beiden Produkten, deren Entwicklung über öffentliche Förderungen der FFG und des ZIT mitfinanziert werden, war uns bekannt, dass sie bereits in der pharmazeutischen Industrie  verwendet werden. In beiden Fällen haben wir Patente für eine neue Art der Anwendung eingereicht. Ende November wurde ein Produkt bereits zugelassen bei dem wir hoffen, dass es am Markt erfolgreich ist.

Sie haben die Firma im Team gegründet?

Ja, das Gründungsteam umfasst neben meinem Mann und mir noch zwei weitere Personen.

Ihre Firma gilt als erste Blaue Biotechfirma in Österreich? Was bedeutet das?

Die Biotechnologie wird in Farben unterteilt. Die rote Biotechnologie ist alles was sich mit dem Gesundheitswesen beschäftigt, blau ist eben alles, was aus dem Meer kommt, grün ist Pflanzenbiotechnologie, weiß ist die Enzymbiotechnologie und grau, ist alles was sich mit Abfallwirtschaft beschäftigt.

Was sind Ihre Aufgabenbereiche in der Firma?

Ich bin die wissenschaftliche Leiterin. Also alles was mit Wissenschaft zu tun hat, kommt zu mir. Mein Mann ist für alles was mit Patenten zu tun hat, verantwortlich.

Wie sieht Ihr Alltag als wissenschaftliche Leiterin aus?

Rund 50 % meiner Arbeitszeit verbringe ich damit, dass ich entweder Berichte oder Anträge für die Förderstellen schreibe. Die restlichen 50 % umfassen Planung und Strategie, wöchentliche Wissenschaftsmeetings und MitarbeiterInnen Betreuung. Die Zeit wo ich im Labor arbeite ist leider sehr gering.

Wie groß ist Ihr Team?

Momentan beschäftigen wir 12 MitarbeiterInnen inklusive dem Gründungsteam. Im Wissenschaftsbereich sind 6 Personen beschäftigt und wir haben einen hohen Frauenanteil in der Firma.

Wie erklären Sie sich den hohen Frauenanteil?

Vielleicht hängt das mit meiner Person zusammen. Ich habe einen Hang dazu, Frauen einzustellen. Also wenn ich zwei BewerberInnen habe, die gleichwertig sind, tendiere ich eher zu den Frauen. Außerdem ist es in unserem Bereich leichter Frauen zu finden als Männer. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen,  dass Frauen sehr ehrgeizig und zuverlässig sind, wenn sie eine Chance bekommen.

Sie haben einen Sohn mit drei Jahren und arbeiten gemeinsam mit Ihrem Mann in der Firma. Wie gehen Sie mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie um?

Unser Sohn geht in den Kindergarten und es geht ihm dort blendend. Mein Mann hat auch noch ein älteres Kind. Mit zwei Kindern teilt man sich den Tag anders ein. Für unsere Kinder ist es mittlerweile selbstverständlich, dass wir hin und wieder am Wochenende ins Labor fahren. Da kommen sie einfach mit. Zweimal pro Woche haben wir jemanden, der die Kinder abholt. Dadurch haben wir beruflich mehr Spielraum und können auch Abendtermine wahrnehmen. Es bedarf aber einer guten Aufteilung untereinander. Ich habe auch immer Unterstützung von meiner Familie bekommen, so dass es eben machbar ist. Ich bin froh darüber, denn mir macht mein Job Spaß.

Waren Sie in Karenz?

Mein Kind ist im September auf die Welt gekommen, und im Jänner hab ich wieder angefangen zu arbeiten. Unser Sohn ist mit 4 - 5 Monaten in den Kindergarten gekommen. Ein Problem ist, dass die städtischen Kindergärten gar nicht für Babys eingerichtet sind und es ist eine ziemliche Herausforderung einen guten Betreuungsplatz zu finden.

Sehen Sie es als Vorteil mit Ihrem Mann gemeinsam in einem Unternehmen zu arbeiten?

Ich genieße es sehr. Mein Mann ist Biotechnologe, der wissenschaftlich in einer anderen Thematik arbeitet. Wir ergänzen uns daher sehr gut und ich genieße es, weil Hobby und Beruf ineinander fließen. Es ist für uns keine Belastung, dass wir am Abend Dinge besprechen. Es ist aber wichtig, dass beide einen eigenen Tätigkeitsbereich haben und keine Konkurrenz entsteht. Wir haben uns das gut aufgeteilt und mein Mann übernimmt viele Termine nach außen. Er macht das im Gegensatz zu mir lieber und für mich ist die wissenschaftliche Arbeit die sympathischere.

Aber es ist trotzdem eine sehr enge Verflechtung zwischen Privatleben und Beruf!

Ja, das auf jeden Fall. Aber ich kann sowieso nicht nach Hause kommen und mit meinen Gedanken abschalten. Das ist eine Charaktereigenschaft von mir. Die Kinder bringen einen aber sowieso auf andere Gedanken und so habe ich auch Zeiten, in denen ich mich nicht mit der Firma beschäftige. Aber ich denke, dass ist in jeder Firma so. Bei uns ist nur der Unterschied, dass wir beide FirmengründerInnen sind.

Sie haben Biologie studiert mit dem Schwerpunkt Genetik und Immunologie. Wieso haben Sie dieses Studium gewählt?

Das hängt sehr mit meiner Familie zusammen. Ich habe drei Schwestern und alle drei davon haben Mathematik studiert. In unserer Familie gab es einen starken Hang zu den Naturwissenschaften. An Biologie war ich interessiert und neugierig. Das sind meiner Meinung nach gute Voraussetzungen für die Wahl eines Studiums.

Welche Unterstützung durch die Familie hatten Sie?

Meine Mutter war Hausfrau und mein Vater hat Mathematik unterrichtet. Aber besonders meiner Mutter war es wichtig, dass wir Mädchen eine Berufsausbildung machen, die uns Unabhängigkeit ermöglicht. Wir haben alle vier studiert und meine Mutter wollte, dass wir einen Beruf erlernen, der uns Spaß macht und der auch finanziell attraktiv ist.

War es für Sie immer klar, dass sie eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen?

Es war für mich klar, dass ich nicht ins Lehramt gehe, weil ich kein geduldiger Mensch bin. Der Gedanke mit dem wissenschaftlichen Arbeiten kam aber erst zum Zeitpunkt der Diplomarbeit.

Haben Sie jemals an eine Karriere an der Universität gedacht?

Nein, ich habe während meines Studiums immer in Firmen als Werkstudentin gearbeitet. Deshalb war es nie ein Thema auf die Uni zurückzukehren. Zusätzlich hatte ich immer viel Unterstützung von meinem damaligen Vorgesetzten,  der mich auch intern soweit gestützt hat, dass ich in der Firma bleiben konnte. Das war damals nicht selbstverständlich, dass man nach der Ausbildung in der Firma bleibt.

Sie haben in diesem Jahr bereits zwei Auszeichnungen bekommen. Und zwar den Zukunftspreis der Stadt Wien und den Woman Award (2. Platz).  Was bringen Auszeichnungen?

Den Zukunftspreis haben wir als Newcomer für die Firmengründung bekommen. Der Woman Award ist eine Auszeichnung für Unternehmerinnen. Da geht es in erster Linie um die Sichtbarmachung von Frauen im Bereich der Naturwissenschaften, die in leitender Position tätig sind.  Die wissenschaftlichen Preise, z.B. für eine Dissertation, bringen Vorteile bei Bewerbungen. Der Zukunftspreis und der Woman Award sind für die Firma PR interessant. Die Bekanntheit ist für eine kleine Firma essentiell. Schlussendlich sind Auszeichnungen immer ein Puzzlestein um Frauen in der Forschung zu unterstützen.

Inwieweit spielen bei ihrer Forschung genderspezifische Aspekte eine Rolle?

Allergien betreffen beide Geschlechter. Da gibt es keine geschlechtsspezifische Unterscheidung. Es ist aber interessant, dass häufig in der Phase 1 bei Entwicklungen von Medikamenten diese nur bei Männern als Testpersonen verwendet werden. Der Hintergrund ist, dass bei Frauen eine Schwangerschaft in Verbindung mit einer Medikamententestung ein hohes Risiko birgt. Die Frage ist, ob das optimal ist, da es ja sein kann dass bei Frauen andere Nebenwirkungen auftreten wie bei Männern oder dass andere Dosierungen notwendig wären. Aber derzeit ist es aus gesundheitstechnischen Gründen so, dass nur Männer als Probanden eingesetzt werden.

Sie haben in einem Statement geschrieben, dass Frauen zu wenig publizieren. Sie persönlich haben eine lange Liste an Publikationen. Warum finden Sie Publikationen wichtig?

Die Arbeiten im Labor können gut sein, aber von außen ist das schwierig zu beurteilen. Wenn ich eine Publikationsliste habe, die okay ausschaut, dann wird sichtbar was ich gemacht habe und es ist auch geprüft. Publikationen sind demnach ein Qualitätsnachweis. Meiner Erfahrung nach ist es in kleinen Firmen einfacher, dass diejenigen Personen, die die Arbeit machen, auch an erster Stelle stehen. Frauen legen da oft nicht so viel Wert darauf oder lassen sich für andere Tätigkeiten einspannen. Bei uns war immer klar, dass diejenige Person, die die Arbeit macht auch aufscheint. Das hängt mit der Laborgröße und der Organisation zusammen.

Welche Eigenschaften braucht es in einer leitenden Position?

Das wichtigste ist, mit den MitarbeiterInnen umgehen zu können. Im positiven Sinne. Sie zu motivieren und eine klare Strategie zu haben. Es sind nicht alle MitarbeiterInnen gleich. Es gibt welche, die mehr Betreuung brauchen und welche, die weniger brauchen. Das hängt mit dem Charakter zusammen. Es ist auch ganz wichtig, den MitarbeiterInnen Anerkennung zu geben.

Glauben sie, dass Frauen und Männer einen unterschiedlichen Zugang zu Führung haben?

Ich kann mir gut vorstellen, dass Frauen mehr Empathie aufbringen für die MitarbeiterInnen und dass sie früher mitbekommen wenn etwas schief läuft oder wenn jemand unglücklich ist. Das heißt nicht, dass Männer völlig blind durch die Gegend rennen, aber sie nehmen es vielleicht nicht so ernst. Ich denke, Frauen haben eine ausgleichende Funktion.

Was sind ihre beruflichen Ziele?

Die Firma soll sich möglichst gut entwickeln. Mein berufliches Ziel ist, dass wir in 5 Jahren ca. 30-40 MitarbeiterInnen mit mehreren Forschungsgruppen haben.

Wenn Sie nicht arbeiten, wobei können Sie gut entspannen?

Lesen! Ich lese sehr viel. Quer durch den Gemüsegarten. Alles mögliche von Krimis über Romane. Ich lege mich in die Badewanne und lese. Am Wochenende zum Beispiel. Das genieße ich sehr.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Inge Schrattenecker, ÖGUT

Eva Prieschl-Grassauer
Dr.in Eva Prieschl-Grassauer

Marinomed Biotechnologie GmbH

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023