Expertin des Monats
Sept. 2021
Dr.in Johanna Schmidt

Als InformatikerInnen entwickeln wir Systeme, zum Beispiel bei der Datenanalyse, die den Menschen helfen sollen und von Menschen interpretiert und verwendet werden. Daher ist es sehr wichtig, bereits bei der Entwicklung solcher Systeme ein möglichst diverses Team zur Verfügung zu haben, um möglichst viele Aspekte zu berücksichtigen. Diverse Teams beleuchten Situationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und bringen so wichtige Überlegungen in die Entwicklung mit ein. 

Interview

Interview mit Johanna Schmidt 

Was steht auf Ihrer Visitenkarte? 
Dr. Johanna Schmidt, Head of Visual Analytics bei VRVis Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung Forschungs-GmbH

Was macht das VRVis Zentrum für Virtual Reality genau?
Das VRVis ist ein außeruniversitäres Forschungszentrum in Wien. Wir sehen unsere Rolle darin eine Brücke zwischen der Wissenschaft und der Wirtschaft zu bauen. Unser Schwerpunkt liegt im Bereich des Visual Computing: Wir erforschen neue Technologien, um Daten am Computer sichtbar zu machen. Die Anwendungen reichen von digitalen Zwillingen (Digital Twins) bis zu Data Science oder Virtual Reality. Wir entwickeln dabei Lösungen für unsere KundInnen in unterschiedlichen Bereichen. Zum Beispiel ermöglichen wir die schnelle Analyse von Zeitreihendaten aus der Industrie, oder bieten die Visualisierung von Hochwassersimulationen an. Die verschiedenen Projekte eint, dass es Menschen nur durch die visuelle Darstellung möglich gemacht wird, Einblicke in große Datenmengen zu bekommen.

Sie sind die Leiterin einer Forschungsgruppe. Was machen Sie da genau?
Die Leitung einer Forschungsgruppe entspricht einer ähnlichen Position wie zum Beispiel die Leitung einer Firmenabteilung. Dazu gehört Budget-, Personal- und Projektverantwortung. Ich bin für die Planung und Durchführung der Projekte gemeinsam mit unseren Industrie- und WissenschaftspartnerInnen verantwortlich sowohl auf administrativer als auch auf personeller und inhaltlicher Basis. Zusätzlich bin ich auch damit beschäftigt neue Projekte zu akquirieren und Kontakte zu neuen PartnerInnen zu knüpfen. Ein Unterschied zur Leitung einer Firmenabteilung besteht darin, dass ich auch meine Position in der Wissenschaftscommunity vertreten muss. Das beinhaltet wissenschaftliche Publikationstätigkeit, Teilnahme an wissenschaftlichen Gremien und Reisen zu wissenschaftlichen Konferenzen. Am VRVis bilden wir auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus, weshalb die Betreuung von Masterstudierenden oder Dissertantinnen und Dissertanten oder meine Vortragstätigkeit an der Technische Universität Wien sowie an der Fachhochschule Salzburg ebenfalls in meinen Aufgabenbereich fallen.

Was fasziniert Sie an der Datenvisualisierung?
An Datenvisualisierung fasziniert mich speziell die explorative Analyse von Daten, denn diese hat etwas von Detektivarbeit. Man weiß nicht genau, was man in den Daten finden wird, ob Annahmen, die man getroffen hat, bestätigt werden, oder ob man neue Dinge entdecken wird, von denen man vorher noch nichts wusste. Und würde man, als Mensch, nur die Zahlen und Buchstaben betrachten, hätte man keine Möglichkeit, einen Zugang dazu zu finden. Datenvisualisierung ermöglicht es uns, aus den rohen Daten Bilder zu generieren, welche wir plötzlich verstehen und interpretieren können. Plötzlich ist es uns möglich, einen Dialog mit Daten einzugehen, Fragen zu stellen, und Antworten zu bekommen.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei VRVis Zentrum für Virtual Reality?
Am VRVis ist uns Diversität ein großes Anliegen. Wir sind sehr aktiv in der Frauenförderung und setzen seit vielen Jahren viele Maßnahmen um, um qualifizierte Frauen für unser Team gewinnen zu können. Wir freuen uns daher über einen Forscherinnen-Anteil von 31% und das, obwohl die Absolventinnenzahl für Informatik-Studien seit Jahren Österreichweit bei ca. 15% (Quelle: BMK/FEMtech) liegt. Die Frauenquote des gesamten VRVis-Teams betrug im Jahr 2021 sogar 34%, hier ist auch die Administration mitberücksichtig.

Was unternimmt VRVis Zentrum für Virtual Reality zur Förderung von Chancengleichheit in der Organisation?
Das VRVis ist sehr aktiv in der Diversitäts- und Nachwuchsförderung. Wir haben beispielsweise ein mehrjähriges FEMtech Karriere-Projekt bei uns umgesetzt, wo wir die Ausschreibungsverfahren, den Bewerbungsprozess, das Onboarding sowie unsere Kommunikation auf neue Beine gestellt haben, um die für das Thema Chancengleichheit notwendige Sensibilisierung strukturell zu verankern. Seitdem freuen wir uns über sehr viel mehr weibliche Bewerberinnen und einen steten Zuwachs an Forscherinnen. Wir sind eines der wenigen Forschungszentren, die einen Forscherinnenanteil von über 30% haben. Das ist nicht selbstverständlich und kommt nicht von allein. Es zeugt außerdem von unserem offenen und einladenden Arbeitsklima mit internationalem Team: wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 11 Ländern.

Wir wenden uns auch verstärkt an weibliche Studentinnen an den Universitäten, um diese für eine weiterführende Laufbahn in der Wissenschaft zu gewinnen. Allein im Jahr 2020 haben wir 32 Praktika ermöglicht, davon waren 4 FEMtech Praktika. Ich selbst bin Mitglied im Verein IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) Women in Engineering, in dem wir uns stark an Studentinnen wenden, um diesen mit Vernetzungstreffen, Weiterbildungen und anderen Veranstaltungen Einblick in verschiedene technische Bereiche geben zu können. Wir ermöglichen bereits Schülerinnen und Schülern Praktika an unserem Forschungszentrum, um die NachwuchswissenschaftlerInnen von morgen für Visual Computing zu begeistern. Genau aus diesem Grund öffnen wir unsere Türen auch am Töchtertag, oder nehmen am Wiener Forschungsfest und der Langen Nacht der Forschung teil, um eine breitere Öffentlichkeit, insbesondere Kinder und Jugendliche für unsere Arbeit zu interessieren.

Sie haben Informatik an der Technischen Universität Wien studiert. Wie kam es dazu?

Ich kann hier leider nicht mit einer Sandkisten-Geschichte auftrumpfen. Informatik war definitiv nicht meine erste Wahl. Eigentlich wollte ich in die wirtschaftliche Richtung studieren, ein Studium mit internationalem Schwerpunkt hätte mich interessiert. Nachdem ich aber auf meiner Wunsch-Fachhochschule nicht angenommen wurde, wurde es Plan B - die technische Richtung. Ich hatte daher dementsprechend am Beginn meines Informatikstudiums an der Technische Universität Wien keinerlei Vorstellung davon, was mich erwarten würde, und wo ich letztendlich landen werde. Ich wusste nur, dass ich es wahnsinnig spannend fand, was man diesen unscheinbaren Computerkasten alles entlocken kann, einfach durch ein paar Programmierbefehle, und was damit alles möglich war. Letztendlich bin ich sehr froh, dass es sich so ergeben hat, denn ich finde das nach wie vor sehr spannend und arbeite gerne mit Computern.

Wieso haben Sie sich für die außeruniversitäre Forschung entschieden?
Ich arbeite gerne wissenschaftlich, habe das auch gerne an der Technische Universität Wien getan. Allerdings bietet die außeruniversitäre Forschung die Möglichkeit, direkt an den Problemen und realen Herausforderungen der IndustriepartnerInnen zu arbeiten, und ihnen ganz konkret dafür Lösungen anzubieten. Ich habe es immer als spannender und interessanter gefunden, wenn am Ende der neuen Entwicklungen auch wirklich Anwenderinnen und Anwender sitzen, die in ihrem Arbeitsalltag mit den von uns erzeugten Tools arbeiten.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit mehr Mädchen und Frauen in Naturwissenschaft und Technik Fuß fassen?
Ich denke, dass mehr Schulprojekte mit praktischem Bezug es Mädchen ermöglichen würden, ein Interesse für technische Fragen zu entwickeln. Es gibt zahlreiche spielerische Zugänge, beispielsweise programmierbare Roboter. Mit solchen Robotern kann leicht demonstriert werden, wie man technische Einheiten programmiert. Solche Zugänge sind niederschwellig und spielerisch und würden eventuell die Befürchtungen entkräften, dass technische Sachen „zu schwer verständlich“ oder „langweilig“ sind. Man muss hier aber definitiv schon früher ansetzen, in der Schule oder im Kindergarten. Wenn es an die Studienwahl geht, haben sich die meisten schon entschieden.


Wordrap mit Johanna Schmidt 

Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
Lego Technic, weil man damit spannende Dinge bauen konnte, die man danach auch steuern konnte.

Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
Es wäre wieder Informatik, ich bin sehr froh über meine Wahl und arbeite sehr gerne im technischen Bereich.

Mein Vorbild ist:
Habe kein direktes Vorbild, bewundere eher viele verschiedene Eigenschaften/Taten von verschiedenen Personen.

Was ich gerne erfinden würde:
Beamen wäre wirklich verdammt praktisch, schnell an andere Orte reisen zu können, und sich gleichzeitig die Reisestrapazen zu ersparen.

Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
… würde das die Diversität in der Planung von neuen Systemen erhöhen, und somit die erzeugten Lösungen verbessern.

Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
… gäbe es mehr weibliche Vorbilder und Role Models.

Was verbinden Sie mit Innovation:
Über den Tellerrand hinausblicken.

Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
Innovationen mit hohem Risiko in der Umsetzung können nur mit Förderungen gestartet werden.

Meine Leseempfehlung lautet:
David McCandless: Knowledge is Beautiful, 2014