Expertin des Monats
Sept. 2012
DIin Dr.in Ruth Boyer

Im September ist die Wahl auf Ruth Hierzer gefallen.

Seit 2010 ist Hierzer Leiterin der Produktstrategie und des Produktmanagements innerhalb der Thales Austria GmbH und verantwortlich für Marketing und Kommunikation. Die Thales Austria GmbH ist im Bereich Eisenbahnsicherungstechnik tätig und dadurch Anbieter von Betriebsführungssystemen, Zugsicherungstechnik, Zugleitsystemen und integrierter Kommunikationstechnologie. Die Thales Austria GmbH wirkt aktuell bei der Neubaustrecke Wien - St. Pölten mit, die Fahrzeitverkürzung ist nicht zuletzt auf die neue, europaweit standardisierte Zugsicherungstechnik (ETCS - European Train Control System, level 2) zurückzuführen. Im Rahmen des Forschungsprojekts EcoRailNet von Thales Austria GmbH, ÖBB und der technischen Universität (TU) Wien untersuchen Hierzer und ihr Team Energiesparpotenziale von High-Tech-Steuerungssystemen für Zugfahrten. Durch intelligente Vernetzung der Daten aus der Betriebsführung im Zugverkehr lässt sich der Energieverbrauch reduzieren. Hierzer ist zudem Lektorin im Rahmen des Studiengangs ,,Master Intelligent Transport Systems" an der Fachhochschule Technikum Wien.

Interview

Herzliche Gratulation zur Wahl der FEMtechexpertin September! Frau Hierzer, Sie sind seit 2010 Leiterin des Produktmarketings und der Kommunikation (Head of Product Marketing & Communications) bei der Thales Austria GmbH - um welche Produkte handelt es sich bei der Thales Austria GmbH und was ist ihre konkrete Aufgabe im Unternehmen?

Thales in Österreich beschäftigt sich hauptsächlich mit Signal- und Sicherungstechnik für die Bahn. Wir sind im Transportbereich und da speziell für die Bahn tätig. Thales an sich ist aber ein internationaler Konzern mit Mutter in Frankreich. Die Sicherheit zieht sich durch alle Produktsparten bei Thales durch. Die Produkte, die wir in Österreich selbst entwickeln und für die wir innerhalb des Konzerns verantwortlich sind, sind aber speziell im Bahnbereich zuhause. Das sind beispielsweise elektronische Stellwerke oder das europäische Zugsicherungssystem ETCS, steht für European Train Control System, wo erstmalig in Europa ein standardisiertes Zugsicherungssystem eingesetzt wird. Diese Produkte vertreiben wir nicht nur in Österreich sondern weltweit. Dazu kommen dann auch noch Produkte im Bereich der zentralisierten Betriebsführung für Eisenbahnen. Hier ist Österreich ist einer der Vorreiter.

Das Produktmanagement, die Produktstrategie ist dafür verantwortlich in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden auf der einen Seite, mit dem Vertrieb bei uns intern, aber auch mit der Technik die Produkte weiterzuentwickeln. Natürlich schauen wir auch, dass unsere Produkten in die Produktstrategie von Thales hinein passen.

Wie kam es dazu, dass Sie sich für Eisenbahntechnologien interessieren und in diesem Bereich arbeiten?

Das war eigentlich ein Zufall wie meistens im Leben. Ich hab Bauingenieurwesen studiert, meine Eltern sind in diesem Bereich tätig. Über einen Professor an der Technischen Universität (TU) Graz, wo ich studierte, bin ich an die ETH Zürich (Anm. Redaktion: Eidgenössischen Technischen Hochschule) gekommen. Dort habe ich eine Diplomarbeit vermittelt bekommen, die noch im Bereich Verkehrsplanung beheimatet war. Am Institut bin ich dann mit Eisenbahnexperten in Berührung gekommen und habe am Institut einen Job bekommen.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Transporttechnologie der Zukunft aus?

Ich bin überzeugt und nicht nur deshalb weil ich in diesem Bereich arbeite, sondern ganz einfach weil es so sein muss: der öffentliche Verkehr wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die Straßen werden immer voller, die Transportleistung an sich ist steigend. Gleichzeitig sind wir limitiert mit dem Platz, wo wir die Straßen noch ausbauen können, das heißt der öffentliche Verkehr muss die Alternative dazu sein. In den Ballungszentren ist man da schon sehr weit. Wien ist hier europaweit, sogar weltweit führend. Wien ist eine der wenigen Städte, wo der Modal Split zugunsten des öffentlichen Verkehrs ausschlägt. Mehr Menschen fahren mit der U-Bahn, mit der Straßenbahn und mit dem Bus als mit dem Auto. Ballungszentren sind gar kein Thema, da muss der öffentliche Verkehr die Hauptrolle spielen. Aber auch im Gütertransport und im überregionalen und Hochgeschwindigkeitsverkehr für Personen muss man einfach durch die Technologie, die wir entwickeln und die wir zur Verfügung stellen ein entsprechendes attraktives Angebot bieten, damit dieses auch genutzt wird und eine echte Alternative zum Straßenverkehr bietet. Ein Trend, der sich heute schon abzeichnet ist ganz sicher die Automatisierung der Abläufe, dadurch kann die Effizienz des Systems ungemein gesteigert werden. Gleichzeitig reduziert man das Potenzial für menschliches Versagen, da gerade Routinehandlungen sehr fehleranfällig sind. Ich glaube, der Trend geht ganz stark weiter in diese Richtung bis hin zu voll automatisiert geführten Systemen. Auf Flughäfen finden Sie die sogenannten Peoplemover, aber es gibt auch vollwertige U-Bahn Systeme, die bereits heute fahrerlos und voll automatisch fahren. Das ist sicher ein Trend für die Zukunft, wo sich die Systeme hin entwickeln werden, das gleiche gilt auch im Individual- und Straßenverkehr. Wir sprechen heute von Car-to-Car Communication, das heißt auch hier wird dem Fahrer immer mehr abgenommen und Assistenzsysteme übernehmen sehr viele Funktionen. Zum Beispiel: Müdigkeit am Steuer, Sekundenschlaf, dafür gibt es jetzt Assistenzsysteme, die in Serie schon verfügbar sind. Automatisierung ist ein Trend, den ich dort wie da sehe. Automatisierung bringt eine Effizienzsteigerung, höhere Sicherheit und eine Leistungssteigerung im Transportsystem an sich.

Sie haben an der Technischen Universität Graz Bauingenieurswesen studiert. Warum haben Sie sich für dieses Studium entschieden?

Wie gesagt, ich bin in dieser Branche großgeworden. Ich bin schon als Kind mit großer Freude mit meinem Vater in den Sommerferien von Baustelle zu Baustelle gezogen und habe mir das live angeschaut. Ich habe dann schlussendlich diese Richtung eingeschlagen und habe es eigentlich nie bereut, weil es ein Studium ist, das später sehr viele Möglichkeiten bietet. Wie man ja auch deutlich an meinem derzeitigen Beruf sehen kann.

Gab es während Ihrer Ausbildung Frauen, die eine Vorbildwirkung (role models) auf Sie hatten?

Während meiner Ausbildung an der Universität gab es wenige Frauen, ganz wenige Assistentinnen und noch keine weibliche Professorin. Es gab aber bereits Unternehmen in der Industrielandschaft, wo sich starke Frauen mehr und mehr an die Spitze gearbeitet haben. Ich möchte nicht sagen, dass ich mich an denen orientiert habe, aber das hat mir gezeigt, dass man als Frau durchaus im technischen und sehr männerdominierten Beruf auch seinen Weg machen kann.

Nach ihrem Studium haben Sie eine wissenschaftliche Karriere eingeschlagen. Sie waren wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ETH Zürich am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, als auch an der technischen Universität (TU) in Wien am Institut für Verkehrswissenschaften im Forschungsbereich Eisenbahnwesen, Verkehrswirtschaft und Seilbahnen. An der TU Wien haben Sie auch noch ein Doktoratsstudium abgeschlossen. Was hat Ihnen an der wissenschaftlichen Tätigkeit besonders gefallen und warum hat es Sie dann zuletzt in die Wirtschaft gezogen?

Als ich mit dem Diplomstudium fertig war, war für mich klar, dass ich nicht an der Universität bleiben möchte. Es hat sich dann aber alles anders ergeben. Das Angebot an der ETH Zürich zu arbeiten war schon sehr reizvoll. Die Schweiz ist ja das ,,Bahn- Land" schlechthin und das Institut hatte einen sehr guten Ruf. An den Universitäten hat mir gefallen, neue Themen vom Start weg zu bearbeiten. Und man hat die Zeit, sich einem Thema im Detail und umfassend zu widmen. Diese Zeit hat man später häufig nicht mehr. Irrsinnig spannen war für mich auch das Thema Publikationen. Zum einen natürlich als Autorin, aber ich hatte auch das Glück, später an der TU Wien für eine Fachzeitschrift - die Eisenbahntechnische Rundschau - zu arbeiten. Wir haben am Institut sozusagen die Österreich Ausgabe aufgebaut. Auch die redaktionelle Tätigkeit hat Spaß gemacht.

Ansonsten ist die Forschungstätigkeit im Eisenbahnbereich sehr anwendungsorientiert, das bedeutet auch, dass man sehr intensiv mit Bahnen, Unternehmen und allgemein der Industrie zusammenarbeitet. Mit einem Wort: sehr praxisorientiert. Beispielsweise haben wir an der ETH Zürich Anfang 2000 für die Schweizer Bundesbahnen an einem Betriebskonzept für 2020/2025 gearbeitet. Damals war das noch weit in der Zukunft, heute stehen wir bei 2012/2013 und viele Dinge aus diesem Konzept wurden bereits umgesetzt. Es ist einfach schön zu sehen, wenn sozusagen die Theorie zur Realität wird.

Sie sind auch Lektorin an der Fachhochschule Technikum Wien im Rahmen des Studiengangs ,,Master Intelligent Transport Systems". Was möchten Sie den Studierenden vermitteln?

Dieser Masterlehrgang umfasst eigentlich alle Transportträger, das heißt nicht nur die Bahn sondern auch die Schifffahrt und den Individualverkehr, aber immer mit Schwerpunkt auf Telematiksysteme. Es sind sehr viele internationale Studierende dort. Meine Vorlesung ist natürlich im Bereich Bahn beheimatet. Ich bin überzeugt, dass neben der reinen Wissensvermittlung es ganz wichtig ist, bei jungen Leuten generell das Interesse an Bahntechnik zu wecken. Ich möchte ihnen zeigen, dass es sich dabei um moderne Technologie und Systeme handelt. Wir sind wirklich mit der Entwicklung am Puls der Zeit. Manchmal hat die Eisenbahn ja noch immer ein verstaubtes Image. Ich glaube, da kann man gerade bei diesem Publikum sehr viel bewegen.

Das Unternehmen unterstützt dieses Anliegen, auch Kollegen von mir sind Lektoren an diversen Fachhochschulen oder auch technischen Universitäten. Wir wollen aus der Sicht der Praxis die Vielseitigkeit dieser Branche vermitteln. Und dass es da irrsinnig viele spannende Themen gibt. Wir haben aus diesem Grund im heurigen Sommer erstmalig einen Branchentag für Studierende veranstaltet, wo wir die Studierenden zu uns eingeladen haben. Das Feedback war ausschließlich positiv und hat uns darin bestärkt, diesen Weg auch weiterzugehen.

Arbeiten Sie bei Frauen fördernden Programmen mit?

Derzeit nicht oder nur indirekt. Wir haben im Unternehmen grundsätzlich Förder- und Mentoringprogramme und selbstverständlich ist da Förderung von Frauen ein wichtiges Thema, aber nicht ausschließlich.

Aus Ihrer Erfahrung, wie sehen Sie spezielle Frauenförderung in Wirtschaft und Technik? Ist diese in der heutigen Zeiten überhaupt noch notwendig?

Ich sehe das ein bisschen zweischneidig. Ich finde Frauenförderung in der Technik und im Unternehmen wichtig und auch gut. Ich glaube, da wird noch immer viel zu wenig getan. Was ich sehr kritisch sehe, ist tatsächlich Quoten einzuführen. Wenn ich jetzt an den Bereich denke, in dem ich tätig bin, und wenn man sich die Zahlen der Frauen im Studium anschaut, dann halten wir heute bei den klassischen Technikstudien wie Maschinenbau, Bauingenieur wesen oder Elektrotechnik noch immer zwischen 10% und maximal 20% Frauenanteil. Wenn man aus diesem Potenzial schöpft, wie will man dann beispielsweise zu einer 50% Quote in Unternehmen kommen? Aus heutiger Sicht ist das für mich schlichtweg nicht realistisch. Ich bin zutiefst überzeugt, dass man einfach sehr viel früher ansetzen muss. Das heißt, man muss die Mädchen in den Schulen für Technik und Naturwissenschaft interessieren. Nur wenn man Mädchen im Kindesalter die Scheu vor Mathematik und Naturwissenschaften generell nimmt, wird es später selbverständlich für sie sein, auch ein technisches Studium in Erwägung zu ziehen. Wenn ich an meine Studienzeit zurückdenke, hatten die  meisten meiner Kolleginnen von zuhause einen Background, das heißt sie sind mit diesem Thema aufgewachsen, sie haben gewusst, was auf sie zukommt. Es gab kaum eine junge Frau, die einfach so auf die Idee gekommen ist, Bauingenieurwesen oder Maschinenbau zu studieren.

Was ist Ihr Rat für junge Frauen sich in einem technischen/naturwissenschaftlich und zumeist männerdominierten Feld zu behaupten?

Mein Rat ist einfach so zu sein wie man ist. Was man auf jeden Fall nicht tun sollte ist zu versuchen ,,den Mann" zu stehen. Wir sind Frauen und das sollten wir auch weiterhin bleiben. Wir sind in manchen Herangehensweisen anders als Männer, das ist auch gut so und ich glaube, das ist auch genau das Positive, das wir in diesem sehr männerdominierten Umfeld einbringen können. Dieses Feedback bekommt man auch immer wieder von Männern, dass sich beispielsweise der Umgangston verändert und das auch Frauen an die technischen Problemstellungen zum Teil anders herangehen als Männer und dadurch eine neue Sichtweise einbringen können. Mein Rat ist einfach so sein wie man ist und sich nicht verstellen oder sich in der Männerwelt irgendwie assimilieren zu wollen.

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Haben Sie einen Lieblingsbahnstrecke?

Als Steirerin, die in Wien lebt, muss ich natürlich sagen: Die Südbahn. Eine Meisterleistung der Bauingenieurskunst, landschaftlich und architektonisch im Bereich des Semmerings äußerst reizvoll.

Trotzdem oder umso mehr freut es mich, dass nun die Realisierung des Semmering Basistunnels endgültig beschlossen ist. Das Projekt wird die Südstrecke sehr aufwerten und ist ein wichtiger Impuls für den Wirtschaftsraum Steiermark. Den angenehmen Nebeneffekt, dass ich irgendwann schneller mit der Bahn in meiner Heimat sein werde, nehme ich gerne in Kauf.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Dr.in Katharina Sammer (ÖGUT).

Ruth Boyer
DIin Dr.in Ruth Boyer

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Letzte Aktualisierung: 23.05.2018