Expertin des Monats
März 2008
Prof.in DIin Dr.in Ille C. Gebeshuber

Univ. Ass. Dipl.-Ingin. Drin. techn. Ille C. Gebeshuber ist Assistentin in der Arbeitsgruppe für Atom- und Plasmaphysik am Institut für Allgemeine Physik an der Technischen Universität Wien und Key Researcher am Austrian Center of Competence for Tribology, AC2T Research GmbH, in Wiener Neustadt.  Sie studierte Technische Physik an der Technischen Universität, wo sie auch das Doktoratsstudium der technischen Wissenschaften absolvierte. Nach einem Post Doc Aufenthalt am Physics Department der University of California in Santa Barbara kam sie zurück nach Österreich um als Experimentalphysikerin zu arbeiten. Ihre Hauptarbeitsgebiete sind Nanotechnologie, hochauflösende Mikroskopie mit Rastersondenmethoden, (Nano-)Tribologie, Nanobiotechnologie und die Interaktion von hochgeladenen Ionen mit Oberflächen (fusionsrelevant).

Interview

Frau Gebeshuber, Sie beschäftigen sich mit Nanotechnologie und Tribologie. Wie würden Sie beide Arbeitsgebiete einer Schülerin erklären?

Ich fange mit der Tribologie an: Die Tribologie ist die Lehre von Reibung, Schmierung, Verschleiß und Klebrigkeit. Also immer wenn ich zwei Teile habe, die sich gegeneinander bewegen, gibt es tribologische Phänomene. Die reiben dann gegeneinander, die nützen sich ab und wenn man Schmiermittel dazwischen tut, dann sind die Kontakte geschmiert, und es gibt weniger Reibung.
Die Nanotechnologie lässt sich folgendermaßen erklären: Es gibt die Einheit ,nano', die steht für 10 hoch minus 9 und die Nanotechnologie ist eine Technologie, in der die funktionellen Komponenten im Nanometerbereich liegen.

Die Nanotechnologie liegt sehr im Trend. Wofür wird sie verwendet?

Wir können uns seit einigen Jahren mit unseren Mikroskopen im Nanokosmos bewegen. Wir können nicht nur den Nanokosmos beobachten sondern auch den Nanokosmos verändern. Wir können Materialien bearbeiten mit sehr hoher Präzision  - wir können z.B. in unseren elektrischen Schaltungen und Bauteilen Komponenten verwenden, die nur einige 10nm Durchmesser haben.
Wenn man sich die Struktur auf einer CD anschaut, die ist einige µm groß - 1µm sind 1.000nm, und wenn man die Struktur von einer CD von 1µm auf 1nm verkleinern könnte, dann würde natürlich die Datenspeicherdichte sehr groß werden. In der Nanotechnologie geht es aber nicht nur um hohe Datenspeicherdichte, sondern in der Nanotechnologie treffen sich die verschiedensten Wissenschaften - die Physik, die Chemie, die Biologie, die Mathematik, die Materialwissenschaften und natürlich auch die Tribologie. Das heißt, das ist eine viktorianische Wissenschaft!

Sie sind Assistentin in der Arbeitsgruppe für Atom- und Plasmaphysik am Institut für Allgemeine Physik an der TU Wien. Was machen Sie da genau?

Wir beschäftigen uns mit verschiedenen wissenschaftlichen Problemen. Zum einen machen wir Grundlagenforschung - absolute physikalische Grundlagenforschung, völlig entkoppelt von der Industrie. Dadurch haben wir die Möglichkeiten, Wege zu erforschen, die nicht im Mainstream liegen. Wir sehen uns z.B. im Detail an, wie hochgeladene Ionen mit atomar flachen Kristalloberflächen interagieren. Diese Forschungen sind fusionsrelevant. Weiters gibt es bei uns in der Arbeitsgruppe biophysikalische und bionische bzw. biomimetische Untersuchungen. Wir haben eine Kollaboration mit dem Pharmazie Institut, wo wir die Grundlagen von neuartigen Methoden der Krebsbekämpfung mit Nanopartikeln erkunden.

Sie sind aber auch in der Lehre tätig und betreuen DiplomantInnen. Was passiert hier?

Wir arbeiten derzeit in einigen großen EU-Projekten, die DissertantInnen finanzieren. Weiters habe ich DiplomandInnen und viele ProjektpraktikantInnen und in der Lehre bin ich schon sehr lange aktiv. Schon während meiner Studienzeit habe ich als Tutorin in der Computersimulation an der TU in Wien gearbeitet. Seit 2004 habe ich meine eigene Vorlesung - "Nanotechnology" - ich biete sie auf Englisch an. Ich habe auch sehr viele internationale HöhrerInnen. Forschung und Lehre machen mir beide großen Spaß.

Sie sind auch Key Researcher am Kompetenzzentrum für Tribologie in Wiener Neutstadt. Welche Tätigkeit gefällt Ihnen besser?

Von 2003 bis 2006 war ich an diesem Kompetenzzentrum Senior Researcher und Projektmanagerin im Rahmen eines großen Strategieprojekts über funktionale Oberflächen. Als 2006 das EU WEMSESURF Projekt bewilligt wurde, sind die Hauptantragsteller dieses großen TMR Projektes an mich herangetreten, ob ich Scientist in Charge für die TU Wien und Mitglied des wissenschaftlichen Komitee sein möchte. Und ich habe natürlich mit Freuden zugesagt, weil ich neben der Grundlagenforschung, die ich gerne mache und die mir wichtig ist, auch die Zusammenarbeit mit der Industrie für sehr wichtig erachte. Und durch diese Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum habe ich den direkten Zugang zu Firmen, zu Applikationen und sehe auch die direkte Umsetzung der Ergebnisse der Forschungen in Prototypen und das ist natürlich auch sehr schön. Weiters gibt es durch das neue Oberflächenlabor FAC²TS in Wiener Neustadt für beide Partner verfügbare Infrastrukturgeräte. Ich freue mich immer über beides - über Grundlagenforschung, wo die Ergebnisse in Form von Publikationen erscheinen und in wissenschaftlichen Fachjournalen aber auch wenn wirklich die angewandte Forschung in Prototypen und vielleicht auch in weiterer Zukunft in Produkte mündet. So war ich also 2003 bis 2006 zu 50% vom Kompetenzzentrum AC2T finanziert. An der TU stand während dieser Zeit nur eine halbe Assistentinnenstelle zur Verfügung. Ich wollte auch gerne in die außeruniversitäre Forschung hinein schnuppern, und wollte herausfinden, ob mich das Forschen dort mehr interessiert, als die Arbeit auf der Universität. Nun bin ich Key Researcher für dieses Kompetenzzentrum, und wir erarbeiten derzeit die zukünftige gemeinsame Strategie in Richtung COMET K2-Zentrum.

Nun sind Sie wieder vermehrt für die Universität tätig?

Im Moment bin ich gerade dabei mich zu habilitieren - ich werde bald meine Habilitationsschrift einreichen und da ist es natürlich besser eine ganze Stelle auf der Universität zu haben, wo ich mich wirklich zu 100% dieser rein wissenschaftlichen Arbeit widmen kann.

Sie haben während Ihres Postdocs einen Unterwasserkleber aus nachwachsenden Ressourcen entwickelt. Wie kam es dazu?

Das ist eine lustige Geschichte! Ich bin 1999 nach Kalifornien, nach Santa Barbara an das Physik Department - als PostDoc. Weil ich allein nach Kalifornien gegangen bin, habe ich mir gedacht, dass ich meine Haustiere nach Amerika mitnehme. Das waren kleine liebe linksdrehende Wasserschnecken. Dazu muss gesagt werden, dass die meisten Schneckenhäuser auf dieser Welt rechtsdrehend sind. Weil so wenig Platz war am Schreibtisch, habe ich meine Haustiere gemeinsam mit meinen zu untersuchenden Lebewesen, Kieselalgen, in einem Aquarium gehalten. Weiters habe ich in das Aquarium Glasobjektträger hineingetan, dass die Kieselalgen festwachsen. Meine Aufgabe war, die erste der Welt zu sein, die lebende Kieselalgen mit dem Rasterkraftmikroskop untersucht. Die nächsten Wochen waren dann so anstrengend, dass ich vergessen habe meine Schnecken zu füttern. Die Schnecken haben dann natürlich die ganzen Kieselalgen aufgefressen. Ich holte mir die Glasobjektträger heraus, schaute sie mir unter dem optischen Mikroskop an und dachte mir, jetzt ist alles aus. Ich kann meine Koffer packen und gehen, weil meine Haustiere meine Untersuchungsobjekte gefressen haben. Dann habe ich links oben im Eck ein paar vereinzelte Kieselalgen gesehen und erkannte einen glücklichen Zufall. Die Algen links oben im Aquarium haben die Raspelzunge meiner Schnecken überlebt -damit war auch klar, dass sie die mechanisch rasternde Spitze meines Mikroskops überleben werden. Also haben mir meine Schnecken geholfen aus diesen zig tausenden von Kieselalgenarten, die da drinnen gelebt haben, genau die Spezies heraus zu selektieren, die gut genug kleben. Kurz darauf machte ich die ersten Bilder von diesen glasmachenden Algen. Eine genaue Untersuchung zeigte daraufhin grundlegende Eigenschaften des Algenklebers, die ihn sehr widerstandsfähig und sogar selbstheilend machen. Diese Ergebnisse präsentierte ich dann international. Dies war auch ein wesentlicher Schritt für meine Karriere.

Sie haben technische Physik an der TU Wien studiert. Wie kamen Sie zu dieser Studienrichtung?

Meine Begeisterung für Physik war immer schon da. Das Schlüsselerlebnis war allerdings, als mir jemand gesagt hat, dass ich bei einem Blick in den Sternenhimmel in verschiedene Vergangenheiten schaue, weil die Sterne verschieden weit weg sind und das Licht verschieden lange braucht, bis es bei uns ist. Die Tatsache, dass die Dinge manchmal ganz anders sind, als wir uns vorstellen, hat mich dazu motiviert mich mit der Physik sehr intensiv auseinander zu setzen.

Haben Sie Ihre Eltern in der Studienwahl unterstützt?

Ich bin die erste von meiner engeren Familie, die überhaupt jemals studiert hat, also bin ich immer meinen eigenen Weg gegangen.

Was waren für Sie wichtige Stationen in Ihrer Berufslaufbahn?

Der Erhalt des Preises für herausragende Diplomarbeiten an der ETH-Zürich. Gleich am Anfang diese Unterstützung von einer scientific community zu kriegen, die offizielle Anerkennung der Qualität meiner Arbeit, hat mir sehr geholfen, dass ich diesen Weg als Wissenschaftlerin gegangen bin. Ich kenne auch andere Beispiele, wo das erste Konferenzpaper abgelehnt worden ist und das der Grund war, warum diese DiplomandInnen nicht den wissenschaftlichen Weg gegangen sind. Und ich kann gar nicht sagen, dass diese schlechter waren als ich. Der Aufenthalt in Kalifornien war auch eine wichtige Erfahrung. Ich habe sehr viel verdient, so wie niemals vorher und auch jetzt nicht. Geld war nicht nur privat in Hülle und Fülle da, sondern auch in der Forschung. Die Grenze waren 10.000 US $ wo ich fragen musste, wenn ich ein Gerät fürs Labor gekauft habe. Es war eine unheimliche Freiheit im Geistigen sowie im Finanziellen. Was ich aber auch erfahren musste, ist diese Ellenbogen Gesellschaft in der amerikanischen Forschungscommunity. Besonders am Santa Barbara Physik Department, einem der besten der Welt, da gehen die Leute schon sehr ehrgeizig durch und boxen die anderen. Aus diesem Grund bin ich wieder zurück nach Österreich gegangen.

Wie lange waren Sie insgesamt in Santa Barbara?

Zuerst habe ich mir gedacht, ich bleibe nur für acht Wochen. Es hat mir dann aber so gut gefallen, dass ich meinen Job in Wien gekündigt habe und nach Kalifornien gegangen bin. Wenn ich in Santa Barbara geblieben wäre, wäre ich jetzt wahrscheinlich schon Professorin. Ich bin aber froh, seit 2000 wieder in Wien zu arbeiten, weil mir die Wissenschaftsstrukturen hier besser gefallen. Obwohl man hier nicht soviel verdient und alles ein bisschen anders ist, entspricht es eher meiner Sichtweise der Wissenschaft, oder so wie ich Wissenschaft leben möchte.

Sie haben ebenfalls einen Preis der European Space Agency erhalten. Wie kam es dazu?

Ich bin mit KollegInnen zusammengesessen und wir haben spontan entschieden, wir reichen kein Experiment für diesen Preis ein, wir konzipieren gleich ein neuartiges Raumschiffkonzept. Wir haben die Idee weiter gesponnen und haben ein "Plastiksackerlraumschiff" entwickelt. Die Idee war folgende: man hat eine aufblasbare Folie in einer aufblasbaren Folie in einer aufblasbaren Folie - tausend Schichten mit immer weniger gutem Vakuum dazwischen - also von außen Weltraumvakuum bis innen Luft - man baut dazu sukzessive eine Umgebung auf, sodass man, wenn man das Raumschiff z.B. um einen kaputten Satelliten herum aufbaut, ohne einen Raumanzug tragen zu müssen, den Satelliten reparieren kann. Unser Vorschlag kam unter die besten fünf.

Wie wichtig sehen Sie die Nachwuchsförderung?

Ich finde das unheimlich wichtig. Aus meiner eigenen Geschichte weiß ich, wenn man zum richtigen Zeitpunkt Unterstützung in seiner eigenen Karriere hat, läuft alles viel einfacher. Speziell auf die Mädels konzentriere ich mich, weil es mich ganz einfach schreckt, dass so viele Mädchen in unterbezahlten Berufen arbeiten. Infolgedessen erachte ich es als wichtig, ihnen die Welt der Technik zu zeigen, und sie dann selbst entscheiden zu lassen, ob sie für sie interessant ist oder nicht.

Sie haben an dem von FEMtech initiierten Mentoring Programm an der TU Wien als Mentée teilgenommen. Hat Ihnen das etwas gebracht?

Das Mentoring Programm hat mir unheimlich gefallen. Das ist eine gute Initiative. Es hat nicht nur mir, sondern allen die in meiner Gruppe waren sehr gefallen. Ich habe dadurch erfahren, welche informellen Rahmenbedingungen für eine Karriere in der Wissenschaft wichtig sind. Zum Beispiel so Ratschläge, dass man nicht in der billigen Jugendherberge während einer Konferenz absteigt, sondern dass man im Konferenzhotel übernachtet, da hier die informellen Netzwerke aktiv werden.

Welches ist Ihr nächstes berufliches Ziel?

Die Habilitation - und dann schau ma weiter!

Danke für das Interview!

Das Interview führte Beatrix Hausner, ÖGUT.