Expertin des Monats
Sept. 2008
Dr.in Ingrid Kohl

Dr.in Ingrid Kohl ist Direktorin für Forschung und Entwicklung der Firma lonimed Analytik GmbH in Innsbruck. Als Mitarbeiterin der ersten Stunde war sie maßgeblich am Aufbau der Firma beteiligt und ist für eine Vielzahl von Geschäftsprozessen verantwortlich. Die Kernkompetenz von lonimed Analytik GmbH liegt in der chemischen Analyse von Spurengasen mittels Protonentauschreaktion-Massenspektrometrie (PTR-MS). Ingrid Kohl studierte Chemie an der Universität in Innsbruck. Während ihrer Dissertation arbeitete sie am Institut für allgemeine, anorganische und theoretische Chemie der Uni Innsbruck. Danach erfolgte ein zweijähriges Postdoc am Massachusetts Institute of Technology. Zurück in Österreich erhielt sie ein APART Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)  an der Uni Innsbruck. Seit 2005 ist sie als Direktorin bei lonimed Analytik GmbH tätig.

Interview

Frau Kohl, Sie beschäftigen sich mit der chemischen Analyse von Spurengasen in der Atemluft. Was genau erforschen Sie da?
Wir haben unterschiedliche Forschungsprojekte laufen, die sich mit der Untersuchung der Atemluft auf Spurengase, die möglicherweise Krankheiten anzeigen können, beschäftigen. Das Ziel unserer Forschungen ist, dass eine Atemluftanalyse in einer klinischen Routine wie eine Blut- oder Urin Analyse verwendet werden kann. Der Vorteil wäre, dass diese ganz minimal invasiv und nicht belastend ist. Daher können auch sehr kranke Menschen oder Kinder sehr leicht eine Atemluftprobe abgeben. In der klinischen Praxis gibt es bis jetzt sehr wenige atemluftanalytische Methoden. Der Grund ist, dass die Themenstellung sehr komplex ist.

Inwiefern ist dieses Thema komplex?
Atemluft besteht aus tausenden von Molekülen in Spurenkonzentrationen und diese sind noch dazu sehr variabel. Die Zusammensetzung der Atemluft hängt z.B. davon ab, was ein Mensch gegessen hat, wie er sich bewegt oder wie es einem Menschen gerade geht. Aber es ist sehr schwer diese Stoffe dingfest zu machen, weil sie in sehr geringen  Konzentrationen vorkommen. Die eingesetzten analytischen Messverfahren sind sehr empfindlich und wurden erst in den letzten 10 bis 15 Jahren etabliert. Das sind ganz neue  Technologien die hier weiter entwickelt werden.

Können Sie uns ein Beispiel für die Verwendung dieser Messmethode geben?
Derzeit haben wir eine Studie mit LungenkrebspatientInnen laufen und wir warten schon ungeduldig auf die statistische Auswertung der Daten. Wie sind Sie auf dieses Thema  gekommen? Ich habe Chemie studiert und im Rahmen meiner Diplom- und Doktorarbeit in der Forschung gearbeitet. Meine Forschungsthemen waren an der Grenze zwischen  physikalischer und anorganischer Chemie angesiedelt. Ich habe mich mit festen Phasen von Wasser beschäftigt. Ausgehend von diesem Thema habe ich mein Postdoc am  Massachusetts Institute of Technology im Labor des Nobelpreisträger Mario Molina gemacht. Dort habe ich begonnen vom reinen Wasser wegzugehen und chemische Reaktionen zu  untersuchen, bei denen auch Wasser bzw. Wasserradikale eine Rolle spielen. Es handele sich dabei um chemische Reaktionen, wie sie in unserer Erdatmosphäre ablaufen. Es ist  wichtig, die chemischen Abläufe in der Atmosphäre genau zu untersuchen, um den Klimawandel besser zu verstehen. Am MIT habe ich auch erstmals mit einer Messmethode  gearbeitet, die der Methode der PTR-MS, mit der ich heute arbeite, sehr ähnlich ist.

Warum sind Sie nach Amerika gegangen?
Das waren private und berufliche Gründe. Mein Mann und ich wollten – solange wir noch nicht beruflich gebunden waren – einmal ins Ausland gehen. Wir haben uns beide für ein Stipendium beworben und es dann auch bekommen. Mir war wichtig einmal in einem anderen Land zu leben, die Sprache zu lernen und zu sehen wie an amerikanischen Universitäten gelehrt wird. In der Lehre und im Studium gibt es sicherlich große Unterschiede. Dort wird in kleinen Gruppen gearbeitet und die StudentInnen erarbeiten die Themen  gemeinsam, vor allem auch moderne Inhalte. Bei uns könnte man das Studium schon teilweise als „Geschichte der Chemie“ bezeichnen. Wir mussten viele alt hergebrachte Dinge  lernen und die neuen Forschungsergebnisse und die wichtigen Themen wie z.B. Energie und Klima haben nicht ihren angemessenen Platz im Lerninhalt gefunden.

Nach Ihrem  Amerikaaufenthalt am Massachusetts Institute of Technology sind Sie relativ rasch in die angewandte Forschung gewechselt? Was war der Grund dafür?
Zurück aus Amerika habe ich ein APART Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erhalten. Ich war ganz am akademischen Weg in Richtung Habilitation. Nachdem es aber auf der Uni sehr schwierig ist eine Assistentenstelle zu bekommen, und ich keine (unsichere) Drittmittelstelle wollte, habe ich nach einem Jahr in ein  Kleinunternehmen gewechselt.

Sie sind jetzt Direktorin für Forschung und Entwicklung. Wie sieht ihr beruflicher Alltag aus?
Meine Arbeit ist sehr vielfältig. Ich bin dafür verantwortlich, dass unsere Forschungsprojekte reibungslose funktionieren. Das beinhaltet das gesamte Projektmanagement und geht von der Einschulung der neuen MitarbeiterInnen über das Ansuchen um Fördergelder bis hin zur dazugehörige Berichterstellung und der Präsentation der Ergebnisse. Es beinhaltet aber  auch strategische Fragen wie z.B. die Verwendung der Ergebnisse, Patentanmeldungen, bei welchen EU Ausschreibungen wir uns beteiligen oder wie man als kleine Firma in der  Fach-Community bekannt wird und in ein großes Projekt eingebunden wird. Die Firma wurde erst 2004 gegründet und beschäftigt derzeit 12 MitarbeiterInnen – vier Frauen und acht  Männer. Wir beschäftigen PhysikerInnen, ChemikerInnen, eine Chemielaborantin und eine medizinisch- technische Fachkraft.

Was sind die Herausforderungen für eine kleine Firma, die im Forschungsbereich tätig ist?
Einerseits ist die Suche von qualifiziertem Personal nicht so einfach. Im Moment ist es schwierig Personal mit einem technischen Hintergrund zu finden. Thematisch arbeiten wir an der Schnittstelle zwischen Medizintechnik und chemischer Analytik. Dafür bräuchten wir sozusagen „Multitalente“ mit einer sehr breiten Ausbildung. Eine andere Herausforderung ist  das Aufstellen der Finanzierung: Immer wenn Entwicklungsarbeit mit großen Risiko verbunden ist, kann man in Österreich um Förderung ansuchen. Dazu muss man aber die in Frage  kommenden Programme kennen und sich bewerben. Eine andere Möglichkeit sind große Verbundsprojekte wie z.B. das jetzt bewilligte K1-Zentrum Onkotyrol, wo wir auch  Forschungspartner sind.

Sie haben Chemie studiert. Warum ?
Ich wollte immer etwas Naturwissenschaftliches machen. In meiner Schulzeit waren das immer die Fächer die ich gemocht habe. Nach der Matura habe ich allerdings eine solide Berufsausbildung zur Krankenschwester gemacht und mich erst danach zu einem Studium entschlossen. Medizin wollte ich nach der Arbeit im Krankenhaus nicht mehr studieren. Ich habe mich dann für Chemie entschieden.

Haben Sie Ihre Eltern bei Ihrer Entscheidung unterstütz?
Von meinen Eltern kam damals kein Input und sie haben mir vollkommene Freiheit gelassen, ich war ja schon etwas älter.

Sie haben zwei Kinder im Alter von 6 Jahren und 7 Monaten. Wie schaut ihr (beruflicher) Alltag aus?
Ich war jetzt 6 Monate in Karenz und arbeite nun wieder halbtags. Während meiner Karenzzeit hatte ich immer wieder Kontakt zu meinem Unternehmen. Das halte ich für sehr wichtig. Bei meinem ersten Kind - das ich in Amerika bekommen habe - war ich nur zwei Monate zu Hause. Das war zwar eine anstrengende und stressige Zeit, aber es war gut, dass ich weiter arbeiten konnte. Wenn die Kinderbetreuung funktioniert und der Vater mithilft, dann kann man das Kind auch groß ziehen ohne dass es zu kurz kommt.

Welche Art von Unterstützung haben Sie momentan?
Ich habe ich einen tollen Mann und eine tolle Schwiegermutter, die uns sehr unterstützt wenn z.B. ein Kind krank ist oder ich einen Termin habe. Das größere Kind ist bereits in der Schule, aber mit einem 7 Monate alten Kind ist es schwierig, weil es in Österreich für Kinder in diesem Alter keine adäquate Kinderbetreuung gibt. In Amerika hatten wir ab den 3.  Monat einen Kindergrippenplatz. Der war zwar sehr teuer aber die Betreuung hatte eine sehr hohe Qualität. In Österreich hingegeben gibt es keine Betreuungsplätze für ganz kleine  Kinder.

Sie arbeiten jetzt Teilzeit und sind gleichzeitig in einer Führungsposition. Geht das?
Mein Chef unterstützt mich dabei sehr und in einer kleinen Firma sind alle froh, wenn die Personen nicht zu lange weg sind.

Wäre eine geteilte Karenzzeit zwischen Ihnen und Ihrem Mann vorstellbar?
Mein Mann hat im Moment einige Tage Urlaub genommen, aber er geht nicht in Karenz. Karenz würde für ihn bedeuten, seine Karriere als Universitätsprofessor hinten nach zu stellen. Universitäten sind aus meiner Sicht sehr familienfeindlich, das zeigt sich schon daran, dass viele Termine am Abend sind. Das war auch für mich ein Grund von der Universität zu gehen.

Das Programm FEMtech unterstützt Frauen im Bereich Forschung und Technologie. Ist Frauenförderung aus Ihrer Sicht notwendig?
Ich finde es wichtig, dass Mädchen mitbekommen, dass sie nicht nur Friseurinnen, Verkäuferinnen oder Sekretärinnen werden können, sondern dass es ganz viele andere interessante Berufe gibt. Dazu gibt es Aktionen in Schulen um Mädchen auf technische Berufe hinzuweisen. So etwas finde ich sehr wichtig, weil die jungen Leute sehen sollen, dass man aus einer großen Vielfalt an Berufen wählen kann.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in einer leitenden Funktion gemacht?
In meiner jetzigen Firma habe ich mich nie diskriminiert gefühlt. Aber an der Universität habe ich gemerkt, dass mir gewisse Dinge nicht so zugetraut worden sind wie meinen männlichen Kollegen. Das hat mich immer sehr geärgert, dass dem Mann mehr technisches Verständnis zugetraut worden ist, als der Frau.

Sie haben in einem Statement gesagt, Sie sind gegen „technischen Rassismus“. Was meinen Sie damit genau?
Rassismus bedeutet für mich, dass eine Person aufgrund der Hautfarbe, Herkunft oder anderen Sprache diskriminiert wird. In der Technik ist es oft so, dass man gegenüber Frauen oder auch älteren Personen Vorurteile hat und Ihnen gewisse Tätigkeiten nicht zutraut. Dagegen bin ich. Daran müssen wir aktiv arbeiten, dass wir nur aufgrund der Qualifikationen einen Menschen beurteilen.

Was sind Ihre beruflichen Ziele?
Mir ist es wichtig, dass unsere Firma wächst und gedeiht. Das wir mehr Kunden erreichen und dadurch interessante Projekte machen können. Dies wäre für mich persönlich ein Erfolgserlebnis. Wachstum ist immer eine große Herausforderung und wenn wir das schaffen, dann habe ich hier weiterhin meine Tätigkeit. Momentan schaut das gut aus und wir sind auf dem richtigen Weg.

Danke für das Interview!

Das Interview führte: DIin Inge Schrattenecker, ÖGUT

Ingrid Kohl
Dr.in Ingrid Kohl

Ionimed Analytik GmbH

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023