Expertin des Monats
Juli 2011
Prof.in DIin Dr.in Veronika Schöpf

Für den Monat Juli ist die Wahl auf Diin Drin Veronika Schöpf gefallen gefallen.

Veronika Schöpf ist Gehirnforscherin an der Universitätsklinik für Radiodiagnostik in der Abteilung für Neuroradiologie. Dort erforscht sie das olfaktorische System des Menschen. Unter anderem beschäftigt sie sich mit dem Einfluss von Chemosignalen auf das Verhalten und den Einfluss von fetaler Magnetresonanztomographie auf das emotionale und psychophysiologische Befinden von risikoschwangeren Frauen.

Die gebürtige Tirolerin maturierte ursprünglich an einem Wirtschaftkundlichen Realgymnasium und studierte Technische Mathematik an der Universität Innsbruck. Über den Professor, bei dem sie Diplomarbeit schrieb, gelangte sie zu einem Projekt des Instituts für Gerichtsmedizin and der Medizinischen Universität Innsbruck, bei welchem sie nach systematischen Fehlern in DNA-Datenbänken suchte. Nach ihrer Diplomarbeit ging Veronika Schöpf nach München, wo sie in Humanbiologie promovierte und in einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe über den Geruchssinn tätig war. Vor drei Jahren kam sie schließlich nach Wien.

Interview

Frau Schöpf, Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universitätsklinik für Radiodiagnostik in Wien. Was sind hier Ihre Hauptaufgaben?

Meine Hauptaufgaben sind die Unterstützung im klinischen Bereich bei der funktionellen Bildgebung. Das bedeutet bei der präoperativen Planung von Epilepsiepatienten oder Tumorpatienten  zu schauen, welche Areale im Gehirn werden von dem Tumor verdrängt und liegen jetzt woanders als sie bei einem gesunden Menschen liegen. Wir schauen uns an, wohin sich das reorganisiert hat, damit der Neurochirurg dann später weiß, wenn er operiert, wo er was wegschneiden darf und wo nicht. z. B. wenn der Tumor genau dort ist, wo eigentlich das Areal für die Hand ist, dann schauen wir, wohin sich das jetzt verändert hat, damit der Patient nach der Operation die Hand noch bewegen kann.

Dann hab ich ein eigenes großes Forschungsprojekt. Ich beschäftige mich mit Anosmikern, mit Leuten, die nicht riechen können. Wir schauen uns an, wie sich durch ein gezieltes Riechtraining verschiedene Bereiche des Gehirn umorganisieren können, oder wir Funktionen erhalten können, von denen wir gar nicht gedacht haben, dass sie fürs Riechen zuständig sind bei der funktionellen Anosmie.

Ich beschäftige mich, nachdem ich Mathematikerin bin, auch sehr viel mit explorativen Datenverfahren. Ich hab auch selber eines entwickelt für die Auswertung von fMRI-Gruppendaten und mache seit einem Jahr fMRI in utero, also am ungeboren Kind. Wir haben erstmals versucht, die sogenannten Resting State-Netzwerke, diese Ruhe-Netzwerke, die derzeit ein totaler Hype in der Neuro-Science-Community sind, auch schon in utero darzustellen. Das ist ein ganz toller Schritt in Richtung des Verstehens, wie sich das Gehirn entwickelt. Vielleicht können wir in Zukunft, bevor wir eine morphologische Veränderung sehen z.B. eine strukturelle Veränderung durch einen Tumor oder durch eine Blutung, dass wir vorher schon sehen, dass sich funktionell etwas geändert hat. Man schaut sich einfach den Entwicklungsverlauf in utero schon an. Das Gehirn schaut ja bei jedem anders aus. Es schaut natürlich auch in utero bei jedem anders aus. Die Frage ist, ist das jetzt gefährlich oder nicht?

Kann sich das jetzt auswachsen, wenn die Funktion ganz normal da ist und die Strukturverbindungen ganz normal da sind? Wie  treffen wir dann eine Aussage darüber, ob das Ungeborene später eine ganz normale Entwicklung durchleben wird. Oder wenn sich im Gehirn etwas umorganisiert hat, ob etwas verdrängt worden ist durch einen Tumor oder durch ein Zyste, die gar nicht so tragisch ist, aber das kann man vielleicht in dem Ausmaß davor noch nicht sagen. Sicher sind wir im Moment weit davon weg, bei jedem Patienten so eine Aussage zu treffen, aber vielleicht können wir das in den nächsten 5-6 oder 7 Jahren.

Sprechen Sie hier von Langzeitstudien?

Wir sind hier in der Grundlagenforschung in dem Fall. Es geht hier sehr viel um Daten, das tun wir sehr gern und es macht extrem viel Spaß. Man kämpft mit Problemen, die man sonst nicht hat. Wenn man einer normalen Patientin oder einem normalen Patienten oder einer Propandin/ einem Probanden sagt, ,,Bitte bewegen Sie sich nicht!", dann ist das kein Problem, und man kann diese Ruhenetzwerke-Messungen machen. Der Fetus gehorcht selten den Anweisungen, die man ihm gibt. Also man kämpft mit ganz anderen Problemen, die aber dann wieder zu anderen Lösungen führen, die man wieder für was anderes verwenden kann. Es ist eine Herausforderung und es dauert etwas länger.

Sie haben im Rahmen Ihrer Forschungstätigkeit einige Preise und Auszeichnungen erhalten. Was war bisher Ihr schönster Erfolg in der Forschung?

Mein schönster Erfolg liegt noch nicht weit zurück. Es war das erste eigene Projekt. Die Idee dafür hatte ich vor 3½  Jahren. Das ist das Projekt mit den AnosmikerInnen, die nicht riechen können.

Eine große Unterstützung war für mich, dass ich vom Programm Brainpower unterstütz wurde bei meinem Umzug nach Österreich. Es wurden die Kosten für die Bewerbungsgespäche und den Umzug übernommen. In einer Phase, wo man wirklich am Existenzminimum lebt als Doktorand, war das eine große Hilfe. In habe vorher in Deutschland geforscht und mein Arbeitsgruppe hat sich aufgelöst und es hat keine Finanzierung mehr gegeben. Weil mir das Großstadtleben aber sehr gut gefällt und ich auch mehr an der Homebase in Österreich sein wollte, hab ich recherchiert, dass Österreich eines der ersten 7 Tesla MR-Geräte hat und mich am dann beim MR Exzellenzzentrum beworben.Ich arbeitete dann zwar am AKH-Gelände, hatte aber nichts mit Patienten-Betrieb zu tun. Ganz anders als es jetzt hier auf der Neuroradiologie ist.

Haben Sie deshalb keinen weißen Kittel an?

Ich bin ja keine Ärztin und ich finde, ich strahle genug Vertrauen für die Patienten aus. Ich habe sogar drei weiße Kittel, die ich aber nur anziehe, wenn ich im Labor Chemikalien mische, um mich zu schützen, oder wenn ich Blutproben transportiere usw. Es ist noch nie passiert, dass ich nicht ernst genommen wurde, weil ich keinen weißen Kittel trage, auch wenn ich sehr jung aussehe, das weiß ich schon.

Was ist denn das Faszinierende an Ihrem Beruf?

Das Faszinierende ist, dass man sich selber Dinge ausdenken kann und, dass diese Ideen einfach entstehen, ohne dass man jetzt gezielt darüber nachdenkt. Man stößt auf ein Problem, man sucht eine Lösung und wenn man es dann gelöst hat, kommt etwas raus und es hat einen Benefit für Patienten oder für weitere Forschung, dann ist das extrem schön. Mich fasziniert immer wieder, dass das aus den eigenen Gedanken entstehen kann. Man ist eigentlich frei. Wenn man den richtigen Chef oder die richtige Chefin hat, kann man ziemlich das machen, was man will. Ich bin durchaus für gewisse Bereiche zuständig und das mach ich auch, aber ich hab daneben genug Zeit, meine eigenen Ideen zu verwirklichen. Es gibt immer eine Plattform, wo man das mit anderen diskutieren kann. Das ist das schöne an dem Betrieb: es gibt so viel tollen interdisziplinären Input. Manche sagen ja, ,,mit dem oder der würde ich jetzt nicht reden, weil das ist ein Psychologe oder eine Psychologin". Aber da muss man wirklich davon abgehen, auch wenn man viel über MedizinerInnen schimpft, und ich hab ja viel mit ihnen jeden Tag zu tun. Der Input, den man bekommt, der ist einfach großartig. Das ist von allen Seiten echt wichtig. Von PsychologInnen, von PhysikerInnen, von ErnährungswissenschafterInnen und von BiologInnen. Das ist schon ganz wichtig und richtig, dass wir alle gemeinsam an einem großen Ziel arbeiten.

Sie haben hier eine Chefin. Ist das untypisch, dass hier auch Frauen in leitenden Positionen sind?

Es ist hier total untypisch. Ich habe jetzt meine erste Frau als Chefin, eine wirklich faszinierende Persönlichkeit. Sie ist sicher mit Abstand die beste Führungsperson, die ich jemals hatte. Man merkt, dass sie sich sehr früh schon über sehr vieles Gedanken machen musste. Sie weiß genau wer mit wem und was wo angebracht ist. Sehr viel hat sie im Vorrhinein schon durchgedacht. Das hilft mir sehr bei meinem weiteren Plan und ich sehe, dass sie voll und ganz hinter mir steht und mich machen lässt, aber schon zeigt, was gut wäre.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit Menschen zu beschäftigen, die den Geruchsinn verloren haben?

Meine Diplomarbeit schrieb ich in Zusammenarbeit mit der Gerichtsmedizin in Innsbruck, wo ich etwas in dieses medizinische Genre hineingerutscht bin und hab mich dann in München an der LMU,  an der Neuroradiologie, beworben und da war die Ausschreibung einfach nur: ,,es ist die Arbeitsgruppe für funktionelle Bildgebung des olfaktorischen Systems des Menschen". Ich wusste nicht einmal, was olfaktorisch bedeutet. Ich dachte nur ,,bildgebend" und ,,mathematisch", stand da geschrieben, und ,,Datenauswertung". Das klang für mich spannend. Ich habe mich dort beworben und dadurch bin ich in den ,,Geruchsinn" hineingerutscht, es war purer Zufall.

Wie verliert man den Geruchsinn?

Entweder durch einen Unfall, z.B. wenn etwas durchtrennt wurde im Gehirn, oder man kann von Geburt an nicht riechen oder funktionell, durch einen Schnupfen z. B. oder durch ein psychisches Trauma. Das ist sehr schwer für die Leute.

Es ist deshalb so schwer, weil das olfaktorische System sich in drei Bereiche gliedert, und ein Bereich davon ist im limbischen System verankert, das für unsere Emotionen zuständig ist. Deswegen ist es so, dass jeder von uns weiß, dass wenn jemand auf der Straße geht und es kommt jemand vorbei, der das Parfum der ersten großen Liebe oben hat, dann wird sich unser Kopf aber so was von schlagartig drehen, weil das einfach damit verankert ist. Das ist einfach ein Anordnungsproblem sozusagen, weil ein Teil des Geruchszentrums mit den Emotionen so eng verknüpft ist, können wir das gar nicht anders. Das Sehen ist rein anordnungstechnisch viel weiter hinten. Beim Geruchsinn ist das rein anatomisch so verankert.

Ist Ihr Ziel, den Menschen zu helfen?

Es gibt ja keine Therapie, von der man weiß, dass sie wirklich hilft. Bis auf dieses ,,Riechtraining", das Professor Hummel 2009 das erste Mal publiziert hat. Wir wollen den Patienten dieses Riechtraining anbieten und dabei zu schauen, was passiert denn da im Gehirn, weil irgendwas muss ja passieren, da die PatientInnen ja schon einmal riechen konnten. Die Frage ist, wie sich das umorganisiert hat, und, können durch dieses Training Zusammenhänge wieder hergestellt oder verstärkt werden? Wir wollen das etwas populärer machen und bei uns anbieten, aber in erster Linie schauen, was da passiert, um es besser zu verstehen für die Zukunft. Vielleicht kann man irgendwann einmal Leuten mit anderen Geruchserkrankungen helfen.

Sie haben technische Mathematik studiert. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie eine technische Ausbildung gewählt haben?

Die Frage hab ich mir nie gestellt. Ich wollte immer schon Mathematik studieren. Ich hab das toll gefunden, wusste aber trotzdem nicht, was auf mich zukommt. Es war klar, dass ich nicht Lehrerin werden wollte. Ich wollte aber mit Mathematik zu tun haben. Mir war nicht bewusst, dass die Schul-Mathematik rein gar nichts mit dem Studium Mathematik gemeinsam hat. Es hat mir aber nichts ausgemacht. Es hat mir von Anfang an sehr gut gefallen. Es ist eine ganze andere Welt.

Haben Ihre Eltern Sie in Ihrer Studienwahl beeinflusst?

Ja und nein. Meine Mutter ist Mathematiklehrerin und kann sich für das Lehren der Materie sehr begeistern. Prinzipiell war ich aber komplett frei in meiner Studienwahl.

Dann haben Sie jedoch das Doktorat in Humanbiologie gemacht, wieso kam dieser Wechsel?

Ich kam eben dann nach München und es stand mir frei, ob ich ein Doktorat mache oder ein Doktor rerum biol. Es war ein Problem einen Betreuer zu finden auf der Technik in München. Ich hab immer mehr hineingeschnuppert, was das Gehirn ist und was es macht. Da bemerkte ich, das gefällt mir sehr gut. Ich hab dann die Neuro-Anatomie-Prüfung usw. nachgemacht und alles hat sich wie von selbst ergeben. Ich hab dort Vorlesungen besucht, damit ich mich besser auskenne und dann ging es los.

Ab wann war denn Ihr Weg in die Forschung klar?

Das war überhaupt nie klar. Ich habe geglaubt, ich mache nach dem Diplom nicht weiter, oder ich mache nach der Dissertation nicht weiter. Der Weg ist schon sehr zäh. Womit man wirklich ein Problem hat und wo man wirklich mit sich kämpfen muss, ist diese ständige Existenzangst. Man hat nie Verträge, die länger dauern als 3 Monate. Es ist besonders mühsam, wenn man Leute sieht, die gleich alt sind oder mit denen man aufgewachsen ist, und die haben richtige Verträge mit Kündigungsfristen und alles. Davon muss man sich eben irgendwann frei machen.

Es ist ja die eigene Arbeit, die bezieht sich immer auf einem selbst, es ist nicht die Firma, die schuld ist, denn man hat sich ja die Dinge selber ausgedacht. Es kommen dann die Reviews zurück von Konferenzen und da steht dann halt drinnen: ,,There are no meaningful results in this paper. Man lernt den Umgang damit erst, wenn man Leute kennenlernt die so richtige Koryphäen sind und die alle anderen kennen, die in dieser Community sind, und die einem dann erzählen, dass sie dieses Papier, dass jetzt 500 mal zitiert wird, 15 mal eingereicht haben, bevor ihnen geglaubt wurde.

Sie engagieren sich in der Nachwuchsförderung von WissenschafterInnen im Rahmen des bmvit Programmes fti...remixed. Wo sehen Sie die Barrieren für Frauen in der technologieorientierten Forschung?

Was ich am meisten erfahren habe, vor allem, wenn ich Praktikantinnen oder Ferialpraktikantinnen zu betreuen hatte, dass sie sich schwer mit dem Umfeld tun - mit Leuten, die austeilen, mit Ellbogen um sich werfen, eben in Männerdomänen. Sie kennen diesen anderen Umgang nicht. Erstens die Arbeitswelt, da ist nicht jeder freundlich und da muss man manchmal aufpassen, was man sagt, und das auch noch auf einer Ebene, wo das Geschlechterverhältnis ganz atypisch gemischt ist. Damit haben viele Probleme. Aber ich spreche das auch ganz gezielt an. Ganz am Anfang, als ich das erste Mal Praktikantinnen hatte, waren die mit mir ganz anders als mit den Kollegen. Als ich das ansprach, sagten sie, die schauen so komisch. Aber man muss einfach darüber reden und ihnen sagen, auch die kochen nur mit Wasser und die sind genauso unsicher, aber die können halt nicht anders und wir müssen da drüber stehen. Es ist eher ein zwischenmenschliches Problem.

Bei den Förderungen muss ich sagen, sind die Frauen ganz gut aufgestellt sind, wobei ich sagen muss, dass ich selbst noch keine Frauenförderung bekomme. Das ist extrem schwierig. Ich habe mich heuer für Herta Firnberg beworben und war sehr traurig, dass ich es nicht bekommen habe, aber meine Zeit ist ja noch nicht abgelaufen. Ich habe ja noch ein Jahr. Ich denke, es gibt Frauenförderung, aber nicht genug. Es gibt prinzipiell zu wenig Förderung.

Aber ich muss sagen an der Med-Uni gibt es total tolle Kurse für Frauen, von denen ich schon sehr viele besucht habe. Das verschafft mir einfach einen Vorteil. In  Kleingruppen von fünf Leuten lernt man erstens die anderen kennen, die in der gleichen Situation sind und das ist sehr wichtig, dass man viele Leute aus dem Arbeitsumfeld, in dem man tätig ist, kennt. Das schult mich in Schreiben, Teambuilding, Zeitmanagement. Die Med-Uni ist da wirklich gut aufgestellt.

Was ist für Sie beruflicher Erfolg?

Die Verlängerung der Publikationsliste - publizieren, sich habilitieren und dann eine Stelle mit Qualifizierungsvereinbarung zu bekommen, das sind meine Ziele in der nahen Zukunft.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Nicole Kajtna

Veronika Schöpf
Prof.in DIin Dr.in Veronika Schöpf

Institut für Psychologie, Sektion Neuropsychologie

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023