Expertin des Monats
Juni 2012
DI Dr. techn. Lara Lammer

Im Juni ist die Wahl auf Lara Lammer gefallen.

Seit 2009 arbeitet Lammer als Forschungsassistentin am Institut für Automation und Regelungstechnik in der Arbeitsgruppe Vision for Robotics an der Technischen Universität Wien im Bereich Mensch-Roboter Interaktion. Seit Mai 2012 ist sie Gruppenleiterin der interdisziplinären Forschungsgruppe ,,Task to Command". Das Ziel dieses Projektes besteht darin, Konzepte für Roboteranwendungen aus der Perspektive der Anwender- und Konsumentenseite zu erstellen. Sie ist auch im Projektteam des EU-Projekts ,,Hobbit" (http://hobbit-project.eu) unter der Leitung von Professor Markus Vincze, welches sie mit initiiert hat.

Interview

Herzliche Gratulation zur Wahl der FEMtech Expertin Juni! Frau Lammer, Sie arbeiten derzeit als Forschungsassistentin am Automation and Control Institute an der technischen Universität Wien und beschäftigen sich mit der Konzeption und Entwicklung von Robotern. Können Sie uns bitte etwas über Ihre Forschungstätigkeit erzählen?

Ja, gerne. Es hat so angefangen, dass ich zu Professor Markus Vincze gegangen bin und gesagt habe, dass ich gerne einen Roboter für ältere Menschen bauen würde. Und einige Zeit später hat sich die Gelegenheit dazu ergeben. Gemeinsam mit der Akademie der Altersforschung am Haus der Barmherzigkeit haben wir uns überlegt, wie so ein Roboter sein könnte und haben dann unter der Leitung von Prof. Wolfgang Zagler, Zentrum für Angewandte Assistierende Technologien an der TU Wien, gemeinsam mit den Partnern ein Konzept für ein EU-Proposal geschrieben und eingereicht. Das Projekt wurde angenommen und letztes Jahr im November gestartet. Es heißt HOBBIT - The Mutual Care Robot. Innerhalb des Projektes soll ein Roboter für ältere Menschen entwickelt werden, damit sie länger zuhause bleiben können und nicht ins Heim müssen. Natürlich ist das etwas schwierig und auch die Akzeptanz ist nicht so gegeben. Da haben wir uns überlegt, was wir machen können, damit solche Roboter auch mehr akzeptiert werden. Wir hatten eine Idee: ,,Mutual Care" - gegenseitige Pflege. Der Roboter soll dazu dienen, älteren Menschen zu helfen, aber wir wissen aus der Soziologie, dass Menschen sich wohler fühlen, wenn sie auch etwas zurückgeben können, also auch dem Roboter helfen könnten. Auf Basis dieses Konzeptes soll ein Roboter entstehen. Wir haben mit Workshops und Interviews mit potenziellen Usern gestartet, hier im Haus der Barmherzigkeit sowie bei unseren Partnern in Schweden, der Universität von Lund und auch bei der Universität FORTH in Griechenland. Da stehen wir im Moment.

Und das Endergebnis ist dann ein richtiger Roboter?

Das Endergebnis ist ein richtiger Roboter. Im Herbst wird der erste Prototyp rauskommen, das wird dann eher so eine fahrende Plattform mit Kamera und Arm oben drauf sein. Und nach 3 Jahren, also im November 2014 sollte dann ein fertiger Roboterprototyp da sein.

Was reizt Sie am Thema Robotik und wie kam es, dass Sie in diesem Bereich arbeiten?

Mich hat schon immer interessiert, wie Dinge funktionieren und deshalb habe ich auch Maschinenbau studiert, eigentlich Maschinenbau mit Elektrotechnik und Informatik. Ich habe dieses schwierige Studium Mechatronik damals ausgewählt, wo ich dann im zweiten Abschnitt auch Vorlesungen aus Elektrotechnik besucht habe. Ich habe auch meine Diplomarbeit im Bereich künstliche Intelligenz geschrieben, da habe ich mir gedacht, dass das in die Robotik ganz gut passt.

Seit Mai 2012 sind Sie auch Gruppenleiterin der Forschungsgruppe ,,Task to Command", was ist das Ziel dieser Gruppe?

Diese Gruppe ist jetzt ganz neu, vielleicht ändert sich auch noch der Name. Unsere kleine interdisziplinäre Gruppe versucht den sozialen und psychologischen Bereich bzw. die Benutzer- und Anwenderseite im Bereich Robotik abzudecken. Sie müssen sich vorstellen, wir arbeiten in der Arbeitsgruppe Vision for Robotics, das sind eigentlich reine Techniker, die hauptsächlich an der Bildverarbeitung für Roboter arbeiten. Aber es ist auch wichtig die Anwenderseite näher zu beleuchten. Es hat mit dem Mutual Care Aspekt angefangen und geht damit weiter, die Anforderungen an einen Roboter in seinem Verhalten konkret umzusetzen. Zum Beispiel: ,,Bring mir meinen Becher" oder ,,Hol mir mein Glas Wasser" sind Tasks, die muss der Roboter auf unterster Ebene (,,low-level") technisch umsetzen und dafür kriegt der Roboter eigentlich interne Befehle, ganz grob ausgedrückt wie z.B.: ,,Gehe von A nach B", ,,Fahre den Greifer aus", ,,Nimm den Becher", ,,Lege ihn auf dein Tablett" und so weiter. Wir beschäftigen uns aber auch mit dem Kunden und mit Marketing. Also ich persönlich möchte Roboter machen, die die Leute auch kaufen.

Wie schätzen Sie das ein, dieser Roboter für ältere Menschen, wann ist der für alte Menschen leistbar und sinnvoll?

Also ich schätze, dass die ersten in drei bis fünf Jahren verfügbar sein werden, zwar nicht unserer, aber es forschen sehr viele in dieser Richtung. Die EU fördert das sehr und es ist auch wirklich notwendig. Die Nummer 1-Ursache, dass ältere Menschen ins Altersheim kommen, ist, dass sie hinfallen. Also die Prävention steht auf der einen Seite und auf der anderen Seite, wenn sie einmal hinfallen, sollte der Roboter Hilfe holen können. Allein wenn der Roboter das erledigen könnte, wäre das schon sehr gut. Aber er darf nicht in einem Kammerl stehen. Deswegen braucht er auch noch andere Sachen, die er tun kann. Im Moment ist es so, dass wir sehr glücklich sind, wenn ein Roboter ein Glas nehmen und es auf ein Tablett stellen kann. Also den Menschen ersetzen wird er lange nicht, aber als sinnvolle Hilfe wird er bald zum Einsatz kommen.

Noch eine Frage zum Studium, Sie haben ja schon vorher gesagt, dass Sie an der TU Graz Wirtschaftsingenieurswesen Maschinenbau studiert und dann den Studienzweig Mechatronik gewählt haben. Warum haben Sie sich für dieses Studium entschieden? Wie sind Sie auf diese Studienwahl gekommen?

Naja, meine Lieblingsfächer waren Mathe, Physik, Chemie und dann habe ich gewusst, Medizin mag ich eher nicht und Jus auch nicht. Aber ich wollte auch unbedingt die wirtschaftliche Seite in meinem Studium haben, deswegen Wirtschaftsingenieurswesen. Man kann sich das so vorstellen, den Bachelor in Maschinenbau und dann der Master of Business. Und deswegen habe ich mir dieses Studium ausgesucht.

Und gab es während dieser Ausbildung Frauen, die eine Vorbildwirkung auf Sie hatten oder Rolemodels waren?

Ich war meistens die einzige Frau und damals hatte ich es gar nicht so einfach.

Warum?

Man wurde entweder benachteiligt oder bevorzugt, aber man wurde nicht neutral behandelt oder nur sehr selten. Es gab auch immer wieder feindliche Kommentare. Ich habe auch mitgekriegt, wie eine sehr talentierte Frau, die mit mir angefangen hat, deshalb aufgehört hat. Man muss halt immer besser sein als die Männer, das hat sich jetzt natürlich gebessert. Aber wie ich damals dort war, war ich meistens die einzige Frau in den Vorlesungen und das war immer ein Kampf, man hat sich beweisen müssen, dass man auch auf dem Niveau der anderen ist. Aber dadurch habe ich jetzt auch Vorteile.

Bevor Sie in die Forschung gingen, waren Sie Projektleiterin bei Siemens Verkehrstechnik in Graz und auch in Frankreich bei John Craine als Key Account Managerin. Welche Erfahrungen konnten Sie aus der Praxis mitnehmen und warum zog es Sie dann in die Forschung?

Ich wollte eigentlich immer für mich lernen, wie es in einer Firma funktioniert, wie man ein Produkt entwickelt und verkauft. Und diesen Lehrgang habe ich als Projektleiterin durchgemacht. Da sieht man quasi alles in der Firma: Einkauf, Qualitätsmanagement, Engineering, Vertrieb, Fertigung, Customer Service. Und als Key-Account Managerin habe ich konzentriert im Vertrieb gearbeitet und war wirklich nur mit dem Verkauf beschäftigt. Allerdings habe ich auch dafür sorgen müssen, dass das Produkt rechtzeitig geliefert wurde und so weiter, also konnte ich meine Kenntnisse aus der Projektleitung dort auch anwenden. Wie ich mit meinem ersten Sohn schwanger wurde, habe ich mir gedacht, dass es Zeit wird, zurück zu den Robotern zu gehen. Dabei möchte ich wirklich wirtschaftsnah sein. Nach dieser Forschungsarbeit wäre ein Spin-off oder sogar Start-up durchaus denkbar.

Haben Sie bei Frauenfördernden Programmen mitgearbeitet?

Ja, bei Siemens gab es das Programm Promoting Diversity. Das Ziel war die Diversität zu fördern, also nicht nur Frauen, aber bei uns in der Firma waren das natürlich sehr oft die Frauen. Ich war beispielsweise die einzige technische Projektleiterin. Es gab zum Beispiel ein Mentoring für Studentinnen oder die erstmalige Einstellung von weiblichen Lehrlingen in der Fertigung, zum ersten Mal gab es weibliche Schweißerlehrlinge. Bei diesem Programm habe ich mitgearbeitet.

Aus Ihrer Erfahrung, wie sehen Sie spezielle Frauenförderungen im Rahmen von Projekten und Initiativen? Ist das in unserer heutigen Zeit überhaupt noch notwendig?

Das ist so ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sind wir Frauen wirklich manchmal sehr allein in dieser Männerwelt in der Technik und müssen uns vor allem wie Männer durchsetzen, obwohl uns das vielleicht gar nicht so liegt. Auf der anderen Seite, wenn dann diese fördernden Maßnahmen kommen, dann wird man schnell zur Quotenfrau abgestempelt. Also das ist für mich immer schwierig. Ich freue mich natürlich jetzt, dass ich dadurch auch mal Vorteile habe. Und Dank meiner Eltern habe ich auch das nötige Selbstvertrauen mich durchzusetzen. Aber die Vorurteile ,,Frauen und Technik" oder ,,Frauen und Berufsleben" abzubauen ist nicht so einfach. Und da müssen wir Frauen auch einfach mehr zusammenhalten.

Was ist Ihr Rat für junge Frauen, die sich in technischen, naturwissenschaftlichen, meist männerdominierten Feldern behaupten wollen?

Ich habe damals im Rahmen des Promoting Diversity Programms an einer Podiumsdiskussion von FIT (Frauen in die Technik) and der TU Graz teilgenommen, wo wir Schülerinnen erzählt haben, wie das als Technikerin so ist. Ich habe den Schülerinnen schon damals gesagt, wenn es sie interessiert, dann sollen sie das machen und sich durchbeißen und sich Unterstützung in Form von Mentoring-Programmen suchen. Ich finde das sehr sinnvoll, wenn sie jemanden haben, vor allem eine Frau, die diesen Weg gegangen ist. Sie kann ihnen helfen und sie in ihrem beruflichen Werdegang unterstützen. Und sehr hilfreich ist auch ein Partner, ein Lebenspartner, der die Dinge ähnlich sieht und das Leben genauso teilt. So wie Haushalt und Kindererziehung und so. Und dann geht das schon.

Da komme ich auch gleich zur nächsten Frage: Work-Life-Balance. Sie haben ja zwei kleine Kinder, wie schaffen Sie es Beruf und Familie zu vereinbaren?

Dank meines Partners und auch dank meines Professors, der mich meine Arbeitszeiten sowie auch den Arbeitsort flexibel gestalten lässt. Man muss nicht immer im Büro sitzen, um seine Arbeit zu erledigen. Wenn man sich das selber einteilen kann, dann schafft man auch viel mehr. Meine Kinder sind jetzt am Vormittag immer im Kindergarten, was ich mir noch wünschen würde, wenn es flexible Kindergärten geben würde. Wenn ich sagen kann, ok, ich habe eine Besprechung am Nachmittag und ich gebe die Kinder dann zwei Stunden dort ab. Momentan halte ich es nicht für sinnvoll, dass sie den ganzen Tag dort bleiben, weil sie noch sehr klein sind.

Noch eine persönliche Frage: Haben Sie einen Lieblingsroboter oder was sollte dieser Roboter können?

Also ich habe mir letztens einen gewünscht, der mich massieren könnte, das wäre nicht schlecht. Und ansonsten hätte ich wirklich gerne einen kleinen Helfer im Haus, der den Haushalt erledigt.

Ja, das würde ich mir auch wünschen! Und viele andere wahrscheinlich auch...

An dem arbeiten wir, aber das wird noch ein bisschen dauern.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Dr.in Katharina Sammer (ÖGUT).

Lara Lammer
DI Dr. techn. Lara Lammer

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Letzte Aktualisierung: 06.12.2022