Expertin des Monats
Feb. 2021
DIin Dr.in mont. Iris Filzwieser

Leider ist es noch immer schwierig flächendeckend Begeisterung für MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu wecken. Es wäre wünschenswert, wenn schon im Kindergartenalter spielend Berufsbilder vorgestellt werden könnten. Dabei kann ein besonderes Augenmerk auf die super spannenden Arbeitsgebiete der MINT gelegt werden. Hier fehlt es jedoch an Materialien, an Vorbildern und an persönlichen Erfahrungen des Umfeldes.

Sieht man sich unsere Medienlandschaft an, so fehlt es in der Öffentlichkeit an Role Models, in der Filmindustrie an einschlägigen Serien und Filmen und in der Literatur an spannenden und aufregenden Büchern zum Thema Technik.

Es gibt tendenziell zwar mehr Frauen in den MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) Fächern als noch vor 10 Jahren, aber noch immer viel zu wenige!

Interview

INTERVIEW MIT IRIS FILZWIESER

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Dr. Iris Filzwieser
Managing Director
METTOP GmbH
Peter- Tunner-Str, 4
8700 Leoben
Iris.filzwieser@mettop.com
+43 664 88 60 45 41

Dr. Iris Filzwieser
Austria cooperative research
Sensengasse 1
1090 Wien

Was macht die Mettop GmbH genau?
Die METTOP beschäftigt sich mit Prozessoptimierungen und dem Engineering für Anlagen im Bereich der Kupfermetallurgie und des Elektronikschrott Recyclings. Ziel ist es mit neuen Technologien nachhaltig, Ressourcen schonend und wirtschaftlich zu arbeiten.

Wie kam es zur Gründung der Mettop GmbH?
Nach Beendigung meiner Dissertation war ich bereits Mutter von 3 wunderbaren Buben. Ich wollte unbedingt Vollzeit arbeiten und hatte aber keine flexible Kinderbetreuungsmöglichkeit in meinem Umfeld. So kam es, dass mein Mann und ich gemeinsam beschlossen haben, uns selbstständig zu machen. In den ersten drei Jahre, von 2005 bis 2008, konzentrierten wir uns auf die Prozessberatung. Danach war unser Schwerpunkt neben der Prozessoptimierung auch die Forschung, was dazu führte, dass wir uns zu einer Technologie orientierten Engineeringsfirma entwickelten. Damit konnten wir die maximale Flexibilität erzielen und unsere Lust zu arbeiten kam nicht zu kurz.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei der Mettop GmbH?
42 Prozent im Unternehmen

Was unternimmt die Mettop GmbH zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Unser erweitertes Managementteam ist bunt und vielfältig, somit wird auch sehr offen und fordernd kommuniziert. Es ist uns gelungen in allen Abteilungen, wie z.B. in der Engineering Abteilung auch weibliche Technikerinnen zu gewinnen. Somit gibt es auf allen Ebenen Testimonials. Flexibilität wird bei uns ganz großgeschrieben und auch gelebt.

Sie sind auch Geschäftsführerin der UrbanGold GmbH. Was mach das Unternehmen genau?
Das Unternehmen beschäftigt sich mit einem richtig coolen und wichtigen Thema, dem Recycling von Elektronikschrott. Wussten Sie, dass in einem Smartphone (als Beispiel für Elektronikschrott) mehr als 60 verschiedene Materialien verbaut sind und dass 1 Gramm Gold in 60 Smartphones enthalten ist. Somit sitzen wir auf einer richtigen Goldquelle, obwohl wir keinen Golderzbergbau in Österreich haben. UrbanGold beschäftigt sich mit der Entwicklung von Prozessen und Anlagen, um die Metalle aus dem Elektronikschrott recyceln zu können.

Sie beschäftigen sich aktuell ebenfalls mit der Konzepterarbeitung eines internationalen Recyclingzentrums. Wird das die nächste Gründung?
Aktuell sind wir in der Konzeptphase. Ziel ist gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben hier vor Ort eine Fokus Area zum Thema Recycling zu schaffen. Damit sollen sowohl ForscherInnen als auch Firmen im Bereich des Recyclings nach Leoben gebracht werden. Sowohl Industrie als auch die Gesellschaft sollen hier die erste Ansprech-Adresse für alle Frage zum Thema Ressourcen effizient, effektiv und nachhaltig nutzen zu können, finden. Ob und wie wir Ausgründen ist nicht Priorität unseres Handelns, sondern viel mehr Sichtbarkeit für das Thema Recycling zu erzeugen.

Was ist das Faszinierende am Gründen?
Gründen bedeutet für mich, mutig zu sein, fasziniert vom Aufgabenbereich zu sein , gerne zu arbeiten, Leidenschaft für das Tun zu haben, gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen, gerne Geld verdienen zu wollen und sich selbst zu beweisen etwas erreichen zu können.

Darüber hinaus haben Sie auch Patente angemeldet. Welche sind das und wie kam es dazu?
Die Patente wurden durch die Forschungsarbeiten in unserer Firma verwirklicht.
Dabei handelt es sich einmal um eine Querströmung in der Elektrolyse. Dadurch können Neubauten um 25 % kleiner errichtet werden, somit ist also das Investment auch um 25% kleiner.
Das zweite Patent handelt von der Ionic-Liquid-Cooling Kühlung. Hier wird ein flüssiges Salz zum Kühlen verwendet. Normalerweise steht hier nur Wasser als Kühlmedium zur Verfügung. Wasser bringt aber den großen Nachteil mit sich, dass in unsere Industrie bei > 1000 °C es bei einer Leckage zu einer Explosion kommen kann. Somit kann in allen kritischen Bereichen nicht gekühlt werden. Mit unserer Lösung kannauch in diesen Bereichen sicher und effektiv gekühlt werden.

Sie sind zudem Präsidentin der Austrian Cooperative Research (ACR). Was machen Sie da genau?
Die 17 unter dem Dach der ACR vereinten Institute sind private, gemeinnützige, anwendungsorientierte Forschungseinrichtungen, die gemeinsam mit und für die Wirtschaft, im Besonderen für KMU, forschen und entwickeln. Mit einem Umsatz von 65 Millionen Euro und rund 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die ACR eine der größten Forschungsorganisationen Österreichs. Was sie besonders auszeichnet ist die Nähe zu den KMU, da die Institute nicht nur forschen und entwickeln, sondern auch prüfen, messen und zertifizieren sowie Schulungen und digitale Lösungen für ihre Branchen anbieten.
Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die wichtige und wertvolle Arbeit der ACR für die Innovations- und Zukunftsfähigkeit der österreichischen KMUs sichtbarer und das Netzwerk noch stärker und durchschlagskräftiger zu machen. Eine gute Zusammenarbeit mit wichtigen PartnerInnen und Organisationen im Wirtschafts- und Innovationssystem ist mir daher ein besonderes Anliegen.

Sie haben die Höhere Technische Lehranstalt für Maschinenbau und Betriebswirtschaft besucht, danach an der Montanuniversität Leoben studiert und promoviert. Wie kam es dazu?
Begonnen hat meine schulische Laufbahn im Stifts Gymnasium in St. Paul. Dort hatte ich das Glück an einem tollen Berufseignungstest teilnehmen zu können. Dieser zeigte meine Neigung in den naturwissenschaftlichen Gegenständen auf. Ich bekam damals die Empfehlung in eine HTL zu wechseln. So kam es, dass ich als eines der ersten Mädchen in der HTL Wolfsberg maturierte. Der Weg nach Leoben war zufällig und die Wahl meines Studiums auch eher dem damaligen Professor für Hüttenkunde geschuldet, der mich in einer der Einführungsvorlesungen vom Thema Hüttenwesen (heute: Metallurgie) begeistern konnte. Bis heute bin ich glücklich diesen Weg eingeschlagen zu haben, jeder Tag bringt aufs Neue viele Herausforderungen und tolle Momente, an denen ich erkennen, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
In erstere Linie wäre es wichtig generell den Kindern schon von klein auf mehrere Berufsbilder vorzustellen. Meistens beschränkt sich das Wissen über Berufe auf das eigene private Umfeld. Auch die Medien – wie Fernsehen – bespielen das Thema Naturwissenschaften nicht ausreichend. Wo sind die coolen Zeichentrickfigurinnen, die unser Klima durch neueste Forschungsergebnisse retten, wo sind die super sportlichen Ingenieurinnen in den Teenie Soap Operas, die unsere Welt retten? Auch in den Kinofilmen findet man kaum intelligente und fantastische MINT Darstellerinnen. Da könnte man ansetzten, um einem breiten Publikum die Naturwissenschaften als Wissenschaft der Zukunft und des Erfolges zu präsentieren.
Auch wir Naturwissenschaftlerinnen müssen uns selbst zum Ziel nehmen, unser Aufgabengebiet verständlich und spannend an unsere Umgebung zu kommunizieren.


WORDRAP MIT IRIS FILZWIESER

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Ich bin am Land aufgewachsen und war am liebsten draußen. Entweder war ich im Wald auf Entdeckungstour unterwegs oder half bei unseren NachbarInnen im Stall bei den Tieren mit. Sobald der erste Schnee fiel, war ich mit unseren Nachbarskindern Schifahren – wir stapften die Wiese rauf, bauten super Sprungschanzen und gingen immer erst spät abends heim.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Ich würde wieder auf die Montanuniversität nach Leoben gehen und das neue Studium Recyclingtechnik wählen. Das Tätigkeitsfeld ist einfach riesig und super interessant.

Mein Vorbild ist:
Im Teenageralter las ich eine Biografie von Marie Curie und war begeistert über Ihren ForscherInnengeist und das Themengebiet. Während meines Studiums war es mein Mann, der mich anspornte, nicht aufzugeben. Jetzt als Unternehmerin ist es sehr inspirierend und motivierend mit unserem Mitgesellschafter Stefan Pierer zu diskutieren und von ihm zu lernen.

Was ich gerne erfinden würde:
Die ultimative Recyclinganlage, mit der man alle Materialien ohne Zufuhr von externer Energie und komplett Abgas und Abwasser neutral recyclen kann.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
…gäbe es keine Diskussion mehr warum Mädchen keine Naturwissenschaftliche Ausbildung anstreben. In jedem privaten Umfeld würde es Vorbilder geben, es wäre einfach normal und die technisch orientierten Berufsbilder könnten sich viel besser bei allen Altersgruppen positionieren.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
…hätten wir genügend „Roll Models“ für die jüngere Generation, und diese könnten sich an diesen orientieren und motivieren. Geschlechterausgewogenheit und Diversität in Führungspositionen stellt kein Ziel mehr für die Zukunft dar, sondern wäre dann endlich Realität.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Eine gute Kombination aus Neugier, Spezialwissen, Mut, Ausdauer, Finanzierungskreativität, Motivation und Teamgeist lassen Innovationen möglich werden.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Ohne Forschungsförderung könnten unzählige Forschungs- und Entwicklungsprojekte nicht umgesetzt werden. Auch die Forschungsprämie ist ein essenzieller Standortvorteil und unterstützt uns in der Finanzierung unsere Forschungsvorhaben.

Meine Leseempfehlung lautet:
GOOD NIGHT STORIES FOR REBEL GIRLS – 100 AUSSERGEWÖHNLICHE FRAUEN
Dieses Buch bekam meine 10 Jährige Tochter geschenkt und ich liebe es. Hier bekommen junge Mädchen in ganz viele verschiedene Biografien Einblick. Dieses Buch sollte jedes Mädchen lesen.

Iris Filzwieser
DIin Dr.in mont. Iris Filzwieser

METTOP GmbH

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Letzte Aktualisierung: 04.02.2021