Expertin des Monats
Mai 2021
DIin Dr.in techn. Julia Alexandra Podesser

Innovation wird durch Vielfalt erreicht – durch die Vielfalt von Ideen, von Sichtweisen und von Herangehensweisen. Die Zusammenarbeit von Frauen und Männern schafft diese Vielfalt. Ich hatte das Glück durch das Vorbild meiner Eltern bereits von Kind auf einen Bezug zu der Naturwissenschaft zu haben. Auch Mentorinnen und Mentoren in meiner schulischen und universitären Ausbildung motivierten und bestärkten mich in meinen Zielen. Daher bin ich davon überzeugt, dass die Vermittlung der Inhalte und das Aufzeigen der Möglichkeiten in Naturwissenschaft und Technik für Mädchen und junge Frauen die Basis für einen höheren Frauenanteil in technischen Berufen sind. Auch wenn die Aufgeschlossenheit gegenüber Frauen in technischen Berufen weitgehend präsent ist, gibt es noch immer Situationen in denen man als Frau einen Nachteil spürt. In diesen Situationen muss man sich seiner Leistung bewusst sein und für seine Ziele einstehen.

Interview

Interview mit Julia Alexandra Podesser

 

Was steht auf Ihrer Visitenkarte?
Dipl.- Ing.in Dr.in Julia Alexandra Podesser
Engineering and Development
Siemens Energy Austria GmbH

Was macht Siemens Energy Austria GmbH genau?
Siemens Energy ist ein global führendes Unternehmen im energietechnischen Bereich mit über 90 000 MitarbeiterInnen in über 90 Ländern. Das Unternehmen bietet Lösungen über die gesamte Wertschöpfungskette von der Energieerzeugung, Übertragung bis hin zu industriellen Anwendungen an. Das Unternehmensziel besteht in der Deckung des steigenden Energiebedarfs bei gleichzeitigem Klimaschutz für die Sicherstellung einer nachhaltigeren Zukunft. Der Schlüssel zur Reduktion der Treibhausgasemission besteht in der stetigen Weiterentwicklung bestehender Systeme sowie dem Übergang zu Erneuerbaren Energieträgern. Allein im Jahr 2019 wurde global eine Milliarde Euro in Forschung und Entwicklung investiert.

Als Teil der Siemens Energy ist in Österreich die Siemens Energy Austria GmbH auf den Standorten in Wien (Zentrale), Linz, Salzburg, Graz und Weiz präsent und beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter. Die Geschäftsfelder sind Gas&Oil, Stromerzeugung in zentralen und dezentralen Wärmekraftwerken, Energieübertragung und industrielle Anwendungen.

Am steirischen Unternehmensstandort in Weiz werden flüssigkeitsgefüllte Transformatoren nach KundInnenwunsch designt, vor Ort in allen Schritten produziert und entsprechend internationalen Standards geprüft. Neben Großtransformatoren werden auch Verteiltransformatoren für industrielle und erneuerbare Anwendungen hergestellt.

Ein bedeutender und stetig wachsender Produktionszweig für erneuerbare Anwendungen betrifft Transformatoren für Windturbinen mit bis zu 20 Mega Volt Ampere und 72,5 Kilovolt. Diese Transformatoren wandeln, die über Windkraftanlagen erzeugte elektrische Energie von Niederspannung zu Mittelspannung um, um diese dann ins Netz einzuspeisen. Siemens Energy Austria GmbH - Transformers Weiz ist führend in der Transformatorentechnologie für Windkraftanwendungen. Das Know-How des Unternehmens stützt sich auf über 120 Jahre Erfahrung im Transformatorenbau sowie auf über 5000 bereits ausgelieferte und erfolgreich betriebene Wind-Transformatoren in den letzten 10 Jahren.

Sie sind Entwicklungsingenieurin. Was machen Sie da genau?
Seit einem dreiviertel Jahr bin ich als Entwicklungsingenieurin für das elektrische Design von Verteiltransformatoren in der Spate Erneuerbare Energien tätig. Dabei beschäftige ich mich mit der elektrischen Auslegung dieser Transformatoren unter Anwendung von spezieller Software. Weiters begleite ich den Fertigungsprozess und erstelle Fertigungsanweisungen für neue Designs. Zu meinen Tätigkeiten zählt auch die Planung sowie Organisation von messtechnischen Sonderuntersuchungen, die Analyse der Ergebnisse und die Ableitung darauf basierender Weiterentwicklungsmaßnahmen z.B. für thermische Optimierungen. Auch die Bearbeitung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten zählt zu meinem Tätigkeitsbereich. Derzeit arbeite ich an der Entwicklung von effizienteren Transformatoren mit geringeren Lebenszykluskosten mit dem Ziel die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job?
Meine Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich. Zum einen umfasst sie die theoretische Berechnung von Transformatoren. Zum anderen werden die berechneten Parameter dann in die Praxis umgesetzt und ich habe die Möglichkeit die einzelnen Fertigungsschritte zu begleiten, die dann zum fertigen Produkt führen. Das finde ich sehr spannend.

Auch wenn sich der Transformatorenbau bei Siemens Energy auf über 120 Jahre Know-how stützt, gibt es immer wieder neue Herausforderungen und Potential für Weiterentwicklungen. Hierbei kann ich in einem engagierten, zielstrebigen und erfahrenen Team durch die Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten meinen Beitrag leisten.

Es freut mich auch die Möglichkeit zu haben, im Bereich der Erneuerbaren Energien mitwirken zu können. Auf diese Weise habe ich die Möglichkeit, meine Leidenschaft für Entwicklungen im Elektromaschinenbau für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei Siemens Energy Austria GmbH?
Der Frauenanteil liegt bei Siemens Energy Austria GmbH derzeit bei 17 %.

Was unternimmt Siemens Energy Austria GmbH zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Neben den Unternehmenswerten Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz und Zuverlässigkeit spielt auch Gender Diversity eine essenzielle Rolle für Siemens Energy und somit auch für Siemens Energy Austria GmbH. Karrierewachstum und Entwicklungsmöglichkeiten werden für MitarbeiterInnen auf allen Ebenen gefördert. Eines der aktuellen Programme konzentriert sich auf die Unterstützung des Aufstiegs von Nachfolgerinnen in Schlüsselpositionen. Das Ziel für Frauen in Führungspositionen ist 25 % bis 2025 und 30 % bis 2030.

Weitere Programme zur Förderung von Frauen werden derzeit ausgearbeitet. Unter anderem sollen Methoden erarbeitet und umgesetzt werden, mit denen das Interesse von Frauen bereits im jungen Alter in Richtung Technik geweckt wird. Dazu sollen unter anderem Vorbilder aus den eigenen Reihen dienen.

Über dies hinaus werden bei Siemens Energy Frauen im Berufsleben unterstützt z.B. durch verschiedene Teilzeitmöglichkeiten sowie einen Kindergarten vor Ort am Firmenstandort in Wien.

Wenn man von Chancengleichheit spricht, sollen natürlich auch die männlichen Kollegen miteinbezogen werden. Man versucht die Kollegen für Möglichkeiten wie z.B. den Papamonat zu motivieren.

Sie haben Elektrotechnik an der Technischen Universität Graz studiert. Wie kam es dazu?
Meine Eltern haben beide ein technisches Studium abgeschlossen, wodurch ich schon früh einen Bezug zu Naturwissenschaft und Technik hatte. Ich war bei meiner Mutter im Chemielabor und besichtigte auch schon im Volksschulalter den Stirlingmotor, an dem mein Vater gearbeitet hatte. Auch im Sprachgebrauch war die Technik immer präsent. Auf rutschigem Untergrund erinnerte mich mein Vater stets „Wer schläft nie?... die Schwerkraft“.

Meine Schulausbildung erhielt ich in einem neusprachlichen Gymnasium. Das Erlernen von Sprachen machte mir Freude. Allerdings merkte ich bald, dass mein Hauptinteresse doch den naturwissenschaftlichen Fächern galt. Einen wichtigen Beitrag zu meiner Entscheidung Elektrotechnik zu studieren hatte auch mein Physikprofessor, der mich in die technische Richtung motivierte und bei dem ich dann auch zur Matura antrat.

Sie waren auch erste Universitätsassistentin am Institut für Hochspannungstechnik und Systemmanagement an der Technischen Universität Graz. Wie kam es dazu?
Bereits als Studentin lernte ich das Institutsleben kennen, indem ich als Studienassistentin an verschiedenen Instituten im Lehr- und wissenschaftlichen Bereich tätig war. Diese Tätigkeiten motivierten mich in weiterer Folge mich nach Abschluss des Studiums für eine Position als Universitätsassistentin am Institut für Hochspannungstechnik und Systemmanagement zu bewerben. Der damalige Institutsleiter Em.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Dr.h.c. Michael Muhr hatte Vertrauen in meine Fähigkeiten und wählte mich für diese Position aus. Ich bin noch immer sehr dankbar für diese Chance, da sie die Basis für meine weitere Karriere war. Mein Aufgabengebiet umfasste Lehrtätigkeiten, Forschung und die Organisation wissenschaftlicher Veranstaltungen. Durch die Lehrtätigkeit festigte ich mein Wissen im Bereich der Hochspannungstechnik und eignete mir gute didaktische Fähigkeiten an. Im Rahmen eines vierjährigen Forschungs- und Entwicklungsprojektes arbeitete ich an meinem Dissertationsthema über die elektrostatische Aufladungsneigung von alternativen Isolierflüssigkeiten für Leistungstransformatoren. Ich plante, konstruierte und erstellte einen umfangreichen Prüfaufbau und führte experimentelle Untersuchungen durch. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit einer so praktischen Arbeit in Berührung kam, wodurch ich sehr viel lernte. Ich hatte auch die Möglichkeit die Ergebnisse zu publizieren und in Form von Vorträgen auf wissenschaftlichen Veranstaltungen zu präsentieren. Meine Arbeit wurde mit zwei Preisen auf internationalen Konferenzen ausgezeichnet. Das war für mich natürlich ein sehr schönes Feedback nach der sehr arbeitsintensiven Zeit.

Warum haben Sie von der Universität in die Industrie gewechselt?
Ich war sehr gerne auf der Technischen Universität Graz tätig. Die Bearbeitung wissenschaftlicher Themen und auch die Lehrtätigkeit machten mir große Freude. Zudem hatte ich ein sehr nettes Umfeld am Institut. Nachdem meine Dissertation beendet war, wollte ich zwar weiter im Forschungs- und Entwicklungsbereich arbeiten, aber trotzdem etwas Neues kennenlernen. Das Interessante an der Entwicklungstätigkeit in der Industrie ist, dass die erarbeiteten neuen Erkenntnisse dann auch direkt in den Produkten umgesetzt werden. Man erhält somit ein klares Feedback wie gut die Innovationen in der Praxis funktionieren.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Wie ich bereits erzählt habe, hatte ich das Glück durch das Vorbild meiner Eltern von Kind auf einen Bezug zu der Naturwissenschaft zu haben. Auch Mentorinnen und Mentoren in meiner schulischen und universitären Ausbildung motivierten und bestärkten mich in meinen Zielen. Daher bin ich davon überzeugt, dass die Vermittlung der Inhalte und das Aufzeigen der Möglichkeiten in Naturwissenschaft und Technik für Mädchen und junge Frauen die Basis für einen höheren Frauenanteil in technischen Berufen sind.


Wordrap mit Julia Alexandra Podesser

 

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Wer mich als Kind kannte, hätte eher damit gerechnet mich in einem künstlerischen Beruf wiederzufinden. Meine Lieblingsbeschäftigung war Malen – mit Buntstiften oder Wasserfarben auf Papier oder mit Kreidefarben auf dem Beton um das Haus meiner Urgroßeltern. Einige dieser „abstrakten Werke“ – natürlich auf Papier – hängen sogar noch immer bei meinem Vater im Büro z.B. „Der Igel auf dem Stumpf“. Das Modellieren von Figuren mit Fimo oder Salzteig machte mir auch große Freude.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Die Wahl eines Studiums und somit des zukünftigen Berufsweges ist keine leichte Entscheidung – besonders in dem jungen Alter, in dem man sie fällen muss. Ich bin damals sehr nach meinem Bauchgefühl gegangen und ich bin froh heute behaupten zu können, dass es die richtige Entscheidung war. Wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich nichts anders machen. Das Studium der Elektrotechnik mit all seinen Inhalten und den Möglichkeiten, die es eröffnet, war die perfekte Wahl für mich.

Mein Vorbild ist:
Für mich gab es nie das eine Vorbild. Im Laufe meiner Ausbildung und meines Berufsweges habe ich einige Menschen kennengelernt, die ich wegen ihrer Persönlichkeiten und ihrer Fähigkeiten bewundere und an denen ich mich orientierte. Vorbilder aus meinem direkten Umfeld sind sicher meine Mutter mit ihrer Genauigkeit, mein Vater mit seinem Erfindergeist und mein Partner mit seiner Kreativität und seinen sozialen Fähigkeiten.

Was ich gerne erfinden würde:
Inspiriert durch meine aktuellen Arbeitsthemen würde ich dazu sagen: den verlustlosen Transformator. Leider lässt sich dies jedoch schwer mit den Gesetzen der Physik vereinen.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
… wurden die richtigen Maßnahmen gesetzt, um Mädchen und junge Frauen über ihre Möglichkeiten im technischen Bereich zu informieren und zu motivieren.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
… ist eine wichtige Vorbildwirkung für Mädchen und junge Frauen gegeben, nicht nur um einen technischen Werdegang zu wählen, sondern auch um sich eine solche Position auch selbst zuzutrauen.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Ich verbinde mit Innovation Neuerungen, Verbesserungen und Fortschritt. Innovativ zu sein bedeutet für mich kreativ zu sein, über den Tellerrand zu schauen und auch immer wieder zu zweifeln und zu hinterfragen.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Österreich fehlt es nicht an klugen Köpfen oder Innovationsgeist. Für die Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden jedoch auch finanzielle Mittel benötigt. Durch die Forschungsförderung ist es uns möglich auch auf internationaler Ebene bei aktuellen Themen mithalten zu können.

Meine Leseempfehlung lautet:
„Der Längengrad“ und „Die Planeten“ von der Wissenschaftsredakteurin Dava Sobel

Naturwissenschaftliche Themen werden so fesselnd wie in einem Kriminalroman erzählt.