Expertin des Monats
Sept. 2011
Univ. Doz.in Dr.in Sylvia Blümel

Im September ist die Wahl auf Univ. Doz.in DIin DrinSylvia Blümel gefallen.

Die im deutschen Marl geborene Wissenschafterin studierte Agrarwissenschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien, wo sie 1989 promovierte und sich 10 Jahre später habilitierte. Seit 2003 ist Sylvia Blümel Institutsleiterin des Instituts für Pflanzengesundheit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), an dessen Aufbau sie wesentlich beteiligt war. Zusätzlich lehrt Sylvia Blümel an der Universität für Bodenkultur.

Interview

Frau Blümel, Sie sind Institutsleiterin des Instituts für Pflanzengesundheit der AGES. Welches sind hier Ihre Schwerpunkte?

Zunächst möchte ich kurz erläutern, dass das Institut für Pflanzengesundheit eines von 10 Fachinstituten des Geschäftsbereiches Landwirtschaft an der österreichischen Ernährungsagentur ist. Die österreichische Ernährungsagentur umfaßt sieben Geschäftsbereiche und ist eine GesmbH im staatlichen Besitz und wird vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und vom Bundesministerium für Gesundheit finanziert.

Derzeit arbeite ich mit dem Institut daran ein nationales österreichisches Referenzlabor für Quarantäne-Schadorganismen an Pflanzen zu etablieren. Dieses soll Teil eines europäischen Netzwerks und Netzwerkknotenpunkt sein, mit einer Aufgaben-Spezialisierung und einem gewissen Work-Sharing mit regionalen Partnern, z.B. kleineren Staaten in Südosteuropa. Wir haben innerhalb von 10 Jahren diese Diagnoseschiene für phytosanitäre Schaderreger komplett neu aufgebaut, noch dazu mit Qualitätssicherung. Damit sind wir sind die Einzigen auf diesem Gebiet in Österreich.

Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt stellen Untersuchungen zur Veränderung des Auftretens von neuen und invasiven Schaderregern an Pflanzen und pflanzliches Produkten im Zusammenhang mit dem Klimawandel dar, mit denen wir vor kurzem begonnen haben. Die Themen Pflanzengesundheit und Quarantäneschadorganismen bekommen zunehmend einen größeren Stellenwert, weil diese Schaderreger über den Handel, aufgrund der Globalisierung und des Wegfalls von Handelsbeschränkungen viel leichter verbreitet werden. Auf der anderen Seite verändert sich auch die natürliche Verbreitung, weil sich Klimawandel-Effekte bemerkbar machen.

Was fasziniert Sie an dem Thema Pflanzenschutz?

Ich habe mich einfach immer schon für Biologie und für Pflanzen und Tiere interessiert und habe dabei auch vorgehabt, in der der angewandten Richtung etwas zu tun und nicht nur in der Theorie zu bleiben. Ich wollte mein erlangtes Wissen praktisch irgendwie umsetzen oder anwenden können.

Dann habe ich mir gedacht, dass ich das Thema Biologie in angewandter Richtung ich in der Landwirtschaft oder in der Pflanzenproduktion finde und darüber bin ich dann auch zum Studium der Agrarwissenschaften gekommen.

Gab es sonst noch Gründe für die Wahl eines naturwissenschaftlichen Studiums?

Möglicherweise gibt es eine familiäre Vorbelastung, weil mein Vater Chemiker ist und meine Mutter Pharmazeutin, und daher häufig über naturwissenschaftliche Themen zu Hause gesprochen wurde, aber ansonsten war es reines Interesse und nicht weil jemand aus der Familie einen engeren Bezug zur Landwirtschaft hatte. Ich denke, mein Interesse wurde auch sehr stark durch die Schule geweckt, da damals in Deutschland im Rahmen der reformierten Oberstufe am Gymnasium Biologie und Chemie als Leistungskurse angeboten wurden. Außerdem hatten wir Lehrer, die z.T. vorher Assistenten auf der Universität waren. Das hat einem dann schon ein bisschen Einblick in eine gewisse Tiefe ermöglicht, in einem Alter in dem das normalerweise in der Schule nicht so üblich war.

Wieso sind Sie nach dem Studium nicht an der Universität als Wissenschafterin geblieben?

Also zu dem Zeitpunkt, als ich mein Studium beendet habe, war es sehr schwierig an der Universität direkt eine Stelle zu finden und die damalige Bundesanstalt für Pflanzenschutz, also der Vor-Vorläufer der jetzigen Pflanzenschutzfachinstitute der AGES Landwirtschaft, hat einen hohen Anteil an wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Ich habe dann meine erste provisorische Anstellung an der damaligen Bundesanstalt für Pflanzenschutz bekommen. Seither habe ich dort gearbeitet und nebenher meine Dissertation bearbeitet. Ich habe verschiedene fachliche und hierarchische Stufen durchlaufen, durch verschiedene Abteilungen und habe mich dann nebenher noch habilitiert. Ich habe mich allerdings sehr spät entschieden, dass ich mich für eine Habilitation dann anmelden oder bewerben werde. Zu der Zeit, als meine Habilitation schon in 
der laufenden Bewerbung war, hat sich auch die Möglichkeit angeboten, sich für das Ordinariat des Instituts für Pflanzenschutz zu bewerben - für die Professur.

Und das habe ich dann auch getan, bin dann erstgereiht aber nicht ausgewählt worden. Dann bin ich doch hier im Haus (damals Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft) verblieben, weil aufgrund einer Reorganisation sich auch eine Möglichkeit ergeben hat, eine etwas höherwertige Leitungsfunktion im Rahmen des neu geschaffenen Institutes für Pflanzengesundheit zu übernehmen.

Wo sehen Sie den Unterschied zu einer Führungsposition an der Universität?

Ich denke, dass die Möglichkeiten fachlich im Versuchs- und Entwicklungsbereich zu arbeiten an der Universität nach wie vor etwas größer sind, obwohl ich glaube, dass sich auch dort die Rahmenbedingungen für Leitungsfunktionen wesentlich verändert haben gegenüber den Funktionen einer Professur oder leitenden Funktionen vor zehn, zwanzig Jahren. Ich denke, dass heute Leitungsfunktionen professioneller mit Führungskräfteschulungen, Training der social skills und so weiter, verbunden werden, als dies früher der Fall war, was naturgemäß auch ein bisschen zu Lasten der fachlichen Qualifikation geht, weil beides einfach zeitlich nicht immer zu verbinden ist. Man muss dann von der eigenen Spezialisierung und vom Tiefgang in der Forschung ein bisschen Abschied nehmen und sich mehr dem Management in Rahmen einer Leitungsfunktion widmen, und im außeruniversitären Fachbereich wahrscheinlich mehr, als es auf einer Universität erforderlich ist.

Darüber hinaus finde ich, dass wir hier (an der AGES) doch sehr viel Tagesgeschäft zu erledigen haben. Das betrifft einerseits öffentliche Erfordernisse, aber auch die Anforderungen von den Eigentümern oder von der Wirtschaft (Aufträge). Die Außenbestimmtheit ist aus meiner Sicht in so einem Unternehmen, wie das an dem ich jetzt bin, wesentlich größer als an einer Universität.

Was ist wiederum das Reizvolle daran?

Das Reizvolle ist, dass man den Eindruck hat, dass man tatsächlich mit Problemen aus der Praxis, aus der Wirtschaft, aus der Bevölkerung direkt konfrontiert wird und dafür auch Lösungen anbieten kann.

Darüber hinaus lehren Sie an der BOKU?

Ja, seit 1994, damals habe ich als Lehrbeauftragte begonnen. Aber im Prinzip mit dem gleichen Themeninhalt der Vorlesung, und zwar der integrierten und biologischen Schädlingsbekämpfung im Gartenbau. Das ist eigentlich auch mein Spezialgebiet von der Forschung her gewesen.

Werden chemische Pflanzenschutzmittel in Zukunft überhaupt auf den Markt gebracht?

Es schließt sich jetzt ein bisschen der Kreis, weil wir wissen, dass chemische Pflanzenschutzmittel in Zukunft weniger verfügbar sein werden. Es werden nicht mehr so leicht neue Produkte entwickelt und auf den Markt gebracht. Und im Gegenzug wird es immer mehr neue Schaderreger geben. Das heißt, es ergibt sich so eine Schere zwischen der Verfügbarkeit der Kontrollmaßnahmen und -mittel, 
auch aus Umweltschutzgründen unter anderem und dem Auftreten und der Bedrohung durch Pflanzenschaderreger. Und da bieten eigentlich der biologische Pflanzenschutz oder der integrierte Pflanzenschutz im Moment die besten Ansatzpunkte um diese Probleme besser und vor allem mit dem schönen Begriff ,,nachhaltiger" auch in den Griff zu bekommen. Daher ist es eine ganz gute Verknüpfung von beiden Themengebieten.

Was bedeutet ,,integrierter Pflanzenschutz"?

Integrierter Pflanzenschutz bedeutet, dass man alle Pflanzenschutzmaßnahmen und Methoden, die ökonomisch und ökologisch die beste Möglichkeit zur Kontrolle des Schaderregers bieten, um ihn unter einer bestimmten Schadschwelle zu halten, kombiniert. Man zieht daraus den größten Nutzen für den Schutz der Pflanzen.

Sie sind in einer Führungsposition tätig. Glauben Sie, dass Führung in Teilzeit möglich ist?

Ja, ich glaube, dass es möglich ist, aber dass man sehr diszipliniert sein muss. Ich selber habe mir diese Frage noch nie stellen müssen, aber ich habe Kolleginnen, die Familie haben und in Teilzeit arbeiten.

Das heißt, Sie unterstützen dieses Konzept als Institutsleiterin. Haben Sie dazu institutionalisierte Modelle?

Es gibt immer mehr Arbeitszeitmodelle die auf die Bedürfnisse von berufstätigen Menschen, die Familie haben, zugeschnitten sind. Das hat sich sehr entwickelt in der letzten Zeit. Ich glaube, es gibt kein Patentrezept, man soll da einfach verschiedene Möglichkeiten anbieten und man muss in jedem Einzelfall schauen, ob die Kollegin oder der Kollege damit klarkommen und die Umwelt (am 
Arbeitsplatz) muss bereit sein, da mitzutun. Ich denke, das Angebot sollte da sein, nur muss man im Einzelfall prüfen, ob es dann funktioniert. Also ich bemühe mich z.B. Rücksicht auf meine Teilzeit-Kolleginnen zu nehmen bei der Planung von Meetings. Ich schaue halt nach, an welchen Tagen sie nicht da sind oder früher gehen, und kläre dann ab, ob das für alle in Ordnung ist, wenn wir die Sitzung oder die Jour Fix an einem anderen Tag abhalten.

Die AGES hat ja auch ein Projekt zur Verbesserung von Chancengleichheit im Betrieb durchgeführt, das von FEMtech gefördert wurde. Worum ging es da genau?

Dieses Projekt hatte im Wesentlichen die Aufgabe, herauszufinden, wo ein Verbesserungsbedarf für die Schaffung von Arbeitsbedingungen besteht. Um das herauszufinden, hat es eine große Fragebogenaktion gegeben. Zusätzlich wurde überprüft, ob junge Wissenschafterinnen genug Fortbildungsmöglichkeiten haben und wie diese mit Familie zu vereinbaren sind. Es wurde auch untersucht, ob sie genug Unterstützung durch Vorgesetzte dazu haben. Danach hat man begonnen Arbeitsplatzbeschreibungen zu verändern und neue Kategorien zu schaffen für Wissenschaftlerinnen.

Interessant dabei war, dass die Frauen ein bisschen den Eindruck hatten, dass andere Dinge für sie im Beruf und in der Karriereentwicklung wichtiger sind als für Männer und dass sie von Vorgesetzten auch anders wahrgenommen werden.

Wie wichtig finden Sie Eigenmarketing für Frauen in Naturwissenschaft und Technik?

Ich glaube, Frauen müssten mehr lernen, wie sie sich präsentieren. Bei öffentlichen Präsentationen schneiden Frauen oft sehr gut ab. Das andere ist das Netzwerken im Stillen und sich Kontakte aufzubauen und die auch zu nützen. Hier sehe ich Frauen weniger. Ich habe den Eindruck, dass Frauen viele Dinge die hilfreich sein könnten im Kontaktaufbau, anders bewerten als Männer.

Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Zukunft?

Also zunächst einmal würde ich gern das Institut noch ein bisschen weiterentwickeln. Wenn sich dann noch eine neue, übergeordnete Tätigkeit ergäbe, wäre das für mich durchaus auch interessant.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Beatrix Hausner

Sylvia Blümel
Univ. Doz.in Dr.in Sylvia Blümel

AGES, Institut f. Pflanzengesundheit

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023