Expertin des Monats
Feb. 2006
MBA Sabine Fleischmann

Sabine Fleischmann ist seit 1990 in der Branche Informationstechnologie tätig und konnte in unterschiedlichen Bereichen tief greifende Erfahrungen sammeln. Ihre Karriere begann nach einer fundierten Informatikausbildung in der Anwendungsentwicklung und führte über technisches Consulting und Projektmanagement sehr früh zu Managementverantwortung sowohl im technischen Dienstleistungsbereich, im Marketing und Business Development. Heute ist sie Vertriebsleiterin bei Microsoft Österreich und Mitglied der Geschäftsleitung.

Seit einigen Jahren engagiert sie sich außerdem sehr aktiv auf verschiedensten Wegen, um Frauen und Mädchen zu motivieren, sowohl in technische Berufe einzusteigen als auch Managementkarrieren anzustreben.

Interview

Frau Fleischmann, Sie sind seit 1990 im Bereich Informationstechnologie tätig. Was hat Sie bewogen, mit 20 Jahren diese Richtung einzuschlagen?

Ich habe eine AHS absolviert und hatte dort in der 7. und 8. freiwilligen Informatik-Unterricht. Ich hatte aber keine Berufsvorstellungen oder Rollenbilder in dieser Hinsicht, sondern bin zufällig über die MaturantInnenberatung in eine einschlägige Ausbildungsschiene geraten, ein zweijähriges Informatik-Kolleg. Ich habe mir gedacht, das klingt gut, da kann man nach zwei Jahren gleich einen Beruf ergreifen und liegt den Eltern nicht lange auf der Tasche, was mir durchaus wichtig war.

Hat die Ausbildung gehalten, was sie versprochen hat?

Es war eine wirklich sehr fundierte Ausbildung - von PC-Grundlagen bis hin zu Compilerbau - die mir sehr Spaß gemacht hat. Die zwei Jahre Projektarbeit mit den Kollegen, vor allem die Gemeinschaftsprojekte, haben mich sehr interessiert. Fachlich habe ich mir leicht getan und neue Themen habe ich schnell verstanden. Es hat mich gereizt und mir Spaß gemacht, vor allem das Programmieren. Ich war überwiegend in der Softwareentwicklung tätig, was auch mein späterer Berufseinstieg war.

Wie ging es danach beruflich weiter?

Danach habe ich zwei Semester an der TU Technische Mathematik studiert. Es war zwar ganz spannend, aber sehr theoretisch im Vergleich zu den zwei Jahren davor. Nach dem ersten Studienjahr habe ich in den Sommerferien ein Jobangebot aus meinem direkten Umfeld bekommen. Damals hat Ikea für seine Osteuropaorganisation in Wien die gesamte EDV-Gruppe aufgebaut. Sie haben alle Applikationen selbst entwickelt, sehr viele Leute gesucht und mir ein sehr attraktives Angebot gemacht, das ich angenommen habe.

Ich bin in ein großes Projekt eingestiegen, habe Softwareentwicklung - genauer gesagt "Application-Engineering" - gemacht, was eine Kombination aus Analyse, Spezifikations- und Implementierungsarbeit ist. Ich habe in einem sehr internationalen Umfeld gearbeitet, denn unser Team bestand zur Hälfte aus Engländern, da am österreichischen Markt nicht ausreichend viele Ressourcen vorhanden waren. Wir hatten internationale Auftraggeber, Kunden, Manager aus Schweden, Dänemark, Schweiz etc. Danach bin ich über ein Stelleninserat zum Hersteller Oracle gekommen, der technische Berater und Consultants suchte. Das hat mich gereizt, ich habe mich beworben und den Job als Senior Consultant bekommen.

In dieser Aufgabe war es interessant, mit Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen zusammenzuarbeiten. Ich habe zum Beispiel Projekte für eine Pharmafirma im Laborbereich, für eine Kleiderfirma im Inventurbereich etc. gemacht. Nach zweieinhalb Jahren hat man mir die Teamleitung des Consultingteams angeboten. Nachdem ich meine Karriere sehr jung begonnen habe, habe ich das Thema "Frau in der IT und im Managementbereich" erst später für mich entdeckt. In den ersten Jahren meiner Karriere war ich immer die Jüngste im Team, somit musste ich mich erst einmal fachlich behaupten, damit ich akzeptiert wurde. Ich war immer schon eher extrovertiert und konnte mir mit der Zeit einen Ruf aufbauen und Referenzen vorweisen.

Nun sind Sie bei Microsoft tätig. Welche Aufgaben umfasst Ihr Tätigkeitsfeld?

Ich bin nun seit über 10 Jahren bei Microsoft und habe verschiedene Aufgaben wahrgenommen. Anfänglich war ich mit dem gleichen Thema wie bei Oracle beschäftigt, nämlich ein Consulting-Team aufzubauen. Dann kann mein Sohn auf die Welt. Ich ging für 8 Monate in Karenz, war nebenbei aber geringfügig beschäftigt. Bei meiner Rückkehr wurde gerade ein neuer Bereich gegründet und ich wurde gefragt, ob ich diesen aufbauen möchte. Es ging darum, Softwareentwickler als neue Microsoft-Partner zu gewinnen.

Während der folgenden Jahre sind ständig neue Verantwortungsgebiete dazugekommen, ich habe das Produktmanagement geleitet und später die Partnerbetreuung, Businessdevelopment im "Dotcom" und im "Application Service Providing" Bereich gemacht. Danach habe ich den stark gewachsenen Geschäftsbereich Microsoft Services geleitet und vor zwei Jahren gab es dann die Möglichkeit, wieder etwas Neues zu machen. Seitdem bin ich für den Vertriebsbereich KMU-Markt in Österreich verantwortlich. Meine Aufgaben haben sich in den letzten Jahren eher in Richtung Business- und People-Management verlagert. Mein technischer Hintergrund ist dafür aber immer noch sehr hilfreich und notwendig.

Sie haben eine rasante Karriere gemacht, sind seit 9 Jahren Mitglied der Geschäftsleitung. Was waren ihrer Meinung nach wichtige Stationen auf Ihrem Karriereweg?

Bei Microsoft haben sich durch das starke Wachstum der Organisation viele Opportunities für mich ergeben, die ich auch gerne genutzt habe. Ein wichtiger Meilenstein war sicher, als ich vor fünf Jahren die Leitung des Services Bereichs übernommen habe. Das war das das erste Mal, dass ich eine bestehende Organisation mit Managern und Teams übernommen habe. Davor habe ich eigentlich immer Teams selbst aufgebaut.

Sie sagen selbst, der Anteil an Frauen im IT-Bereich ist zu gering. Wie haben Sie es erlebt oder wie erleben Sie es, in einem männlich dominierten Bereich tätig zu sein?

Im Nachhinein eher positiv. Dadurch, dass ich in meinem Umfeld fachlich immer anerkannt war, habe ich darin sogar manchmal eher Vorteile gesehen und genutzt. Gerade zum Beispiel in schwierigen Verhandlungen kann man als Frau in einer männerdominierten Welt eine andere Kommunikation führen, und hat mehr Möglichkeiten als "von Mann zu Mann".

Wurde in Ihrer Familie Interesse an technischen Dingen gefördert? Wer hat Sie gefördert?

Einer meiner ersten Manager bei Oracle, der mich in meine erste Teamleitungs-Position gebracht hat, war so etwas wie mein Mentor. Er hat schon sehr früh in mir dieses Talent entdeckt und hat mich für die Teamleitung vorgeschlagen. Von meiner Seite aus hätte ich mich damals wahrscheinlich noch nicht aktiv darum bemüht. Auch meine Familie hat mich immer unterstützt.

Ich bin seit 15 Jahren verheiratet, mein Mann kommt ursprünglich auch aus der IT, hat aber inzwischen in die Unternehmensberatung gewechselt. Für ihn war es selbstverständlich, dass wir beide eigene Berufslaufbahnen haben. Und als wir unser Kind bekommen haben, war klar, dass es hier keine traditionelle Rollenaufteilung geben wird. Mein Mann war auch einige Monate zu Hause bei unserem Sohn. Ein wichtiges Supportnetz waren und sind auch meine Eltern.

Wie hat sich für Sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gestaltet bzw. wie gestaltet sie sich?

Man kann Privates und Berufliches ganz gut kombinieren, wenn man die Möglichkeit hat, Teile der Arbeit zeitlich und örtlich flexibel zu gestalten. Mir ist dieser Arbeitsstil sehr sympathisch. In Summe ist die Vereinbarkeit Beruf - Familie sicher schwierig, aber manches kann man selber meistern. Eine pragmatische Hilfe von außen sind klarerweise Kinderbetreuungseinrichtungen. Da hatten mein Mann und ich sicher Glück mit Kinderbetreuung und Kindergarten. Das ist für viele Frauen nicht möglich.

Welche Veränderungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie würden Sie sich wünschen?

Was ich mir wünschen würde, ist eine aufgeklärtere Gesellschaft! Dieser implizite "Rabenmutter-Vorwurf", dass Kindertagesstätten und eine Tagesmutter so etwas wie Aufbewahrungsmöglichkeiten sind, erzeugt unnötigen Druck. Ich halte es für völlig überzogen, altmodisch und störend.

Wie sind Sie persönlich damit umgegangen?

Dem gesellschaftlichen Druck muss man standhalten. Ich kenne viele Familien, die Kinderbetreuung zwar logistisch lösen können, wo aber die Frauen ständig ein schlechtes Gewissen haben.

Ich sehe, dass unser Sohn sehr davon profitiert hat, mehrere Bezugspersonen zu haben. Eine Hilfestellung für mich war sicher auch die Firmenkultur bei den Unternehmen, in denen ich tätig war und bin. Dort ist es normal, auf Familienverpflichtungen der Mitarbeiter auch Rücksicht zu nehmen.

Microsoft achtet auch darauf, bei diversen Firmenveranstaltungen, Weihnachtsfeiern etc. immer auch alle karenzierten MitarbeiterInnen einzuladen. Generell ist die Verbesserung der sogenannten "Work-Life-Balance" für alle Mitarbeiter ein Schwerpunkt.

Hätten Sie als kleines Mädchen gedacht, dass Sie einmal im Management eines großen Technologie-Unternehmens tätig würden?

Nein, eigentlich nicht. Außer Stewardess und Architektin kann ich mich an gar keine anderen Berufswünsche aus meiner Kindheit erinnern. Aber es war für mich schon als Mädchen klar, dass ich gerne eigenständig sein möchte. Ich wollte einen eigenen Beruf, ein eigenes Leben, später schon auch mit Familie, aber nicht als Anhängsel oder in Abhängigkeit. Ich wollte selbständig sein und mich verwirklichen können.

Welche Kenntnisse oder Eigenschaften braucht man Ihrer Meinung nach, um wie Sie an die Spitze eines technologieorientierten Unternehmens zu kommen?

Man braucht Selbstbewusstsein, muss sich selbst etwas zutrauen. Niemand wird immer alles perfekt machen, aber man darf keine Angst davor haben. Man braucht Selbstreflexion, muss sich selbst und seine Stärken und Schwächen kennen. Gerade im Managementbereich ist es wichtig, mit anderen Leuten gut umgehen zu können und dazu ist es notwendig zu wissen, wer man selbst ist.

Außerdem ist Humor für mich persönlich eine wichtige Eigenschaft. Es wäre für das eigene Wohlbefinden früher oder später mühsam, wenn man immer ernsthaft und verbissen ist. Gerade im EDV-Bereich gibt es immer wieder Situationen, wo die Dinge nicht so rosig funktionieren. Es geht nicht darum, dass ein Fall bearbeitet und danach abgelegt wird. Man braucht einen fachlich guten, sowie einen pragmatischen und humorvollen Umgang. Und man muss gerne mit Leuten zu tun haben.

Würden Sie sagen, dass Frauen andere oder zusätzliche Eigenschaften haben müssen, um im naturwissenschaftlich-technischen Bereich erfolgreich tätig zu sein?

Vor allem, wenn man sich weiterentwickeln will, ist die Art, wie Menschen an Herausforderungen heran gehen, sehr unterschiedlich. Statistisch gesehen trauen sich Männer häufiger mehr zu und kommunizieren das auch. Sie überbewerten sich gerne. Frauen neigen hingegen eher zum Understatement.

Die Personalabteilung muss sich dessen bei Bewerbungen bewusst sein und es aktiv berücksichtigen. Wenn aber auf der personalverantwortlichen Seite viele Männer sitzen, die diese Erfahrungen nicht gemacht haben, kann das ein verstecktes Hindernis für Frauen sein, die dann beim Gespräch schlechter abschneiden. Frauen laufen dann Gefahr, fachlich weniger qualifiziert zu wirken, obwohl sie das gleiche Know-how haben.

Sie haben kein Hochschulstudium abgeschlossen. War das jemals von Nachteil für Sie?

In meinem Aufgabengebiet und mit meiner Berufserfahrung macht es praktisch kaum einen Unterschied, ob ich ein Studium abgeschlossen habe oder nicht. Für mich war damals wichtig, eine gute Ausbildung zu haben und früh arbeiten gehen zu können. Diese Entscheidung habe ich bewusst getroffen.

Sie haben in einem Statement gesagt, ein wichtiger Punkt zur Förderung eines höheren Frauenanteils im technischen Bereich ist die Auflösung einseitiger Klischees und die Vermittlung von Aspekten, die von Frauen positiv gesehen werden. Was wäre das aus Ihrer Sicht?

Wenn man Frauen fragt, was für sie bei der Berufswahl wichtig ist, sagen sie sehr häufig, sie möchten viel mit Menschen zu tun haben, viel kommunizieren, eine freie Zeiteinteilung haben und etwas beeinflussen können. Ich habe mir dahingehend meine Aufgaben und mein Umfeld angesehen und kann sagen: selbst als ich noch programmiert habe, habe ich nie mehr Zeit mit Computern als mit Menschen verbracht, habe immer viel kommuniziert und hatte freie Zeiteinteilung. Mir ist es wichtig, dass man das transportiert! Es gibt keine Aufklärung darüber, welche Vielfalt an Aufgaben und Berufsbildern im EDV-Bereich existiert. Kein Mensch weiß zum Beispiel, was ein Produktmanager eigentlich macht. - Hier braucht man beispielsweise starke Kommunikationsfähigkeiten, Flexibilität, Präsentationstalent, Verhandlungsgeschick.

Diese Berufsbilder zu kommunizieren, ist mir wichtig! Es gibt z.B. viele beliebte Fernsehserien, in denen Anwältinnen, Ärztinnen, Polizistinnen, Mordkommissarinnen vorkommen, aber keine über EDV-Spezialistinnen, die uns ein Image dieser Berufsgruppe vermitteln würden!

Sie sind sehr aktiv als "role model" und in der Förderung von Frauen, z.B. durch einen innerbetrieblichen Mentoring-Ring. Welche Unterstützung versuchen Sie zu geben?

Microsoft ist als Unternehmen sehr aktiv, was die Durchführung von Projekten unter dem Dach "Corporate Social Responsibility" betrifft. In der österreichischen Geschäftsleitung bin ich unter anderem das "Sprachrohr" für das Thema Frauen und IT. Wir arbeiten hier mit den Universitäten zusammen, mit Ausbildungsinitiativen. Wir nehmen teil an Initiativen wie dem Töchtertag, dem "GITI-Tag" (Girl in IT) u.ä. Aus dem Programm "FIT Wien" hatte ich vor kurzem eine Gruppe von Maturantinnen im Haus und habe einen Nachmittag mit Diskussionsrunden organisiert.

Was würden Sie jungen Frauen empfehlen, die einen ähnlichen Karriereweg einschlagen?

Es einfach zu tun und nicht so viel zu zweifeln! Man muss beruflich einen Weg einfach einschlagen wollen. Ob es schlussendlich auch so kommt, ist ohnehin offen. Aber es ist wichtig, die Energie zum Fließen zu bringen und weiterzukommen. Wenn man vorher schon zaudert, wird man höchst wahrscheinlich hängen bleiben. Ein bisschen Egoismus ist gesund!

Wie eng sind Beruf und Freizeit bei Ihnen verwoben? Gibt es für Sie Zeiten, wo Sie abschalten können und wie gestalten Sie Ihre Freizeit?

Es bleibt zwar wenig Freizeit, aber ich schaffe es zumindest immer noch, am Abend vor dem Schlafen gehen ein paar Seiten zu lesen. Hier lese ich bewusst kaum Fachliteratur, sondern eher Prosa, oder etwas Spannendes, Geschichtliches, Dokumentationen. Privat genieße ich es, im Kreis von Freunden oder Familie über verschiedenste Themen, angefangen beim Tagesgeschehen, zu philosophieren und zu diskutieren Um körperlich fit zu bleiben, gehe ich am Wochenende regelmäßig joggen, ab und zu auch unter der Woche.

Was möchten Sie beruflich gerne noch erreichen?

Das ist schwer zu sagen, nachdem ich viele meiner Aufgaben vorher nicht vorhersehen konnte. Meine Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass eine Position dann spannend ist, wenn ich etwas beeinflussen kann. Ich würde zum Beispiel nicht in eine Funktion gehen wollen, wo man nichts verändern und entscheiden kann. Sei es in der Beratung Kunden zu beeinflussen und ihnen zu helfen, oder als Manager Organisationen und Mitarbeiter zu leiten. Ich glaube, das kann ich gut und das macht mir sehr viel Spaß.

Interview: Inge Schrattenecker, ÖGUT

Sabine Fleischmann
MBA Sabine Fleischmann

Constantia Industries AG

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Letzte Aktualisierung: 10.03.2021