Expertin des Monats
Juli 2010
DIin Maria Tiefenbach

DIin Maria Tiefenbach ist FEMtech Expertin des Monats Juli.

Maria Tiefenbach, geboren 1962 in Gmünd, studierte Landschaftsökologie und -gestaltung an der Universität für Bodenkultur in Wien. Mit ihrer Diplomarbeit zum Thema ,,Entwicklung der Vegetation im Einflussbereich des Aluminiumwerkes Ranshofen", die sie am Institut für Botanik sowie am Zentrum für Umwelt und Naturschutz schrieb, hat sie Grundlagenwissen mit Umweltschutz verbunden.

Seit 2002 leitet Maria Tiefenbach die Abteilung Biologische Vielfalt und Naturschutz am Umweltbundesamt in Wien. Zu ihren Aufgaben gehören die organisatorische und inhaltliche Steuerung der Abteilung sowie die Mitarbeit in diversen nationalen und internationalen Projekten. Dazu gehören derzeit das EU-Projekt ,,Sustainable Use of Regional Funds for Nature", in dem Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität für das Förderprogramm des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung erarbeitet werden. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt von Maria Tiefenbach ist ihre Mitarbeit bei der Entwicklung von Indikatoren für die Evaluierung der Österreichischen Nationalparks für das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Ebenso arbeitet die Landschaftsökologin in den internen Führungsgremien des Umweltbundesamtes mit und ist an dessen strategischer Ausrichtung beteiligt. Sie ist Leiterin der Österreichischen Naturschutzplattform, Mitglied der nationalen Biodiversitätskommission und Mitglied der Österreichischen Vereinigung für Agrar-, Lebens- und Umweltwissenschaftliche Forschung.

Interview

Die Generalversammlung der UNO hat 2010 zumInternationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Sie arbeiten in diesem Themenfeld. Was versteht man unter Biodiversität?

Biodiversität oder biologische Vielfalt ist die Vielfalt von Lebensräumen und Arten und auch die genetische Vielfalt. 

Werden Sie als Expertin im Fachbereich Biodiversität dieses Jahr besonders als Referentin/Interviewpartnerin angefragt?

Ja, das ist so. Nicht nur ich, sondern die gesamte Abteilung ist gefordert.  Ö1 hat zum Beispiel  einen Schwerpunkt gestaltet. Besonders gefragt war unser Wissen zum Status der Biodiversität in Österreich. Ein Anhaltspunkt dafür sind die Roten Listen, die den Gefährdungsstatus der einzelnen Tier- und Pflanzenarten und auch der unterschiedlichen Lebensräume zeigen. Seit Bestehen des Umweltbundesamt koordinieren wir diese Arbeiten in Österreich. Andere Themen, zu denen wir immer wieder angefragt werden, sind gebietsfremde Arten oder Arten, die nur in Österreich vorkommen, die Endemiten.

Was macht das Umweltbundesamt genau?

Das Umweltbundesamt wurde 1985 als österreichische ExpertInneneinrichtung gegründet, die alle Umweltthemen und -medien von Abfall, Biodiversität, Boden, über Landwirtschaft, Luft, Klima, Raumplanung bis Verkehr und Wasser bearbeitet. Mittlerweile sind wir fast 500 MitarbeiterInnen, die sich mit den Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf das Klima, mit den Einflüssen auf Umwelt und Gesundheit durch Schadstoffe und mit dem Spannungsfeld zwischen Schützen und Nützen der Ressourcen - insbesondere der natürlichen -auseinandersetzen. 

Hauptaufgaben des Umweltbundesamtes sind Umweltdaten zu erheben, zu analysieren und zu interpretieren und diese Umweltinformationen aufzubereiten. Auf Basis der Umweltdaten entwickeln wir Programme und Maßnahmen, um umweltpolitische Ziele zu erreichen - und wir evaluieren auch ihre Wirksamkeit.  Zusätzlich zu detaillierten themenspezifischen Berichten verfassen wir alle drei Jahre den  Umweltkontrollbericht, darin zeigen wir die Umweltsituation in Österreich und geben Empfehlungen für die Verbesserung der Umweltsituation. Viele meiner KollegInnen im Umweltbundesamt  sind auch international tätig, als PartnerInnen und BeraterInnen internationaler Organisationen wie der EU-Kommission,  der Europäischen Umweltagentur, der OECD, etc.

Aktuell arbeiten Sie in dem EU-Projekt "Sustainable Use of Regional Funds for Nature" mit. Worum geht es in diesem Projekt?

Zunächst schauen wir uns die Fördermöglichkeiten der Strukturfonds  für Maßnahmen im Bereich des Naturschutzes im EU Vergleich an. Jeder Staat hat da eine andere Vorgangsweise gewählt. In Österreich zum Beispiel werden Biodiversitätsmaßnahmen mit EU Kofinanzierung im Rahmen der ländlichen Entwicklung gefördert, in anderen Mitgliedsstaaten erfolgt die Förderung von Naturschutzmaßnahmen auch aus Strukturfondsmitteln. Ausgehend von dieser Analyse entwickeln wir Empfehlungen für die nächste Programmperiode, die 2014 beginnt. Übergeordnetes Ziel ist, dass in Summe mehr finanzielle Ressourcen für Maßnahmen  zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zur Verfügung stehen.

Machen Sie noch weitere Projekte zum Thema ,,Biodiversität"?

Ein Schwerpunkt ist unsere Tätigkeit für die EU-Kommission und die Europäische Umweltagentur. Als Mitglied im Europäischen Topic Centre Biodiversity arbeiten wir zum Beispiel an der  Entwicklung der Berichtspflichten gemäß Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie mit.

Das Umweltbundesamt hat im Zuge der Erweiterung der EU in vielen südosteuropäischen Ländern Projekte durchgeführt, um europäische Umwelt-Richtlinien in die nationale Gesetzgebung umzusetzen oder die Verwaltung dieser Länder fit dafür zu machen. In einigen Projekten stand auch der Naturschutz im Mittelpunkt. Aktuell arbeiten wir gerade gemeinsam mit dem serbischen Umweltministerium in Serbien an der Einführung und Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und des dazugehörigen Natura 2000-Schutzgebietsnetzwerks. Aber auch in Österreich sind wir für die Naturschutzabteilungen der Bundesländer bei der Implementierung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie tätig.

Weitere Arbeitsschwerpunkte in Österreich sind die Erfassung und Bewertung der Auswirkungen von gebietsfremden Arten sowie auch die Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels oder auch des Einsatzes von erneuerbaren Energien auf die Biodiversität.

Wie sollen sich die Förderungen den Naturschutz betreffend auf EU-Ebene weiter entwickeln?

Die Förderung von Naturschutzmaßnahmen ist in der EU nicht einheitlich geregelt - sie sind in bestehenden Fördertöpfen, wie Strukturfonds oder Agrarfonds,  integriert.  Eine Ausnahme ist das Programm LIFE+.  Fest steht wohl, dass die  verfügbaren Finanzmittel wie in vielen anderen Bereichen auch nicht erhöht  werden. Es wird also darum gehen, die vorhandenen Mittel noch zielgerichteter einzusetzen.  Da sind auch neue Methoden und Instrumente gefragt. Wir diskutieren auf EU-Ebene und auch national, ob und wie man dafür die Bewertung von Ökosystemleistungen heranziehen kann. Ökosystemleistungen sind  Leistungen, die die biologische Vielfalt für den Menschen erbringt - prominentes Beispiel ist die CO2-Speicherung von Wäldern, Mooren oder Grünland.

Landwirtschaftliche Nutzung und biologische Vielfalt sind das unvereinbare Gegensätze?

In unseren Breiten überhaupt nicht. Natürlich gibt es  einige Lebensräume in Österreich, wo jede Nutzung auszuschließen ist: Beispielweise der  Urwald Rothwald. Dann gibt es auch Lebensräume, wo eine landwirtschaftliche Nutzung aufgrund der natürlichen Gegebenheiten ausgeschlossen ist, wie in primären Trockenrasen oder im Hochgebirge. Und dann gibt es noch  die sekundären Trockenrasen oder die Almen, die erst durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu dem geworden sind, was sie sind - Hotspots der biologischen Vielfalt. Hier brauchen die Arten die Bewirtschaftung.  Innerhalb der landwirtschaftlichen Produktionsgebiete sind jedenfalls auch ungenutzte oder extensiv genutzte Flächen wichtig, die vielen Arten Lebensraum bieten und auch als Verbindungselemente zwischen den Populationen dienen können.

Der globale Rückgang der biologischen Vielfalt ist spätestens seit Rio 1992 ein Faktum. Was kann jedEr einzelne zum Erhalt der Biodiversität beitragen?

GartenbesitzerInnen können darauf achten,  dass im Garten auch  Natur belassene Flächen sind, z.B.  den Rasen nicht auf einmal zu mähen, somit sind  immer Rückzugsorte vorhanden oder Rückzugsbereiche für Tiere zu schaffen.  Indirekt beeinflussen wir auch durch unser Konsum- und Mobilitätsverhalten die Situation der  biologischen Vielfalt.

Wie unterstützen wir ganz konkret durch unser Konsumverhalten die biologische Vielfalt?

Indem wir biologische Produkte kaufen, unterstützen wir eine bestimmte Produktion von Nahrungsmitteln, die zum Beispiel auf die Verwendung künstlichen Düngern oder den Einsatz von Pestiziden verzichtet. Diese Flächen dienen dann wesentlich mehr Arten als Lebensraum als konventionell bewirtschaftete Gebiete.

Zwentendorf und der saure Regen waren Ihre Motivation sich dem Umweltschutz zu widmen...

Damals habe ich mir überlegt - will ich etwas für den Menschen oder die Umwelt machen. Ich bin zwischen Volkswirtschaft und Umweltschutz gestanden. Ich habe mich für letzteres entschieden und bin heute froh darüber, denn über den Umweltschutz mache ich auch etwas für die Menschen.

Sie haben Landschaftsplanung und -pflege auf der Universität für Bodenkultur studiert. Wie sind sie zum Naturschutz gekommen?

Durch Zufall, mein Antrieb war der Umweltschutz.  Ich habe während des Studiums schon im Umweltbundesamt gearbeitet und daraus hat sich ein langfristiges Arbeitsverhältnis entwickelt. Ich bin sehr froh, dass ich mein Fachgebiet mit dem Naturschutz erweitern konnte. Die Beschäftigung mit der lebenden Umwelt, die Faszination, die von der Schönheit der Natur ausgeht, ist für mich persönlich bereichernd. Das Motto ,,Biodiversität ist Leben" des heurigen UN-Jahres der Biodiversität unterstreicht meiner Meinung sehr prägnant die hohe Bedeutung der biologischen Vielfalt.    

Der Naturschutz begleitet Sie seit mehr als 30 Jahren. Was hat sich in dieser Zeit in der Naturschutzdebatte in Österreich verändert?

In dieser Zeit hat sich sehr viel verändert. Heute haben wir sechs Nationalparks in Österreich - zu meiner Anfangszeit im Umweltbundesamt gab es keinen einzigen. Durch den EU-Beitritt ist viel in Bewegung geraten. Die EU-Naturschutzrichtlinien haben definitiv einen Elan in Österreichs Naturschutz ausgelöst. Wie in anderen Themenfeldern auch hat sich ein Bewusstsein für ein Miteinander entwickelt. Das Aufeinanderprallen der Fronten ist passé. Nur wenn wir alle NutzerInnengruppen einbeziehen, können wir etwas erreichen.

Wenn Sie von Fronten sprechen: Die Besetzung der Hainburger Au ist in Ihre Studienzeit gefallen. Wie haben Sie Hainburg erlebt?

Ich war dort und hatte ehrlicherweise auch Angst. Es war überhaupt nicht klar, wie weit diese Besetzung eskalieren würde. Das massive Auftreten der Staatsgewalt war für mich erschreckend. Es war ein Glück, dass die Ausschreitungen nicht ausgeufert sind.

Glauben Sie, dass die Zeit für aktionistisches Handeln vorbei ist?

Das glaube ich nicht. Ich denke, dass man nach wie vor durch solche Aktionen politische EntscheidungsträgerInnen zu Reaktionen bewegen kann.

Was ist das Faszinierende an Ihrem Beruf?

Mir gefällt die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Menschen an einem Thema, das mir ein persönliches Anliegen ist.

Sie üben mehrere leitende Tätigkeiten aus und sind Mitglied in zahlreichen Gremien und Kommissionen. Glauben Sie, dass Frauen anders führen als Männer?

Ja, das glaube ich schon.

Sie arbeiten in Ihrem beruflichen Umfeld vor allem mit Männern zusammen. Wie erleben Sie es, in einem männlich dominierten Bereich tätig zu sein?

Teilweise erlebe ich das immer noch als Herausforderung. Die  Atmosphäre ist anders, wenn ich als einzige Frau oder als eine der wenigen Frauen unter vielen Männern bin. Da habe ich schon das Gefühl, dass ich mich immer wieder behaupten muss.

Wie hoch ist der Frauenanteil beim wissenschaftlichen Personal im Umweltbundesamt?

Das Umweltbundesamt beschäftigt zurzeit 476 Personen, der Frauenanteil unter den AkademikerInnen beträgt 51% und bei den Führungskräften liegt der Frauenanteil bei 43%.

Sie haben zwei Kinder. Wie sehen Sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Hat sich an Ihrer Arbeit etwas geändert, seit Sie Kinder haben?

Ich bin erst nach meinem Wiedereinstieg Abteilungsleiterin geworden. Meine Arbeitszeiten haben sich im Vergleich zur Zeit vor den Kindern deutlich verändert.  - Im Moment arbeite ich Teilzeit und ich arbeite oft von zuhause. Das Umweltbundesamt ist ein sehr familienfreundliches Unternehmen und lässt sehr flexible und individuelle Arbeitszeitmodelle zu, in meinem Fall ideal.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es zu einem anderen Umgang mit unseren Ressourcen kommt. Meine Vision ist, dass Naturschutz nicht mehr notwendig ist, weil die Aspekte des Schützens in das Wirtschaften integriert wurden.

Die nächste internationale Konferenz zur biologischen Vielfalt ist im Herbst in Japan. Glauben Sie, dass es dieses Mal zu einem verbindlichen internationalen Abkommen kommen wird?

Sicherlich wird die Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt eine Reihe von Beschlüssen verabschieden. Wie konkret die beschlossenen Maßnahmen dann sein werden, wird man sehen.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Nicole Kajtna.

Maria Tiefenbach
DIin Maria Tiefenbach

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023