Expertin des Monats
Sept. 2009
DIin Dr.in techn. Margareta Bugajski

DIin Drin techn. Matgorzata Bugajski ist FEMtech Expertin des Monats September. Die in Krakau (Polen) geborene Wissenschafterin studierte Metallhüttenwesen in Krakau und schloss 1969 im Diplom-Stuium mit Auszeichnung ab. Die Promotion folgte 1978.

Seit 1979 ist sie an der Montanuniversität Leoben tätig. Zunächst als Gastforscherin aim Institut für Nichteisenmetalle, dann als Vertragsassistentin im Institut der Gießereikunde. Seit 1993 arbeitet Matgorzata Bugajski als Projektleiterin im Technologiezentrum Leoben beim Feuerfestkonzern RHI AG. Dort entwickelt sie feuerfeste ungeformte Produkte.

Jungen Forscherinnen möchte sie folgende Empfehlungen mitgeben: "Bleibt euren Prinzipien immer treu; sucht ständig neue, auch unkonventionelle Arbeitsmethoden und Lösungsansätze - diese führen oft zu völlig neuen, innovativen Ergebnissen; traut euch gegen den Strom zu schwimmen UND: Der Erfolg im Beruf ist umso größer, je mehr man bereit ist, aus eigenen Fehlern zu lernen."

Interview

Sie haben Metallhüttenwesen studiert. Wie kamen Sie auf die Idee?

Mein Vater arbeitete an der AGH, an der Berg- und Hüttenakademie in Krakau. Er war Techniker und dachte, dass auch ich eine gewisse technische Seele hätte und in diese Richtung gehen sollte. Ich war eine sehr begabte Gymnasiastin und hatte die Matura mit Auszeichnung bestanden. So habe ich mich entschlossen, doch auch in die technische Richtung zu gehen, während meine jüngere Schwester in Richtung Kunst ging, die Musikhochschule besuchte und Pianistin wurde, wie meine Mutter.

Wie war das Studium für Sie?

Die ersten zwei Jahre habe ich mich wie ein Fremdkörper gefühlt, das muss ich offen sagen. Ich hätte eigentlich bildende Kunst studieren wollen.

Wieso haben Sie es nicht getan?

Ich habe die Aufnahmeprüfung nicht bestanden. Pro zehn Kandidaten gab es jeweils nur einen Studienplatz. Ich hatte mich ein Jahr lang auf die Malerei, auf die Kunst vorbereitet. Nach der Absage schaltete sich mein Vater ein und sagte: ,,Meine liebe Tochter, du bist begabt genug, um die technische Richtung einzuschlagen." Ich hatte zwei Wochen Zeit, um mich auf die schwere Aufnahmeprüfung an der AGH vorzubereiten. Ich habe es gemacht, da ich überzeugt war, dass ich alles packen würde.

Bei technischen Studien gab es auch eine Aufnahmeprüfung?

Es gibt bis heute eine Aufnahmeprüfung, es gibt keinen freien Zugang zu Universitäten in Polen. Ich wurde als eine der Besten aufgenommen. Wie ich das geschafft habe, weiß ich nicht. Ich war immer sehr ehrgeizig. ,,Gut" war mir nie gut genug, es musste immer ein ,,Sehr gut" sein. Das war ein innerer Trieb, außerdem habe ich eine Kämpfernatur. So habe ich beschlossen, allen zu beweisen, dass ich das Studium mit linker Hand schaffen würde. Aber dennoch fühlte ich mich in der ersten Hälfte des Studiums, als ob ich neben mir stehen würde, als wäre das nicht ich. Doch in der zweiten Hälfte des Studiums war ich schon wirklich ,,drinnen".

Sie haben von 1963 bis 1969 studiert. War es in Polen damals außergewöhnlich, dass Frauen Metallhüttenwesen studieren?

Nein. Frauen stellten die Hälfte aller Studierenden an der AGH. Nach der Diplomarbeit war ich Universitätsassistentin an der AGH und promovierte zum Thema Zersetzungsvorgänge der basischen Bleisulfate. 1979 kam ich mit einem sechsmonatigen Stipendium als Gastforscherin an die Montanuniversität Leoben - ich forschte am Institut für Nichteisenmetalle. Hier merkte ich erst, wie groß der Unterschied von Polen zu Österreich war. Frauen waren an der Montanuniversität nicht präsent. Damals arbeiteten nur zwei Frauen in einer wissenschaftlichen Position. Ich war die dritte. Überdies kam ich aus einem Land hinter dem Eisernen Vorhang. Ich wurde nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen.

Ist man Ihnen skeptisch begegnet?

Es gab ein gewisses Misstrauen. Überall, wo ich mich bewegte, stand jemand hinter mir und schaute, was ich gerade tat - selbst beim Schrank mit den Fachbüchern. Auch die Sprache war ein Problem. Ich hatte im Gymnasium Deutsch gelernt, doch meine Kollegen haben einfach Tirolerisch oder Steirisch mit mir gesprochen. Doch ich habe mich schnell akklimatisiert, und der Professor hat eine Verlängerung meines Vertrags um sechs Monate vorgeschlagen. Nach einem Jahr ging ich nach Krakow zurück. Einige Monate später erhielten mein Mann und ich - er war Fachmann für Hydrometallurgie, wir hatten gemeinsam studiert - die Einladung, ein Jahr nach Leoben zu kommen und an der Montanuniversität zu forschen. Im Sommer 1981 kamen wir mit unserer 12jährigen Tochter an, im Dezember wurde in Polen das Kriegsrecht erklärt, und unsere Verwandten rieten uns, in Österreich zu bleiben. Kurz darauf wurde ich mit meinem zweiten Kind schwanger, dann haben wir beschlossen, endgültig hier zu bleiben.

Wie ist Ihre Karriere weiter verlaufen?

Als unsere zweite Tochter drei Jahre alt war, arbeitete ich wieder am Institut für Gießereikunde. Dann erhielten mein Mann und ich ein Angebot des Feuerfestkonzerns Radex in Radenthein in Kärnten, in der Forschung tätig zu sein. Drei Jahre waren wir in Kärnten, dann kehrten wir nach Leoben zurück, da Radex mit den Veitscher Magnesitwerken fusionierte, und die neue Forschungszentrale in Leoben war. Einige Jahre später benannte sich das Unternehmen in RHI um.

Wie erlebten Sie den Unterschied zwischen universitärer Forschung und Forschung in einem Unternehmen?

An der Universität hatte ich die Freiheit, ein Thema zu wählen, zu forschen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. In der Industrie herrscht ein enormer Druck, messbare Erfolge zu erzielen. Man bekommt konkrete Aufgaben und Zeitlimits, und man muss konkrete Ergebnisse liefern. Das ist sehr zermürbend, aber auch sehr spannend. In dem Moment, wo ich ein neues Projekt oder neue Aufgabe beginne, spüre ich einen Adrenalinkick. Das habe ich sehr gerne. Aber es geht auf die Substanz. Entweder man macht auf lauwarm, oder man setzt alle Kräfte ein, inklusive Träume. Manchmal werde ich mitten in der Nacht wach. Dann kommen mir Ideen, wie ich etwas anders lösen oder welches Material ich einsetzen könnte, damit die feuerfeste Masse noch besser wird, damit sie 1800 Grad statt 1600 aushält. Dann stehe ich auf und schreibe meine Ideen auf einen Zettel. Wenn ich mit der Familie wandern gehe, habe ich immer einen Notizblock im Rucksack. Niemand zwingt mich dazu. Das ist keine Arbeitszeit. Doch für mich war Arbeit und Privates immer vermischt. Für meinen Mann war es gut, er hatte immer eine kompetente Gesprächspartnerin, und auch ich konnte mit ihm viele Aufgaben besprechen und Lösungsansätze diskutieren. Doch ich weiß auch, welchen Preis meine Familie dafür zahlt.

Welchen?

Mein Mann und ich haben ständig über Technik diskutiert. Unsere älteste, damals 4jährige Tochter hat die Kindergärtnerin einmal mit dem Satz verblüfft: ,,Tante, ich weiß, was basisches Bleisulfat ist." Während sie mit den Puppen spielte, hatte sie das aus unseren Gesprächen aufgeschnappt. Manchmal wurden meinen Töchter auch böse mit mir, wenn ich ihnen nicht richtig zuhörte, sondern nur mit abwesendem Blick nickte. ,,Ich sehe, dass du schon wieder an deine Massen denkst", sagten sie dann.

Sie haben drei Patente für RHI erarbeitet. Was haben Sie entwickelt?

Eine neue Produktgruppe, sogenannte freifließende Tonerdegießmassen, wofür 1991 ein Patent in Europa erteilt wurde und 1994 in den USA. Weiters eine Trockenmasse für die Heißreparatur des Boden von Stahlpfannen, dafür wurde 2006 das Patent erteilt. Diese Feuerfestprodukte fanden weltweit Einsatz bei der Zustellung verschiedener Hochtemperaturaggregate.

An der Montanuniversität waren Sie anfangs eine von nur drei Frauen. Wie war das bei Radex und später bei RHI?

Bei Radex hatte ich am Anfang eine junge Kollegin, die später nach Deutschland zurückging. Dann war ich lange die einzige Projektleiterin. Nach einigen Jahre hat man offensichtlich beschlossen, Frauen hereinzulassen - vielleicht auch, weil sie an mir gesehen haben, dass Frauen leistungsstark, innovativ und sehr ehrgeizig sind. Heute gibt es mindestens 20 Prozent Frauen unter den Forschern. Das ist positiv. Doch die gläserne Decke besteht weiterhin. Nach 30 Jahren Forschungstätigkeit in Österreich, davon zehn Jahre an der Montanuniversität und 20 Jahre im Unternehmen, muss ich leider sagen, dass es in dieser Hinsicht wenig Fortschritt gab. International tut sich aber einiges. In Norwegen müssen im Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften mindestens 40 Prozent Frauen sein, in den Niederlanden und in Frankreich werden ähnliche Gesetze diskutiert.

Wie hat sich Ihre Position im Unternehmen entwickelt?

Ich habe als Projektleiterin begonnen und bin noch immer Projektleiterin.

Welche hierarchischen Stufen hätten Sie als Technikerin erklimmen können?

Als Bereichsleiterin leitet man eine Gruppe von fünf bis sechs Akademikern und trifft Entscheidungen über die Forschungsprojekte. Auf der nächsten Ebene ist man für bestimmte Produkte für verschiedenste Industriezweige verantwortlich.

Wie wäre schätzungsweise Ihr Weg verlaufen, wenn Sie in Polen geblieben wären?

Da wäre ich schon längst Universitätsprofessorin. Ich will aber nicht über meinen Weg in Österreich klagen. Ich habe hier die Chance bekommen, zu forschen und mich beruflich weiter zu entwickeln. Ich habe mehrmals das Fachgebiet komplett gewechselt und musste mich in eine neue Materie einarbeiten. Das war so, als ich von Krakau nach Leoben ging, das war so, als ich bei Radex begann. Das bedeutete Lernen und Lesen, viele Wochenenden mit den Fachbüchern. Nun bin ich 64 und gehe im Jänner 2010 in Pension, doch ich werde für RHI weiter als Beraterin tätig sein. Ich betrachte diesen Vorschlag von RHI als Wertschätzung und Anerkennung meiner bisherigen Leistung.

Margareta Bugajski
DIin Dr.in techn. Margareta Bugajski

RHI Refractories, Technologie Center Leoben

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023