Expertin des Monats
Jan. 2008
Dr. in Sylvia Brunner

Die Molekularbiologin Sylvia Brunner ist Abteilungsleiterin bei der Biotechfirma AFFiRiS. Sie studierte Biologie/Genetik an der Universität Wien und promovierte am Institut für Molekularbiologie, wo sie an der Analyse von Zellzyklus-regulierten Genen arbeitete.

Nach einer Post-Doc Position in der Gruppe von Ernst Wagner am Institut für Medizinische Biochemie war Frau Brunner bei der Firma Intercell tätig. Im Jahr 2003 wechselte sie als Forscherin in die Firma AFFiRiS, wo sie als Leiterin einer Forschungsgruppe für Projekte zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Atherosklerose verantwortlich ist. Die Finanzierung des Atherosklerose-Projekts erfolgte bis Herbst 2007 durch das ZIT (Zentrum für Innovation und Technologie der Stadt Wien) im Rahmen des Calls FemPower 2004. Bei diesem Call erreichte Frau Brunner mit dem Projekt den ersten Platz.

Interview

Sie entwickeln einen Impfstoff gegen Atherosklerose. Wie funktioniert die Impfung?

Einer der Hauptgründe für Atherosklerose ist unsere seltsame bzw. ungesunde Lebensweise. Wir bewegen uns zu wenig, wir ernähren uns falsch und viele Menschen rauchen auch noch. Dabei ist eines der Hauptprobleme der Cholesterinstoffwechsel. Wir haben in der westlichen Welt, auf Grund unserer Lebensweise relativ wenig High Density Cholesterin (HDL) und zuviel Low Density Cholesterin (LDL). Mit unserer Impfung wollen wir dieses Verhältnis beeinflussen. Wir wollen erreichen, dass sich das Verhältnis von "gutem" (HDL) und "bösem" (LDL) Cholesterin verändert.

Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit dem Thema bzw. gibt es schon erste Ergebnisse?

Ich arbeite seit rund 3 Jahren bei der Firma Affiris an der Entwicklung dieses Impfstoffes. Im Laufe dieser Zeit sind unser Projekt und unser Team gewachsen. In der jetzigen Phase arbeiten wir an Tiermodellen, um unseren Impfstoff auszutesten. Die Ergebnisse sehen vielversprechend aus. Die Tiere machen die gewünschten Antikörper in genügend großer Menge. Inwieweit die Impfung beim Menschen dann genau so positiv wirkt, ist in dieser Phase aber noch nicht absehbar.

Was werden die nächsten Schritte sein?

Die nächsten Schritte sind die Messung der Toxikologie und die der Stabilität - sprich Haltbarkeit - des Impfstoffes.  Das wird ebenfalls in Tiermodellen getestet und es werden chemische Analysen durchgeführt. Wenn die Ergebnisse dann für die Genehmigung durch die Behörden ausreichend sind, kommt die Phase 1. In der Phase 1 geht es darum, dass gesunde Menschen geimpft werden und dabei keine Nebenwirkungen auftreten. Die Tests an Menschen werden aber nie von unserer Firma durchgeführt, sondern dazu braucht es MedizinerInnen bzw. Klinken. Diese legen dann die Kriterien fest, welche Patienten an dem Test teilnehmen können. Im Normalfall testet man Medikamente immer zuerst an gesunden männlichen Probanden.

Sie nennen als Hauptgrund für Atherosklerose den ungesunden Lebensstil. Inwieweit ist es Ihre Aufgabe die Menschen darüber zu informieren?

Das sehen wir als Aufgabe des öffentlichen Gesundheitswesens. Wobei die meisten Menschen gut über die Auswirkungen eines ungesunden Lebensstils Bescheid wissen. Tatsache ist, dass ein extrem hoher Prozentsatz der Todesfälle auf Atherosklerose zurückzuführen ist. Atherosklerose bedeutet ja, dass die Gefäße verstopfen. Die Folge davon sind Herzinfarkt oder Schlaganfall. Viele dieser Probleme werden durch den Cholesterinstoffwechsel ausgelöst und dieser ist wiederum abhängig von Ernährung und Bewegung. Die meisten Leute wissen das, aber sagen sie mal zu jemanden, der auf dem Sofa sitzt, vielleicht noch Chips isst und raucht, dass er oder sie sich bewegen sollte.

Wie gesund leben Sie?

Ich esse gerne gut. Und obwohl ich nicht allzu fett esse gehöre ich nicht zu den Menschen, die nur noch 0 % Fett Produkte essen. Ich sitze bei meiner Arbeit auch sehr viel am Computer, aber am Wochenende bewege ich mich dann gerne. Ich gehe spazieren wandern, schwimmen oder Radfahren.

Sie haben mit dem Projekt den vom ZIT (Zentrum für Technologie und Innovation) ausgeschriebenen Call FemPower Vienna 2004 gewonnen. Was war die Motivation bei diesem Call einzureichen?

Wir suchten für unser Projekt eine Finanzierung und der Call FemPower war gerade zum richtigen Zeitpunkt offen.

Mit dem Call FemPower werden vorrangig Forscherinnen gefördert. Halten Sie Frauenförderung in der Forschung für notwendig?

Für mich persönlich ist es sehr wichtig, auch anderen Frauen bewusst zu machen, was im Berufsalltag vor sich geht. Mein Eindruck ist, dass nicht nur Männer, sondern ebenso nicht wenige Frauen nach wie vor erstaunt oder gar irritiert sind, wenn das Thema "Frauen in der Forschung" angesprochen wird. Meiner Erfahrung nach bemerken viele Kolleginnen lange Zeit gar nicht, dass es zwar jede Menge qualifizierte Frauen gibt, diese aber so gut wie nie in leitenden Positionen anzutreffen sind. Es scheint auch nach wie vor (oder wieder?) die starke Befürchtung zu geben, als böse Feministin bezeichnet zu werden, wenn auf Ungerechtigkeiten hingewiesen wird. Spezifische Frauenförderung ist schon oft hilfreich. Im Prinzip muss es aber auch für Frauen möglich werden, im Rahmen der "ganz normalen" Förderungen und Stellenbesetzungen aufgrund ihrer Qualifikationen zum Zug zu kommen.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Nachdem ich bei FemPower gewonnen habe und auch viel in den Medien berichtet wurde, kamen nicht nur lobende Kommentare. Ich hatte auch das Gefühl, dass nicht alle - selbst die, die eingereicht haben - gewusst haben um was es bei dem Call geht. Frauenförderung ist ein Thema, mit dem sehr sensibel umgegangen werden muss.

Wie sind die Geschlechterverhältnisse in Ihrer Firma?

Ich bin die einzige Frau in leitender Funktion, aber ansonsten gibt es bei uns etliche Wissenschafterinnen und wie üblich mehr Technikerinnen als Techniker. Insgesamt sind bei Affiris mehr Frauen als Männer beschäftigt.

Sie leiten ein Department. Wie groß ist Ihr Team?

Momentan habe ich vier Mitarbeiterinnen. Eine Wissenschaftlerin, zwei Technikerinnen und eine Diplomandin von der BOKU, die bei uns ihre Diplomarbeit schreibt.

Ein reines Frauenteam?

Ja, das stimmt.

Wie sieht Ihr beruflicher Alltag aus?

Zu Beginn meiner Arbeit habe ich sehr viel im Labor gearbeitet. Inzwischen ist das Team größer geworden und ich verbringe viel Zeit mit Planung, Organisation und Besprechungen. Im Labor bin ich nur mehr ganz selten. Die Arbeit am Computer ist in jedem Fall gewöhnungsbedürftig aber auch sehr spannend, weil ich selbständig arbeiten kann. Bei den regelmäßigen Meetings mit den Mitarbeiterinnen besprechen wir was zu tun ist, welche Ergebnisse es gibt und wir planen und diskutieren gemeinsam die nächsten Schritte. Es ist eine Herausforderung Mitarbeiterinnen auszuwählen und zu schauen, dass die Gruppe gut zusammenarbeitet. Das sind für mich neue und spannende Aufgaben.

Sie haben vier Jahre auf der Universität gearbeitet und sind dann in die Privatwirtschaft gewechselt. Warum?

In meinem Arbeitsgebiet gibt es nicht so viele Möglichkeiten. Die freien Stellen an der Universität sind begrenzt. Deshalb sind viele Menschen aus meinem Bekanntenkreis ins Ausland gegangen. Aber wenn jemand aus dem Ausland wieder nach Österreich zurückkommen will, ist dass meistens ziemlich schwierig. Also die Privatwirtschaft ist durchaus eine Alternative dazu.

Sie haben Biologie mit Schwerpunkt Genetik studiert. Warum haben Sie diese Studienrichtung gewählt?

Ich hab mich schon als Kind sehr für Biologie und Zoologie interessiert.  Ich hatte einen "quasi Ersatzopa" der mit mir immer zoologische Bücher angesehen hat. Das hab ich spannend gefunden und ich wollte schon als Jugendliche Zoologie zu meinem Beruf machen. Ich bin daher nach Wien gekommen um Zoologie zu studieren. Allerdings ich hatte damals sehr wenige Informationen über das Studium. Schlussendlich habe ich dann die Studienrichtung Biologie mit Schwerpunkt Genetik gewählt. Genetik hat mich total interessiert.

Sie sind von Vorarlberg nach Wien zum Studieren gegangen? Was haben ihre Eltern dazu gesagt?

Ich bin in Vorarlberg aufgewachsen und in Bregenz in die Schule gegangen und in meiner Familie gab es damals keine Akademiker. Von meiner Volksschulklasse bin ich als einziges Mädchen ins Gymnasium gewechselt. Ich hatte super Noten, aber es hat auch andere Mädchen mit sehr guten Noten gegeben, nur war es für die Eltern dieser anderen Mädchen undenkbar, dass ihre Tochter ins Gymnasium geht. Meine Mutter hingegen hat mich sehr unterstützt, denn sie durfte selber keine Ausbildung machen außer eine landwirtschaftliche Schule. Es ist nie in Frage gestellt worden, da hatte ich sehr Glück und bin sehr dankbar. Ich glaube, meine Eltern waren immer sehr stolz darauf.

Haben sie Geschwister, die einen ähnlichen Weg eingeschlagen haben?

Meine Schwester hat ebenfalls studiert und sie lebt jetzt auch in Wien.

Wie gut können Sie Berufliches und Privates vereinbaren?

Während meiner Dissertation habe ich jedes Wochenende gearbeitet. Aber je älter ich werde, desto mehr Zeit für Erholung brauche ich. Wenn ich jetzt am Wochenende ins Büro komme, dann ist es eine große Ausnahme. Ich arbeite schon mehr als 40 Stunden, aber ich merke, dass ich unruhig werde, wenn ich zu wenig Zeit für mich selber habe. Ich versuche das auch meinen Mitarbeiterinnen zu vermitteln.

Wie planen sie ihre Karriere?

Nach der Dissertation war mir schnell klar, dass ich in der angewandten Forschung arbeiten möchte. Der Rest war immer ein Schritt nach dem nächsten.

Was möchten Sie beruflich noch erreichen?

Das ist eine schwierige Frage, weil ich mir das gar nicht in dieser Form überlege. Ich lasse das auf mich zukommen. Ich habe momentan ein sehr interessantes Projekt das erfolgreich ist und ich habe Mitarbeiterinnen, die ich super finde. Die Firma hat auch eine angenehme Größe. Im Prinzip ist es für mich gerade optimal.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Inge Schrattenecker, ÖGUT.

Sylvia Brunner
Dr. in Sylvia Brunner

Richter Pharma AG

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Letzte Aktualisierung: 24.10.2020