Expertin des Monats
Okt. 2008
DIin Renate Tisch, MBA

Renate Tisch ist Eisenbahnexpertin mit mehr als zehn jähriger Erfahrung. Sie studierte Technische Physik an der TU Wien und absolvierte zusätzlich berufsbegleitend einen Master of Business and Administration an der TU Wien und Donauuniversität Krems. Bereits der Berufseinstieg im Jahr 1995 führte sie in die Eisenbahntechnik. So arbeitete sie einige Jahre als Projektleiterin in einem Ingenieurbüro in Wien, bevor sie 2004 die Zweigniederlassungsleitung der TÜV Rheinland InterTraffic GmbH in Österreich übernahm. Als Repräsentantin der TÜV Rheinland InterTraffic GmbH in Österreich koordiniert, verwaltet und unterstützt sie die Bahnprojekte des Unternehmens. Weiters berät die technische Physikerin zahlreiche Eisenbahnunternehmen bei der Einführung von Sicherheits- und Qualitätsmanagementsystemen und ist Expertin für Sicherheitsbegutachtung und Sicherheitsnachweise. 

Daneben berät sie österreichische Kunden in vielfältigen Sicherheits- und Qualitätsfragen des Eisenbahnwesens. Ferner kommt sie auch bei internationalen Eisenbahnprojekten, zuletzt in Dubai, zum Einsatz. Dipl.-Ing. Renate Tisch ist in ihrer nunmehr 13-jährigen Berufstätigkeit zu einer umfassenden Eisenbahnexpertin geworden, angefangen von der Infrastruktur, Energie- und Signaltechnik über das rollende Material im Personen- und Schienengüterverkehr bis hin zu Spezialfragen des Betriebs, der Instandhaltung und Sicherheit im Eisenbahnwesen.

Dass Renate Tisch die Eisenbahnsicherheit zu ihrem berufliches Thema gemacht hat, kommt nicht von ungefähr: Schon während ihres Studiums am Wiener Atominstitut hat sie sich mit Sicherheit, in diesem Fall Reaktorsicherheit, beschäftigt. Mit einem Abschluss als Master of Business and Administration konnte Renate Tisch ihrem technischen Basisstudium durch diese Zusatzqualifikation einen ,,Mehrwert" verleihen. Denn die Physikerin ist der Meinung, dass technisches Wissen allein in unserer zunehmend wirtschaftlich und juristisch dominierten Welt nicht ausreicht. Zusatzwissen in Marketing, Vertrieb, Projektmanagement und Recht seien unentbehrlich um erfolgreich Projekte und Geschäfte zu machen, ebenso wie das Entwickeln erfolgreicher Kommunikationsstrategien.

In der Eisenbahnbranche werden erfolgreiche Geschäfte in erster Linie von Männern über 50 gemacht, kritisiert Renate Tisch, obgleich es vereinzelt bereits Projektleiterinnen und Vorständinnen gibt. Sie fordert deshalb eine Verjüngung und gleichzeitig eine Öffnung für Frauen in ihrer Branche.

Interview

Sie wurden bei einem Interview als einzige Eisenbahntechnikerin in Österreich vorgestellt. Sind Sie das nach wie vor?

Ich bin sicher nicht die einzige Eisenbahntechnikerin in Österreich, aber dass es nicht viele Frauen in diesem Bereich gibt, wird mir bei Veranstaltungen immer wieder bewusst. Da gibt es kaum Frauen unter den Vortragenden und bei den TeilnehmerInnen.

Sie haben Technische Physik an der TU Wien studiert. Wie viele Kolleginnen hatten Sie?

In meinem Jahrgang waren weniger als 10% Frauen.

Warum haben Sie ein technisches Studium gewählt?

Die Physik hat mich interessiert, weil ein Bekannter meiner Familie den Atomversuchsreaktor der Uni Wien leitet, und dieser Mensch hat mich in meiner Kindheit sehr beeindruckt. Als Jugendliche dachte ich: ,,Ein Mensch, der Technischer Physiker ist, ist toll." Später hat mich dann mein Physik- und Mathematikprofessor sehr beeindruckt und gefördert. Ich war in einer reinen Mädchenschule und in meinem Jahrgang haben drei Mädchen Technische Physik studiert. Ein weiterer Grund war, dass ich mich von anderen abheben wollte. Meine Schulkolleginnen und ich wären nie auf die WU gegangen, wo tausende Leute studieren. Ich habe mir gedacht: ,,Wenn Du das schaffst, dann bist Du eine von wenigen und dann wird sich auch ein guter Job ergeben."

Was bietet das Studium der Technischen Physik?

Technische Physik ist ein breit gefächertes naturwissenschaftliches Studium. Das Studium beinhaltet alle Grundlagenfächer wie Mathematik, Physik, Mechanik, Elektronik usw.. Und dann sehr viel Atomphysik, moderne Quantentheorie und Elektrodynamik. Mit dem Studium Technische Physik hat man keine einschlägige Berufsausbildung. Man lernt zu denken, muss sich dann aber selbst weiterbilden, um sich fachlich zu etablieren. Sie finden PhysikerInnen u.a. in Krankenhäusern, wo sie sich mit Hochtechnologiegeräten auseinandersetzen, ebenso wie in Banken, im Bereich Risikomanagement. 

Nach Ihrem Studium sind Sie in die Eisenbahntechnik eingestiegen. Wie kam es dazu?

Ich wollte nach dem Studium als Physikerin arbeiten und habe mich deshalb bei Zivilingenieuren für Technische Physik und Technische Chemie beworben. Schlussendlich ist es aber ein technisches Büro geworden, welches auf Telekom- und Eisenbahntechnik spezialisiert war. 

Welche Erfahrungen haben Sie in dieser fast ausschließlich von Männern dominierten Branche gemacht?

Während dem Studium hat man uns Frauen akzeptiert. Die Professoren waren kulant. Es war immer ganz O.K. und nicht diskriminierend. Im Arbeitsbereich der Eisenbahntechnik war ich am Anfang sicherlich eine Exotin. Nach einigen Jahren in dieser Branche fühle ich mich jetzt nicht mehr so. Jetzt gehöre ich dazu.

Seit 2004 sind Sie Niederlassungsleiterin der TÜV Rheinland InterTraffic GmbH in Österreich. Was interessiert Sie an diesem Job?

Ich repräsentiere die TÜV Rheinland InterTraffic GmbH in Österreich. Zu meinen Aufgaben gehört die gesamte Verwaltung und Administration der Zweigniederlassung in Wien. Ich koordiniere z.B. alle Eisenbahnprojekte in Österreich. Unser Unternehmen sitzt am Konzernstandort in Köln und hat rund 60 - 70 MitarbeiterInnen, die auf Eisenbahntechnik spezialisiert sind. Die Firma gehört zum großen weltweit vertretenen TÜV Rheinland Konzern mit insgesamt an die 12.500 MitarbeiterInnen. 
Wir sind PapierarbeiterInnen. Wir machen keine Planungen. Wir bekommen die fertig geplanten Projekte auf den Tisch und dann tritt das Prüf- und Gutachterwesen ein. Zum Beispiel sind wir jetzt beim Hauptbahnhof in Wien als Gutachter engagiert. Wir bekommen die ganzen Pläne und Unterlagen und untersuchen, ob der Stand der Eisenbahntechnik und Spezialthemen wie Arbeitnehmerschutz eingehalten worden sind.

Was ist der TÜV?

Der TÜV Rheinland ist ein technischer Überwachungsverein, der sich in den letzten Jahrzehnten zu einem internationalen, Dienstleistungskonzern hinentwickelt hat. Die Kernkompetenzen des TÜV sind prüfen und zertifizieren. Und das tun wir unter der TÜV Rheinland Marke ,,Genau. Richtig.". Unsere spezielle Aufgabe als Bahntechnik-Kompetenzcenter ist es, Projekte mit schienengebundener Infrastruktur und Fahrzeugen zu überprüfen und Gutachten zu erstellen. 

Wer sind Ihre Auftraggeber?

Unsere Auftraggeber sind Betreibergesellschaften wie die ÖBB oder Privatbahnen. Wir arbeiten auch für Behörden und die Industrien. 

Fahren Sie selber gerne mit der Bahn?

Ja. Aber da bin ich Reisende. Da beschäftigt mich, dass ich einen angenehmen Sitzplatz habe und dass ich etwas zum Lesen habe. 

Was sind für Sie wichtige Schritte für eine erfolgreiche Karriere?

Für mich ist wichtig, dass ich meine Aus- und Weiterbildung als Bausteinsystem sehe. Ich habe eine technische Ausbildung gemacht und dann im Aufbaustudium Wirtschaft dazu genommen. In den letzten Jahren ist mir klar geworden, dass Technik und Wirtschaft nicht reichen. Ich sehe großen Aufholbedarf für TechnikerInnen im Bereich Projektmanagement, Marketing und Vertrieb. In diesen Bereichen habe ich in der letzten Zeit viel gemacht.

Sie haben als Mentee mit Führungserfahrung beim Mentoring Circle (Der Standard) teilgenommen. Was sind ihre Erfahrungen mit Mentoring?

Es waren alle Branchen vertreten und ich habe mir als Technikerin einen Versicherungsvorstand ausgewählt. Der Vertrieb war für mich als Technikerin eine völlig neue Welt. Ich habe bei der Versicherung meines Mentors ein Verkaufsseminar besucht und das war für mich nach 13 Jahren Berufstätigkeit wirklich Neuland. Ich habe neue Begriffe gehört, die sind mir noch nie untergekommen. Nach 6 Jahren Studium und 13 Jahren Beruf habe ich erkannt, dass Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung ein wichtiger Baustein in der Karriereentwicklung ist.

Das Programm FEMtech unterstützt Frauen in Forschung und Technologie. Was muss Ihrer Meinung nach getan werden, um mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern?

Ich hatte in den letzten Jahren mehrere Interviews. Diese Interviews haben dazu geführt, dass ich mich bewusst mit meiner Karriere, meinem Beruf und meiner Rolle als Frau in diesem Beruf auseinandergesetzt habe. Durch diese Sichtbarmachung von Frauen in männerdominierten Branchen ist auch mein Selbstbewusstsein sehr gestärkt worden. Frauen werden dadurch in der Gesellschaft wahrgenommen und deren Leistungen werden anerkannt. Die reine Männerwelt existiert dann, wenn Frauen nicht öffentlich sichtbar sind. 

Was wären für Sie geeignete Maßnahmen, um Frauen sichtbarer zu machen?

Mir gefällt z.B. das skandinavische Modell mit Quoten bei der Besetzung der Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen. 

Wie wichtig finden Sie Role Models?

Die herkömmlichen Bilder von Frauen und Männern müssen sich in der Gesellschaft ändern. Als Beispiel fällt mir hier der BAWAG Prozess ein, wo eine Frau als Richterin in der Öffentlichkeit sehr präsent war. Dadurch verändern sich Bilder.

Sie sind seit zwei Wochen in Mutterschutz. Wie sehen Sie aus dieser Perspektive das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Mir kommt zu Gute, dass mein Arbeitsgeber aus Deutschland kommt und es dort andere Karenzmodelle gibt. Frauen in Deutschland fangen relativ früh wieder zu arbeiten an und ich plane jetzt schon den Wiedereinstieg. Ich denke, dass sich auch die Sicht der (Ehe)Männer geändert hat. Diese Männer sind gewohnt, dass sie mit gut verdienenden Frauen zusammenleben und deren Wunsch ist es nicht, dass sie über lange Jahre Alleinverdiener sind. Das ist auch gar nicht leistbar in der heutigen Zeit. Ich sehe Arbeitsteilung auch als Maßnahme gegen Überforderung eines der Ehepartner.

Wie stellen Sie sich Ihren Wiedereinstieg vor?

Ich habe mit meinen KollegInnen vereinbart, dass ich ab nächstem Herbst wieder einsteige und geringfügig in Projekte eingebunden werde. Teilweise werde ich sicher von zu Hause aus arbeiten. 

Wie sehen Sie die Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit in Österreich?

In Österreich ist der Arbeitsmarkt viel abgeschotteter und konservativer. Das Familienthema ist schwieriger zu bewältigen als z.B. in Skandinavien. Als Mutter ist man finanziell schlechter gestellt als wenn man arbeitslos wäre. Für Frauen wie mich, wäre ein einkommensabhängiges Karenzgeld wie in Deutschland eine tolle Sache. 

Was ist Ihr berufliches Ziel?

Ich möchte gerne weiterhin Unternehmen aufbauen. Das habe ich bereits die letzten vier Jahre verfolgt und das werde ich noch weiter verfolgen.

Danke für das Interview!

Das Interview führte Inge Schrattenecker, ÖGUT. 

Renate Tisch
DIin Renate Tisch, MBA

TÜV Rheinland InterTraffic GmbH

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Letzte Aktualisierung: 05.05.2023