Expertin des Monats
Jan. 2012
DIin Dagmar Karisch-Gierer

Im Jänner ist die Wahl auf Dagmar Karisch-Gierer gefallen.

Nach dem Studium der Forstwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien begann Dagmar Karisch-Gierer bereits 1998 ihre Karriere am Ländlichen Fortbildungsinstitut Steiermark als Projektleiterin. Sie leitete unter anderem den Arbeitskreis zur betriebswirtschaftlichen Höherqualifizierung in der Forstwirtschaft und entwickelte ein neues Geschäftsfeld "Waldbiomasseversorgung-SÜDOST" durch die vorrangige Nutzung bisher ruhender Holzreserven. Ihre Kernaufgabe ist die Aus- und Weiterbildung von Menschen, die in der Forstwirtschaft tätig sind. Ein Schwerpunkt liegt bei der Stärkung von Frauen in der Forstwirtschaft.

Interview

Frau Karisch-Gierer, ,,Frauen und Wald" ist nicht unbedingt ein alltägliches Thema, da der Wald doch eher noch als eine Männerdomäne gesehen wird. Wie sind Sie zum Thema ,,Wald" gekommen?

Meine Verbindung zum Thema Wald kam eher zufällig. Ich bin in einem kleinen ,,Kuhdorf" groß geworden und habe dementsprechend viel Zeit in meiner Kindheit in Ställen und in der Natur verbracht, weil mir das einfach Spaß gemacht hat. Aus diesem Grund habe ich mir zuerst überlegt, auf der Universität für Bodenkultur in Wien Landwirtschaft zu studieren.

Vor dem Beginn des Studiums habe ich mir dann die verschiedenen Studienzweige der Landwirtschaft näher angeschaut und im ersten Moment war nichts Passendens dabei. Nach einem ,,Bedenksemester" hat mich meine damalige Nachbarin, die eine Eigenjagd hatte, auf die Idee gebracht, Forstwirtschaft zu studieren. Und so bin ich in die Forstwirtschaft ,,gerutscht". Wobei mich im Nachhinein betrachtet das Studium der Agrarökonomie auch interessiert hätte. Zu Beginn meines Studiums ist das irgendwie untergegangen, und ich habe mich dann eben für die Forstwirtschaft entschieden.

Die Universität für Bodenkultur bietet ja eine sehr fundierte Ausbildung im Bereich der Naturwissenschaften. War zu der Ihrer Studienzeit das Thema ,,Frauen in der Forstwirtschaft" schon ein wichtiger Punkt? Oder waren Frauen auf der Uni noch Exotinnen?

Wir waren damals keine totalen Exotinnen, es gab schätzungsweise einen Frauenanteil von 10% - also der Hauptteil der Studierenden waren auf jeden Fall Männer. Wir fühlten uns aber eigentlich nicht als Minderheit oder als Exotinnen. Das Thema ,,Frauen in der Forstwirtschaft" war noch kein Thema, das wurde nicht extra diskutiert oder in irgendeiner Weise behandelt.

Gab es unter den Unterrichtenden auf der Universität Frauen also Professorinnen oder in der Forstwirtschaft Frauen als role models die eine gewisse Vorbildwirkung auf Sie hatten?

Ich erinnere mich jetzt konkret nur an eine Professorin, es gab auch keine Assistentinnen. Auch im Bereich der role models könnte ich jetzt niemanden nennen.

Aber wie bereits erwähnt, war die Gender-Frage für uns damals noch kein Thema. Wir haben zwar festgestellt, dass der Frauenanteil sowohl unter den Studierenden als auch unter den aktiv im Bereich der Forstwirtschaft tätigen Personen gering ist - damit war das Thema aber erledigt. Man konnte schon spüren, dass manche Studienkollegen Vorbehalte gegenüber Frauen in der Forstwirtschaft hatten, aber man umgibt sich dann ja nicht mit diesen Personen, sondern sucht sich einen Kreis, der diese Vorbehalte nicht hat.

Das heißt zusammenfassend, dass das Thema ,,Frauen in der Forstwirtschaft" eigentlich erst mit Ihrer Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist!

Ja das ergab sich erst im Laufe meiner Arbeiten, und da ergab es sich auch eher zufällig.

Nach Ihrem Studium haben Sie ziemlich schnell leitende Funktionen in verschiedenen Projekten übernommen. Im Rückblick, wie war diese Anfangszeit für Sie?

Grundsätzlich kannte ich die diese Art von Projekten und ihre Durchführungsweise schon aus meiner Praxiszeit während des Studiums. Es war also nicht unbedingt etwas völlig Neues für mich. Dabei muss ich auch erwähnen, dass die meisten Projekte in der Forstwirtschaft nicht unbedingt ein großes Team betreffen und die Leitung somit weniger Aufgaben umfasst als das vielleicht in anderen Bereichen der Fall ist. Dafür macht man von A bis Z fast alles bei der Projektleitung und ist auch für alles verantwortlich.

Weiters hatte ich im Rahmen meiner Projekte immer das Glück, hilfreiche KollegInnen zu haben, und ich hatte auch immer einen Mentor oder eine Mentorin an meiner Seite. Ich fühlte mich selten alleine oder überfordert -ich musste schon eigenständig agieren, aber es gab immer jemanden an meiner Seite, der mir geholfen hast und mit Rat zur Stelle war.

Derzeit sind Sie sehr aktiv tätig, um Frauen in der Forstwirtschaft zu unterstützen. Ein spannendes Projekt ist ,,Wald in Frauenhänden". Können Sie das Projekt näher ausführen?

Das Projekt ist insofern eine sehr spannende Sache, weil die Entstehungsgeschichte eine sehr interessante für mich war. Ich bin vor ungefähr eineinhalb Jahren vom Geschäftsführer der Waldverband Steiermark GmbH angesprochen worden, dass das Unternehmen verstärkt Waldbesitzerinnen direkt ansprechen und in die Aktivitäten des Waldverbandes integrieren möchte. Ziel war es, Frauen und Waldbesitzerinnen als aktive Mitglieder und Kundinnen mehr hervorzuheben und auf ihre Bedürfnisse, Ansprüche und Ideen einzugehen.

Interessanter weise meldete sich dann zwei Wochen später ein anderer forstlicher Verband mit genau der gleichen Zielsetzung, was mich dann doch überrascht hat, da Frauen in der Forstwirtschaft bis dato nicht im Vordergrund der Bemühungen standen.

Wir haben dann mit beiden Institutionen gemeinsam das Projekt ,,Wald in Frauenhänden" gestartet, bei dem Frauen für die Forstwirtschaft und ihren eigenen Waldbesitz sensibilisiert und aktiv in das Verbandsgeschehen eingebunden werden.

Ist dieses Projekt somit der Einstieg in das Thema ,,Frauen in der Forstwirtschaft" gewesen?

Nein, davor kam die Gründung des Vereins ,,Forstfrauen", wobei dies mehr als ein privates Projekt zu werten ist.

Als Gründerin und Obfrau vom Verein ,,Forstfrauen" ist dieses Projekt aus Ihrer Initiative entstanden. Wie kam die Idee der ,,Forstfrauen" auf?

Die Idee zum Verein ist eigentlich zufällig im Zuge einer sogenannten Wirtschaftsführertagung, das ist eine regelmäßig stattfindende Sitzung von Waldbesitzern und Betriebsleitern, entstanden. Diese Sitzungen sind sehr stark männerdominiert, und ich sitze dort meist entweder als einzige Frau oder als eine von wenigen drinnen. An diesem Tag habe dort eine Kollegin getroffen, mit der ich mich nachher noch zusammengesetzt habe. Im Gespräch haben wir beiläufig festgestellt, wie angenehm es ist, sich einmal ,,unter Frauen" über aktuelle Themen auszutauschen. Das bedeutet nicht, dass wir unsere männlichen Kollegen nicht schätzen, da ging es mehr um neue Ansätze und vielleicht doch unterschiedliche Sichtweisen zwischen Männern und Frauen.

Und das war dann sozusagen die Gründungsstunde der ,,Forstfrauen". Der Verein dient somit in erster Linie der Vernetzung und Förderung von Frauen in der Branche. Wir haben auch zahlreiche Mitglieder in unterschiedlichen und vor allem auch höheren Positionen, was speziell für junge Frauen von Vorteil sein kann, da sie so auch Mentorinnen oder role models finden können.

Das heißt, Ihr Verein fördert einerseits den Zusammenhalt und andererseits die Vernetzung der Frauen in der Branche! Würden Sie sagen, dass der Zusammenhalt unter den Frauen in der Branche sehr stark ist bzw. von Nöten ist?

Das ist schwer zu sagen.Aber im Rahmen meiner Vereinstätigkeit merke ich schon, dass es einen inneren Kreis an sehr aktiven Mitgliedern ist, die sich stark engagieren und gut miteinander vernetzen, und andere, die zwar Mitglied sind, sich aber wenig bis gar nicht einbringen. Das hat mir speziell in der ersten Zeit zu denken gegeben. Mittlerweile habe ich es akzeptiert, dass die Bedürfnisse da eben unterschiedlich sind.

Wie reagierten die Forstmänner auf diese Initiative? Gibt es da Resonanzen?

Ich würde sagen, am Anfang waren schon einige etwas ,,verstört" so nach dem Motto ,,Wofür brauchen die das, wir sind ja eh nett zu unseren Kolleginnen". Dabei war es ja nie unser Ziel, uns gegen unsere männlichen Kollegen aufzulehnen. Vielmehr ging es, wie bereits erwähnt, darum, etwas für uns zu tun, uns auszutauschen und zu vernetzen.

Ziel war es sozusagen, die Frauen in der Forstwirtschaft präsenter zu machen und aufzuzeigen, wo und in welchen Positionen Kolleginnen zu finden sind.

Genau. Am Anfang wurde es von manchen als Anti-Männer-Bewegung aufgefasst, obwohl wir das dezidiert nie waren. Unsere Statuten sind bewusst geschlechtsneutral verfasst, und wir haben auch männliche Mitglieder, die sehr aktiv sind. Grundsätzlich muss ich aber festhalten, dass die meisten Reaktionen positiv und zustimmend waren.

Aus Ihrer Erfahrung wie sehen Sie spezielle Frauenförderung im Rahmen von Projekten und Initiativen? Ist diese in heutigen Zeiten überhaupt noch nötig?

Persönlich glaube ich schon, dass spezielle Frauenförderungsmaßnahmen nach wie vor nötig sind. Wobei wir das auch immer wieder vereinsintern diskutieren und einige Kolleginnen die Meinung vertreten, dass engagierte Frauen und deren Leistung sich ohnehin durchsetzen werden, sodass wir doch keine spezielle Förderung brauchen.. Das mag in einzelnen Fällen auch so sein, aber ich denke, dass Fleiß allein zu wenig ist, sonst wären wir in vielen Fragen schon wesentlich weiter, nicht nur in der Forstwirtschaft. Natürlich wäre es mir lieber, wenn wir keine spezielle Frauenförderung oder sogar Quotenregelung bräuchten, aber ich denke, dass sie noch einige Zeit nötig sein werden. Lieb und fleißig zu sein, wie Frauen das oft sind, ist aus meiner Sicht zu wenig.

Wie sieht das Thema Frauen im Bereich der Privatforstwirtschaft aus?

Ich denke, in der Privatforstwirtschaft wird das Thema ,,Frauen" nicht unbedingt als relevant angesehen. Der Frauenanteil dort ist verschwindend gering, und ich glaube nicht daran, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Vor allem nicht, wenn die Männer das nicht von sich aus ändern wollen. Auf der Ebene öffentlicher oder quasi-öffentlicher Dienstgeber sieht das anders aus, da gibt es Bestrebungen, Frauen bewusst zu fördern.

Private Forstbetriebe sind großteils Kleinstunternehmen, die aus wenigen Mitarbeitern bestehen und sehr klassisch geführt werden. Hier gibt es noch wenig Umdenken, was Frauen in Führungsrollen angeht, ganz zu schweigen von potentiellen familienbedingten Ausfällen. Da gibt es auch keine flexiblen, familienfreundlichen Vorzeigemodelle, allenfalls in Familienbetrieben.

Was wären Ihre Tipps für Frauen, die sich in der Forstwirtschaft etablieren wollen?

Mein erster Tipp ist ,,aktives Netzwerken". Das ist in einer Branche wie der Forstwirtschaft aufgrund der überschaubaren Größe auch relativ leicht - wobei Netzwerken nicht genderspezifisch gemeint ist. In der Forstwirtschaft lernt man rasch, was man in welchem Kreis bewegen kann und wo die entsprechenden Ansprechpartner sind.

Weiters würde ich allen raten, nicht an sich zu zweifeln und sich auch zu trauen sich zu präsentieren. Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob mich jemand als Frau akzeptiert oder nicht. Ich kann nicht sagen, ob ich Projekte nicht bekommen habe, weil ich eine Frau bin, aber ich habe immer tolle Projekte und spannende Arbeit gehabt und mich diesbezüglich nie benachteiligt gefühlt. Allerdings würde ich mir auch für mich selbst noch immer wünschen, dass es mir besser gelingt mich zu positionieren. Ich mache oft die Erfahrung, dass ich vermeintlich irrelevante Kommentare bei Sitzungen nicht abgebe - man will die Zeit ja nicht über Gebühr strapazieren. Drei Minuten später gibt dann oft ein Mann eben jenen Kommentar ab und hat sich alleine durch die Wortmeldung schon positioniert und seinen Status demonstriert. Ich finde, wir sollten uns stärker zu Wort melden und unsere Ansprüche aktiv einfordern, vor allem in einem Umfeld, das auch immer wieder stark auf Status und Statussymbole anspricht. Ich glaube, da fehlt es uns Frauen oft noch an der richtigen Selbstvermarktung. Dass die Arbeitsleistung auch passen muss, versteht sich von selbst.

Sie selbst haben eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Wie schaffen Sie es, Beruf und Familie zu vereinen?

Das ist in erster Linie Organisationsarbeit - ich habe arbeite derzeit in Vollzeit, habe aber flexible Arbeitszeiten, einen sehr verständnisvollen Chef, der selbst einen kleinen Sohn hat, und viel Resturlaub. Daher kann ich es mir einteilen, oft auch eine 4 Tagewoche zu haben. Außerdem ist mein Mann ein sehr aktiver Vater, der die Familie tatkräftig unterstützt, und wir haben tolle Großeltern die uns helfen. 

Natürlich bleibe auch ich vom in Österreich weit verbreiteten schlechten Gewissen nicht verschont, das wohl fast jede berufstätige Frau kennt. Für Hobbies und die viel zitierte work-life-balance bleibt nur wenig Zeit, weshalb ich schon ein wenig kürzer trete. Die 50- bis 60-Stunden-Wochen von früher gibt es jetzt nicht mehr, und mittelfristig werde ich meine Arbeitszeit ein wenig reduzieren, um nicht nur ,,am Strudeln" zu sein. Dennoch kann ich mir ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen. Umgekehrt möchte ich aber auch nicht laufend die Familie zugunsten der Arbeit in die zweite Reihe stellen. Also steht beides nebeneinander, und das System wird laufend austariert.

Zusammenfassend würden Sie jungen Frauen zum Studium der Forstwirtschaft bzw. zur Betätigung in der Forstwirtschaft raten?

Ja, das würde ich schon, wenn das ihren Interessen entspricht. Ein bisschen Kampfgeist sollten sie schon mitbringen. Die Forstwirtschaft hat sich an die Frauen gewöhnt und speziell das Projekt ,,Wald in Frauenhänden" ist für mich ein Signal, dass man die Frauen in der Forstwirtschaft positiv wahrnimmt. Weiters hat man erkannt, dass das Thema ,,Frauen und Forstwirtschaft" in der Öffentlichkeit Einiges an Aufmerksamkeit mit sich bringt, was der Forstwirtschaft als solcher Vorteile bringt. Ohnehin sind die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Marketing in der Forstwirtschaft oft in Frauenhänden zu finden. Was aber beileibe nicht heißen soll, dass die Frauen sich darauf beschränken sollen!

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Haben Sie einen Lieblingsbaum? Wenn ja, warum und wo steht er?

Mein Lieblingsbaum ist die Lärche, weil die Lärche ein leuchtender, hochgewachsener Baum ist, der zu allen Jahreszeiten schön ist.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führten Sabine Schellander und Jasmine Bachmann (ÖGUT).