Expertin des Monats
Mai 2010
DIin Brigitte Gübitz

DIin Brigitte Gübitz ist FEMtech Expertin des Monats Mai.

Die 1968 in Graz geborene Brigitte Gübitz studierte Technische Chemie an der Technischen Universität Graz und macht seit 2008 das Doktoratsstudium an der Doctoral School Verfahrenstechnik ebenfalls an der TU Graz.

Seit 2001 ist die Cheminkerin bei VTU Engineering beschäftigt und leitet die Projekte für GxP-konforme Anlagenplanung und Produktion, Qualifizierung, Validierung und Risikomanagement im Pharma- und Medizinproduktebereich.Sie berät dabei Kunden wie Arzneimittel- und Wirkstoffhersteller, Krankenhäuser und Anstaltsapotheken, Anlagen- und Softwarelieferanten bezüglich der regulatorischen Anforderungen an Herstellanlagen von pharmazeutischen Produkten, Wirkstoffen und Medizinprodukten. Zurzeit arbeitet sie zusätzlich am Research Center Pharmaceutical Engineering GmbH in Graz an ihrer Dissertation zum Thema ,,Risikomanagement im Quality by Design" im Bereich der Arzneimittelherstellung und -entwicklung. Für den steirischen Humantechnologie Cluster ,,Human Technology Styria" hat sie in den letzten fünf Jahren das QM /GMP- Qualifizierungsprogramm aufgebaut, das sie auch fachlich leitet und weiter entwickelt.

Als Mutter von zwei Kindern hat die Diplomingenieurin natürlich auch mit der Vereinbarkeit von Beruf, Studium und den Kindern zu kämpfen. "Für mich stand es nie zur Debatte, nach der Geburt meiner Kinder nicht mehr arbeiten zu gehen. Ich finde es eigentlich schade, dass viele Männer nicht die Möglichkeit haben, Teilzeit zu arbeiten und so beides - Beruf und Familie - zu genießen."

Interview

Frau Gübitz, Sie haben technische Chemie in Graz studiert. Wie sind Sie auf das Studium gekommen?

Meine Schulzeit hat mich in der Studienwahl beeinflusst. Im Gymnasium hatte ich  sehr gute LehrerInnen in Chemie, Physik und Sprachen. Ein Sprachstudium erschien mir zu brotlos und schließlich entschied ich mich für das Chemiestudium, weil ich mir in diesem Fachbereich das interessanteste Berufsbild vorstellte.

Und wieso technische Chemie?

Einerseits weil man sagte, dass hier die Jobaussichten besser wären, und andererseits weil man auf der TU auch den Studienzweig Biochemie/ -technologie wählen konnte, der mich sehr interessiert hat.

Haben Ihre Eltern Sie bei Ihrer Studienwahl unterstützt?

Das war bei mir nicht so, denn meine Eltern haben beide nicht studiert, und konnten mich bei meiner Studienwahl nicht unterstützen. Das Studium habe ich mir selber ausgesucht.

Hatten Sie sich nach dem Studium bereits Jobangebote?

Nach dem Studium habe ich noch 3 Monate am Institut gearbeitet, an dem ich meine Diplomarbeit geschrieben habe. Ich wollte aber unbedingt ins Ausland gehen. Ich hatte die Wahl eine Dissertation an der University of British Columbia in Canada zu machen oder zu einer Tochterfirma von Fresenius nach Deutschland zu gehen. Und damals war für mich ganz klar, dass ich in die Industrie gehen möchte.

Und seit 2001 sind Sie bei VTU Engineering GmbH. Was sind hier ihre Aufgaben?

VTU ist ein innovatives Engineering Unternehmen für die Branchen Pharma und Chemie. Ich bin dort als Projektleiterin im Pharma- und Medizinproduktebereich tätig. Zu meinen Aufgabengebieten zählen die Beratung unserer Kunden bzgl. der regulatorischen Anforderungen an die Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln bzw. Medizinprodukte sowie deren praxisgerechte Umsetzung. Unsere Kunden sind Arzneimittel-, Wirkstoff- und Medizinproduktehersteller, Krankenhäuser und Apotheken, Anlagen- und Softwarelieferanten, Speditionen.

Für VTU Engineering führe ich Kunden sowie intern Schulungen im Bereich GxP durch. Weiters bin ich auch Referentin und Modulleiterin der Human Technology Styria.

Zurzeit machen Sie Ihr Doktoratsstudium in Verfahrenstechnik. Da sind Sie parallel beim Research Center Pharmaceutical Engineering GmbH beschäftigt.

Genau. Das Research Center wurde im Juni 2008 im Rahmen des COMET K1-Programmes in Graz gegründet. Es ist ein außeruniversitäresForschungsunternehmen auf dem Gebiet der pharmazeutischen Prozess- und Produktentwicklung und beschäftigt sich unter anderem mit ,,Quality by Design". Das ist ein neuer Weg bei der Entwicklung von Arzneimitteln. Früher ging man oft nach der ,,trial and error" Methode vor, jetzt wird die Entwicklung von Arzneimitteln von einer fundierten wissenschaftlichen Forschung begleitet. Ich beschäftige mich in meiner Dissertation mit der Kombination der Themenbereiche Qualitäts-, Risiko- und Knowledgemanagement. Für die Bereiche Risikomanagement und Quality by Design entwickeln wir eine Software, die auf einem semantischen Netzwerk beruht. Der Fachbegriff dafür heißt ,,Ontologie". Mittels Ontologien können Daten die in herkömmlichen Datenbanken gespeichert sind strukturiert, verknüpft und in Relation gesetzt werden, sodass es UserInnen zum Beispiel möglich ist in diesen Datenbanken mittels gezielter Fragestellungen zu suchen und automatisch die entsprechenden Antworten zu erhalten. D. h. es wird aus den Daten über die Ontologie Wissen generiert.

Das ist eine neue Art Informationen zugänglich zu machen und nach Informationen zu suchen. Dafür entwickeln wir einerseits eine GMP konforme Vorgehensweise sowie die Software per se.

VTU hatte im Jahr 2007 ein FEMtech Karriere Projekt durchgeführt. Hat sich durch das Projekt im Unternehmen nachhaltig die Förderung von Mitarbeiterinnen etabliert?

Ich weiß nicht, ob jetzt nur durch das Projekt Veränderungen im Unternehmen aufgetreten sind. Ich denke, es ist die Summe aller getroffener Maßnahmen, die auch dazu geführt haben, dass VTU 2009 von der in elf Ländern durchgeführten Hewitt-Studie zum attraktivsten Arbeitgeber Österreichs gewählt wurde. Die Einstellung zu Personen mit Betreuungspflichten bei VTU ist jetzt eine sehr offene. Man hat z.B. die Möglichkeit flexibel und frei zu arbeiten. Nach der Geburt meiner beiden Kinder war es für meinen Chef nie das Thema, dass ich in meinem alten Job weiterarbeite.

Wann sind Sie nach der Geburt Ihrer Kinder wieder in den Job eingestiegen?

Ich war gar nicht in Karenz, sondern bin gleich nach dem Mutterschutz wieder in den Job zurückgekommen. Vor dem Mutterschutz war ich Projektleiterin, habe mir einen Teil der Arbeiten behalten und bin gleich nach dem Mutterschutz wieder in den Job zurückgewechselt, zunächst mit zehn Stunden. Das war möglich, weil ich auch von meiner Familie Unterstützung erhalten habe.

Sie sind Projektleiterin bei VTU. Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in einer leitenden Funktion gemacht?

Im Medizintechnikbereich bin ich bei Meetings und Schulungen sehr oft die einzige Frau. Aber ich habe mit Männern nie schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn man sich als kompetente Person etabliert, hat man als Frau sogar Vorteile, weil man zuvorkommender von den Männern behandelt wird.

Was ist das Faszinierende an Ihrem Beruf?

Für mich ist das Faszinierende, dass ich mit vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen (Produktion, Technik, IT, Qualitätssicherung) zusammenarbeite. Ich brauche sehr viel Geschick, damit nicht nur unter einander in den jeweiligen Fachsprachen geredet wird, sondern auch miteinander.

Sie waren Mentorin beim generation innovation Projekt. Hatten Sie selbst einEn MentorIn?

Nein, hatte ich nicht - aber immer wieder FörderInnen. Aber mir ist jetzt dieses Mentoring Programm sehr wichtig. Meine Mentee ist 16 und ihr Berufswunsch ist zur Zeit Hebamme, Medizin oder vielleicht doch etwas ganz anderes. In ihren Überlegungen welche Ausbildung sie machen will, sehe ich, dass ich Ihr Spektrum an möglichen Berufen erweitern konnte.

Das heißt, dass Sie von Ihrem Mentee als Role Model gesehen werden?

Ja, denn Kinder und Jugendliche lernen über Vorbildfunktionen. Und wenn sie eine Frau in einem technischen Beruf sehen, dann ist es etwas Normales, nur wenn sie dort keine Frauen sehen, dann hat es für sie etwas ,,Exotisches". Deshalb sind Role Models ganz, ganz wichtig.

Ab wann sollte man Ihrer Meinung nach Kindern technische Berufe näher bringen?

Da kann man gar nicht früh genug anfangen. Meine Tochter ist jetzt fünf. Mein Mann und ich bemühen uns beide ihr die Technik genauso schmackhaft zu machen, wie unserem Sohn. Auch VTU und RPCE machen diesbezüglich nächstes Jahr ein Projekt an Volksschulen.

Was würden Sie jungen Frauen empfehlen, die einen ähnlichen Karriereweg einschlagen wollen?

Frauen sollen den Schritt in die Technik machen, denn da gibt es nichts, was eine Frau nicht kann. Technische Berufe sind nicht unweiblich. Dieses Vorurteil gab es als ich Studentin war. Da hat man die Mädchen vom Maschinenbaustudium belächelt. Damals haben sich vielleicht diese Frauen auch nicht getraut, sich als Frauen zu präsentieren. Es braucht Mut zu sagen, ich mache das und traue mir das gleiche zu wie die Männer.

Viele Menschen stellen fest, dass es sehr schwierig ist, Privatleben und Karriere zu vereinbaren. Wie erleben Sie das?

Mein Mann und ich haben uns vorab natürlich sehr genau überlegt, wie wir Familie und Karriere vereinbaren wollen. Wir haben für uns festgelegt, dass ich halbtags arbeiten werde und er ganztags. Diese Entscheidung haben wir beide getroffen, die ich auch nicht bereue. Ich habe vorab schon ganztags Krabbelstuben und Kindergärten ausfindig gemacht. Und wir haben uns deshalb auch ganz bewusst in Graz angesiedelt, wo es diese Angebote gibt und wir eine Oma haben. Ich denke, es ist ganz wichtig diese Fragen vorab zu klären. Und ich brauche einen Partner mit dem ich mir die Betreuungspflichten aufteilen kann. Daran muss man als Frau auch arbeiten.

Was sind ihre beruflichen Ziele?

Meine Dissertation fertig zu machen. Solange meine Kinder mich noch brauchen, werde ich nicht ganztags arbeiten. Aber dann möchte ich meine berufliche Karriere in Richtung MitarbeiterInnenführung ausbauen.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Nicole Kajtna.

Brigitte Gübitz
DIin Brigitte Gübitz

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023