Expertin des Monats
Mai 2012
DIin Ruth Moser

Im Mai ist die Wahl auf Ruth Moser gefallen.

Moser ist Managerin des UNESCO Biosphärenparks Großes Walsertal. Ihre Tätigkeitsfelder reichen von der Leitung der Geschäftsstelle, bis zur Konzeption, Koordination und Umsetzung von Projekten im Bereich nachhaltige Regionalentwicklung. Sie setzt sich besonders für eigenständige Erwerbstätigkeiten für Frauen in ländlichen Regionen ein.

Interview

Frau Moser, wir gratulieren Ihnen herzlich zur Wahl der FEMtech Expertin des Monats Mai! Seit 2006 leiten Sie den Biosphärenpark Großes Walsertal. Wie kam es dazu und was kann man sich unter einem Biosphärenpark vorstellen?

An sich habe ich mich für diesen Job beworben, das war eine Karenzvertretungsstelle. Ich wurde genommen und inzwischen ist das ein fixer Vertrag. Die Vorgeschichte wieso ich mich überhaupt beim Walsertal beworben habe: Ich war davor schon in Vorarlberg bei der Bodensee-Akademie und ich habe meine Diplomarbeit im großen Walsertal geschrieben - und zwar über die Vorratstätigkeiten von Frauen und deren kulturellen Sinn. Da habe ich mich natürlich über die Stellenausschreibung im Biosphärenpark gefreut. Ein Biosphärenpark basiert auf dem UNESCO-Forschungsprogramm ,,Man and the Biosphere", Biosphärenparks sind Modellregionen für nachhaltiges Leben und Wirtschaften. Das Ziel des Programms ist, die Mensch-Umwelt-Beziehungen zu erforschen und Wege für ein zukunftsfähiges Miteinander zu finden.

Biosphärenparks sind Regionen, in denen das modellhaft passieren soll und in denen globale Prinzipien der Nachhaltigkeit in tatsächliche lokale Praxis übersetzt werden sollen.

Können Sie uns etwas von laufenden Projekten erzählen, die im Rahmen des Biosphärenparks Großes Walsertal laufen?

Wir haben Programme, die schon über Jahre laufen, bspw. das Umweltbildungsprogramm ,,Abenteuer Biosphärenpark", das auch laufend erweitert wird, etwa durch Familienangebote oder das Angebot ,,Sprechendes Holz", ein BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung)-Modul für Dreizehn- bis Vierzehnjährige.

Auch unser Sommerprogramm gibt es schon seit Jahren. Das sind Aktivitäten, die ständig laufen. Im letzten Jahr haben wir einen Beteiligungsprozess zur Zukunft des Biosphärenparks gestartet. In verschiedenen Workshops haben wir Zukunftsthemen und strategische Fragen aufgegriffen: Wo müssen wir ansetzen, um eine gute Entwicklung der Region in den kommenden Jahren zu gewährleisten?Letztes Jahr gab es schon Workshops und wir haben heuer beschlossen, dass wir den Biosphärenpark-Tag in diesen Prozess eingliedern möchten. Dieser Tag soll überwiegend mit jungen Menschen aus diesem Tal in einem Prozess gestaltet werden. Daher ist es offen, wie der Tag genau ausschauen wird. Im transnationalen LEADER-Projekt cc.alps, bei dem auch das Große Walsertal mit dabei ist, geht es um das Thema Mobilität. Das ist jetzt gerade in den Startlöchern. Und wir haben die letzten zwei Jahren auch an der Einführung einer Regionalwährung - des ,,Walser Thalers" - gearbeitet, das hat sich aber bisher als recht schwierig erwiesen. Wir sind eine der österreichischen Klima- und Energie Modellregionen und wollen im Rahmen des ,,e-regio"-Projekts 100 % Selbstversorgung mit regionaler, erneuerbare Energie erreichen. Das sind einige der Aktivitäten, die derzeit laufen.

Sind da auch Aktivitäten dabei, die besonders Frauen fördern?

Frauenförderung läuft bspw. im Rahmen von ,,Alchemilla". Das Projekt wurde Ende 2006 gestartet und in den ersten Jahren vom Biosphärenpark Management begleitet. Inzwischen ist die Initiative stark von den Frauen getragen, die dabei sind. Da geht es darum, das Kräuterthema aufzugreifen und den Wert der Pflanzenvielfalt im großen Walsertal bewusst zu machen. Es gibt eine Palette von hochwertigen Kräuterprodukten und ein buntes Kursangebot. Ein weiteres wichtiges Anliegen des Projekts ist es, Frauen im Tal zu vernetzen und zu stärken. Ein anderer Aspekt ist auch, ein  Zusatzeinkommen für die Frauen, die beteiligt sind, zu generieren.

Also es werden eigene Produkte hergestellt?

Ja genau. Es gibt eine eigene Produktlinie, das sind Produkte, die eine ,,Seltenheit" sind, die in kleinem Rahmen hier lokal zu bekommen sind. Die Produkte werden handwerklich in den Küchen der Frauen hergestellt. Salben, Kräuterkissen und ähnliche Dinge. Der Qualitätsanspruch ist sehr hoch. Die gesammelten Kräuter stammen aus der Region, einiges muss man doch zukaufen, das ist dann fair gehandelt bzw. Bio.

Letztes Jahr haben wir auch beim Projekt ,,My Clime Mate" des Gemeindenetzwerks Allianz in den Alpen mitgewirkt. Das war ein Jugendaustauschprojekt zum Thema Klimawandel in den Alpen, bei dem junge Frauen aus dem Großen Walsertal mit dabei waren. Im Energiebereich werden die Aktivitäten sehr von Männern getragen. Deswegen hat es mich sehr gefreut, dass für dieses Austauschprojekt junge Frauen gewonnen werden konnten. Auch beim Biosphärenpark-Zukunftsprozess schauen wir darauf, dass wir vor allem auch junge Frauen dafür gewinnen können. Weil die Zukunft von peripheren Regionen wie dem Großen Walsertal meiner Meinung nach sehr stark davon abhängt, wie es gelingt jungen Frauen eine Perspektive zu bieten. Wenn es um die Zukunft hier im Tal geht, sind die Belange von jungen Frauen besonders wichtig.

Wie sehen Sie die Karrieremöglichkeiten von jungen Frauen und auch Männern in ländlichen Regionen?

Grundsätzlich ist die Jobsituation hier relativ schwierig. Im großen Walsertal leben etwa 3.400 Menschen und davon pendeln knapp 900 zur Arbeit. Im Tal gibt es Jobs im Handwerk, im Tourismus, in der Landwirtschaft und kleinen Gewerbebetrieben. Karrieremöglichkeiten in der Region selbst sind rar. Es gibt Einzelunternehmer bzw. Selbstständige und natürlich arbeiten auch im EDV-Bereich ein paar Leute. Der Vorteil im großen Walsertal ist, dass die Pendeldistanz nicht so groß ist. Es besteht die Möglichkeit, außerhalb des Tales teilweise ganz gute Jobs zu bekommen. Im ländlichen Raum ist es grundsätzlich nicht so leicht mit der Arbeitssituation, da spielen auch die Themen Kinderbetreuung, Infrastruktur sowie Nahversorgung eine Rolle. Ich denke, da sind ländliche Regionen sehr gefordert.

Welche Möglichkeiten gibt es, die Situation da zu verbessern? Haben Sie Ideen oder Empfehlungen?

Aus meiner Sicht ist ein wichtiger Punkt das Thema Kinderbetreuung, um es jungen Familien überhaupt zu ermöglichen im ländlichen Raum zu wohnen. Weil Frauen sehr wohl danach entscheiden. Es ist auch wichtig, das Angebot einfach zu schaffen. Konkret hat eine Gemeinde Kleinkind-Betreuung angeboten und das Angebot ist inzwischen ausgebucht bzw. es bestehen Wartelisten. Dabei ergaben Umfragen davor, dass es keinen hohen Bedarf dafür gibt. Es geht wirklich darum, erst ein Angebot zu schaffen, der Bedarf folgt dann. Schwierig ist sicher das Thema Dorfläden & Nahversorgung. Es hängt nicht nur vom ländlichen Raum ab, da sind auch hohe Kosten damit verbunden. Da muss man sich wohl auch überlegen, wie man Konzepte entwickeln kann, dass Nahversorgung im ländlichen Raum zukünftig tatsächlich gewährleistet werden kann. Wir haben versucht mit dem Walser Thaler, also mit Regionalgeld, die Wertschöpfung in der Region zu binden. Leider ist es uns bis jetzt noch nicht gelungen, mit der Botschaft in der Bevölkerung durchzukommen, dass der ,,Walser Thaler" der Unterstützung der Dorfläden dienen soll. Es gab eine gewisse Angst, dass die Kaufleute darauf sitzen bleiben. Regionalgeld ist ein komplexes Thema, das schwer zu kommunizieren ist. Bis es gut läuft, kann es länger dauern, zudem braucht es erst einmal einen Erfolg, damit sichtbar wird, was es bringt und das Vertrauen wächst. Es bräuchte auch mehr Leute, die es mittragen, vor allem auch politisch Verantwortliche. Vielleicht war die Zeit bisher noch nicht reif dafür.

Aber das Projekt lebt schon noch?

Es lebt noch, wir haben es jedoch zurückgefahren und einen Biosphärenpark-Gutschein aus dem ,,Walser Thaler" gemacht. Wir setzen derzeit weniger auf Kreisläufe, es gibt auch keine Rücktauschgebühren mehr. Wir hoffen, dass sich der ,,Walser Thaler" über diesen Weg halten und auch weiterentwickeln kann.

Jetzt habe ich eine Frage zu Ihrer Ausbildung. Sie haben an der Universität für Bodenkultur in Wien Landschaftsplanung und Landschaftspflege studiert, wie sind Sie auf die Idee zu dieser Studienrichtung gekommen?

ahl. Ich bin über Umwege zu dieser Studienwahl gekommen. Ich habe in Graz mit Architektur angefangen und dann auf die Boku gewechselt, zu Kulturtechnik und Wasserwirtschaft. Ich habe viel im Bereich Gewässerökologie und Siedlungswasserbau in Entwicklungsländern gemacht und mich dann mehr mit Gender-Themen befasst. Ich habe gesehen, dass ich mit feministischen Ansätzen in der Landschaftsplanung besser aufgehoben bin und bin daher umgestiegen. Das Studium habe ich dann abgeschlossen, der Wechsel war für mich ein guter und wichtiger Schritt. Da habe ich mich sehr gut wiedergefunden.

Wie hoch ist der Frauenanteil in dieser Studienrichtung?

In Landschaftsplanung ist er schätzungsweise 50:50.

Gab es während Ihrer Ausbildung Frauen, die eine Vorbildwirkung (role models) für Sie hatten?

Ja, schon. Ich habe viel am Institut für Landschaftsplanung gemacht, das war und ist ein sehr frauendominiertes Institut und diese Frauen waren sehr wichtig für mich.

Was ist Ihr Rat für junge Frauen sich in einem technischen/naturwissenschaftlich und zumeist männerdominierten Feld zu behaupten?

Ich denke es braucht ein wenig Beharrlichkeit und die Standfestigkeit, einfach den Weg zu gehen und keine Scheu vor technischen Themen zu haben. Wie ich junge Frauen erlebe, hat sich da schon einiges getan, hoffe ich zumindest.

Wie sieht so Ihr durchschnittlicher Arbeitstag aus?

Ich sitze eigentlich vor allem im Büro, habe immer wieder Besprechungen. Draußen unterwegs bin ich manchmal für Besprechungen oder fallweise mit Exkursionsgruppen. Aber es gibt sehr viel Büroarbeit. Ich sage immer, ein großer Teil meiner Arbeit ist organisieren und kommunizieren.

Wie sieht es da mit der Work-Life-Balance aus bei Ihnen?

Die ist ganz OK, ich bin 90 % angestellt, Überstunden werden mit Zeitausgleich abgebaut. Da habe ich schon Zeit für mich und andere Dinge.

Noch eine persönliche Frage: Was schätzen Sie am großen Walsertal besonders, oder was gefällt Ihnen da besonders gut?

Ich mag die Berge sehr gern und bin auch gern in den Bergen unterwegs. Das Tal ist landschaftlich sehr schön. Ich habe doch einige Jahre in Wien gelebt und rückkehrend hier in den ländlichen Raum, habe ich das zuerst einmal als schwierig empfunden. Jetzt schätze ich es, dass ich es beruflich wie auch privat mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun habe. Im städtischen Leben war mein Umfeld irgendwie homogener und so bin ich mehr gefordert.

Ist die Umstellung aufs Land groß gewesen?

Ja, die Umstellung war schon groß, es war manchmal nicht so leicht. Mir hat der Freundeskreis gefehlt, das Umfeld, Kulturangebote, die Art und Weise mobil zu sein in der Stadt. Es war relativ viel, was mir da gefehlt hat. Aber inzwischen ist es so, dass ich immer wieder nach Wien fahre. Ich habe die Kontakte gehalten, bin relativ mobil und viel unterwegs. Aber ich schätze auch, was der ländliche Raum bietet, es ist persönlicher, manchmal auch neugieriger, aber das macht ja nichts, das hat was.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Dr.in Katharina Sammer (ÖGUT).

Ruth Moser
DIin Ruth Moser

Biosphärenpark Großes Walsertal

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023